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19.08.2021

Weniger, dafür tiefer – 7 Fragen an Martina Krieg

19.08.2021
7 Fragen an Martina Krieg
MK
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In der Rubrik «7 Fragen an» stellen sich Menschen rund um die Zuger Schulen den Fragen von www.schulinfozug.ch. Einige Fragen drehen sich um die individuellen Aufgaben, einige Fragen sind in allen Interviews die gleichen. Diesmal mit Martina Krieg*. Im Interview geht es von den anstehenden Aufgaben über die Lieblingslehrperson bis zu den Megatrends der Schulentwicklung.

Martina Krieg*, neues Schuljahr, neues Glück! Was wird das Highlight aus Sicht Schulentwicklung?

Ein Glück ist vor allem, dass wir im Kanton Zug so engagierte Lehrpersonen haben, die schnell, unkompliziert und flexibel auf anstehende Herausforderungen reagieren. Das schwierige letzte Schuljahr mit den Corona-Herausforderungen konnte deshalb mit wenig Kollateralschäden für Kinder und Jugendliche gemeistert werden.

Ein weiteres Glück ist, dass Lehrpersonen bereit waren an der Akzeptanzstudie der überfachlichen Kompetenzen mitzuarbeiten. In über einer Million Rückmeldungen zu überfachlichen Kompetenzen ist so ein Kompetenzmodell entstanden, das Lehrpersonen aller Stufen gemeinsam entwickelt haben, und nun transparente und vor allem stufenspezifische Kriterien zur Verfügung stellt, welche überfachliche Kompetenzen gefördert werden können – ein so umfangreiches gemeinsames Projekt ist einzigartig, da bekamen selbst die beteiligten Fachleute der PH FHNW Augenwasser. Im Herbst dieses Jahres werden wir mit freiwilligen Teams das Kompetenzmodell pilotieren und eruieren, welches Instrument ihnen für die Beobachtung, Förderung und Beurteilung im Unterricht am besten dienen wird. Alle neuen Unterlagen rund um das Thema überfachliche Kompetenzen werden für das Schuljahr 2022/23 zur Verfügung stehen und an stufenspezifischen Lehrertagen vorgestellt. Hier freuen wir uns im Besonderen auch über Materialien, die wir zusammen mit Lehrpersonen-Arbeitsgruppen für Gespräche mit Kindern und Jugendlichen und für Orientierungsgespräche entwickeln.

Im kommenden Schuljahr werden uns auch weitere Themen begleiten, wie z. B.

  • die Anpassung des Konzepts Sek I plus aufgrund der Rückmeldungen von Lehrpersonen und Schlüsselpersonen
  • die Einführung von formativen und summativen Instrumenten zur Messung der Schülerinnen- und Schülerleistungen in ausgewählten Teilbereichen von Kompetenzen des Lehrplans. Ganz zentral steht hier der Aspekt der Förderung im Vordergrund. Lehrpersonen werden hilfreiche Aufgabensammlungen und digitale Instrumente erhalten, die im Unterricht eingebaut werden können.
  • neue Lehrwerke werden auf der Sekundarstufe I in den Fachbereichen Englisch und Ethik eingeführt und ein Lehrwerk Deutsch wird evaluiert.

Wie findet man in der Schule die richtige Balance zwischen Innovation und Konsolidierung?

Das ist eine enorm wichtige Frage, auf die es keine eindeutige Antwort gibt.

In der Wirtschaft ist Innovation zentral für den Erfolg. Auch von der Schule wird eine hohe Bereitschaft zur Veränderung erwartet: Neu eingeführte Strukturen, Themen oder Abläufe sollen tragfähig und nachhaltig sein. Das bedeutet, sie sollten für einen, wenn auch unbestimmten Zeitraum tauglich und gültig bleiben. In der Managementliteratur dominiert das Thema "Innovation und Veränderung", und häufig gerät im Schulalltag die Stabilität bzw. die Konsolidierung leicht aus dem Blickfeld. Veränderungsprojekte bringen immer zusätzlichen Aufwand in die Schule, binden entsprechende Ressourcen und fordern ein hohes Mass an Aufmerksamkeit. DAS geht immer zu Lasten der Hauptaufgabe Unterricht. Ich spreche hier von Hauptaufgabe, Lehrpersonen sprechen gerne von Kerngeschäft. Lehrpersonen haben aber neben dem Kern noch weitere Aufgaben gemäss Berufsauftrag zu erfüllen, wie beraten, zusammenarbeiten, Mitverantwortung für Schul- und Unterrichtsentwicklung tragen, das Schulklima aufrechterhalten und Weiterbildungen besuchen.

Die Kunst der Schulführung besteht darin, Innovation und Konsolidierung bzw. Stabilität in Balance zu halten. Wenn Innovation übertrieben wird, dann kippt er in Aktionismus und Projekte werden von Lehrpersonen nicht mehr ernst genommen. Oder ein Schulteam verharrt in der Bewahrung und lässt neue Erkenntnisse an sich vorüberziehen. Dies kann mitunter zur Erstarrung führen, wo Lehrpersonen quasi Wandel über sich ergehen lassen, er findet aber nicht wirklich statt. Man macht z. B. die M&I Nachqualifikation, setzt aber kaum digitale Medien im Unterricht ein. Auch übertriebener Aktionismus kann zur inneren Erstarrung von Lehrpersonen und Teams führen.

Die Fähigkeit und Bereitschaft zu Innovation ist in der Privatwirtschaft zwingend, um marktfähig zu bleiben. Diesem Problem sind wir zum Glück nicht ausgesetzt in der Schule. Wir sind jedoch gesellschaftlichen Erwartungen unterstellt, denen wir uns nicht entziehen können, wie z. B. dem «neuen Lernen mit Medien». Vor dem Hintergrund permanenten Wandels erscheinen Routinen und Stabilität auf den ersten Blick fast fragwürdig oder unzeitgemäss. Für das Ausführen der Hauptaufgabe Unterricht ist es aber notwendig, dass Aufgaben routiniert und störungsfrei erledigt werden können.

Dauernde Veränderungen können den Schulbetrieb empfindlich überfordern, erstens weil Projekte viele Ressourcen und Aufmerksamkeit erfordern und zweitens zu viele Projekte bereits eingeführte Projekte stören können, weil sie quasi überholt werden, bevor sie richtig etabliert sind.

Meine Botschaft an Schulleitende lautet daher: «weniger, dafür tiefer».

Im Alltag ist die Kapazität für vertieftes Nachdenken häufig begrenzt. Wenn wir im Alltag unterwegs sind, befinden wir uns in Stabilität und müssen auf intuitive Entscheidungen zugreifen können. Der Wirtschaftspsychologe Kahnemann unterscheidet zwei Denkweisen: eine schnelle Denkweise, die geprägt ist durch Spontaneität und Leichtigkeit, aber auch Bequemlichkeit und eine langsame Denkweise, in der formale Regeln, Logik und Evidenzen zentral sind. Schulleitende und ihre Teams sollten sich daher genügend Zeit einräumen, mitunter langsam zu denken. Das Zentralste hier ist, dass sie den Sinn und Zweck des Vorhabens genau begründen können. Und ganz wichtig ist es, auf das Vergangene aufzubauen und Bewährtes auch zu bewahren.

Teamwork
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Welche drei Begriffe beschreiben Dich am besten?

Ideenreich, umtriebig und stetig lernend.

Was war als Kind Dein Traumberuf?

Erst Schneiderin, dann Lehrerin. Mein erster Traumberuf habe ich mir zum Hobby gemacht, hinzugekommen ist eine Ausbildung zur Hutmacherin. Lehrerin bin ich immer noch, heute einfach mit Erwachsenen in CAS-Weiterbildungen. Schulentwicklerin ist heute mein Traumberuf.

Mit wem würdest Du gerne einen Monat lang tauschen?

Ich erlaube mir zwei Monate mit zwei Personen:

  1. Gerne mit einem Bildungsdirektor, dann würde ich in einem Monat alle wichtigen Weichen für die Schule der Zukunft stellen (lacht). Wenn das nicht möglich ist, dann mit
  2. Rachel Trevor Morgan, einer Hutmacherin der englischen Royals.

An welche Lehrerin, welchen Lehrer erinnerst Du Dich gerne und warum?

Mein 5./6.-Klasslehrer, Herr Bodmer, war ein begnadeter Lehrer. Er hat Unterrichtsinhalte immer wieder mit ausserschulischen Lernangeboten verbunden und so direkt mit der Erfahrungswelt von uns Kindern verknüpft. Zudem haben wir eine Kassette mit Kinderliedern aufgenommen, die wir von Tür zu Tür verkauft und mit deren Erlös wir unser Skilager finanziert haben.

An welchen Themen arbeitet die Schulentwicklung in zehn Jahren?

Ich hoffe an Themen, die aus dem Schulfeld als Bedürfnis eruiert werden. Die Schule wird in zehn Jahren persönlicher, ganzheitlicher und digitaler.

Für mich wären die Megatrends:

  • Fachübergreifende Kompetenzen: Die KV-Reform ist hier visionär unterwegs. Sie verlassen das Fach und fördern Kompetenzen fachübergreifend. Eine anspruchsvolle Herausforderung. In einer Welt mit so komplexen Aufgaben wird vernetztes und fachübergreifendes Problemelösen immer zentraler. Wissen bleibt genau so wichtig, denn ohne ein Basiswissen lassen sich kaum Kompetenzen aufbauen.
  • Problemlösekompetenzen und Kreativität: Kreativität und Mut zum Ausprobieren wird künftig noch gefragter sein, gerade wegen den oben erwähnten komplexen Problemstellungen im Arbeitsalltag.
  • Überfachliche Kompetenzen: Persönlich würde ich ja ein Schulfach Kommunikation einführen. Repetitive Tätigkeiten werden in der Arbeitswelt zunehmend automatisiert. Teamarbeit und Kommunikationsfähigkeiten werden noch mehr an Bedeutung gewinnen, daher werden überfachliche Kompetenzen bald so wichtig sein wie die fachlichen Kompetenzen.
  • Potenzialentfaltung anstreben: Die Schule hat einen breit umfassenden Bildungsauftrag und muss nicht nur der Wirtschaft zudienen. Jedes Kind hat seine spezifischen Talente und Stärken. Wenn es aus der Schule kommt, sollte es seine Stärken kennen und gezielt einsetzen können. Die Schule hat dafür zu sorgen, dass ein Kind seine Talente ausfindig macht und fördert diese Fähigkeiten ganz gezielt. Lernen wird daher individueller und persönlicher. Die Beurteilung der Leistung spielt immer noch eine wichtige Rolle für Abnehmende der Schule, wird aber überdacht werden müssen. Ebenfalls bedingt dieser Megatrend, dass alle an der Schule Beteiligten noch intensiver zusammenarbeiten.
  • Lernen unter Einbezug aller Medien: Lehrpersonen werden alle Arten von Medien und Methoden sehr gezielt einzusetzen wissen. Lernen bleibt ein sozialer Akt und ist angewiesen auf professionelles Feedback. Gleichzeitig können vielfältige Methoden und Medien den Unterrichtsalltag ideal begleiten und individuelles Lernen fördern.

*Martina Krieg leitet die Abteilung Schulentwicklung im Amt für gemeindliche Schulen.

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