Navigieren auf Kanton Zug

Gerichtspraxis

Staats- und Verwaltungsrecht

Verfahrensrecht

Politische Rechte, Bürgerrecht und Polizei

Art. 4 und 5 Konkordat Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen, § 1 der kantonalen VO zum Konkordat

Regeste:

Art. 4 und 5 Konkordat Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen, § 1 der kantonalen VO zum Konkordat – Einer Person, die sich anlässlich von Sportveranstaltungen nachweislich an Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen beteiligt, kann der Aufenthalt in einem genau umschriebenen Gebiet im Umfeld von Sportveranstaltungen (Rayon) zu bestimmten Zeiten verboten werden. Eine zu enge Auslegung des Begriffs «Umgebung» würde dem Ziel der  Gewaltprävention entgegenstehen. Die gegenseitige Anerkennung von Stadionverboten zwischen Fussball- und Eishockeyverbänden stellt keine  hinreichende Begründung für die Ausweitung des  Rayonverbots auf Fussballspiele dar.

Aus dem Sachverhalt:

X. wurde mit unangefochten gebliebenem Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 4. Juli 2013 der Zuwiderhandlung gegen Art. 15 Abs. 5 i.V.m. Art. 37 Ziff. 1 des Sprengstoffgesetzes (SR 941.41) sowie der Übertretung von § 20 des Polizeistrafgesetzes (BGS 311.1) schuldig gesprochen und mit einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu Fr. 120.– und einer Busse von Fr. 700.– bestraft, wobei der Vollzug der Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren aufgeschoben wurde. Der Beschwerdeführer hatte nach dem Besuch des Eishockeyspiels EVZ gegen SC Bern im Eisstadion der Bossard Arena am am 31. März 2013 um ca. 01.25 Uhr am Zählerweg 3 in Zug eine Handlichtfackel gezündet und diese dann, als ihn die Polizei kontrollieren wollte, fallen gelassen und war davongerannt. Mit Schreiben vom 12. August 2013 an die EVZ Sport AG empfahl die Zuger Polizei gestützt auf Art. 10 des Schweizer Konkordats über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen vom 15. November 2007 (BGS 511.3, nachfolgend: Konkordat), ein gesamtschweizerisches Stadionverbot auszusprechen. Die Vereinsführung der EVZ Sport AG kam der Empfehlung der Zuger Polizei nach und sprach gegen diesen ab dem 22. September 2013 bis voraussichtlich 21. September 2017 – vorbehältlich der Erfüllung aller Auflagen und der Einhaltung des Stadionverbots – ein gesamtschweizerisches Stadionverbot aus. Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs sprach die Zuger Polizei gegenüber X. mit Verfügung vom 23. September 2013 gestützt auf Art. 4 und 5 des Konkordats sowie § 1 der kantonalen Verordnung zur Ausführung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (recte: kantonale Verordnung zum Konkordat vom 15. November 2007 über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen) vom 23. Juni 2009 (BGS 512.25) für den Zeitraum vom 4. November 2013 bis 15. September 2014 ein Rayonverbot für die Rayons Zug Bahnhof und Zug Sportanlage Herti während den Eishokeyspielen der National League A und B, der Regio League, Freundschaftsspielen mit Beteiligung der National League A und/ oder B oder der Regio League, und Länderspielen (Ziff. 2 der Verfügung), sowie während Fuss-ballspielen der Axpo Super League und Challenge League, der 1. Liga, Cupspielen mit Beteiligung der Axpo Super League und/ oder der Challenge League oder der 1. Liga, Freundschaftsspielen mit Beteiligung der Axpo Super League und/ oder der Challenge League oder der 1. Liga sowie Länderspielen aus (Ziff. 3).

Aus den Erwägungen:

1. Die vorliegend angefochtene Verfügung der Zuger Polizei vom 23. September 2013 betrifft ein Rayonverbot im Sinne von Art. 4 des Konkordats über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen vom 15. November 2007 (BGS 511.3, nachfolgend: Konkordat). Gemäss § 2 der Verordnung zum Konkordat vom 15. November 2007 über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen (BGS 512.25, nachfolgend: Verordnung zum Konkordat) ist das Verwaltungsgericht zuständig für die richterliche Überprüfung der Rechtmässigkeit des Rayonverbots gemäss Art. 4 des Konkordats. Die Beschwerdefrist beträgt 10 Tage (§ 3 Abs. 1 lit. a der Verordnung zum Konkordat). Die Verfügung vom 23. September 2013 wurde dem Beschwerdeführer frühestens am 24. September 2013 zugestellt. Dieser reichte am 2. Oktober 2013 (Datum der Postaufgabe) und damit noch innerhalb der 10-Tagefrist Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein. Sodann erfüllt die Beschwerdeschrift die formellen Voraussetzungen gemäss § 44 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG, BGS 162.1). Sämtliche Prozessvoraussetzungen sind erfüllt, weshalb auf die Beschwerde einzutreten ist.

Gemäss Art. 12 des Konkordats kommt der Beschwerde grundsätzlich keine auf-schiebende Wirkung zu, es sei denn, der Zweck der Massnahme werde nicht gefährdet und das Gericht gewähre die aufschiebende Wirkung in einem Zwischenentscheid ausdrücklich. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer die Gewährung der aufschiebenden Wirkung nicht beantragt.

2. Einer Person, die sich anlässlich von Sportveranstaltungen nachweislich an Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen beteiligt, kann der Aufenthalt in einem genau umschriebenen Gebiet im Umfeld von Sportveranstaltungen (Rayon) zu bestimmten Zeiten verboten werden. Die zuständige kantonale Behörde bestimmt den Umfang der einzelnen Rayons (Art. 4 Abs. 1 des Konkordats). Das Rayonverbot kann längstens für die Dauer eines Jahres verfügt werden (Art. 4 Abs. 2 des Konkordats). Das Verbot kann von den Behörden des Kantons verfügt werden, in dem die betroffene Person wohnt oder in dem sie an der Gewalttätigkeit beteiligt war. Die Behörde des Kantons, in dem die Gewalttätigkeit geschah, hat dabei Vorrang (Art. 4 Satz 1 und 2 des Konkordats). Gemäss Art. 5 Abs. 1 des Konkordats sind in der Verfügung über das Rayonverbot die Geltungsdauer und der Geltungsbereich des Verbots festzulegen. Der Verfügung ist ein Plan beizulegen, der die vom Verbot erfassten Orte und die zugehörigen Rayons genau bezeichnet. Im Kanton Zug ist gemäss § 1 Abs. 1 lit. a der Verordnung zum Konkordat die Polizei zuständig für die Anordnung des Rayonverbots, wobei sie auch den Umfang des Rayons bestimmt (§ 1 Abs. 2 1. Teilsatz der Verordnung).

3.
3.1 Zur Anordnung eines Rayonverbots bedarf es demnach einer anlässlich einer Sportveranstaltung ausgeübten Gewalttätigkeit. Gemäss Art. 2 Abs. 2 des Konkordats gilt – nebst den in Art. 2 Abs. 1 enumerierten Straftatbeständen – auch die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch das Mitführen oder Verwenden von Waffen, Sprengmitteln, Schiesspulver oder pyrotechnischen Gegenständen an Sportstätten, in deren Umgebung sowie auf dem An- und Rückreiseweg als gewalttätiges Verhalten im Sinne des Konkordats. Als Nachweis für gewalttätiges Verhalten gelten entsprechende Gerichtsurteile oder polizeiliche Anzeigen, glaubwürdige Aussagen oder Bildaufnahmen der Polizei, der Zollverwaltung, des Sicherheitspersonals oder der Sportverbände und -vereine – wobei solche Aussagen schriftlich festzuhalten und zu unterzeichnen sind –, Stadionverbote der Sportverbände oder -vereine, oder Meldungen einer zuständigen ausländischen Behörde (Art. 3 des Konkordats).

3.2 Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, durch das Anzünden einer Handlichtfackel am 31. März 2013 um ca. 01.25 Uhr eine in Art. 2 Abs. 2 des Konkordats explizit umschriebene Gewalttätigkeit begangen zu haben. Dies ist mit den Akten der Beschwerdegegnerin – namentlich dem Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 4. Juli 2013 und dem durch die Vereinsführung des EVZ am 22. September 2013 ausgesprochenen, gesamtschweizerischen Stadionverbot – denn auch in rechtsgenüglicher Weise nachgewiesen. Der Beschwerdeführer behauptet lediglich, die Gewalttätigkeit habe nicht anlässlich einer Sportveranstaltung stattgefunden; es bestehe weder ein zeitlicher noch ein örtlicher Zusammenhang zwischen dem gewalttätigen Verhalten und dem Eishockeyspiel EVZ – SC Bern vom 30. März 2013. Dieses beschwerdeführerische Vorbringen gilt es nachfolgend zu prüfen:

4.
4.1 In der Botschaft des Bundesrates vom 17. August 2005 zur Änderung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit vom 21. März 1997 (BWIS, SR 120) wird im Zusammenhang mit dem mittlerweile durch Art. 4 des Konkordats abgelösten Art. 24b (Rayonverbot) ausgeführt, der Bezug der Gewalttätigkeit zu einer bestimmten Sportveranstaltung werde durch die zeitliche und thematische Nähe zum Ereignis hergestellt. Die Fanverantwortlichen der Sportclubs und die lokalen Polizeiorganisationen würden die militanten Personen kennen und seien bei den Spielen, die als risikoreich eingeschätzt würden, vor Ort. Ihnen komme bei der Beurteilung von Ausschreitungen und der Identifizierung der Beteiligten eine Schlüsselrolle zu (BBl 2005 5626). Zur Frage des räumlichen Zusammenhangs zwischen Gewalttätigkeit und Sportveranstaltung lässt sich der Botschaft nichts entnehmen. Allerdings steckt Art. 2 Abs. 2 des Konkordats den äusseren Rahmen dafür ab, was noch zu einer Sportveranstaltung zu zählen ist: Nämlich die Sportstätte selbst, deren Umgebung sowie der An- und Rückreiseweg. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hatte im Urteil VB.2011.00465 vom 8. September 2011 zu beurteilen, ob von einem FCZ-Fan nach einem in Emmenbrücke LU ausgetragenen Fussballspiel (Spielende: 19.30 Uhr) sowie nach der Rückreise im Extrazug an den Hauptbahnhof Zürich (Ankunft: 21.11 Uhr) auf dem – gemeinsam mit ca. 80 bis 100 weiteren FCZ-Fans zurückgelegten – Weg stadtauswärts zu einer Party verübte Gewalttätigkeiten (Festnahme: 22.15 Uhr) noch in einem räumlichen Zusammenhang zur Sportveranstaltung stehen. Das Gericht verneinte dies mit der Begründung, die Sportveranstaltung habe für den Fan spätestens am Hauptbahnhof Zürich als Ziel seiner Rückreise vom Fussballspiel geendet. Die Party habe keinen Bezug zum Fussballspiel in Emmenbrücke gehabt; es sei dabei in erster Linie um den Abschluss der «Hinrunde» sowie die Versteigerung von Fan-Artikeln für die Stehplatzspendenkasse gegangen (Erw. 4.2 des zit. Urteils).

4.2 Mit Bericht der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) vom 2. Februar 2012 wurde den Kantonen – in Reaktion auf die nach der EURO 2008 wieder angestiegenen Zahlen gewalttätiger Ausschreitungen anlässlich von Sportveranstaltungen – ein revidiertes Konkordat vorgelegt. Von den Änderungen betroffen ist namentlich auch Art. 2 Abs. 1 des Konkordats. Während nach dem bisherigen Konkordat lediglich die Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen frühzeitig erkannt und bekämpft werden sollte, gehört nach Art. 2 Abs. 1 des revidierten Konkordats auch das Verhalten im Vorfeld und im Nachgang einer Sportveranstaltung zu den Verhaltensweisen, die Massnahmen im Sinne des Konkordats nach sich ziehen können. Dazu wird im Bericht der KKJPD ausgeführt, in der bisherigen Umschreibung in Art. 2 Abs. 1 des Konkordats sei zu präzisieren, dass als gewalttätiges Verhalten auch Straftaten zählen würden, die im Vorfeld oder im Nachgang zu einer Sportveranstaltung begangen würden, sofern die Tat einen Zusammenhang mit der Anhängerschaft der betreffenden Person aufweise. Die zeitliche und thematische Nähe zur Sportveranstaltung solle auch dann noch als gegeben erachtet werden, wenn Fangruppen beispielswiese nach der Rückreise von einem Spiel Personen angreifen oder Sachbeschädigungen begehen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich sei im Urteil VB.2011.00465 vom 8. September 2011 aufgrund der heutigen Formulierung zum gegenteiligen Schluss gekommen, was insofern problematisch sei, als viele Gewalttätigkeiten nicht anlässlich der Spiele oder auf den Reisewegen, sondern nach einer frühen Anreise in den Innenstädten der Spielorte oder nach der Rückkehr von den Spielen begangen würden (S. 17 des Berichts, abrufbar auf www.kkjpd.ch, konsultiert am 28. Januar 2014). Das Bundesgericht beurteilte die revidierte Bestimmung im Urteil 1C_176/ 2013 und 1C_684/ 2013 vom 7. Januar 2014 als Verfassungs- und EMRK-konform. Es führte aus, auch mit der neuen Formulierung von Art. 2 des Konkordats komme in Verbindung mit dem unverändert geltenden Art. 1 des Konkordats – Grundsatz der Gewaltprävention – klar zum Ausdruck, dass der Bezug zu einer Sportveranstaltung dann als gegeben erachtet werden solle, wenn eine zeitliche und thematische Nähe zur Veranstaltung bestehe und die Tat einen Zusammenhang mit der Anhängerschaft zu einer der beteiligten Mannschaften aufweise. Es stehe ausser Frage, dass ein gewisser Zeitraum von einigen Stunden vor und nach den Spielen abgedeckt werden müsse, um das Ziel der Gewaltprävention zu erreichen. Zudem dürfe der räumliche Anwendungsbereich nicht zu eng gefasst werden, da sich die der Sportveranstaltung bzw. deren Besuchern zuzurechnenden Gewalttaten oft nicht nur im Stadion oder in dessen unmittelbarer Umgebung ereignen würden, sondern in einem weiteren Umkreis wie z.B. in den Innenstädten oder auf den Reisewegen. Bei der Auslegung des ergänzten Einleitungssatzes von Art. 2 Abs. 1 des Konkordats sei aber auch zu beachten, dass Art. 2 Abs. 2 des Konkordats, der nicht geändert worden sei, den Anwendungsbereich bei bestimmten Arten der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nach wie vor auf die Sportstätten, deren Umgebung sowie den An- und Rückreiseweg beschränke. Diese Beschränkung müsse auch bei der Anwendung von Art. 2 Abs. 1 des geänderten Konkordats in örtlicher und zeitlicher Hinsicht berücksichtigt werden. Im Rahmen der Anwendung des Konkordats werde darauf zu achten sein, dass nur solches gewalttätiges Verhalten zu Massnahmen führe, das einen konkreten Zusammenhang mit der Sportveranstaltung und der Anhängerschaft bei einer der Mannschaften aufweise. Der Hinweis der Parteien auf das erwähnte Urteil des Zürcher Verwaltungsgerichts zeige auf, dass ein Bedürfnis für eine gewisse Ausweitung des zeitlichen und räumlichen Anwendungsbereichs bestehen könne. Die zuständigen Behörden und Gerichte seien bei der Anwendung des Konkordats in der Lage, die von den Beschwerdeführern befürchtete unerwünschte Ausdehnung auf Handlungen, die nicht mehr der Sportveranstaltung und den daran interessierten Anhängern zugeordnet werden könnten, zu vermeiden (Erw. 7.2 des zit. Urteils).

4.3 Die Zuger Stimmberechtigten stimmten dem Beitritt zum geänderten Konkordat in der Referendumsabstimmung vom 22. September 2013 mit einem Ja-Anteil von knapp 81% zu. Das geänderte Konkordat ist im Kanton Zug derzeit noch nicht in Kraft. Allerdings erfährt der vorliegend im Zentrum stehende Art. 2 Abs. 2 des Konkordats, welcher den Anwendungsbereich für die Verwendung von pyrotechnischen Gegenständen explizit auf Sportstätten, deren Umgebung sowie den An- und Rückreiseweg beschränkt, in der revidierten Fassung auch keine Änderung. Immerhin darf den Ausführungen der KKJPD und des Bundesgerichts bei der Auslegung der Bestimmung insoweit Rechnung getragen werden, als es bei diesen in erster Linie um Präzisierungen des geltenden Konkordats geht. Es stechen vor allem die Hervorhebung des Ziels der Gewaltprävention (Art. 1 des Konkordats) sowie der Hinweis, dass eine zu enge Fassung des räumlichen Anwendungsbereichs der Erreichung dieses Ziels entgegenstehe, ins Auge. Sodann betont das Bundesgericht die Wichtigkeit der zuständigen lokalen Behörden und Gerichte bei der Beurteilung der Zuordnung von gewalttätigen Ausschreitungen zu einer Sportveranstaltung. Inwieweit der räumliche Anwendungsbereich des Konkordats mit der Revision indes beispielswiese auf Innenstädte der Spielorte ausgedehnt werden wird, ist angesichts der unveränderten Formulierung von Art. 2 Abs. 2 des Konkordats fraglich.

5.
5.1 Im vorliegenden Fall lässt sich den Akten zum Zusammenhang des Verhaltens des Beschwerdeführers zum Eishockeyspiel EVZ–SC Bern vom 30. März 2013 vorab aus zeitlicher Sicht entnehmen, dass die Gewalttätigkeit am 31. März 2013 um ca. 01.25 Uhr am Zählerweg 3 in Zug stattgefunden hat. Das Eishockeyspiel EVZ–SC Bern begann um 20.15 Uhr und endete nach glaubwürdiger Angabe der Beschwerdegegnerin um ca. 22.30 Uhr mit einer Niederlage des EVZ. Demnach liegen zwischen dem Matchende und dem Ereignis ca. 3 Stunden; ein zeitlicher Zusammenhang kann somit ohne Weiteres bejaht werden, zumal auch für das Bundesgericht nach dem Dargelegten ausser Frage steht, dass ein gewisser Zeitraum von einigen Stunden vor und nach den Spielen abgedeckt werden müsse, um das (in Art. 1 des Konkordats formulierte) Ziel der Gewaltprävention zu erreichen. Artikel 2 Abs. 2 des Konkordats erfasst im Übrigen auch die An- und Heimreise; auch aus diesem Grund steht fest, dass jedenfalls in den unter diesen Absatz fallenden Fällen – und nach Inkrafttreten der Änderungen explizit auch bei den unter Abs. 1 genannten Gewalttätigkeiten – der zeitliche Rahmen nicht eng zu fassen ist. Der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Vorfall und dem Eishockeyspiel vom 30. März 2013 ist gegeben.

5.2 Der Vorfall ereignete sich am Zählerweg 3 in Zug, welcher sich im Rayon «Bahnhof Zug», in unmittelbarer Nähe zum Rayon «Sportanlagen Herti», in ca. 500m Entfernung (Fussweg) von der Bossard Arena, Richtung Bahnhof Zug, befindet. Bei einer Distanz von 500m ist der räumliche Bezug zur Sportveranstaltung in der Bossard Arena gegeben, zumal sich die Fangruppen nach den Eishockeyspielen erfahrungsgemäss Richtung Bahnhof bewegen. Eine zu enge Auslegung des Begriffs «Umgebung» – Artikel 2 Abs. 2 des Konkordats spricht nicht etwa von «unmittelbarer Umgebung» – würde dem Ziel der Gewaltprävention entgegenstehen. Nachdem sich der Vorfall in der Umgebung des Stadions ereignete und der räumliche Bezug schon aus diesem Grund gegeben ist, kann dahingestellt bleiben, ob sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Vorfalls (auch) auf dem Rückreiseweg von der Sportveranstaltung befand.

5.3 Im Weitern geht aus dem Polizeirapport vom 18. April 2013 hervor, dass die Stimmung rund um das Stadium nach der Niederlage des EVZ aufgeheizt war, mehrere Fangruppierungen in Richtung Bahnhof Zug marschierten und es dort bis in die frühen Morgenstunden zu Tätlichkeiten und Sachbeschädigungen gekommen ist. Die Polizisten A und B kontrollierten in diesem Zusammenhang den Fanabmarsch und die Gegend rund um die Bossard Arena und den Bahnhof Zug, und konnten den Beschwerdeführer in einer grösseren Gruppe von EVZ-Fans beim Entzünden einer Handlichtfackel und beim Schwenken der Fackel über dem Kopf beobachten. Aufgrund dieser Schilderungen im Polizeirapport kann nicht ernsthaft in Frage gestellt werden, dass der Vorfall in einem thematischen Zusammenhang zum Eishockeyspiel vom 30. März 2013 bzw. zu den anschliessenden, stundenlang anhaltenden Gewalttätigkeiten sowie zur Anhängerschaft des Beschwerdeführers beim EVZ stand.

5.4 Zusammenfassend steht die Verwendung der Handlichtfackel in einem zeitlichen, räumlichen und thematischen Zusammenhang zum Eishockeyspiel EVZ–SC Bern vom 30. März 2013. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sind die grundsätzlichen Voraussetzungen des Rayonverbots im vorliegenden Fall gegeben. Die Modalitäten des Verbots – die Geltungsdauer (1 Jahr), der örtliche Geltungsbereich (Rayons «Sportanlagen Herti» und «Bahnhof Zug») und die in Ziff. 2 und 3 der angefochtenen Verfügung bezeichneten, vom Rayonverbot erfassten Spiele – werden vom Beschwerdeführer nicht explizit beanstandet. Diesbezüglich stellt sich dem Gericht die Frage, ob der Miteinbezug von Fussballspielen (Ziff. 3 der angefochtenen Verfügung) zur Vorbeugung gewalttätigen Verhaltens geeignet und notwendig ist. Die Ausweitung auf Fussballspiele wurde von der Beschwerdegegnerin in der angefochtenen Verfügung nicht weiter begründet. Aus den Akten ergeben sich zudem keinerlei Hinweise dafür, dass der Beschwerdeführer einer Fussball-Fangruppierung angehört, geschweige denn dafür, dass er sich in der Vergangenheit anlässlich von Fussballspielen auffällig verhalten hat. Dies wurde von der Beschwerdegegnerin in ihrer Stellungnahme vom 13. März 2014 denn auch nicht behauptet. Vielmehr begründet die Beschwerdegegnerin den Miteinbezug von Fussballspielen mit der örtlichen Nähe der Austragungsorte von Eishockey- und Fussballspielen bzw. damit, dass sowohl Eishockey- als auch Fussballspiele im Rayon «Sportanlagen Herti» ausgetragen würden und deshalb bei Nicht-Miteinbezug von Fussballspielen die Gefahr bestehen würde, dass sich Gewalttätigkeiten (vorübergehend) auf Fussballspiele verlagern könnten. Diese Begründung ist indes nicht nachvollziehbar, ist es dem Beschwerdeführer doch bereits mit einem Rayonverbot bei Eishockeyspielen verwehrt, den Rayon «Sportanlagen Herti» zu betreten und allfällige gleichzeitig stattfindende Fussballspiele zu besuchen. Auch die gegenseitige Anerkennung von Stadionverboten zwischen Fussball- und Eishockeyverbänden stellt im vorliegenden Fall keine hinreichende Begründung für die Ausweitung des Rayonverbots auf Fussballspiele dar. Anders als ein privatrechtlich ausgesprochenes Stadionverbot stellt ein amtlich verfügtes Rayonverbot im vorliegenden zeitlichen und räumlichen Ausmass ein nicht unerheblicher Eingriff in die verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechte auf persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) und Versammlungsfreiheit (Art. 22 BV) dar. Aus diesem Grund erweist sich der Miteinbezug von Fussballspielen (Ziff. 3 der angefochtenen Verfügung) im vorliegenden Fall, in dem keine Hinweise darauf bestehen, dass der Beschwerdeführer überhaupt einer Fussball-Fangruppierung angehört oder anlässlich von Fussballspielen gewalttätig werden könnte, als unverhältnismässig. Das diesbezügliche Rayonverbot ist weder geeignet noch notwendig, um Gewalt anlässlich von Fussballspielen zu verhindern. Sollte sich in Zukunft zeigen, dass der Beschwerdeführer auch bei Fussballspielen Gewaltpotential aufweist, wird die Beschwerdegegnerin den Erlass eines diesbezüglichen Rayonverbots zu prüfen haben.

5.5 Was die Polizeirapporte vom 23. Dezember 2013 und 8. Januar 2014 wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen betrifft, ist anzufügen, dass diese allfällige strafrechtliche Konsequenzen der Missachtung des Rayonverbots betreffen. Ob – wie vom Beschwerdeführer behauptet – eine Abmachung zwischen dem Präsidenten des EVZ und dem Vorsteher der Sicherheitsdirektion getroffen worden ist, wird allenfalls im Strafverfahren zu prüfen sein. Im vorliegenden Verwaltungsgerichtsverfahren ist lediglich die Rechtmässigkeit der Anordnung des Rayonverbots zu überprüfen. Fest steht jedenfalls, dass dem Vorsteher der Sicherheitsdirektion nicht die Kompetenz zukommt, das von der Beschwerdegegnerin rechtmässig verfügte Rayonverbot in Eigenregie mittels mündlicher Abmachung mit dem Präsidenten des EVZ wieder aufzuheben.

6. Zusammenfassend erweist sich die Beschwerde in dem Sinne als teilweise begründet, als dass Ziff. 3 der angefochtenen Verfügung vom 23. September 2013 aufzuheben ist. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet und abzuweisen.

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 31. März 2014, V 2013 / 141

 

Weitere Informationen

Fusszeile

Deutsch