Navigieren auf Schulinfo Zug

Inhaltsnavigation auf dieser Seite

Navigation
  • Balance
  • Mündlich! – 7 Fragen an Judith Kreuz
31.05.2022

Mündlich! – 7 Fragen an Judith Kreuz

31.05.2022
7 Fragen an Judith Kreuz
JK
Bild Legende:

Judith Kreuz*, argumentieren, diskutieren, erzählen, Gespräche führen: die gesprochene Sprache ist ein wichtiges Werkzeug für jede Lehrperson. Wie wird das in der Ausbildung an der PH Zug berücksichtigt?
Die PH Zug regt zu einem lebendigen Diskurs mit den Studierenden an, bei dem sich Dozierende und Studierende auf Augenhöhe begegnen und die Studierenden in die Gestaltung ihres Lernens mit einbeziehen. Um gemeinsam Lehr- und Lernprozesse zu gestalten, ist die mündliche Kommunikation ein unerlässliches Mittel, das fächerübergreifend zum Einsatz kommt. In der täglichen Verwendung der (Bildungs-)Sprache verbirgt sich «verstecktes» Potenzial, um Gesprächs- und Redekompetenzen zu verbessern. So heisst es schon in Lehrmitteln für die Primarstufe: Gespräche führen lernt man, indem man Gespräche führt. Wenn dieser Sprachgebrauch begleitet und reflektiert wird, stehen die Chancen gut, die gesprochene Sprache gezielt als Werkzeug einsetzen und am eigenen Sprachgebrauch feilen zu können.

Team Zentrum Mündlichkeit 2022
Bild Legende:

Besonders das Zentrum Mündlichkeit, das in dieser Form einzigartig in der Schweizer Hochschullandschaft ist, setzt sich zum Ziel, die Studierenden bei diesem Sprach- und Sprech-Lernprozess zu unterstützen. In sogenannten Sprechcoachings werden die Studierenden individuell mit vielfältigen Übungen dazu angeleitet, Sprache und Sprechen gekonnt einzusetzen und über ihre Wirkung zu reflektieren. In den Sprechcoachings geht es zum Beispiel darum, wie schwierige Inhalte einfach erklärt werden können, wie man Geschichten lebendig erzählen oder vorlesen kann und welches Wirkungspotenzial eine gute Stimme entfalten kann. In einer Zusatzausbildung zum Sprechberater bzw. zur Sprechberaterin werden Studierende dazu angeleitet selbstständig Sprechcoachings mit ihren Mitstudierenden durchzuführen. Vor allem diese beratenden Studierenden profitieren dabei ungemein, ihre gesprochene Sprache an der Hochschule und in der Schulpraxis kompetent einzusetzen!

Einzelne Seminare innerhalb von Forschungs- und Entwicklungsmodulen widmen sich der mündlichen Unterrichtskommunikation und beleuchten den Sprachgebrauch sowohl aus einer wissenschaftlichen als auch einer praxisorientierten Perspektive. Zu erwähnen ist die App mit dem Namen «Let’s Talk!», die derzeit an der PH Zug entwickelt wird. Diese wird zusammen mit Dozierenden der PH Zug, Lehrpersonen und einigen Studierenden mit Fachartikeln, Podcasts und Übungsmaterial bestückt, zum Beispiel zum «Dialogischen Sprechen», «Klassenrat», «Elterngesprächen» und «Zuhören». Ziel ist es, aktuelle Forschungsergebnisse mit Praxiserfahrungen rund um die mündliche Unterrichtskommunikation zu verbinden. Es soll sich eine Wissensplattform entwickeln, die Synergien, Austausch und Entwicklung im Bereich der mündlichen Kommunikation fördert.

Tell a story! Vom "show and tell" im Kindergarten bis zu den Rhetorikseminaren der berühmten Universitäten: im angelsächsischen Raum hat die Redekunst einen anderen Stellenwert als bei uns. Ist das so – und wie könnten wir aufholen?
Sicher hat die «Rhetorik» im angelsächsischen Raum einen anderen Stellenwert als in der Schweiz – er ist anders, doch damit nicht zwangsläufig besser. Die Verankerung der Mündlichkeit in Schule und Hochschule hat spätestens mit dem Einzug des Lehrplans 21 an Stellenwert gewonnen. Bereits in der Primarstufe sollen laut LP 21 mündliche Kompetenzen explizit gefördert werden – unter anderem durch das «Geschichten erzählen», durch Präsentationen und vielfältige Gesprächsanlässe. In neuen Lehrwerken wird das Augenmerk daher zunehmend auch auf die Entwicklung von Aufgaben gelegt, die sich der Mündlichkeit widmen. Es lassen sich darin durchaus einige kreative und didaktisch durchdachte Fördereinheiten finden, um die Schülerinnen und Schüler in der «Kunst der Rede» zu schulen.

Die Eigenkompetenz der Lehrperson ist ein entscheidender Faktor für das Gelingen dieses Vorhabens. Sie ist nicht nur sprecherisches Vorbild, sondern auch Didaktikerin und Didaktiker mit Vermittlungs- und Analysekompetenz für die mündlichen Sprachproduktionen ihrer Schülerinnen und Schüler. Vor allem hier liegt noch einiges Potenzial für die Lehrpersonenaus- und -weiterbildung. Weiterbildungsprogramme oder Masterstudiengänge, wie z. B. der Master Schulsprachdidaktik widmen sich bereits vertiefend dem Aufbau dieser Kompetenzen. Mein Eindruck ist, dass die Mündlichkeit im Schweizer Bildungssystem breiter aufgestellt ist, als sie sich lediglich in der klassischen Rhetorik – vereinfacht dem Monolog bzw. «Kunst der Rede» – wiederfindet.

Welche drei Begriffe beschreiben Sie am besten?
Auf Wanderschaft, virtuos, allzeit bereit.

Was war als Kind Ihr Traumberuf?
Ich wollte gerne Meeresforscherin werden und – ganz verklärt gesprochen – mit den Delfinen auf den Wellen reiten. Etwas später war es dann «Schauspielerin». Mangels Talents ist es dann aber doch die «Sprechwissenschaftlerin» geworden. Besser so für alle 😊

Mit wem würden Sie gerne einmal einen Monat lang tauschen?
Ich würde am liebsten immer in mein jeweiliges Gegenüber schlüpfen! Wie sieht der Mensch, mit dem ich gerade spreche, die Welt? Empfindet er ähnliche Gefühle und Bedürfnisse wie ich? Wie fühlt es sich an, Judith gegenüberzustehen? Dadurch könnte ich unheimlich viel über mich selbst lernen!

An welche Lehrperson erinnern Sie sich gerne und warum?
Ich erinnere mich an meinen alten Musiklehrer, Herrn Hauser. Er lebte durch und durch für sein Fach und hatte Spass am Liedersingen sowie Klavierspielen. Es hat mich beeindruckt, wie er am Klavier sass und uns mit Begeisterung in abenteuerlichem Allegro-vivo-Tempo «Geh’ aus mein Herz und suche Freud» beibrachte. Ich bin heute noch stolz auf mich, dass ich die Achtel sauber singen konnte.

"Ich muess weine", "ich tuen arbeite", "ich bi klug": nicht nur fremdsprachige Kinder haben Mühe mit Schweizerdeutsch. Wie lernt man eigentlich eine gepflegte Mundart?
Da stellen Sie eine interessante Frage an eine Nichtschweizerin! 😊. Mir fällt ehrlichgesagt nichts «Ungepflegtes» an den Sätzen auf. Wie jede Sprache unterliegt auch die Schweizer Mundart einem natürlichen Sprachwandel, der nicht aufzuhalten und nur in einem gewissen Masse beeinflussbar ist. Wie es für die gesprochene Alltagssprache typisch ist, wird sie von ihren Sprachbenutzerinnen und -benutzern variiert, verändert, situativ angepasst. Je nach sozialem Kontext entstehen Abwandlungen von dem bisher üblichen Sprachgebrauch. So erlaube ich mir auch kein pauschales Qualitätsurteil über eine im Alltag gesprochene Sprache. Als Linguistin beobachte und beschreibe ich lediglich, was mit der Sprache passiert. Nachdenkenswert wird gesprochene Sprache für mich erst dann, wenn sie bei mir starke Irritationen auslöst, wenn das Kommunikationsziel verfehlt wird oder ich sie schlicht nicht verstehe. Jede sprachliche Varietät und jede neue Variante haben für mich einen eigenen interessanten Charme, den es zu erforschen gilt.

 Da das Schweizerdeutsch kein promotionswirksames Fach in der Schule ist, gibt es zum Erlernen des Schweizerdeutschen auch keine spezifische Didaktik. Ausserdem fehlt es ihm meines Wissens an einer verbindlichen Kodifizierung (z. B. im Duden) und damit an Normativität. Aber sollte tatsächlich jemand daran interessiert sein, eine «gepflegte» Mundart zu lernen, sei zum Beispiel auf die vielen Schweizerdeutsch-Lehrmittel verwiesen und auf sprachkompetente Mundartsprechende als sprachliche Vorbilder (z. B. Lehrpersonen) – die im Sinne der/des Lernenden als «gepflegt» Sprechende wahrgenommen werden. Zu guter Letzt braucht es – wie in jedem Lernkontext – eine eigene Motivation. Diese steht und fällt mit dem Bedürfnis und der tatsächlichen Relevanz, eine «gepflegte» Mundart sprechen zu wollen.


Zur Person
*Dr. Judith Kreuz studierte Sprechwissenschaft und Phonetik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Seit 2014 ist sie am Zentrum Mündlichkeit der PH Zug als Dozentin in Forschung und Lehre tätig. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die mündliche Unterrichtskommunikation sowie die Sprecherziehung in der Lehrpersonenaus- und -weiterbildung. Judith Kreuz promovierte zur mündlichen Argumentationskompetenz bei Primarschülerinnen und Primarschülern an der Universität Basel. Zuletzt arbeitete sie in einem SNF-geförderten Projekt zum Thema «Der Klassenrat als kommunikative Praktik». Ausserdem ist sie in der Geschäftsstelle des Forschungsnetzwerks Schulsprachdidaktik (nets21) tätig. Ab kommendem Jahr übernimmt sie Lehrtätigkeiten im Master «Fachdidaktik Schulsprache Deutsch» der PH Zürich.

Weitere Informationen

hidden placeholder

behoerden

Fusszeile