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02.12.2019

Interne Evaluation – Mit der guten Luuise

02.12.2019
Interne Evaluation – Mit der guten Luuise. Beitrag Philipp Schmid, FHNW, für www.schulinfozug.ch
Philipp Schmid
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«Gute Luuise» stärkt die interne Evaluation

Wie kann ich noch wirksamer unterrichten? Wer sich mit Offenheit an die interne Evaluation macht, wird belohnt. Offenheit reicht aber nicht aus, es braucht Mittel und Wege.

Von Philipp Schmid*

Evaluationsverfahren sind von Schulen nicht mehr wegzudenken, seit sie vor über einem Jahrzehnt im Rahmen der Qualitätsentwicklung eingeführt worden sind. Während die externe Evaluation vornehmlich summativ angelegt ist und dem Zweck der Rechenschaftslegung dient, hat die interne Evaluation in der Regel einen formativen Zweck und will Schule und Unterricht weiterentwickeln bzw. optimieren. Bei der Selbstevaluation, wie die interne Evaluation im Bildungsbereich oft genannt wird, sind die evaluierenden Akteure die Mitglieder an den Schulen selbst, sprich Schulleitungen und Lehrpersonen.

Interne Evaluation wird von Schul- und Unterrichtsforschern als zentral für Qualitätsentwicklung an Schulen angesehen und gilt – sofern sie nach fachlichen Standards umgesetzt wird – als wirkungsvolle Massnahme für die Schul- und Unterrichtsentwicklung (z. B. Hense & Böttcher, 2019). John Hattie zeichnet in seiner Megastudie «Lernen sichtbar machen» das Bild der besonders erfolgreichen Lehrperson, die den eigenen Unterricht laufend hinsichtlich der Lernerfolge ihrer Schülerinnen und Schüler evaluiert (2014, S. 183). Es gibt Dutzende Fragebögen, die durch Schülerinnen und Schüler ausgefüllt werden. Sie sind oft online verfügbar sind und können vorgeblich pfannenfertig eingesetzt werden. Doch zeigt ein Blick in die Fachliteratur, dass interne Evaluation an Schulen vielleicht noch auf allgemeine Akzeptanz stösst, aber kaum nachhaltig eingesetzt wird (vgl. Beywl & Balzer, 2016). Ein wichtiger Grund dürfte sein, dass der Anspruch zu evaluieren bei den schulischen Akteuren nicht selten Überforderung und Irritation auslöst, weil man nicht davon ausgehen kann, dass sie empirische Erhebungsinstrumente versiert entwickeln oder anpassen können.

Wie kann es gelingen, dass interne Evaluation an Schulen wirklich nützlich ist, und nicht als lästige und unnütze Pflichtaufgabe verstanden wird?

Erfolgversprechend ist, wenn interne Evaluation auf die Stärkung des Unterrichts und des Lernens sowohl von Schülerinnen und Schülern als auch von Lehrpersonen ausgerichtet wird. Die Wirkung soll sich direkt im Kerngeschäft niederschlagen und sichtbar werden. Ausserdem ist dem Aufbau der Evaluationskompetenzen von Schulleitenden und Lehrpersonen besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Dies gelingt erfahrungsgemäss nur durch Begleitung von Fachpersonen. Beywl und Balzer (2016) sprechen vom Aufbau schulinternen Evaluationsvermögens und meinen damit, dass schulische Akteurinnen und Akteure Unterstützung erhalten, interne Evaluationen erfolgreich zu planen, durchzuführen und zu nutzen. Da dies mit zusätzlichem Aufwand verbunden ist, sind gewisse Rahmenbedingungen erforderlich. Gemeint sind Strukturen wie Zeit- und Sitzungsgefässe, Arbeitsgruppen oder Kommunikationskanäle. Sie helfen mit, dass die Aufbauarbeit nicht als Überanstrengung und Frust erlebt wird.

Luuise
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Abb. 1: Luuise

Mit Luuise den Unterricht optimieren und gleichzeitig Evaluationskompetenzen aufbauen

Das Luuise-Verfahren stellt ein Beispiel dar, wie Lehrpersonen Evaluation nutzen können, um ihren eigenen Unterricht weiterzuentwickeln. Die Evaluation ist von Anfang an auf konkrete Unterrichtssituationen ausgerichtet und wird in die praktische Unterrichtstätigkeit eingebaut. Das systematische Umsetzen einer Evaluation führt bei Lehrpersonen zum Aufbau von Evaluationskompetenz. Das Luuise-Akronym steht für «Lehrpersonen unterrichten und untersuchen integriert, sichtbar und effektiv». Aus der Sicht der Lehrperson liefert Luuise ein schrittweises Verfahren, eine pädagogische Knacknuss zu identifizieren, anzugehen und zu beheben. Unter einer Knacknuss ist eine wiederkehrend belastende oder störende Unterrichtssituation zu verstehen, die man als Lehrperson verändern möchte, aber noch keinen Weg dazu gefunden hat. Es ist möglich, dass man schon Verschiedenes erfolglos versucht hat, es kann aber auch sein, dass man nie die Zeit hatte bzw. sie sich nicht genommen hat, einer Knacknuss auf den Zahn zu fühlen, um einen Lösungsweg zu entwickeln. Typisch für eine Selbstevaluation ist, dass die Lehrperson ihre Knacknuss selbst auswählt. Diese Selbstbestimmung sorgt für die nötige Energie. Und sie ist nötig, um als Lehrperson das Selbstevaluieren als neues Verfahren kennen zu lernen und mit ihm vertraut zu werden.

Luuise 5 Schritte
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Abb. 2: 5 Schritte für Luuise

In einer Präsenzveranstaltung werden die teilnehmenden Lehrperson, in der Regel in Kleingruppen von sechs Personen, von einer Fachperson angeleitet, die Knacknuss so einzugrenzen, dass sie bearbeitbar wird, und einen Fokus für ein Umsetzungsprojekt zu setzen, das zwar herausfordernd ist, aber eine ansprechend hohe Erfolgswahrscheinlichkeit verspricht. Kernmerkmale sind die folgenden fünf Schritte: Knacknuss wählen, Ziel festlegen, Unterrichtsintervention planen, Datenerhebungsinstrument entwickeln, kollegiales Berichten über das Umsetzungsprojekt und die Ergebnisse (Abbildung 2). Die einzelnen Schritte werden sukzessive
eingeführt, kollegial beraten und geplant. Den Startzeitpunkt und die Umsetzungsdauer ihres Unterrichtsprojekts legt die Lehrperson selbst fest. Meist erstrecken sich Projekte über zwei bis sechs Wochen mit vier bis zehn Messzeitpunkten. Durch eine Verschriftlichung im Planungsraster gewinnt das Vorhaben an Struktur und Tiefe. Das Planungsraster macht es zudem möglich, dass die Planung von der Fachperson gegengelesen und kommentiert wird (E-Mailberatung), was von den umsetzenden Lehrpersonen als hilfreiche Unterstützung erlebt wird.

Die Evaluation ist durch die fünf Schritte fest im Luuise-Verfahren verankert. Die Umsetzung wird im Voraus geplant: die Zielwerte für den Erfolg wie auch Erhebungsmethode und Vorgehen bei der Datenerhebung, ebenfalls die Art des Berichtens. Diese fünf Evaluationsschritte unterstützen das Knacken der Nuss massgeblich, sie führen die Lehrperson durch den gesamten Prozess von der Planung bis zur Reflexion und bieten damit ein Gerüst zur Orientierung.

Zentral bei Luuise sind die Integration des Evaluierens in das Unterrichtshandeln sowie die im Unterricht sichtbar gemachten Ergebnisse. Sie ermöglichen den Dialog mit den Lernenden. Messen im Unterricht kann etwa bedeuten, dass Lernende gleich nach dem selbständigen Korrigieren einer Rechenaufgabe ihre Meinung abgeben, ob eine Aufgabe für sie zu leicht, gerade richtig oder zu schwer war. Es wird wenn immer möglich versucht, die Schülerinnen und Schüler beim Messen und Auswerten zu beteiligen. Dieses Verzahnen von Unterrichten und Untersuchen entfaltet seine Wirkung auch dadurch, dass die Lernenden durch die Beteiligung zu Mitgestaltenden werden. Sie erheben auf Augenhöhe mit der Lehrperson Daten, werten aus und interpretieren sie. Dies hat einen direkten pädagogischen Nutzen, und steigert meist die Motivation und damit die Erfolgswahrscheinlichkeit des Luuise-Projekts. Die langfristigen Folgen einer solchen dialogischen Dynamik können erhöhte Beteiligung der Klasse oder eine gestärkte Lehrer-Schüler-Beziehung sein. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass mit dem Integrieren des Messens in den Unterricht keine zusätzliche Zeit aufgewendet werden muss, um Daten zusammenzutragen und auszuwerten.

Während der Umsetzungsphase treffen sich die Luuise-Lehrpersonen zum Zwischenstopp mit der Fachperson, um sich gegenseitig über den Umsetzungsstand zu informieren und um entstandene Fragen oder aufgetretene Probleme zu beraten. Den Abschluss eines Luuise-Zyklus bildet der schulische Präsentationsanlass. Nun bewegt sich Luuise von der individuellen auf die Schulentwicklungsebene. Die Lehrpersonen stellen im Kollegium ihre Luuise-Projekte vor: Was haben sie umgesetzt, wie sind sie vorgegangen und was ist dabei herausgekommen. Sie kommen miteinander vertieft und datenbasiert übers Lehren und Lernen ins Gespräch, tauschen sich aus und geben sich Beispiele guter Praxis weiter.

Nach einem ersten Zyklus, in dem die Lehrpersonen eng betreut werden, wird mit der Schulleitung die Fortsetzung geplant. In weiteren Zyklen sollen weitere Lehrpersonen das Luuise-Verfahren durch Anwenden kennen lernen. Sie werden verstärkt von Kolleginnen oder Kollegen begleitet, gleichzeitig wird die Begleitung durch externe Fachpersonen reduziert. Vision ist, dass eine Schule nach zwei bis vier Zyklen in der Lage ist, Luuise ganz selbständig umzusetzen, was an einigen Schulen gelungen ist.

In den letzten sieben Jahren sind in der Schweiz und in Deutschland an etwa 60 Schulen gegen 100 Luuise-Zyklen umgesetzt worden, in welchen fast 800 Lehrpersonen aller Stufen vom Kindergarten bis in die Erwachsenenbildung eigene Projekte alleine oder in Tandems umgesetzt haben. Die mittlerweile umfangreiche Begleitforschung zu Luuise bezeugt die Wirksamkeit des Verfahrens auf den Ebenen Lehrperson, Unterricht und Schule. So gibt in der zweiten Evaluation des Luuise-Verfahren die Mehrheit der über 200 antwortenden Lehrpersonen an, dass die Knacknuss (eher) geknackt wurde (vgl. Strasser, Schmid & Beywl, 2019). Auch berichten viele Befragte als mittel- und längerfristige Wirkung von erhöhtem Dialog und positiven Einflüssen auf das Lernen. Bezüglich des eigenen Lehrhandelns berichtet die Mehrheit von erweiterter Methodenkompetenz und Selbstwirksamkeitserwartung. Viele beurteilen das Datenerheben im Unterricht als nützlich. Zwischenergebnisse einer laufenden Studie weisen darauf hin, dass mit Luuise längerfristige arbeitsverbundene Lernprozesse in Gang gesetzt werden, mit Auswir-kungen sowohl auf die Professionalisierung als Lehrperson als auch auf den Aufbau persönlicher Evaluationskompetenzen.

Damit das Luuise-Verfahren auch für Schulen wie die bekannte Birnensorte eine «gute Luuise» wird, ist die vorausblickende Planung der Schulleitenden mit geschicktem Einpassen in die laufenden schulischen Aktivitäten und Prozesse entscheidend.

*Philipp Schmid ist Dozent für Unterrichtsentwicklung an der Professur für Bildungsmanagement sowie Schul- und Personalentwicklung an der Fachhochschule Nordwestschweiz, FHNW. Themen: Unterrichtsentwicklung Selbstevaluation im Unterricht. Leitung von Reflexionsseminaren am Institut Primarstufe. .

 

 

Literatur

  • Beywl, Wolfgang & Balzer, Lars. (2016). Aufbau von Evaluationskompetenzen für interne Schu-levaluation durch projektbezogene Fortbildung. Die Deutsche Schule, 108(2), 191-204.
  • Hattie, John A. C. (2014). Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen: Überarbeitete deutsch-sprachige Ausgabe von "Visible Learning for Teachers". Besorgt von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer. (Englischsprachige Erstveröffentlichung 2012). Baltmannsweiler: Schneider Hohengeh-ren.
  • Hense, Jan Ulrich & Böttcher, Wolfgang. (2019). Evaluation – Ein starkes Instrument für die Entwicklung von Unterricht und Schule. In: Stephan Gerhard Huber (Hrsg.), Jahrbuch Schullei-tung (S. 247-260). Kronach: Carl Link.
  • Strasser, Janine, Schmid, Philipp & Beywl, Wolfgang. (2019). Unterrichtserfolg mit selbster-zeugten Daten. 2. Evaluation der Luuise-Weiterbildungen. Windisch: IWB PH FHNW.
  • Weblink: www.fhnw.ch/wbph-luuise

 

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