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30.11.2016

Aus der Schule – für die Schule: Eine Lektion in Malawi

30.11.2016
Aus einem Schulbesuch wird ein Gastauftritt, aus den Beobachtungen ein Blick nach innen. Der Autor ist neugierig auf Schule in Malawi, die Schülerinnen und Schüler sind neugierig auf ihn. Von ...
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Aus einem Schulbesuch wird ein Gastauftritt, aus den Beobachtungen ein Blick nach innen. Der Autor ist neugierig auf Schule in Malawi, die Schülerinnen und Schüler sind neugierig auf ihn.

Von Martin Senn*

Jetzt stehe ich also da, vor mir ein 6 x 6 Meter grosser Raum mit rund 80 Kindern am Boden sitzend, hinter mir ein schwarz bemaltes Brett von der Grösse moderner Flachbildschirme – die Wandtafel. Die neugierigen Augen der Kinder auf mich gerichtet, mich, den Fremden, Weissen, der eigentlich nur eine Schule in Malawi in Afrika anschauen wollte.

Der junge Lehrer hat mich der Klasse vorgestellt und mir gleich die Unterrichtsführung und die einzige Kreide übergeben. Mathematik steht auf dem Stundenplan, das Lehrmittel bin ich, denn Bücher gibt es keine. Ich beschliesse, mit den Schülern das 1x1 durchzugehen, was aber nur mit der ganzen Klasse im Chor gelingt. Will ich abwechselnd einzelne Schüler aufrufen oder versuche ich reihenweise vorzugehen, stehen die Kinder jedes Mal auf und beginnen ihre Antwort mit „Yes, Sir", was den logischen Fortgang stocken lässt und wir bei den unverständlichen oder falschen Antworten den roten Faden verlieren.

Später versuche ich es mit Zahlenreihen und Lücken auf der Wandtafel, wobei die mehrmals brechende Kreide (Qualität?) die Lernenden erheitert: (10 , 20, 30, __, 50, __, __, __, __, 100 etc.) Vorgabe und Lösungen werden von den Schülern in ihre Hefte geschrieben. Es zeigt sich, dass nur sehr wenige die richtigen Lösungen finden. „We didn't learn that yet" erklärt später der Lehrer.

Die lauten Chorantworten aus dem Zimmer neben dran dringen durch den türlosen Durchgang, stören aber ebenso wenig wie die Zaungäste draussen vor den gemauerten Fenstern. Erst als meine Frau ein Foto macht, wird es laut und tumultartig. Alle wollen aufs Foto.



Auch im anschließenden Englischunterricht scheint Vorsprechen, Nachsprechen und Auswendiglernen die Form der Bildung zu sein. Dass die Kinder die Bedeutung der Wörter nicht kennen, stört nur uns. „Lake, cake, take, make ...". Auf die Bedeutung angesprochen zeichnet der Lehrer einen Kuchen für cake an die Wandtafel. „Ah, bicycle" ist zu hören.

Im hintersten Winkel von Afrika ist angekommen, dass Bildung und damit der Schulbesuch ein wesentlicher Schritt zu Arbeit und Auskommen ist. Die öffentliche Schule scheint gut besucht. Die Lehrpersonen wirken auf uns engagiert, motiviert und werden mit Respekt behandelt. Ob die besuchte Schule in Afrika die kommende Generation auf den Alltag und die Herausforderung der Zukunft vorbereitet, erscheint uns fraglich. Bevölkerungswachstum, Arbeitslosigkeit, Nahrungsmangel, Umweltzerstörung, Korruption und Aberglauben lassen sich schlecht mit Auswendiglernen in den Griff bekommen.

Nach dem Kulturschock der Rückkehr in die Überflussgesellschaft stellen sich mir dieselben Fragen. Auf welche Herausforderungen bereiten wir die kommende Generation in unseren Schulen vor? Welches sind unsere Bildungsziele und -ideale? Liegen sie im kulturellen und persönlichkeitsbildenden individuellen Bereich? Sind sie auf ökonomische wirtschaftliche Interessen ausgerichtet oder muss die gesellschaftliche Teilhabe des Individuums im Vordergrund stehen?

Besonders beeindruckt hat mich der Gesang. Mit strahlenden Gesichtern, mehrstimmig, rhythmisch, laut und klar, einfach mitreissend. Da können wir noch einiges lernen!

*Martin Senn ist Heilpädagoge an der Oberstufe Walchwil und u. a. Vertreter der Lehrerschaft in der Walchwiler Schulkommission sowie aktiv im Lehrerinnen- und Lehrerverein des Kantons Zug, martin.senn@schule-walchwil.ch.

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