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07.12.2018

Mitbringsel

07.12.2018
Unser Kolumnist Karl Salzmann macht sich Gedanken über BYOD.
Farbige Bodenplatten aus Glas
Bild Legende:

Eigentlich erstaunlich, dass sich eine so hässliche Abkürzung durchgesetzt hat: BYOD. Hier haben wir es mit einem Akronymmonster zu tun wie bei der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), dem Strafgesetzbuch (StGB) oder der Young Men's Christian Association (YMCA). Letztere wird beim Tanzen des gleichnamigen Songs immerhin durch lustige Gesten ästhetisch aufgewertet. Zu BYOD – Bring Your Own Device – gibt es keinen kollektiven Freudentanz. Das Kürzel meint, dass Schülerinnen, Schüler und Lehrpersonen künftig ihre eigenen, privaten Geräte in den Unterricht mitbringen und damit lernen und lehren. So will es die neue Schulinformatikstrategie des Kantons. Die Zeiten, als man an der Kanti Zug ganze Klassen in ein Computerzimmer verschob, wenn man mit PCs arbeiten wollte, gehören bald der Vergangenheit an. Die schulische Computerinfrastruktur wird abgebaut – Elektronik wird zur Bringschuld.

Innovation ist für mich alles andere als ein Reizwort und ich setze Computer gerne im Unterricht ein. In der neuen Mitbringkultur sehe ich darum durchaus Vorteile. Wie oft wäre ich schon froh gewesen, wenn meine Klassen Computer zur Verfügung gehabt hätten, um zu recherchieren, eine Arbeit zu dokumentieren oder auf eine Lernplattform zuzugreifen. Ich stelle es mir auch angenehm vor, wenn die Ausrede: «Ich habe die Hausaufgabe gemacht, aber zuhause vergessen» nicht mehr zieht, weil eine erledigte Arbeit jederzeit aus der Datenwolke gezaubert und vorgezeigt werden kann. Und selbstverständlich anerkenne ich die Notwendigkeit, dass die Jugendlichen den Umgang mit dem Computer routiniert beherrschen, damit sie für das Studium und den späteren Beruf gerüstet sind. Kurz: Ich freue mich darauf, mich im Bereich des computergestützten Lernens weiterzuentwickeln. Pauschalen Digitalpessimismus halte ich für fehl am Platz.

Aber ich denke bei BYOD auch an Béa. Meine Gattin und Berufskollegin führt mir täglich vor Augen, wo bei der BYOD-Einführung die Stolpersteine liegen werden. Nicht die Maschinen sind das Problem, sondern die Beziehung zwischen den Maschinen und den Menschen. Im Fall von Béa ist es eine Hassliebe: Sie liebt es, wenn der Computer reibungslos läuft, sie erfreut sich an diesem Wunderding der Technik – und könnte den Rechner aus dem Fenster werfen, wenn er sie mit einem für sie unlösbaren Problem konfrontiert. Und das tut er oft. Mal synchronisiert die Cloud nicht, mal «verschwindet» angeblich ein Druckauftrag, ein Update misslingt, der Bluetooth-Stift streikt, das Programm stürzt ab, der Beamer überträgt den Bildschirm nicht. Ich helfe meiner Frau bei derartigen Problemen gerne – dieser Beistand war im Ehegelübde wohl mitgemeint –, aber bei der Vorstellung, dass ich mich bald mit ähnlichen Supportanfragen meiner Schülerinnen und Schüler konfrontiert sehe, überkommt mich das Grauen. Und glauben Sie nicht, die sogenannten digital natives bräuchten keine Unterstützung! Schon heute muss ich einzelnen Schülerinnen und Schülern im Computerraum beim Ausdrucken eines Dokumentes oder beim Senden einer Datei helfen. Und kürzlich verzweifelte eine Drittklässlerin fast, weil sie es nicht schaffte, ein Foto von ihrem Handy auf den Computer zu übertragen. Solche Probleme löse ich schnell – weil ich unsere Computerinfrastruktur kenne. Bei 24 verschiedenen Geräten wäre ich mit individualisiertem Support überfordert. Und apropos Überforderung: Diese Gefahr besteht in disziplinarischer und finanzieller Hinsicht auch auf Seiten der Lernenden und der Erziehungsberechtigten. Ich meine die Schwierigkeit, sich auf den Unterricht zu konzentrieren, wenn die Schülerinnen und Schüler stets einen Computer mit einem vielfältigen Ablenkungsangebot vor sich haben. Und ich spreche die finanzielle Belastung für die Eltern an, die ihren Kindern ein Gerät finanzieren müssen.

BYOD – eine Schnapsidee? So weit würde ich nicht gehen. Aber ganz werde ich den Verdacht nicht los, dass ein Bildungspolitiker auf einem Weiterbildungsurlaub in Australien oder Neuseeland bei einem Glas Wein Inspiration gesucht und gefunden hat. Down under kennt man das Bring-Your-Own-Prinzip in der Gastronomie ja schon lange – man darf ins Restaurant den eigenen Wein mitbringen. Allerdings ist BYO in vielen Lokalen eine Option und kein Muss – weil der Wirt auch einen geniessbaren Wein auf der Karte hat. Und das erwarte ich eigentlich von einem guten Betrieb: dass er ein Angebot hat, das die Grundansprüche abdeckt. Übersetzt für die Schule hiesse dies: Die Kanti bietet weiterhin eine Computergrundausstattung, aber alle dürfen sie mit eigenen Geräten ergänzen. Eine Bringmöglichkeit statt einer Bringschuld – ein nettes Mitbringsel anstelle einer Mitbringpflicht. Das wäre ganz nach meinem Geschmack. Und würde sicher auch von Béa goutiert.

Karl Salzmann

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