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Gerichtspraxis

Verwaltungspraxis

Grundsätzliche Stellungnahmen

Aus der Praxis der Datenschutzstelle

Vorbemerkungen

Adress- und Stimmberechtigungsbekanntgabe zum Versand von Abstimmungshilfen

Bekanntgabe der Tatsache der Sozialhilfebedürftigkeit an Verwandte

Videoaufnahmen im Unterricht

Gesuch um Akteneinsicht beim Staatsarchiv im Rahmen einer Masterarbeit

Auskunftsrecht; Unterlagen betreffend Bevormundungs- / Verbeiständungsverfahren im Gemeindearchiv

Regeste:

§ 13 Abs. 1 Bst. b DSG i.V.m. § 14 Abs. 1 DSG und § 15 Archivgesetz sowie Art. 268c ZGB – Wie weit die Einsicht in die eigenen Daten geht und ob Daten über Drittpersonen zu den «eigenen» Daten gehören, muss im Einzelfall beurteilt werden. Bei Adoptionen ist Art. 268c ZGB zu berücksichtigen, der dem Kind das Recht auf  Auskunft über die leiblichen Eltern zugesteht.

Aus dem Sachverhalt:

Eine in den 1950-iger Jahren geborene Person war nach ihrer Geburt als ausserehelich erklärt und unter Beistandschaft bzw. später unter Vormundschaft gestellt worden. Die Person wuchs in einer Pflegefamilie auf. Die Unterlagen zum Beistandschafts- bzw. Vormundschaftsverfahren befinden sich im Archiv einer Zuger Einwohnergemeinde. Die Person interessierte sich nun für ihre Herkunft und beantragte deshalb bei der Einwohnergemeinde Auskunft und Einsicht in die sie betreffenden Daten. Im Dossier, welches damals erstellt worden war, waren auch Angaben zu den leiblichen Eltern, deren Ehepartner und zu Halbgeschwistern enthalten. Der zuständige Gemeindearchivar wandte sich mit der Frage an die Datenschutzstelle, ob die Auskunft suchende Person alle diese Angaben auch einsehen dürfe.

Aus den Erwägungen:

Gemäss Datenschutzrecht haben betroffene Personen grundsätzlich ein Recht auf Auskunft über und Einsicht in ihre eigenen Unterlagen. Inwieweit unter «ihre Daten» (vgl. § 13 Abs. 1 Bst. b DSG) oder etwa «alle über sie vorhandenen Daten» (vgl. Art. 8 Abs. 2 Bst. a Bundesgesetz über den Datenschutz; SR 235.1) auch Daten von Drittpersonen zu verstehen sind, die einen Bezug zur betroffenen Person haben, ist in Lehre und Rechtsprechung nicht eindeutig geklärt.

Unabhängig davon sehen sowohl das DSG wie auch das Archivgesetz vor, dass Auskunft und Einsicht aus überwiegenden Interessen der Öffentlichkeit oder Dritter eingeschränkt, mit Auflagen versehen, aufgeschoben oder verweigert werden können (vgl. § 14 Abs. 1 DSG und § 15 Archivgesetz).

Da die Datenschutzstelle keine Aktenkenntnis hatte, konnte sie keine Empfehlungen zu den im vorliegenden Fall vorzunehmenden Interessenabwägungen abgeben. Der DSB beschränkte sich deshalb auf die nachfolgenden, grundsätzlichen Hinweise.

Das Archiv muss bei einem Akteneinsichtsgesuch einer Person, die von den Behörden fremdplatziert wurde, die Interessen aller Betroffenen – fremdplatzierte Person, leibliche Eltern, Pflegeeltern, allfällige weitere erwähnte Familienangehörige – sorgfältig gegeneinander abwägen. Auskunft und Einsicht können dann gewährt werden, wenn keine überwiegenden, schützenswerten Interessen dieser betroffenen Drittpersonen entgegenstehen.

Überwiegende schützenswerte Interessen von privaten Dritten können allfällige schwere negative Auswirkungen auf die psychische oder physische Integrität dieser Drittpersonen sein (z.B. wenn eine Gesuchstellerin / ein Gesuchsteller konkrete körperliche Bedrohungsabsichten gegen eine in den Unterlagen erwähnte Drittperson oder eine konkrete Absicht zur Veröffentlichung von sensiblen Informationen über Drittpersonen äussert).

Ergibt die Interessenabwägung, dass schützenswerte Interessen einer privaten Drittperson das Interesse der Gesuchstellerin oder des Gesuchstellers an Auskunft und Einsicht überwiegen, kann das zuständige Archiv die Einsicht – in Form einer anfechtbaren Verfügung – einschränken, mit Auflagen versehen, oder verweigern (§ 15 Abs. 2 Archivgesetz).

Die Interessenabwägung ist vom zuständigen Archiv aufgrund der vorhandenen Akten und allenfalls weiterer Informationen vorzunehmen. Allenfalls sind – im Einverständnis mit der betroffenen Person – geeignete Beratungsstellen (z.B. Opferberatungsstellen) beizuziehen.

Betreffend die leiblichen, allenfalls noch lebenden Elternteile wies der DSB auf Art. 268c ZGB hin, der die Auskunft über die leiblichen Eltern für Adoptierte regelt. Demnach kann ein Kind, sobald es das 18. Lebensjahr vollendet hat, jederzeit Auskunft über die Personalien seiner leiblichen Eltern verlangen; vorher kann es Auskunft verlangen, wenn es ein schutzwürdiges Interesse hat. Bevor die Behörde oder Stelle, welche über die gewünschten Angaben verfügt, Auskunft erteilt, informiert sie wenn möglich die leiblichen Eltern. Lehnen diese den persönlichen Kontakt ab, so ist das Kind darüber zu informieren und auf die Persönlichkeitsrechte der leiblichen Eltern aufmerksam zu machen.

Ob diese Bestimmung auch auf Pflegekinder anzuwenden ist, welche die Personalien ihrer leiblichen Eltern nicht kennen, müsste gegebenenfalls näher abgeklärt werden. Im Übrigen wäre wohl ebenfalls abzuklären, ob Art. 268c ZGB gemäss Schlusstitel ZGB rückwirkend auf «altrechtliche» Adoptionen (bzw. Pflegekind-Verhältnisse) anwendbar ist.

Unabhängig von dieser Regelung empfiehlt es sich nach Ansicht des DSB jedenfalls, den leiblichen Elternteilen aber auch allfälligen betroffenen, lebenden Halbgeschwistern das rechtliche Gehör zu gewähren, soweit dies möglich ist. Ist dies nicht möglich (z. B. weil die Personen nicht ausfindig gemacht werden können), so müsste im Einzelfall die Interessenabwägung ohne Stellungnahme dieser Betroffenen vorgenommen werden.

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