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Musizieren während Corona – Innenansichten eines Dirigenten

Musizieren während Corona – Innenansichten eines Dirigenten 2021

Um es gleich vorweg mitzuteilen, ich finde Konzertberichte eine schwierige Textform. Lobhudelei und Verriss bilden die häufigen Extreme. Meist sind sie von Hobbyjournalisten älteren Datums geschrieben, denn ein «richtiger» Journalist findet kaum den Weg in eine Laienaufführung. Früher war das anders. Denkt man an die berühmte Rezension von E.T.A. Hoffmann über seinen Konzertbesuch von Beethovens 5. Sinfonie, die bis heute auch Eingang in den Musikunterricht gefunden hat, waren es doch häufig Literaten, die sich dieser Textsorte annahmen. Ich bin weder Literat noch Journalist, sondern Musiklehrer und Dirigent. Dennoch habe ich über das Gemeinschaftskonzert von Vocal Joy und Arcanti am Freitag, den 7. und Montag, den 10. Mai 2021 im Theatersaal der Kantonsschule Menzingen einen vielleicht ähnlich bleibenden Eindruck erhalten, wie E.T.A. Hoffmann damals - einen höchst emotional positiven Eindruck, das Konzert wird einen besonderen Platz in den Erinnerungen meiner schon vielen dirigierten Konzerte erhalten.

Enthaltsamkeit gibt es im Kloster, beim Heilfasten und für einen trockenen Alkoholiker ist sie lebensnotwenig. Als wir im März 2020 zwei Tage vor unseren Konzertterminen mit einem Auftrittsverbot wegen Gefahren für Leib und Leben von der Schulleitung belegt wurden, hätte ich nie gedacht, dass es über ein Jahr dauern würde, bis man wieder vor Publikum musizieren kann. Alle Musikstücke waren damals sehr gut einstudiert und der freie Fall ins Nichts glich einer Schockstarre. Keiner der Schülerinnen und Schüler des Freifaches Arcanti verlor auch nur ein Wort des Unmutes über die verbotenen Konzerte im April 2020. Lockdown! Es war dem Zufall geschuldet, dass die Neuauflage des Freifaches Arcanti im Schuljahr 2020/21 der dem Jahr 2019/2020 glich. Als wir im März 2021 mit der Möglichkeit eines Konzerts erneut zu proben begannen, war die Stimmung besonders. Wir dürfen wieder musizieren (!) und es klang von Anfang an unglaublich. Die Zeit dazwischen existierte einfach nicht. - Ich übertreibe natürlich! Sie haben es sicherlich gemerkt. Es dauerte bis zum Konzert, bis die letzten Noten die richtige Stelle gefunden haben. - Uns verband die Begeisterung für Musik. Sie war die treibende Kraft, die uns alle gemeinsam zum lang ersehnten Ziel führte.

«Schüler klatschen nicht gerne! Das ist viel zu anstrengend! … Bloss keine zu lange Pausen, sonst haben wir ein unruhiges Publikum.» Meine Schüler kennen meine Sprüche, witzig und unterhaltsam, immer mit einem wahren Kern. Die zwei Konzerte waren gefühlt so anstrengend wie die Oratorien «Die Schöpfung» oder «Die Jahreszeiten» von Joseph Hayden, die ich Jahre zuvor aufgeführt habe. (Beide dauern knapp 3 Stunden.) Es wurde wenig, dafür intensiv geklatscht. Vocal Joy eröffnete mit drei unglaublichen Liedern, begleitet von Pascal Bruggisser und unter Leitung von Steve Grob. Man glaubte es kaum, der Chor sang mit Masken und das hervorragend! Die Bewegungseinlagen waren natürlich und unterstrichen die Aussagen der Lieder. Maike und Franziska aus der K4z retteten mit ihren Ansagen wenigstens etwas Zeit, denn es ging dann schnell von Orchesterstück zu Orchesterstück weiter. Das Arcanti spielte unglaublich dynamisch, mit Spielfreude und jeder der Spieler suchte den Augenkontakt, um mein Aviso genau abzunehmen.

Keiner hat es bemerkt! Am Montag hatte ich das vierte Orchesterstück mit dem fünften verwechselt. Meine Anweisung leise und langsam, die ich zu Beginn des Musikstücks drei Mal(!) geben musste wurde vom Orchester endlich mit laut und schnell erwidert. Der Maske sei Dank konnten die Musiker meinen erstaunten Gesichtsausdruck nicht sehen. Das war der einzige Moment, wo ich mich ausnahmsweise zurückziehen konnte, das Orchesterstück wie selten genoss und auswendig dirigiert habe.

Ich hätte nie gedacht, jemals einen maskierten Chor mit Orchester zu leiteten. Zum Glück instruierten mich einige Sängerinnen in der Vorprobe: «Herr Tremmel, zuerst der Bass, dann der Alt und dann Sopran.» Die Partituren zu den beiden Schlusstücken «Disney Songs» und «Neh nah nah» von Vaya Con Dios enthielten auf Grund der Kürze der Vorbereitung für das Konzert nur eine einstimmige Liedzeile. Kein Sänger oder Sängerin hat es bemerkt, ich gab die Einsätze immer für alle. So eine Maske beim Dirigieren hat schon viele Vorteile.

Gefühlt auf der Bühne war ich über die Konzentration und Ruhe im Schülerpublikum überrascht. Ein Kollege meinte am Ende des Konzerts: «Es war schön, sich wieder über das Getuschel in der Stuhlreihe hinter sich aufzuregen.» Eine Kollegin schrieb mir: «Ich möchte mich für euer tolles Konzert vom Montag bedanken, das ich sehr genossen habe! Es war ein wahrliches Feuerwerk von verschiedenen Liedern und Musikstücken in gelungener Auswahl und Umsetzung! Es hat mich beschwingt aus dem Saal gehen lassen.»

Marcus Tremmel, Musikalische Leitung Arcanti Orchester

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