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Art. 115 ZPO
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Art. 158 ZPO
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Art. 257 ZPO
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Art. 318 ZPO

Art. 318 und 221 Abs. 1 lit. b ZPO

Regeste:

Art. 318 und 221 Abs. 1 lit. b ZPO – Die Berufungsschrift hat reformatorische Anträge zu enthalten. Mit den Berufungsanträgen muss zum Ausdruck gebracht werden, welche Punkte des erstinstanzlichen Entscheides bzw. dessen Dispositives angefochten werden und inwiefern der erstinstanzliche Entscheid abzuändern ist.

Aus den Erwägungen:

1. Nach Art. 311 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 314 Abs. 1 ZPO ist die Berufung gegen einen im summarischen Verfahren ergangenen Entscheid bei der Rechtsmittelinstanz innert 10 Tagen seit Zustellung des begründeten Entscheides schriftlich und begründet einzureichen. In der Berufungsschrift ist im Einzelnen vorzutragen, aus welchen Gründen der angefochtene Entscheid falsch sei und deshalb geändert werden müsse (Begründungslast). Sodann ist ein – mit Blick auf Art. 318 ZPO grundsätzlich reformatorischer – Antrag zu stellen (Gasser/Rickli, Kurzkommentar ZPO, Zürich/St. Gallen 2010, Art. 311 N 5). Aus dem Wortlaut von Art. 311 ZPO geht zwar nicht explizit hervor, dass die Berufungsschrift Anträge zu enthalten hat. Dies ergibt sich jedoch aufgrund der Pflicht zur Begründung der Berufungsschrift, welche entsprechende (zu begründende) Berufungsanträge implizit voraussetzt, von selbst (Reetz/Theiler, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2013, Art. 311 N 34 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung; Spühler, Basler Kommentar ZPO, 2.A., Basel 2013, Art. 311 N 12). Aber auch aus Art. 221 Abs. 1 lit. b ZPO, dessen Bestimmung für die Berufungsschrift sinngemäss zur Anwendung kommt, ergibt sich, dass die Berufung konkrete Anträge zu enthalten hat (Seiler, Die Berufung nach ZPO, Zürich/Basel/Genf 2013, S. 371 Rz 872; Reetz/Theiler, a.a.O., Art. 311 N 33 mit Hinweis auf BGE 138 III 213 E. 2.3). Ein hinlänglich bestimmtes Rechtsbegehren bzw. konkrete Anträge sind als ungeschriebenes, aber selbstverständliches Formerfordernis der Berufungsschrift zu betrachten. Daraus muss sich mit hinlänglicher Deutlichkeit ergeben, dass die Partei die inhaltliche Überprüfung des angefochtenen Urteils durch eine obere Instanz verlangt und welchen Entscheid die anfechtende Partei anstrebt (Sterchi, in: Berner Kommentar ZPO, 2012, Art. 311 N 14). Der Berufungskläger darf sich deshalb grundsätzlich auch nicht darauf beschränken, lediglich die Aufhebung des angefochtenen erstinstanzlichen Entscheides zu beantragen, sondern er muss einen Antrag in der Sache stellen, und zwar in den Rechtsbegehren der Berufungsschrift selbst, d.h. in den Berufungsanträgen, und nicht bloss in der Begründung (BGE 133 III 489 E. 3.1). Geht es um eine auf Geldleistung gerichtete Forderung, so ist demnach eine Bezifferung erforderlich (BGE 137 III 617 E. 4.3). Da die kantonale Berufungsinstanz volle Kognition in Tat- und Rechtsfragen besitzt (Art. 310 ZPO), reicht es folglich auch im Fall, in dem der Sachverhalt von der ersten kantonalen Instanz unvollständig festgestellt wurde, nicht aus, lediglich die Aufhebung des erstinstanzlichen Entscheides und die Rückweisung der Sache an die erste kantonale Instanz zu verlangen. Mit den Berufungsanträgen soll (präzise) zum Ausdruck gebracht werden, wie genau die kantonale Berufungsinstanz entscheiden soll bzw. welche Punkte des erstinstanzlichen Entscheides (bzw. dessen Dispositives) angefochten werden und inwiefern der erstinstanzliche Entscheid abzuändern ist (Reetz/Theiler, a.a.O., Art. 311 N 34). Die Anträge sollen grundsätzlich so lauten, dass sie vom Gericht ohne Weiteres zum Urteil erhoben werden können, wenn es das Rechtsmittel gutheisst. Sind die Berufungsanträge unklar formuliert, werden sie – wie alle Rechtsbegehren – nach ihrem Sinn und Gehalt ausgelegt, wobei eine objektive Auslegung nach allgemeinen Grundsätzen und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben zu erfolgen hat (Reetz/Theiler, a.a.O., Art. 311 N 35 mit Hinweis auf BGE 105 II 149 E. 2a; 82 III 145 E. 1). Die Berufungsanträge stellen gewissermassen das «Kernstück» der Berufungsschrift dar (Schüepp, Der Berufungsantrag im Zivilprozess, unter besonderer Berücksichtigung des Kantons Zürich, Diss. Zürich 1979, S. 43).

Sind die Anforderungen an die Berufungsanträge nicht eingehalten, so mangelt es an einer Zulässigkeitsvoraussetzung für die Berufung und es kann darauf nicht eingetreten werden. Es handelt sich dabei nicht um einen verbesserlichen Mangel im Sinne von Art. 132 ZPO (ius.focus 1/2012, S. 17, Kommentar zum Urteil vom 9. März 2011 des Obergerichts Solothurn; Seiler, a.a.O., S. 392 Rz 910; Reetz/Theiler, a.a.O., Art. 311 N 12). Die 10-tägige Berufungsfrist nach Art. 314 Abs. 1 ZPO ist eine gesetzliche Frist und kann nicht erstreckt werden (Art. 144 Abs. 1 ZPO). Eine Nachfristansetzung zur Behebung mangelhafter bzw. ungenügender Berufungsanträge würde aber auf eine Verlängerung der nicht erstreckbaren Rechtsmittelfrist hinauslaufen (vgl. Sterchi, a.a.O., Art. 311 N 21 f; Reetz/Theiler, a.a.O., Art. 311 N 35).

2.1 Der Berufungsantrag des Gesuchsgegners, «der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei der Berufungsbeklagten ein hypothetisches Einkommen von Januar 2013 bis und mit November 2013 in der Höhe von maximal CHF 5'000.– anzurechnen», genügt den gesetzlichen Anforderungen, wie sie eben dargelegt wurden, nicht. Im vorinstanzlichen Entscheid wird der Gesuchsgegner u.a. verpflichtet, der Gesuchstellerin für eine bestimmte Dauer einen Unterhaltsbeitrag in bestimmter Höhe zu bezahlen. Diesen Entscheid ficht der Gesuchsgegner an. Es geht in der Sache also um die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe und für welchen Zeitraum der Gesuchsgegner der Gesuchstellerin einen Unterhaltsbeitrag zu bezahlen hat. Der Berufungskläger hat mithin in seinem Antrag entweder zu verlangen, dass der Gesuchstellerin kein Unterhaltsbeitrag oder aber ein solcher in lediglich reduzierter Höhe zugesprochen wird, wobei er im zweiten Fall die Höhe zu beziffern hat. Die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens, wie er das in seinem Antrag verlangt, stellt hingegen lediglich den Grund für die Verneinung oder ein Bemessungskriterium für die Festsetzung eines allfälligen Unterhaltsbeitrages dar. Aus dem Rechtsbegehren des Gesuchsgegners geht nun nicht hervor, ob er der Auffassung ist, dass er der Gesuchstellerin keinen Unterhaltsbeitrag zu leisten habe, wenn ihr ein hypothetisches Einkommen anzurechnen ist, oder ob er bei dieser Vorgabe zwar anerkennt, einen solchen zu schulden, nicht aber in der von der Vorinstanz festgesetzten Höhe. Das lässt sich auch der Berufungsbegründung nicht entnehmen. Es kommt hinzu, dass er von einem Maximalbetrag des anrechenbaren hypothetischen Einkommens spricht, so dass auch deswegen unklar bzw. offen bleibt, ob er mit seiner Berufung eine gänzliche Verweigerung oder lediglich eine Reduktion des von ihm zu bezahlenden Unterhaltsbeitrages beantragt. Dass dem Berufungsbegehren nicht klar entnommen werden kann, was der Gesuchsgegner materiell fordert bzw. inwiefern der angefochtene Entscheid geändert werden soll, zeigt sich auch darin, dass er im vorinstanzlichen Verfahren in seinem Eventualantrag Ziff. 3 noch selbst verlangt hatte, er sei zur Zahlung angemessener Unterhaltsbeiträge von maximal CHF 3'920.– für eine Zeitdauer bis maximal Ende November 2013 zu verurteilen, wenn auf das Gesuch einzutreten sei. Man muss sich deshalb fragen, ob dem Gesuchsgegner, sollte er mit seiner Berufung die Verweigerung jeglicher Unterhaltszahlungen gegenüber der Gesuchstellerin verlangen, überhaupt die vorausgesetzte Rechtsmittelbeschwer zukäme. Soweit der Gesuchsteller mit seiner Berufung die Feststellung des anrechenbaren hypothetische Einkommens der Gesuchstellerin verlangen sollte, würde es sich dabei um einen neuen Antrag und damit um eine unzulässige Klageänderung handeln, nachdem weder geltend gemacht wird noch sonst wie ersichtlich ist, dass diese Klageänderung auf neuen Tatsachen und Beweismitteln beruht (Art. 317 Abs. 2 ZPO). Überdies würde ihm für eine solche Feststellung aber offensichtlich auch das notwendige Rechtsschutzinteresse fehlen, weshalb darauf auch aus diesem Grunde nicht eingetreten werden könnte. Die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens beschlägt lediglich die Frage nach der Leistungsfähigkeit der Parteien. Steht diese fest, ist über die Frage des gebührenden Lebensbedarfs noch nichts gesagt. Dieser richtet sich grundsätzlich nach den zuletzt gelebten Verhältnissen vor der Trennung. Der Gesuchsgegner hätte in seinem Berufungsantrag klar sagen müssen, ob der Gesuchstellerin überhaupt ein Unterhaltsbeitrag zuzusprechen sei und – falls ja – in welcher (allenfalls maximalen) Höhe. Die Vorinstanz hat im Übrigen auch eine Überschussverteilung vorgenommen, und es wird nicht klar, ob der Gesuchsgegner einer solchen Verteilung opponiert, wenn der Gesuchstellerin ein hypothetisches Einkommen angerechnet würde. Genügt der genannte (Haupt-)Berufungsantrag mithin den gesetzlichen Anforderungen nicht, kann darauf nicht eingetreten werden.

2.2 Auch auf den Eventualberufungsantrag, wonach der Entscheid aufzuheben und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen sei, kann nicht eingetreten werden. Es ist nämlich nicht ersichtlich, weshalb eine Rückweisung in Betracht kommen sollte, und der Gesuchsgegner legt das denn auch nicht dar (BGE 133 III 489 E. 3.1). Abgesehen davon ist ohnehin in aller Regel ein Antrag in der Sache erforderlich, ansonsten auf die Berufung nicht einzutreten ist. Der Rechtsmittelkläger kann sich nicht damit begnügen, die Aufhebung des erstinstanzlichen Entscheids und die Rückweisung an die Vorinstanz zu verlangen. In seinem Rechtsbegehren muss er vielmehr angeben, welchen materiellen Ausgang des Verfahrens er anstrebt. Dieses Erfordernis ergibt sich – wie bereits ausgeführt – daraus, dass das Berufungsgericht einen reformatorischen Entscheid fällen können soll (vgl. Art. 318 ZPO), d.h. dass die Berufung grundsätzlich reformatorische und nicht bloss kassatorische Wirkung hat. Die Rechtsbegehren sind – wie ebenfalls bereits an anderer Stelle erwähnt – so zu formulieren, dass sie bei Gutheissung des Rechtsmittels zum Dispositiv des Berufungsentscheids erhoben werden könnten (vgl. BGE 137 III 617; Reetz/Theiler, a.a.O., Art. 311 N 34 f. vgl. Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Zivilrecht, vom 25. Juni 2013, Fall-Nr. 400 13 90).

Obergericht, II. Zivilabteilung, 7. Mai 2014 (eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil 5A_481/2014 vom 12. August 2014 ab)

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