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26.02.2016

Aus der Schule — Für die Schule: Flüchtling in der Klasse

26.02.2016
Walchwil: Von einem Tag auf den anderen kommt ein Flüchtling in die Klasse. Nun ist gemeinsames Engagment gefragt. Dieses ist gross und führt zu neuen Sichtweisen — nicht nur auf die ...
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Walchwil: Von einem Tag auf den anderen kommt ein Flüchtling in die Klasse. Nun ist gemeinsames Engagment gefragt. Dieses ist gross und führt zu neuen Sichtweisen — nicht nur auf die Flüchtlingsproblematik, sondern auch aufs Lernen.

Von Martin Senn*

Es beginnt mit einer E-Mail vom Schulleiter. Darin lese ich, dass aufgrund der Schülerzahlen, meinen integrativen Fähigkeiten, der Verteilung von schwierigen Kindern bei andern Lehrpersonen und oder andern Gründen und so weiter und so fort — meiner Klasse eine neue Schülerin zugeteilt werde.

Als Eintrittsdatum wird bereits der folgende Tag genannt. Da es sich bei Khalila um ein syrisches Flüchtlingsmädchen handle, gehe eben alles sehr schnell. Deutschkenntnisse oder allenfalls mögliche Englischkenntnisse seien keine vorhanden. Leider bestehe zur Zeit keine Möglichkeit einer Schulung in der Integrationsklasse (Kapazitätsengpässe).

Na toll, denke ich. Kein Deutsch, kein Englisch, arabisches Alphabet, andere Zahlensymbole, von rechts nach links schreibend, von hinten nach vorn in den Heften, Muslime, womöglich mit Kopftuch, vielleicht traumatisiert vom Krieg oder von der Flucht und geschlossenen Schulen während den letzten Jahren im Herkunftsland. Da wird Unterricht und Integration eine echte Herausforderung werden.

Am nächsten Morgen wird Khalila vom Schulleiter in die Klasse begleitet, die vorher noch schnell informiert wurde. Etwas unsicher, aber erwartungsvoll steht Khalila im Zimmer und begrüsst die Mitschüler mit einem Kopfnicken und einem herzlichen „Guten Tag". Auf mein noch unsicheres „As-salam-aleikum" antwortet sie mit einem strahlenden Lachen „Aleikum-as-salam". Der Bann scheint gebrochen.

Khalila kann Arabisch schreiben und lesen, eine wirkliche Hilfe. Zum Glück gibt es den Google Translator und dazu Tablet PCs. So können wir uns zumindest verständigen. Ich halte die Tablet Kamera über einzelne Zahlen (Uhrzeiten), Begriffe oder einfache Sätze und Khalila kann sie in arabischer Schrift lesen. Sie schreibt mit arabischen Zeichen und die Mitschüler oder ich können es auf dem Display auf Deutsch lesen.

Zur Absicherung von wichtigen Inhalten (morgen gehen wir im Sportunterricht auf das Eisfeld, Handschuhe und Mütze mitnehmen) muss in beide Sprachrichtungen hin und her übersetzt und klärende Bilder hinzugenommen werden. Dabei gibt es viel zu lachen, denn für die Lesenden sind manche Übersetzungen unverständlich, widersprüchlich oder einfach nur schräg.

Zu meiner Freude wird das Schreiben zum wichtigen Kommunikationsmittel. Orthographie macht plötzlich Sinn und spielt eine Rolle. Khalilas offenes Wesen, ihr Wissensdurst, ihre Hilfsbereitschaft und ihr Interesse verändern die Klasse, verändern das Lernen, verändern die Schule. Khalila kann bald unser Alphabet, unsere Zahlen und spricht bereits die ersten Sätze, während wir gerade mal auf Arabisch danke sagen oder auf Zehn zählen können.

Dann zeigen sich bewegte Gesichter der MitschülerInnen, als die beigezogenen Dolmetscherin Khalilas Schilderung der Flucht aus Syrien in die Türkei und später in die Schweiz übersetzt. Eindrücklich die Reaktion der Mitschüler, die mit ihren Fragestellungen viel Empathie zeigen. Max vom Berg fragt, weshalb Khalila als Muslim kein Kopftuch trage. Erstaunt nehmen wir die Antworten zur Kenntnis, dass nicht alle Muslim streng gläubig seien und in Syrien vor dem Krieg eine grosse religiöse Toleranz geherrscht habe.

Wieder einmal zeigt sich, dass sich schwierige Situationen zum Guten wenden können. Alle geben ihr Bestes: die Schulleitung, die DAZ Lehrperson, meine Lehrerkolleginnen, die Mitschüler. Khalila bewirkt in der 3. Oberstufenklasse positive Veränderungen bezüglich Lernmotivation, Fremdenfreundlichkeit, Engagement und Einsatz. Syrische Flüchtlinge haben nun ein Gesicht für uns.

Als ein Platz für Khalila in der Integrationsklasse frei wird, freue ich mich nicht wirklich. Nur ungern lassen wir sie wieder gehen.

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