Navigieren auf Schulinfo Zug

Inhaltsnavigation auf dieser Seite

Navigation
  • Balance
  • Teacher Man — Tag und Nacht und auch im Sommer
25.01.2017

Teacher Man — Tag und Nacht und auch im Sommer

25.01.2017
Die Sportferien stehen vor der Tür und damit vielleicht auch die Frage nach einer geeigneten Ferienlektüre. Mein Vorschlag: "Tag und Nacht und auch im Sommer" von Frank McCourt. Von Lukas Fürrer ...
Bild Legende:

Die Sportferien stehen vor der Tür und damit vielleicht auch die Frage nach einer geeigneten Ferienlektüre. Mein Vorschlag: "Tag und Nacht und auch im Sommer" von Frank McCourt.

Von Lukas Fürrer

"I taught by day, by night, and in summer school", schreibt Frank McCourt in seinen Memoiren, die dreissig Jahre Lehrerleben in Amerika umfassen. Aus dieser wirtschaftlichen Not eines amerikanischen Lehrers — denn nichts anderes steckt hinter dem Engagement in der Sommerschule während den Ferien — entstand dann der romantisierende Titel der deutschsprachigen Ausgabe: "Tag und Nacht und auch im Sommer". Aber klar: Wer die Aufgabe hat, "Teacher Man — A Memoir" in einen griffigen deutschen Titel zu übersetzen, ist wahrlich nicht zu beneiden.

Ein luftig leichtes Sommermärchen wird dem Leser nicht vorgesetzt und auch keine Checkliste für den Lehrerpreis 2017. Frank McCourt, berühmt geworden mit "Die Asche meiner Mutter", führt uns in eine Auseinandersetzung mit dem Lehrerberuf jenseits aller Romantik, aber getragen von der Liebe zum Gegenstand und der Wertschätzung der anvertrauten Schülerinnen und Schüler.

Die Reise, stets umrahmt von den harschen Arbeitsbedingungen im US-amerikanischen Bildungswesen, berichtet von Überforderung, Selbstzweifeln und den Grenzen, an die Frank McCourt als Lehrer immer wieder stösst. Liest man die (wenigen) kritischen Lesermeinungen zum Buch, werden dem Autor dessen Unzulänglichkeiten und unorthodoxen Methoden — also sein Menschsein und seine Lehrerpersönlichkeit — zum Vorwurf gemacht. Eine schaurige Lektüre und exakt das Gegenteil meiner eigenen Leseerfahrung.

Als Autor gelingt Frank McCourt mit scheinbarer Leichtigkeit, was uns selber nur ganz selten widerfährt: Er findet die richtigen Worte. Vor dem Auge des Lesers, und ganz besonders vor dem Auge des lesenden Lehrers, wird das Bild lebendig, beginnen sich die eigenen Erfahrungen und Erlebnisse im Text zu spiegeln. Frank McCourt bringt eine Saite zum Klingen, "unplugged" und voller Kraft, die aus einer Tiefe kommt, wo nur die Philosophie hinabreichen kann. Aus den Anekdoten entwickelt sich ein Rhythmus, aus den Anekdoten entfaltet sich nach und nach ein faszinierendes Lehrerleben.

Das Buch beginnt mit einem fliegenden Sandwich, das Frank McCourt noch vor dem Start in seine allererste Lektion schon alles abverlangt. Als das Faustbrot vor seinen Füssen landet, richtet er sein erstes Wort an die Klasse: Hey! "Vier Jahre pädagogische Hochschule und alles, was mir in den Sinn kam, war 'Hey!'", fasst er seine miserable Situation im Rückblick zusammen. Als Frank McCourt schon sein kaum begonnenes Lehrerleben als Kurzfilm an sich vorbeiziehen sieht, kommt ihm die rettende Idee. Er nimmt das Sandwich auf und verspeist es. Dies trägt ihm den Respekt der Schülerschaft und den ersten Verweis des Schulleiters ein, der den Junglehrer durchs Türfenster beobachtet.

In der amerikanischen Taschenbuchausgabe findet sich ganz zuvorderst ein Bild des Autors, das ihn als America's Teacher of the Year zeigt. Die Seite scheint einer Schülerzeitschrift entnommen, denn der so Geehrte zeigt sich nicht etwa in Schale und mit ernstem Gesicht, sondern mit Grimasse und einer Plastiktüte auf dem Kopf. Der Ernsthaftigkeit der Wertschätzung, die ihm seine Schülerinnen und Schüler entgegenbringen, tut dieser Humor keinen Abbruch. Im Gegenteil. Ohne Humor und die Fähigkeit, am lautesten über sich selbst zu lachen, ist im Schulzimmer nichts zu machen. Daran lässt Frank McCourt keinen Zweifel.

Das grosse amerikanische Drama, schreibt der Frank McCourt, sei das Aufeinandertreffen von pubertierender Jugend und Menschen mittleren Alters. Abgesehen davon, dass mir dieses Drama keine amerikanische Besonderheit zu sein scheint, habe ich noch nie einen Satz gefunden, der die Spannung des Beziehungsgeschehens in einem Oberstufenschulzimmer schöner auf den Punkt bringt. Auf das Berufsleben in diesem Spannungsfeld blickt der Autor zurück. Als ich die letzte Seite gelesen hatte, blieb keine Leere zurück. Der Autor hatte mir, wie zuvor einer Vielzahl seiner zwölftausend Schüler auch, einen wunderbaren Rucksack gepackt und mit auf den Weg gegeben.

 

McCourt, Frank: Tag und Nacht und auch im Sommer: Erinnerungen. btb Verlag 2008, ISBN 978-3-442-73750-5.

 

 

Weitere Informationen

hidden placeholder

behoerden

Fusszeile