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22.09.2015

Entwicklungspsychologie — Kompetenzen Oberstufe

Fleiss, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit ... welches Verhalten darf man von Oberstufenschülerinnen und -schülern erwarten? Und soll man es bei der Erwartung belassen? Damit betreten wir das Feld der ...
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Fleiss, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit ... welches Verhalten darf man von Oberstufenschülerinnen und -schülern erwarten? Und soll man es bei der Erwartung belassen? Damit betreten wir das Feld der personalen, sozialen und methodischen Kompetenzen, das Feld der überfachlichen Kompetenzen.

Von Daniel Hunziker*

Überfachliche Kompetenzen werden an Oberstufen dann zum Thema, wenn von mangelndem Arbeitseinsatz, von Unzuverlässigkeit, Unpünktlichkeit, unsozialem Verhalten oder Passivität im Unterricht die Rede ist. In der Regel kommen dann Eintragssysteme für Fehlverhalten zum Einsatz, welche in zunehmender Summe von Einträgen zu Strafen, Gesprächen bis hin zu ungenügenden Verhaltenseinträgen in Zeugnissen führen. Lehrpersonen, Eltern und Lehrmeistern stellen sich dann die Frage, was darf man eigentlich von OS-Schülerinnen und -Schülern erwarten, respektive, darf man nicht mehr als all das erwarten?

Es stellen sich hier die Fragen: Genügen Erwartungshaltungen und Beurteilungen von Verhaltensweisen? Oder bräuchte es nicht viel mehr Know-how, wie man solche Verhaltensweisen in konstruktiver und produktiver Art und Weise entwickeln kann? Und sollte die Beurteilung solcher Verhaltensweisen anstatt Endpunkt nicht Ausgangspunkt für Entwicklungsarbeit sein? Mitunter denken sich dann Lehrpersonen: «Ja, die Einwände sind nicht unberechtigt: Derlei Verhaltensweisen bringen die Jugendlichen aus ihrem Elternhaus mit, respektive, das ist halt so in diesem schwierigen Altern – die Hormone spielen verrückt.» Haben wir als Lehrpersonen eine solche Haltung, können wir an dieser Stelle aufhören unseren Beitrag zu leisten, denn anscheinend kann man ja nichts dafür bzw. dagegen tun.

Nun, die Rede ist in diesem Text von überfachlichen Kompetenzen – also personalen, sozialen und methodischen Kompetenzen (siehe LP 21, Grundlagen, Seite 11).

Die Krux, vor allem bei personalen und sozialen Kompetenzen, ist, dass es sich bei diesen ausschliesslich um Verhalten handelt – nicht um Wissen. Und Verhalten ist im Gegensatz zu Wissen nicht unterrichtbar, sondern nur durch eigenes Erleben erfahrbar. So ist es zwar möglich, beispielsweise bei der Sozialkompetenz Empathie, Wissen zu erlangen, nur macht dieses Wissen noch niemanden emphatischer. Dazu benötigt es authentische Situationen, in denen Empathie erforderlich ist und eine Schülerin oder ein Schüler auch dazu bereit ist, sich für empathisches Empfinden zu öffnen. Folgende drei Punkte können festgehalten werden:

  1. Überfachliche Kompetenzen können nicht unterrichtet werden, sondern es müssen Erfahrungsmöglichkeiten gestaltet werden, damit sich diese entwickeln können.
  2. Kompetenzen sind nach den Professoren Erpenbeck und Heyse Selbstorganisationsfähigkeiten. Aus diesem Grund können sie nicht durch Verordnung oder Befehl entwickelt werden. Es müssen Situationen gestaltet werden, bei denen Schülerinnen und Schüler mit authentischen Herausforderungen konfrontiert werden, zu deren Bewältigung sie ein grundlegendes Einverständnis haben, damit sie sich darauf einlassen können.
  3. Die Methodik der Wissensvermittlung unterscheidet sich grundlegend von der Methodik der Kompetenzentwicklung – gerade bei überfachlichen Kompetenzen.

John Erpenbeck und Volker Heyse haben ein anderes Kompetenzmodell erarbeitet, das ich im Folgenden vorstellen möchte – den Kompetenzatlas. Gemeinsam mit Volker Heyse habe ich diesen für Kinder und Jugendliche adaptiert.

Kompetenzatlas Kinder und Jugendliche (hier findet sich das Dokument zur besseren Ansicht als Download)

Entsprechend dem Modell mit den drei Kreisen finden wir hier ebenfalls die Bereiche der personalen, sozial-kommunikativen und der Fach- und Methodenkompetenzen. Weiter gibt es einen eigenständigen Bereich von Aktivierungs- und Handlungskompetenzen. An diesem Modell vorteilhaft ist, dass Letztere explizit aufgeführt sind und nicht wie im dreikreisigen Modell die Annahme besteht, dass Menschen, welche über personale, soziale, methodische und fachliche Kompetenzen verfügen, automatisch ins Handeln kommen. Weiter sind die den vier Schlüsselkompetenzbereichen untergeordneten 64 Unterkompetenzen durch Erpenbeck und Heyse ausführlich erforscht und beschrieben. In der Privatwirtschaft gibt es etliche Firmen, welche in der Mitarbeiterführung und Kompetenzentwicklung mit dem Kompetenzatlas arbeiten. In meinem Buch "Hokuspokus Kompetenz" habe ich die 64 Kompetenzen für die Stufe von Kindern und Jugendlichen beschrieben, so dass Lehrpersonen Anregungen und Hinweise bekommen, wie sie einzelne Kompetenzen bei ihren Schülern evaluieren und entwickeln können. Es geht darum, dass Schulabgänger beispielsweise über Kompetenzen wie; Tatkraft, Initiative, Belastbarkeit, Optimismus, Offenheit für Veränderung, Disziplin, Lernbereitschaft, Dialogfähigkeit, Problemlösungsfähigkeit oder Teamfähigkeit verfügen. All diese Kompetenzen wünschen sich Lehrpersonen aber auch Schulabnehmerbetriebe von ihren Lehrlingen. Es genügt deshalb nicht, Verhaltensweisen lediglich zu beurteilen, sie aber nicht aktiv zu entwickeln.

Was braucht es nun von Schulen, damit sich bei ihren Schülerinnen und Schülern überfachliche Kompetenzen entwickeln können? Es müssen die Menschen hinter den Schülerinnen und Schülern gesehen werden. Denn nur wenn diese sich wahrgenommen fühlen, werden sie bereit sein sich zu äussern, einzubringen und bereit sein, sich für etwas zu engagieren. Und dieses sich Engagieren-Wollen ist die Voraussetzung, dass Kinder und Jugendliche überfachliche Kompetenzen entwickeln können. Lehrpersonen können deshalb nicht mehr einfach Berufsleute sein, die Fächer unterrichten. Das reicht für das Vermitteln von Fachwissen, nicht aber für eine ganzheitliche Bildung von kompetenten Menschen. Vertrauensfähigkeit, Dialogbereitschaft und Empathie sind die Kompetenzen, über welche Lehrpersonen verfügen müssen. Und bedeuten diese Fähigkeiten und diese neuen Anforderungen für Lehrpersonen einen Paradigmenwechsel für ihren Arbeitsalltag, dann werden weitere Kompetenzen erforderlich: Offenheit für Veränderungen, Lernbereitschaft, Gestaltungswille und Optimismus, dass ihnen und ihren Schülerinnen und Schüler solche Veränderungen gelingen werden.

*Daniel Hunziker war 24 Jahre als Lehrer oder Schulleiter auf allen Stufen der obligatorischen Schule tätig. Er hat unzählige Kompetenzraster kreiert, u.a. für den Lehrplan 21 des Kantons Baselland. Im Herbst 2015 erscheint sein Buch «Hokuspokus Kompetenz?» im hep-Verlag. Er ist Co-Leiter der Initiative Schulen der Zukunft gemeinsam mit dem deutschen Hirnforscher Prof. Dr. Gerald Hüther. www.bildungsreich.org

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