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28.10.2016

Schule und Recht — Ohne Angst und Notlügen

28.10.2016
Macht die Juristerei der Schule das Leben schwer? Nein, sagt der Chef des Rechtsdienstes der Direktion für Bildung und Kultur im Interview. Sorgfalt, Offenheit und Ehrlichkeit seien der Schlüssel ...
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Macht die Juristerei der Schule das Leben schwer? Nein, sagt der Chef des Rechtsdienstes der Direktion für Bildung und Kultur im Interview. Sorgfalt, Offenheit und Ehrlichkeit seien der Schlüssel für ein schulrechtlich sorgenfreies Berufsleben.

Von Lukas Fürrer

Alexander Lioris*, die Schlittschuhsaison steht vor der Tür. Auf dem Eisfeld ist ein Unfall schnell passiert. Muss man den Lehrpersonen aus juristischer Sicht vom Besuch auf dem Eisfeld abraten?
Auf keinen Fall. Ganz allgemein gilt, wer sich und seine Klasse gut vorbereitet und bei der entsprechenden Veranstaltung gut führt, dem gelingt das Unterfangen auch. Durch eine verantwortungsbewusste Wahrnehmung der Obhutspflicht und das Befolgen der Weisungen der vorgesetzten Stellen kann eine Lehrperson das Risiko von straf-, zivil- und/oder disziplinarrechtlichen Folgen praktisch ausschliessen bzw. in engen Grenzen halten.

Umgekehrt: Was muss man den Lehrpersonen raten?
Eine gute Vorbereitung ist wichtig. Insbesondere sind wie üblich das Alter, die Fähigkeiten und die Konstitution etc. aller Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen. Im Voraus sind Verhaltensregeln bekanntzugeben und dann auch durchzusetzen. Allfällige Gefahren sowie der Umgang mit Unfällen etc. sind zu thematisieren. Für die Vorbereitung existieren in Schulen meist zahlreiche Merkblätter und Regeln. Hilfreich sind zudem u. a. auch die Informationen der Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu). Auch der Dachverband Schweizer Lehrerinnen und Lehrer sowie weitere Organisationen haben gute Merkblätter erarbeitet.

Was, wenn doch einmal etwas passiert? Kennen Kanton und Gemeinden eine Berufshaftpflichtversicherung für ihre Lehrpersonen oder müssen diese selbst eine abschliessen?
Gemäss dem Verantwortlichkeitsgesetz des Kantons Zug haften der Kanton und die Gemeinden als Arbeitgeber, wenn sich beispielsweise auf dem Eisfeld ein Unfall ereignet und die Erziehungsberechtigten auf Schadenersatz klagen, vorausgesetzt, der Lehrperson kann kein Fehlverhalten nachgewiesen werden. Die Erziehungsberechtigten können somit nicht direkt gegen die Lehrperson vorgehen. Kann der Lehrperson jedoch ein Fehlverhalten nachgewiesen und dieses beispielsweise als grobfahrlässig beurteilt werden, so kann der Schulträger auf die Lehrperson zurückgreifen. In diesen sehr seltenen Fällen (die dann aber auch sehr teuer werden können), könnte allenfalls eine private Berufshaftpflichtversicherung zum Tragen kommen. Dies allerdings nur, wenn diese das besagte Regressrisiko tatsächlich auch deckt.

Alles lässt sich also nicht versichern. Soll ich mir als Lehrperson aus diesem Grund eine Rechtsschutzversicherung zulegen? Oder bin ich dafür auch beim Arbeitgeber versichert?
Der Kanton gewährt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unentgeltlich Rechtsschutz, wenn diese in Erfüllung ihrer Amtspflicht von Dritten für Folgen aus gesetzmässigen Handlungen verantwortlich gemacht werden. Ergibt das Verfahren, dass die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter die Amtspflichten vorsätzlich oder grobfahrlässig verletzt hat, kann sie bzw. er zur Rückerstattung der Kosten verpflichtet werden. Mit dieser Bestimmung wird also auf kantonaler Ebene in einem gewissen Ausmass Rechtsschutz gewährt. Wie sich die Situation in den Gemeinden präsentiert, entzieht sich meiner Kenntnis. Es ist sicher empfehlenswert, diesbezüglich beim Arbeitgeber nachzufragen. Es gibt darüber hinaus auch Organisationen, beispielsweise den Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz, die eine umfassende Versicherungslösung zu günstigen Konditionen anbieten.

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen fahrlässig und grobfahrlässig?
Verallgemeinernd und vereinfacht ausgedrückt gilt Folgendes: Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die elementarsten Vorsichtsgebote verletzt werden. Es wird ausser Acht gelassen, was jedem verständigen Menschen in der betreffenden Lage und unter den konkreten Umständen hätte einleuchten müssen. Grobfahrlässiges Verhalten lässt sich als schlechthin unverständlich bezeichnen. Anschaulich formuliert: wie kann man nur! Bei leichter Fahrlässigkeit liegt eine geringfügige Verletzung der erforderlichen Sorgfalt vor; mithin aber doch eine Verletzung der erforderlichen Sorgfaltspflicht. Anschaulich formuliert: Kann passieren.

Heute droht der Lehrperson ja nicht erst bei einem Unfall juristisches Ungemach. Benotung, Übertritt, Disziplinarmassnahmen ... Eltern, so habe ich gehört, drohen heute schnell mit dem Anwalt. Werden in umstrittenen Schulfragen tatsächlich öfter Anwälte beigezogen als früher?
Ich kann da nur etwa die letzten fünf bis zehn Jahre überblicken. Unserer Erfahrung nach kann da schon eine steigende Tendenz festgestellt werden. Einen übermässigen Anstieg kann ich bei uns allerdings nicht feststellen. Allenfalls präsentiert sich die Situation bei den Lehrpersonen vor Ort anders. Das kann ich nicht beurteilen.

Was mache ich als Lehrperson, wenn Eltern von einem Anwalt begleitet an ein Elterngespräch kommen?
Vorab möchte ich festhalten, dass es wichtig ist, dass man sich davon keinesfalls einschüchtern lässt. Gehen sie vor wie immer. Einer Lehrperson, die ihre Arbeit pflichtbewusst erfüllt und sich an die Vorschriften hält, passiert nichts. Meiner Erfahrung nach werden von den rechtsprechenden Instanzen keine weltfremden Entscheide gefällt. Vieles relativiert sich. Allerdings ist in diesen Ausnahmesituationen, in denen Gespräche ohne Beizug eines Anwalts nicht mehr möglich sind, das Vertrauensverhältnis wohl derart zerstört, dass man Hilfe beiziehen sollte. Ich würde in solchen Situationen das Gespräch mit der Schulleitung suchen. Zusammen kann man dann die geeignete Vorgehensweise definieren und allenfalls noch weitere Hilfe hinzuziehen. Ob dies dann dazu führt, dass man sich allenfalls auch begleiten lässt – sei es von einem Anwalt oder einer anderen Lehrperson bzw. einem Mitglied der Schulleitung – oder das Elterngespräch von einer Drittperson moderiert wird, muss der konkreten Situation angepasst entschieden werden.

Wohin kann ich mich als Lehrperson mit einer juristischen Frage wenden?
Heutzutage bilden sich viele Schulleiterinnen und Schulleiter in diesem Bereich aus oder weiter. Sie sollen deshalb sicher die erste Ansprechperson sein. Oft wurden entsprechende Fragen an der Schule auch bereits früher thematisiert bzw. abgeklärt und man kann auf diesen Fundus zurückgreifen. Wenn das nicht hilft, kann man sich an das Rektorat wenden, wo sicher nochmals sehr gut weitergeholfen werden kann. Sollten die Rektorate nicht weiter helfen können, können diese die entsprechenden Fragen an unser Amt für gemeindliche Schulen oder dann direkt an unseren Rechtsdienst richten. Man findet zudem auch auf der Internetseite des Amts für gemeindliche Schulen eine Fülle von (Link:) Antworten und Informationen zum Schulrecht.

Gibt es Fragen, die immer wieder auf dem Tisch des Rechtsdienstes DBK landen?
Die Fragen-Palette ist sehr breit. Eine Aufzählung würde hier wohl ein falsches Bild vermitteln. Für mich kommt die Frage, wie man sich gegen Entscheide zur Wehr setzen könne, allerdings leider noch immer etwas zu oft. Ich denke, hier herrscht manchmal noch etwas Handlungsbedarf. Mir ist bewusst, dass wir es in unserem Alltag mit den wenigen Fällen zu tun haben, bei denen etwas nicht gut gelaufen ist. Das soll nicht heissen, dass tatsächlich Fehler gemacht wurden. Ich bin mir aber sicher, dass in diesen Fällen oft (nicht immer) mit einem klaren Aufzeigen der jeweiligen Strukturen, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten, eine «Eskalation» hätte vermieden werden können.

Welche «Entscheide» hast Du im Kopf?
Beispiel Niveauwechsel auf der Oberstufe: Da gibt es ein Rechtsmittel dagegen, welches die Eltern ergreifen können. Das gleiche gilt bspw. auch für befristete Schulausschlüsse. Die rechtlichen Möglichkeiten müssen den Eltern mit dem Entscheid auch mitgeteilt werden. Wenn diese so genannte Rechtsmittelbelehrung fehlt, dann ist das aus juristischer Sicht ein klassischer Fehlstart.

Wie gross ist eigentlich der Rechtsdienst DBK?
Der Rechtsdienst der DBK besteht aus 110 Stellenprozenten, die meine Kollegin und ich – sie arbeitet 40 % und ich 70 % – untereinander aufteilen. Wir haben im Direktionssekretariat zudem eine weitere Mitarbeiterin, welche ausgebildete Juristin bzw. Rechtsanwältin ist. Bei Bedarf können wir auch auf sie zurückgreifen, wofür wir sehr dankbar sind.

Ich weiss, dass wir im Kanton Zug viele sehr gute Lehrerinnen und Lehrer haben, aber nicht nur. Gleichwohl hört man eigentlich nie, dass sich Schulen von schlechten Lehrpersonen trennen. Dass es juristisch schwierig sei, eine schlechte Lehrperson zu entlassen, höre ich hingegen immer wieder. Ist das so? Oder besser gefragt: Was muss ich aus juristischer Sicht tun, um mich von einer solchen Lehrperson zu trennen?
Das diesbezügliche Verfahren unterscheidet sich bei Lehrpersonen nicht von demjenigen bei den übrigen öffentlich-rechtlich angestellten Personen. Lediglich die Kündigungstermine unterscheiden sich von den übrigen Angestellten des öffentlichen Dienstes. Liegt ein sachlich zureichender Grund vor und wird das entsprechende Verfahren korrekt durchgeführt, ist es nicht schwieriger sich von einer Lehrperson zu trennen als von einer anderen öffentlich-rechtlich angestellten Person.

Während einem durchschnittlichen Arbeitstag beschäftigst Du Dich nicht nur mit juristischer Beratung für die Schulen. Welche Aufgaben übernimmt der Rechtsdienst DBK sonst noch?
Wir erarbeiten Rechtsetzungsprojekte oder bieten Unterstützung bei Rechtsetzungsprojekten auf allen Stufen. Das geht von internen Weisungen/Richtlinien über Reglements- und Verordnungs- bis hin zu Gesetzesänderungen. Wir unterstützen zudem unsere Ämter, neben dem Amt für gemeindliche Schulen, das Amt für Mittelschulen und Pädagogische Hochschule, das Amt für Berufsberatung, das Amt für Sport und das Amt für Kultur sowie unseren Direktionsvorsteher in juristischen Angelegenheiten. Weiter bearbeiten wir das Beschwerdewesen auf allen unseren Gebieten, unterstützen unsere Ämter bei ihren Anträgen an den Regierungsrat, den Bildungsrat und ihre jeweiligen Kommissionen. Wir bieten Unterstützung bei Beitragsentscheiden und -gesuchen. Im Prinzip beraten und unterstützen wir die gesamte DBK in juristischen Belangen.

Welches war bis heute das grösste Rechtsgeschäft auf Deinem Tisch?
Das kann ich so nicht sagen. Sehr aufwendig sind grössere Gesetzgebungsprojekte, bspw. die kürzlich abgeschlossenen Revisionen Schulgesetz und Lehrpersonalgesetz. Allerdings haben wir teilweise auch sehr aufwendige und komplexe Rechtsstreitigkeiten bzw. Beschwerdefälle.

Und welches das spannendste?
Wir haben sehr viele, sehr spannende Projekte. Ich kann wirklich keines hervorheben.

Als Chef Recht betrachtest Du das Schulwesen aus einer nüchternen Distanz. Was zeigt sich Dir? Oder vielleicht anders gefragt: Wenn Du den Schulleitungen und Lehrpersonen drei Tipps aus schuljuristischer Sicht geben würdest, welche wären das?
Bevor ich meine «Tipps» abgebe, möchte ich festhalten, dass ich den Eindruck habe, an unseren Schulen wird sehr gute Arbeit geleistet. Aus juristischer Sicht möchte ich als erstes raten, sich von all den Meldungen, dass man bei einem Ausflug mit einem Bein schon im Gefängnis stehe oder auch den Drohungen mit Anwälten, nicht verunsichern zu lassen. Ich hoffe, dieses Interview konnte aufzeigen, dass in diesem Bereich oft auch etwas übertrieben wird. Zweitens möchte ich darauf hinweisen, wie wichtig Kommunikation gerade in Fällen ist, in denen etwas nicht so gut läuft. Damit kann man sich aus meiner Erfahrung sehr viel nachfolgenden Aufwand ersparen. Im Kanton Zug gibt es bspw. eine (Link:) Ombudsfrau, die man bei nachhaltigen Streitigkeiten zwischen Schule und Eltern lieber zu früh als zu spät beizieht. Die Ombudsfrau ist eine sehr erfahrene Juristin und Mediatorin. Das ist ein Ventil, das in meinen Augen noch zu wenig genutzt wird. Sie zeigt einem im übrigen auch einen Ausweg auf, wenn man einmal im Unrecht sein sollte, was nur menschlich ist. Das führt mich zum dritten und entscheidenden Punkt: Aus meiner Sicht ist es sehr wichtig, dass man nicht aus «falscher» Angst vor juristischen oder anderen Konsequenzen versucht, von der eigenen Verantwortung abzulenken oder sich in eine Notlüge zu flüchten. Aus diesen Versuchen resultieren oft die verfahrensten Situationen bzw. Beschwerden. Es ist sehr wichtig, offen und ehrlich zu kommunizieren, allenfalls begangene Fehler auch einzugestehen. Ich bin fest davon überzeugt, dass man damit viel Ungemach und einige Beschwerdeverfahren verhindern kann.

*Alexander Lioris ist Jurist und seit 2015 Chef Recht sowie stellvertretender Generalsekretär der Direktion für Bildung und Kultur.

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