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12.11.2020

Zuger Kantischüler wetzen die Messer

12.11.2020
Im Fach Biologie wird das Skelett eines Löwenweibchens präpariert - Beitrag in der Zuger Zeitung vom 12. November 2020
Bild Legende:
In minutiöser Kleinarbeit wird das Gewebe von den Knochen entfernt.

In Frischhaltefolie verpackt, liegt der enthäutete Löwenkadaver auf einem improvisierten Sektionstisch im Pausenhof der Zuger Kantonsschule bereit. Wegen der starken Gerüche hat man sich entschieden, die Sektion trotz frostiger Temperaturen im Freien stattfinden zu lassen. Die sieben Sechstklässler, welche das Ergänzungsfach Biologie belegen, sind mit weissen Arbeitskitteln, Handschuhen und Mundschutz ausgerüstet.

Biologielehrer Remo Flüeler gibt eine kurze Einführung und verteilt gut geschärfte Messer. Mit von der Partie ist ausserdem der Tierpfleger und Ranger Sam Keller, der die lebenden Tiere an der Kantonsschule in einem Teilzeitpensum betreut und daneben im Tierpark Goldau arbeitet. «Ihm und seinen guten Kontakten haben wir den Löwenkörper zu verdanken», stellt Flüeler klar.

Löwin Cora hatte ein langes Leben
Die 20-jährige Löwin Cora wurde in einem deutschen Zoo geboren und lebte viele Jahre glücklich in einem Schweizer Zoo. In den letzten Monaten ihres Lebens begann sie zu lahmen. Als Ursache dafür vermuteten die Tierärzte Arthrose oder einen Knochentumor. Nach verschiedenen Therapien – unter anderem mit Blutegeln –, die nicht anschlugen, beschlossen die Ärzte, die Löwin einzuschläfern.

«Sie hat ein sehr hohes Alter erreicht und war mit ihren 200 Kilo Lebendgewicht eine stattliche Löwin», so Flüeler. «Der Ursache ihres Leidens werden wir vermutlich während der Sektion auf die Spur kommen.»

Wohlgenährte Löwendame
Der Tierkörper wird von der Folie befreit und auf dem Rücken liegend fixiert. Zwei Schüler machen sich daran, das Fettgewebe zu entfernen und öffnen anschliessend die Bauchdecke. Von jetzt an tut man besser daran, durch den Mund zu atmen. Während Darm, Leber, Milz, Magen und weitere Organe entfernt werden, nehmen die übrigen Kantonsschüler klassenweise einen Augenschein.

Remo Flüeler kommentiert die einzelnen Schritte. «Man sieht, dass die Löwin in Gefangenschaft lebte, denn sie weist einen hohen Anteil an Fettgewebe auf. In der Natur lebende Tiere wären schlanker und sehniger.» Die jungen Leute zeigen sich erstaunlich robust, lediglich eine Lehrerin dreht sich würgend zur Seite, sammelt ihre Schäfchen rasch wieder ein und kehrt zum Tagesgeschäft zurück.

Die Knochen werden grob von Fleisch, Muskeln und Sehnen befreit und eingetütet. Dabei zeigt sich auch die Ursache des Leidens der alten Löwin. «An der linken Schulter finden sich Einschnitte und Moulagen», stellt Flüeler fest. «Das herauspräparierte Material haben wir mal laienhaft als Sarkom, Weichteiltumor, diagnostiziert.» Solche Tumore seien in der Regel bösartig und sehr schmerzhaft. «Das Einschläfern der Löwin war sicherlich die richtige Entscheidung.»

Herz und Knochen werden präpariert
Als einziges Organ heben die jungen Wissenschafter das Herz des Tieres auf und konservieren es in Alkohol. «Die Knochen werden anschliessend mit verdünnter Natronlauge ausgekocht », erläutert der Biolehrer. Dabei falle das restliche Gewebe vom Knochen. «Danach erfolgt die chemische Mazeration, bei der sich auch das Knorpelgewebe auflöst.» Dieser Vorgang wirke wie ein beschleunigter Verwesungsprozess. «Es riecht auch entsprechend, weshalb wir das im Freien durchführen.»

In einem nächsten Schritt werden die Knochen sorgfältig aufgebohrt, um das Knochenmark zu entfernen. Anschliessend legt man sie während einer Woche in Azeton ein, damit sich das Fett vollständig herauslöst. «Am Ende behandeln wir sie mit konservierender Beize.» Die Knochenbohrstellen müssen klug und möglichst unauffällig gewählt werden, damit man sie beim Aufbau des Skeletts nutzen kann und keine weiteren hinzufügen muss. Mittels Stahlstange wird schliesslich die Wirbelsäule stabilisiert. Die übrigen Knochen fügt man mit Armierungseisen und Draht zusammen.

Professionell betreute Tierhaltung
Die Kantonsschule Zug betreibt eine eigene kleine Menagerie mit einem grossen Aquarium, Nagetieren, Vögeln, Schlangen und Insekten, die professionell betreut werden. Daneben gibt es eine beeindruckende Sammlung von Skeletten und Tierpräparaten. Grössere Sektionen finden zweimal jährlich statt. «Dies ist nun ungefähr meine fünfzigste», rechnet Remo Flüeler aus.

Seit 29 Jahren ist er an der Kantonsschule Zug tätig. Zum ersten Mal bekommt er jedoch ein solch grosses, exotisches Tier auf den Tisch und nimmt die gesamte Sektion inklusive Präparation und Aufbau des Skeletts eigenhändig mit seinen Schülern vor. Ein grosses Projekt für den engagierten Lehrer, der sich auch den unbequemen Fragen der Ethik nicht verschliesst. «Vom Wissensgewinn her halte ich Sektionen für unglaublich wichtig.» Er sorge jedoch dafür, dass so wenige Tiere wie möglich einzig für wissenschaftliche Zwecke ihr Leben lassen müssten. «Unser Tierpfleger Sam Keller bringt uns für kleinere Sektionen Nagetiere, die zur Verfütterung an die Raubtiere des Tierparks Goldau gezüchtet werden. Nach Abschluss unserer Arbeiten werden sie zurückgegeben und an die Eulen, Wildkatzen und Wölfe verfüttert.»

Ein Platz im Ausstellungsraum ist für Löwin Cora bereits reserviert. «Wir werden das Skelett vermutlich in typischer Sprung- oder Angriffshaltung präparieren», verrät der Biologe. Sobald die Arbeiten abgeschlossen sind– zirka Anfang Dezember –, wird ein Bild des Skeletts in dieser Zeitung erscheinen. 

Text: Cornelia Bisch

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«Vom Wissensgewinn her halte ich Sektionen für unglaublich wichtig.»

Remo Flüeler, Biologielehrer

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