Navigieren auf Kantonsschule Zug KSZ

Inhaltsnavigation auf dieser Seite

Navigation
13.12.2016

Darum feiern wir die unbefleckte Maria

13.12.2016
Artikel in der Zuger Zeitung vom 7. Dezember 2016

Darum feiern wir die unbefleckte Maria

.
Bild Legende:
.

Kantonsschule Zug. Anfang Dezember. Das Fest der Unbefleckten Empfängnis Mariens steht bevor. Jahr für Jahr liefert es in meinen Klassen Gesprächsstoff. Stets auch dasselbe Bild: milde lächelnde Schüler. Man gibt sich souverän und wissend. Wie soll Maria ihren Sohn Jesus am 8. Dezember empfangen und nur drei Wochen später auf die Welt gebracht haben? Kann doch nicht sein! Die Atheisten in der Klasse amüsieren sich, die naturwissenschaftliche Fraktion schüttelt den Kopf, die Katholiken genieren sich. Eine einzige Schülerin hält gegen den Mainstream. Sie ist Ministrantin, spricht etwas von Erbsünde und Zeugung Jesu. Verwirrung.

Nun bin ich es, der schmunzelt. Das verunsichert die Schüler. Ich lege nach, provoziere: Wer nicht an dieses katholische Dogma glaubt, müsste an diesem schulfreien Tag zum Unterricht erscheinen. Das wäre konsequent. Protest. Den freien Tag streicht man gerne ein. Aber ein derart kurioses Dogma? Ob religiös oder nicht, ein gebildeter Mensch muss darüber Bescheid wissen, wende ich ein. Kein Widerspruch, man ist ja schliesslich am Gymi. Ich erkläre den Begriff Dogma. Und die Katholiken müssen daran glauben, auch wenn sie nicht überzeugt sind? Es entsteht eine Diskussion darüber, ob man so weit gehen darf, etwas blind zu übernehmen. Geklärt ist der Begriff Dogma, noch nicht aber die Lehre der Unbefleckten Empfängnis.

Die Schüler recherchieren im schulischen Medienzentrum zum Begriff «Unbefleckte Empfängnis». Ziemlich kleinlaut kehren sie mit ihren Erkenntnissen ins Klassenzimmer zurück. Nichts von bloss dreiwöchiger Schwangerschaft Marias. Die katholische Kirche ist absolut logisch. Am 25. März feiert sie die Ankündigung der Geburt Jesu, die neun Monate später erfolgt, ganz nach biologischem Gesetz. Fakt um Fakt legen die Schüler zum Dogma vor: Papst Pius IX, Immaculata Conceptio Beatae Virginis Mariae, das Jahr 1854, Joachim und Anna, Erbsünde, Kirchenvater Augustinus. Die Schüler verstehen, es geht gar nicht um die Zeugung Jesu, schon gar nicht um die geheimnisvolle Befruchtung Marias durch den Heiligen Geist. Diese Lehre hat Papst Martin I. schon anno 649 nach Christus feierlich definiert. Das Fest vom 8. Dezember verkündet eine ganz andere Überzeugung der katholischen Kirche: Maria ist neben Jesus der einzige Mensch ohne Erbsünde. «Ganz schön verwirrend, dieser Ausdruck ‹unbefleckt›», meint eine der erklärten Atheistinnen. Neugier und ein verhaltener Stolz, selber nun genau zu wissen, was die Katholiken am 8. Dezember feiern, vermögen die Schüler für eine Strassenumfrage zu begeistern. In Gruppen schwärmen sie zu dritt in die Stadt aus und bitten ausgesuchte Passanten, ihnen das Dogma der Unbefleckten Empfängnis zu erklären. 35 Leute bemühen sich um eine Antwort. Einzig ein 60-jähriger katholischer Banker und eine 40-jährige Familienfrau ohne Konfession sind in der Lage, das Dogma richtig zu erklären. Der Rest fällt durch. «Krass», findet die Klasse das Resultat der Umfrage. Alle wollen sie unbedingt ihre Eltern und Verwandten noch testen. Fazit: nur wenig bessere Noten für ihr engeres Umfeld.

Erbsünde. Die Schüler begreifen, dass es beim Dogma vom 8. Dezember genau darum geht. Gemäss katholischer Lehre haben Adam und Eva diese Sünde durch ihren Ungehorsam in die Welt gebracht, erkläre ich. Ungehorsam! «Da bin ich dabei!», provoziert einer und elektrisiert die Klasse. Wann gehorchen? Wann nicht?

Solche Fragen dürften 15-jährige junge Menschen entschieden mehr interessieren als der Glaube an die Unbefleckte Empfängnis Marias, den meine Schüler souverän allen Katholiken zugestehen, wenn er ihnen selbst auch in Zukunft einen freien Schultag beschert.

Josef Hochstrasser*

zentralschweiz@luzernerzeitung.ch

* Gastautor Josef Hochstrasser ist 1947 in Luzern geboren und unterrichtete bis 2012 an der Kanti Zug Religion. Hochstrasser wurde zum römisch-katholischen Priester geweiht, erhielt wegen seiner Heirat aber ein Berufsverbot. Seit 1989 ist er reformierter Pfarrer. Hochstrasser ist Autor mehrerer Bücher und Publizist.

Weitere Informationen

hidden placeholder

hidden placeholder

Fusszeile

Deutsch