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Art. 2 Abs. 5 AVE GAV FAR
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Art. 8 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 1 IVG

Art. 13 Abs. 1 AVIG; Art. 29 GAV Personalverleih

Regeste:

Art. 13 Abs. 1 AVIG; Art. 29 GAV Personalverleih – Kein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, wenn die versicherte Person während der  Rahmenfrist für die Beitragszeit nicht eine mindestens zwölfmonatige beitragspflichtige Beschäftigung nachweisen kann. Die durch eine Kollektivkrankentaggeldversicherung versicherte Lohnfortzahlung führt nicht zu einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bei Erkrankung nach Kündigung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber, was dazu führt, dass der versicherten Person lediglich die Beschäftigungszeit während der Dauer des Arbeitsverhältnisses anzurechnen ist, obgleich die Lohnfortzahlungspflicht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses andauert.

Aus dem Sachverhalt:

Der 1956 geborene L. ist gelernter Bauleiter, Maurerpolier und Bauführer. Während der Jahre 2012 und 2013 arbeitete L. temporär für verschiedene Firmen in seiner Berufsbranche, jeweils vermittelt von verschiedenen Stellenvermittlungsfirmen, so von der E. AG, A. AG, P. AG, J. AG, A. GmbH und zuletzt von der B. AG. Am 15. November 2013 wurde ihm von der B. AG per 22. November 2013 gekündigt, worauf er sich am 18. Februar 2014 beim regionalen Arbeitsvermittlungszentrum des Kantons Zug (RAV Zug) anmeldete. Am 25. Februar 2014 stellte L. bei der Arbeitslosenkasse des Kantons Zug (ALK Zug) einen Antrag auf Arbeitslosenentschädigung. Mit Verfügung vom 28. März 2014 lehnte die ALK Zug die Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosenentschädigung ab 18. Februar 2014 aufgrund Nichterfüllung der Beitragszeit gestützt auf Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG und Art. 13 Abs. 1 AVIG ab. Begründend wurde dargelegt, ihm könnten während der zweijährigen Rahmenfrist vom 18. Februar 2012 bis 17. Februar 2014 lediglich 11 Monate und 12,4 Tage als beitragspflichtige Beschäftigung angerechnet werden. Die dagegen erhobene Einsprache von L. wies die Arbeitslosenkasse des Kantons Zug mit Einspracheentscheid vom 29. April 2014 ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die Verfügung vom 28. März 2014 verwiesen und ergänzend ausgeführt, im Rahmen des temporären Anstellungsverhältnisses bei der A. AG sei L. noch während der Probezeit am 12. Oktober 2012 per 19. Oktober 2012 gekündigt worden. In dieser Konstellation sei Art. 336c Abs. 2 OR anzuwenden, wonach während der Probezeit kein Kündigungsschutz bestehe. Infolge dessen habe die Krankmeldung von L. ab dem 16. Oktober 2012 keine Verlängerung der Kündigungsfrist auslösen können, womit die nachfolgende Lohnfortzahlung bis zum 24. November 2012 ausserhalb des Arbeitsverhältnisses erfolgt sei. Damit seien L. lediglich 23,8 Tage, d.h. die Beitragstage vom 20. September bis zum 12. Oktober 2012 anzurechnen (7 Arbeitstage im September 2012 und 10 Tage im Oktober 2012 = 17 x 1,4 = 23,8). Im Übrigen seien von den ab 18. Oktober 2012 geleisteten Lohnfortzahlungen keine Sozialversicherungsabzüge (= nichtpflichtige Lohnsumme) abgezogen worden.

Mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Zug vom 11. Mai 2014 beantragte L. sinngemäss die Aufhebung des Einspracheentscheids vom 29. April 2014 und er machte geltend, die Mindestbeitragszeit sei als erfüllt anzusehen.

Aus den Erwägungen:

(...)

4.2.3 Der Beschwerdeführer machte schon in seiner Einsprache wie auch im vorliegenden Verfahren geltend, das Arbeitsverhältnis habe sich aufgrund seiner Krankheit während der Kündigungsfrist bis zum 24. November 2012 verlängert, was u.a. mit der Arbeitgeberbescheinigung der A. AG vom 13. Dezember 2012 respektive dem darin aufgeführten AHV-pflichtigen Gesamtverdienst in der Höhe von Fr. 12'588.40 bestätigt werde, so dass er unter Anrechnung dieser Tage die notwendige Beitragszeit von mindestens 12 Monaten nachweisen könne und Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung habe.

5. Im Folgenden gilt es somit zu prüfen, ob das Arbeitsverhältnis des Beschwerdeführers mit der A. AG per 19. Oktober 2012 geendet oder ob es sich, wie vom Beschwerdeführer behauptet, aufgrund seiner Krankheit während der Kündigungsfrist bzw. wegen der Lohnfortzahlung verlängert hat.

5.1 Dem Einsatzvertrag zwischen der A. AG und dem Beschwerdeführer vom 19. September 2012 kann entnommen werden, dass dieser zusammen mit dem Rahmenarbeitsvertrag, von welchem der temporäre Mitarbeiter ein Exemplar erhalten, gelesen und verstanden habe, den Arbeitsvertrag bilde. Die Einsatzfirma sei die V. AG und er werde als Polier-Tiefbau mit Beginn am 20. September 2012 eingesetzt. Poliere und Werkmeister seien nur «FAR»-unterstellt und es gebe für diese keine AVE (Allgemeinverbindlicherklärung). Die vorgesehene Einsatzdauer betrage maximal drei Monate. Der Vertrag sei innert sieben Tagen, jeweils von Freitag auf Freitag kündbar. Ab dem siebten Monat des ununterbrochenen Einsatzes betrage die Kündigungsfrist dann einen Monat (vgl. ALK-act. 6).

5.2 Mit Schreiben vom 19. September 2013 bestätigte die tempservice GAV Personalverleih, dass die A. AG dem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) Personalverleih seit dessen Inkrafttreten am 1. Januar 2012 unterstellt sei (vgl. Bundesratsbeschluss über die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages für den Personalverleih vom 13. Dezember 2011). Die A. AG ist zudem Verbandsmitglied, womit sämtliche Artikel das GAV Personalverleih zur Geltung kommen (vgl. VwGer-act. 8).

5.3 Gemäss Art. 335b Abs. 1 des Schweizerischen Obligationenrechts vom 30. März 1911 (OR; SR 220) kann das Arbeitsverhältnis während der Probezeit jederzeit mit einer Kündigungsfrist von sieben Tagen gekündigt werden; als Probezeit gilt der erste Monat eines Arbeitsverhältnisses. Absatz 2 dieser Bestimmung hält fest, dass durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag abweichende Vereinbarungen getroffen werden können; die Probezeit darf jedoch auf höchstens drei Monate verlängert werden. Gemäss Art. 10 Abs. 2 GAV Personalverleih gelten für Arbeitnehmende mit einem auf bestimmte Zeit lautenden Vertrag – wie hier im vorliegenden Fall – die ersten zwei Drittel als Probezeit, maximal aber drei Monate.

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses (mit Beginn am 20. September 2012) vom Freitag, 12. Oktober 2012 per Freitag, 19. Oktober 2012 ist damit korrekt bzw. nicht zur Unzeit erfolgt und blieb zu Recht vom Beschwerdeführer unbestritten. Damit endete das Arbeitsverhältnis des Beschwerdeführers mit der A. AG am 19. Oktober 2012. Dass der Beschwerdeführer vom 16. bis 19. Oktober 2012 aufgrund einer Krankheit an der Arbeit verhindert war und ihm über den 19. Oktober 2012 hinaus bis am 24. November 2012 Lohn bezahlt wurde, ändert – wie in den folgenden Ausführungen gezeigt wird – nichts an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses per 19. Oktober 2012. Gemäss bundesgerichtliche Rechtsprechung wird nämlich bei Abschluss einer Kollektivtaggeldversicherung durch den Arbeitgeber davon ausgegangen, dass eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die darüber hinausgehende Lohnfortzahlungspflicht nicht hinausgeschoben wird. Anders verhält es sich, wenn keine Versicherung, sondern lediglich eine blosse Lohnfortzahlungspflicht der Arbeitgeberin vereinbart ist. Weil es sich diesfalls um Lohn handelt, muss im Zweifelsfall angenommen werden, dass die Lohnfortzahlungspflicht den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses voraussetzt (vgl. Urteil 4C.315/2006 vom 10. Januar 2007, Erw. 3.1).

Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der Lohnfortzahlung der A. AG ab dem 18. Oktober bis 24. November 2012 um eine durch eine Kollektivkrankentaggeldversicherung versicherte Lohnfortzahlung, und zwar ungeachtet dessen, dass in der Lohnabrechnung November 2012 für die Zeit vom 18. Oktober bis 14. November 2012 von «Lohnfortzahlung Krankheit» und erst ab dem 15. bis 24. November 2012 von «Krankentaggeld» die Rede ist (vgl. BF-act. 4 und 5). Gemäss Art. 29 Abs. 1 GAV Personalverleih war die A. AG nämlich verpflichtet, die dem GAV Personalverleih unterstellten Arbeitnehmenden kollektiv für ein Taggeld von 80 % des wegen Krankheit ausfallenden, der normalen vertraglichen Arbeitszeit entsprechenden zuletzt bezahlten Lohnes zu versichern. Es darf gestützt auf die oben genannten Lohnabrechnungsblätter davon ausgegangen werden, dass die A. AG beim Abschluss der Kollektivtaggeldversicherung von dem in Art. 29 Abs. 2 lit. b GAV Personalverleih genannten möglichen Leistungsaufschub (aufgeschobenes Krankentaggeld) unter Einhaltung von zwei Karenztagen (Art. 29 Abs. 3 lit. b GAV Personalverleih) Gebrauch gemacht hat. Demnach muss nämlich der Betrieb während der Aufschubszeit (i.c. vermutlich einen Monat) 80 % des wegen Krankheit ausfallenden Lohnes selbst entrichten (im Gegenzug dafür fällt die Versicherungsprämie für den Betrieb wohl günstiger aus). Auch wenn also die A. AG diese Lohnfortzahlung selbst entrichtet hat, handelt es sich nicht um eine mit dem Beschwerdeführer vereinbarte blosse Lohnfortzahlungspflicht der Arbeitgeberin, sondern ganz klar um eine im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (siehe oben) durch die Krankentaggeldversicherung versicherte Lohnzahlung. Damit vermochte die vorliegend über den 19. Oktober 2012 hinausgehende Lohnfortzahlung der A. AG die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht hinauszuschieben. Daran vermag letztlich auch die vom Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren eingereichte Arbeitgeberbestätigung der A. AG vom 13. Dezember 2012, in welcher in Ziffer 12 und 15 von Hand bzw. maschinengeschrieben das ursprüngliche Datum vom 19. Oktober 2012 auf den 24. November 2012 abgeändert wurde, nichts zu ändern, zumal nicht klar ist, ob diese Änderung vom Beschwerdeführer selber oder von der A. AG vorgenommen wurde.

Stand der Beschwerdeführer demnach ab dem 20. Oktober 2012 nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis, kann ihm für die Zeit vom 20. Oktober bis 24. November 2012 auch keine Beitragszeit angerechnet werden.

(...)

5.4 Aufgrund des Gesagten ist festzuhalten, dass dem Beschwerdeführer aus dem Arbeitsverhältnis mit der A. AG lediglich die Beschäftigungszeit vom 20. September 2012 bis zum 19. Oktober 2012 – wie von der Beschwerdegegnerin mit ihrer Eingabe vom 25. August 2014 zu Recht korrigiert wurde (vgl. Erw. 3.2 und 4.2.2) – als Beitragszeit anzurechnen ist. Damit erweist sich auch die von der Beschwerdegegnerin berechnete Beitragszeit von insgesamt elf Monaten und 19,4 Tagen als rechtens.

5.5 Zusammenfassend liegt damit die vom Beschwerdeführer in der massgebenden Rahmenfrist insgesamt generierte Beitragszeit unter 12 Monaten, womit die Mindestbeitragszeit nicht erfüllt ist.

(...)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2014 S 2014 62

 

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