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Art. 41 eidg. Bürgerrechtsgesetz, § 21 Abs. 2 kant. Bürgerrechtsgesetz, § 2 Organisationsgesetz

Regeste:

Art. 41 eidg. Bürgerrechtsgesetz, § 21 Abs. 2 kant. Bürgerrechtsgesetz, § 2 Organisationsgesetz – Gemäss Art. 41 eidg. BüG kann eine  Einbürgerung  nichtig erklärt werden, wenn sie durch falsche Angaben oder Verheimlichung erheblicher Tatsachen erschlichen, das heisst mit einem unlauteren und täuschenden Verhalten erwirkt worden ist. Im konkreten Fall geht es um eine Einbürgerungswillige, welche den Einbürgerungsbehörden während des Einbürgerungsverfahrens den Bezug von Sozialhilfe verschwiegen hat. Zuständig für die Nichtigerklärung von Einbürgerungen ist der Regierungsrat (II Erw. 1).

Aus dem Sachverhalt:

Frau N.Y. und Herr O.Y. sowie ihre unmündige Tochter D.Y. (geboren im Jahr 1993) stellten im Jahr 2007 ein Gesuch um Einbürgerung von D.Y. Im Jahr 2009 stellte der Bürgerrat der Bürgergemeinde C fest, dass die finanziellen Verhältnisse von D.Y. noch nicht geordnet seien, da sie noch in der Schule sei und ihre Eltern vom Sozialamt der Einwohnergemeinde C unterstützt würden. In der Folge vereinbarte der Bürgerrat mit den Gesuchstellenden eine Rückstellung des Gesuches von D.Y., bis sie eine Lehrstelle gefunden und die Probezeit bestanden habe. Im Jahr 2010 stimmte der Bürgerrat der Erteilung der eidgenössischen Einbürgerungsbewilligung an D.Y. zu, welche das Bundesamt für Migration im Jahr 2011 erteilte. Kurz danach stellte der Bürgerrat fest, dass das Lehrverhältnis von D.Y. in der Zwischenzeit aufgelöst worden und somit die Einbürgerungsvoraussetzung der geordneten finanziellen Verhältnisse erneut nicht mehr erfüllt war. Er ersuchte D.Y. um Zustellung eines allfälligen neuen Arbeitsvertrages sowie der Bestätigung, dass sie die Probezeit erfolgreich abgeschlossen habe. Zudem stellte er in Aussicht, ihr Einbürgerungsgesuch gegen Ende 2011 zu behandeln, sofern nach zusätzlichen Abklärungen alle Bedingungen erfüllt seien. Im Jahr 2012 stellte D.Y. der Bürgergemeinde die erforderlichen Unterlagen zu, worauf der Bürgerrat gegen Ende 2012 beschloss, D.Y. anfangs 2013 einzubürgern, sofern weiterhin alle Voraussetzungen erfüllt seien. Im Januar 2013 stellte der Bürgerrat D.Y. einen Fragebogen zwecks Überprüfung der Daten für die Einbürgerung zu. D.Y. bestätigte noch im Januar 2013 auf diesem Fragebogen, dass sie zurzeit nicht vom Sozialamt unterstützt werde. Der kantonale Zivilstands- und Bürgerrechtsdienst forderte zudem aktuelle Berichte der Zuger Polizei wie auch der Staatsanwaltschaft zuhanden des Bürgerrates an. Im März 2013 stimmten der Bürgerrat C der Erteilung des gemeindlichen und im Mai 2013 der Regierungsrat der Erteilung des kantonalen Bürgerrechts zu.

Im Juli 2013 kontaktierte eine Mitarbeitende des Sozialamtes der Einwohnergemeinde C den Bürgerrat und teilte diesem mit, dass sowohl die Eltern von D.Y. wie auch D.Y. selbst (seit ihrer Volljährigkeit als «eigener Fall») mit Sozialhilfe unterstützt worden seien resp. würden. Infolge der Einbürgerung müsse nun die Bürgergemeinde C rückwirkend per Mai 2013 diesen Fall übernehmen. Im August 2013 kontaktierte der Bürgerrat C die Direktion des Innern und beantragte die Nichtigerklärung der Einbürgerung von D.Y.

Aus den Erwägungen:

II. Formelle Erwägungen

1. Gemäss Art. 41 Abs. 1 eidg. BüG kann die Einbürgerung vom Bundesamt für Migration mit Zustimmung der Behörde des Heimatkantons nichtig erklärt werden, wenn sie durch falsche Angaben oder Verheimlichung erheblicher Tatsachen erschlichen worden ist. Unter denselben Voraussetzungen kann die Einbürgerung nach den Artikeln 12–17 eidg. BüG (ordentliche Einbürgerung) auch von der kantonalen Behörde nichtig erklärt werden (Art. 41 Abs. 2 eidg. BüG). Gemäss ständiger Praxis des Bundesamtes für Migration sind Nichtigkeitsverfahren bei ordentlichen Einbürgerungen von den kantonalen Einbürgerungsbehörden selbst durchzuführen.

Das kantonale Bürgerrechtsgesetz regelt die Nichtigerklärung von Einbürgerungen nicht. Vorbehältlich einer anderen gesetzlichen Aufgabenzuweisung sowie einer Kompetenzdelegation gehen alle Entscheide vom Regierungsrat als oberste leitende und vollziehende Behörde des Kantons aus (§ 2 Organisationsgesetz). Des Weitern ist der Regierungsrat ebenfalls für die Erteilung des kantonalen Bürgerrechts zuständig (§ 21 Abs. 2 kant. BüG). Somit rechtfertigt sich der (Analogie-) Schluss, wonach der Regierungsrat auch für die Nichtigerklärung einer Einbürgerung zuständig ist.

2. Das Schreiben des Bürgerrates C (...) ist im Sinne einer Meldung erschlichener Einbürgerungen zu verstehen. Im Falle der Nichtigerklärung einer Einbürgerung kommt nur denjenigen Personen, deren Einbürgerung nichtig erklärt worden ist, eine Beschwerdelegitimation zu. Kantone und Gemeinden haben keine Beschwerdemöglichkeiten (vgl. dazu die Ausführungen im Handbuch Bürgerrecht, Kapitel 6, Ziff. 6.2.3, S. 6, http://www.bfm.admin.ch / content / bfm / de / home/ dokumentation / rechtsgrundlagen / weisungen_und_kreisschreiben / buergerrecht.html, zuletzt aufgerufen am 3. Juni 2014). Gestützt darauf sind Behörden, welche allfällige Missbräuche melden, in verfahrensrechtlicher Hinsicht Aufsichtsbeschwerdeführenden gleichzustellen und über den Ausgang des Verfahrens zu informieren.

3. (...)

III. Materielle Erwägungen

1. Gemäss BGE 140 II 65 S. 67f. genügt das blosse Fehlen der Einbürgerungsvoraussetzungen nicht, um eine Einbürgerung nichtig zu erklären. Die Nichtigerklärung setzt vielmehr voraus, dass diese «erschlichen», das heisst mit einem unlauteren und täuschenden Verhalten erwirkt worden ist (BGE 132 II 113 S. 115). Arglist im Sinne des strafrechtlichen Betrugstatbestands ist nicht erforderlich. Immerhin ist notwendig, dass der Betroffene bewusst falsche Angaben macht bzw. die Behörde bewusst in einem falschen Glauben lässt und so den Vorwurf auf sich zieht, es unterlassen zu haben, die Behörde über eine erhebliche Tatsache zu informieren (BGE 132 II 113 S. 115). Über eine nachträgliche Änderung in seinen Verhältnissen, von der er weiss oder wissen muss, dass sie einer Einbürgerung entgegensteht, muss der Betroffene die Behörden unaufgefordert informieren. Diese Pflicht ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäss Art. 5 Abs. 3 der Bundesverfassung (BV; SR 101) sowie aus den verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten. Die Behörde darf sich ihrerseits darauf verlassen, dass die einmal erteilten Auskünfte bei passivem Verhalten des Gesuchstellers nach wie vor zutreffen (vgl. BGE 132 II 113 S. 115 f.).

2. Bei der ordentlichen Einbürgerung wird das Schweizer Bürgerrecht mit der Einbürgerung in einem Kanton und einer Gemeinde erworben. Sie ist nur gültig, wenn eine entsprechende Bewilligung des zuständigen Bundesamtes vorliegt (vgl. Art. 12 eidg. BüG). Die Bewerberin oder der Bewerber muss zudem gemäss Art. 14 eidg. BüG zur Einbürgerung geeignet sein, d.h. insbesondere in die schweizerischen Verhältnisse eingegliedert (lit. a) sowie mit den schweizerischen Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen vertraut sein (lit. b), die schweizerische Rechtsordnung beachten (lit. c) und weder die innere noch die äussere Sicherheit gefährden (lit. d).

3. Gemäss § 5 Abs. 1 kant. BüG darf das Gemeinde- und Kantonsbürgerrecht nur Bewerberinnen und Bewerbern erteilt werden, die auf Grund ihrer persönlichen Verhältnisse hierzu geeignet sind. § 5 Abs. 2 kant. BüG zählt verschiedene Kriterien auf, anhand derer die Eignung überprüft werden kann. So ist u.a. zu prüfen, ob die Bewerberin bzw. der Bewerber geordnete finanzielle Verhältnisse nachweisen kann.
Der in § 5 Abs. 2 kant. BüG verwendete Begriff «geordnete finanzielle Verhältnisse» ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, bei dessen Auslegung der entscheidenden Behörde ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt wird. Unbestimmte Rechtsbegriffe gebieten eine auf den Einzelfall bezogene Auslegung und gewinnen ihren Inhalt aus Sinn und Zweck der betreffenden Vorschriften sowie aus deren Stellung im Gesetz und im Rechtssystem (vgl. BGE 98 Ib 465).

4. Gestützt auf die Akten steht unbestrittenermassen fest, dass

  • das Einbürgerungsgesuch von D.Y. vom Bürgerrat C im (...) 2009 sowie am (...) 2011 aus Gründen nicht geordneter finanzieller Verhältnisse (fehlende Lehrstelle, noch nicht bestandene Probezeit) zurückgestellt worden ist;
  • D.Y. seit (...) dem Erreichen ihrer Volljährigkeit, die Beiträge für den Grundbedarf vom Sozialdienst C direkt auf ihr Konto ausbezahlt erhalten hat und dass die sie betreffenden Mietzinsanteile vom Sozialdienst C direkt an ihre Eltern überwiesen worden sind;
  • D.Y. am (...) 2013 die Frage des Bürgerrates C nach der Unterstützung durch das Sozialamt falsch beantwortet hat.

5. Gestützt auf die Ausführungen unter III. Ziff. 4. können folgende Schlüsse gezogen werden:

  • Gemäss konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung zur Nichtigerklärung erleichterter Einbürgerungen darf sich die Behörde bei der Würdigung innerer Vorgänge mit Vermutungen und Wahrscheinlichkeitsfolgerungen behelfen, die auf der allgemeinen Lebenserfahrung basieren (vgl. BGE 135 II 161 S. 166). Diese Rechtsprechung ist auch für den vorliegenden Fall relevant. Für die Nichtigerklärung der Einbürgerung von D.Y. muss konkret nachgewiesen werden, dass sie bewusst falsche Angaben gemacht hat (vgl. III Ziff. 1). Somit ist neben der objektiven Tatsache der Falschangabe auch die subjektive Absicht von D.Y. zu würdigen.
  • Im Zeitpunkt des Ausfüllens des Fragebogens, d.h. am (...) 2013, muss es D.Y. bewusst gewesen sein, dass es für die weitere Behandlung ihres Einbürgerungsgesuches von zentraler Bedeutung war, dass sie geordnete finanzielle Verhältnisse nachweisen konnte. Dies beruht insbesondere auch auf der Tatsache, dass die Behandlung ihres Einbürgerungsgesuches zuvor vom Bürgerrat C zweimal wegen fehlender geordneter finanzieller Verhältnisse zurückgestellt worden war.
  • Beim Ausfüllen des Fragebogens muss es D.Y. zudem sehr wohl bewusst gewesen sein, dass sie zu diesem Zeitpunkt trotz des Lehrlingslohnes immer noch in einem nicht unerheblichen Umfang (monatliche Beträge für den Grundbedarf in der Höhe von rund 600 Franken) direkt vom Sozialamt C unterstützt worden ist. Sie macht geltend, es habe bei der Falschangabe keine Täuschungsabsicht ihrerseits bestanden. Gestützt auf die klare Fragestellung im Fragebogen und die lange Dauer, während welcher D.Y. schon vom Sozialdienst unterstützt worden ist, muss die Schlussfolgerung gezogen werden, dass es ihr sehr wohl bewusst gewesen sein muss, dass sie beim Ausfüllen des Fragebogens eine falsche Angabe gemacht hat. Des Weiteren ist zu bemerken, dass D.Y. den Fragebogen zu Hause in aller Ruhe ausfüllen konnte und dies nicht unter einer (zeitlichen wie psychischen) Drucksituation auf der Bürgerkanzlei machen musste.
  • Bei der Frage nach Inanspruchnahme von Sozialhilfe handelt es sich um die Frage nach einer für eine Einbürgerung erheblichen Tatsache. Das Bundesgericht hat für das Einbürgerungsrecht unter Bezugnahme auf das Ausländerrecht festgestellt, dass es ein legitimes öffentliche Interesse der Gemeinwesen gibt, keine Personen aufnehmen zu müssen, welche – evtl. dauerhaft und in erheblichem Ausmasse – auf Sozialhilfe angewiesen sind (vgl. BGE 135 I 49 S. 59f.). Im Falle von D.Y. ist offen, wann sie ihre Ausbildung abschliessen und nicht mehr von der Sozialhilfe abhängig sein wird. Der Bürgerrat hätte einer Einbürgerung nicht zugestimmt, wenn ihm bewusst gewesen wäre, dass D.Y. Sozialhilfe bezieht. Zudem sind auch die Beiträge, welche C bezahlt und welche die Bürgergemeinde übernehmen müsste (...) von einer Höhe, welche ebenfalls als erheblich bezeichnet werden muss.
  • Es kann dem Bürgerrat auch nicht vorgeworfen werden, dass er hätte merken müssen, dass D.Y. eine falsche Angabe gemacht hat. Insbesondere im Bereich der Sozialhilfe, wo es um besonders schützenswerte Personendaten geht, kommt den Einbürgerungswilligen eine erhöhte Mitwirkungspflicht zu. Die Einbürgerungsbehörden sind auf die Richtigkeit der Angaben Einbürgerungswilliger angewiesen, da sie selbst keine Rückfragen bei den Sozialbehörden tätigen dürfen (vgl. Art. 3 lit. c Ziff. 3 des Bundesgesetzes über den Datenschutz vom 19. Juni 1992 [DSG; SR 235.1]; § 2 lit. b sowie § 5 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes vom 28. September 2000 [BGS 157.1]). Zudem kommt der Freiwilligkeit des Einbürgerungsverfahrens eine massgebliche Rolle zu. Entscheiden sich Personen, ein Einbürgerungsgesuch zu stellen, dann ist es grundsätzlich zumutbar und verhältnismässig, dass sie über alle für die Einbürgerung wesentlichen Umstände Auskunft erteilen müssen. Das gilt sogar, wenn sich diese Auskünfte auf strafbares oder auf potentiell strafbares Verhalten beziehen, soweit dieses den Betreffenden bekannt oder jedenfalls erkennbar war (vgl. BGE 140 II 65 S. 68ff.). Umso mehr ist es im Bereich der Sozialhilfe zumutbar und verhältnismässig, diesbezüglich wahrheitsgemässe Antworten zu geben.
  • In der Stellungnahme (...) macht D.Y. geltend, sie habe die Bürgergemeinde im (. . .) 2012 informiert, dass sie eine neue Lehrstelle gefunden habe und dass sie finanziell weiterhin am Tropf des Sozialamtes angebunden bleibe. In den Akten der Bürgergemeinde befindet sich diesbezüglich einzig die Aktennotiz vom (...) 2012, gemäss welcher D.Y. die Bürgergemeinde telefonisch über die neue Lehrstelle informiert und versprochen habe, den Arbeitsvertrag wie auch die Bestätigung über die bestandene Probezeit zu schicken. Es wird darin nicht erwähnt, dass D.Y. bei dieser Gelegenheit mitgeteilt habe, dass sie Sozialhilfe beziehe. Auch D.Y. hat für diese Behauptung keinerlei Belege eingereicht, womit nicht erwiesen ist, dass D.Y. die Bürgergemeinde tatsächlich über den Bezug von Sozialhilfe informiert hat.

6. Fazit: Im konkreten Fall hat D.Y. ihre Einbürgerung erschlichen, indem sie auf die Frage, ob sie Sozialhilfe bezieht, nicht wahrheitsgetreu geantwortet hat.

(...)

Beschluss des Regierungsrates vom 24. Juni 2014

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