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Art. 9 StPO, Art. 319 Abs. 1 StPO

Art. 382 Abs. 1 StPO, Art. 121 Abs. 2 StPO

Regeste:

Art. 382 Abs. 1 StPO, Art. 121 Abs. 2 StPO – Beschwerdelegitimation, Rechtsnachfolge. Das Gesetz gewährt dem Privatkläger gemäss Art. 121 Abs. 2 StPO ausdrücklich nur diejenigen Verfahrensrechte, die sich unmittelbar auf die Durchsetzung der Zivilansprüche beziehen. Dazu gehört die Beschwerde gegen eine Einstellungsverfügung nicht.

Aus den Erwägungen:

(...)

2. Zur Beschwerde legitimiert ist diejenige Partei, die an der Aufhebung des angefochtenen Entscheides ein rechtlich erhebliches Interesse hat (Art. 382 Abs. 1 StPO). Dieses Interesse an der Ergreifung eines Rechtsmittels setzt voraus, dass die betreffende Person durch den angefochtenen Entscheid unmittelbar in ihren Rechten betroffen, d.h. beschwert ist; eine blosse Reflexwirkung genügt demgegenüber nicht (Lieber, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. A., 2014, Art. 382 N 7). Keine Beschwer liegt vor, wenn der Entscheid (nur) für andere nachteilig ist.

In Übereinstimmung dazu kann Privatkläger nur sein, wer in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist; Privatklägerschaft setzt Geschädigteneigenschaft gemäss Art. 115 Abs. 1 oder Abs. 2 StPO voraus (Mazzucchelli/Postizzi, Schweizerische Strafprozessordnung, Basler Kommentar, 2. A., 2014, Art 118 N 2). Unmittelbar verletzt ist der Träger des durch die verletzte Strafnorm mitgeschützten Rechtsgutes. Nicht unmittelbar in seinen Rechten verletzt ist hingegen derjenige, der ein blosses Interesse am Ausgang des Strafverfahrens hat oder sonst an der Sache interessiert ist, ferner, von Ausnahmen abgesehen, der Rechtsnachfolger der geschädigten Person oder ein Dritter, dessen Rechte durch die Straftat nur reflexartig verletzt werden (Lieber, a.a.O., Art. 115 N 1 und 4). Reflexgeschädigte sind insbesondere die Gesellschafter bzw. wirtschaftlich Berechtigten wie auch das haftende Organ einer unmittelbar geschädigten juristischen Person, (Mazzuchelli/Postizzi, a.a.O., Art. 118 N 28).

(...)

4. Wie erwähnt hat nicht die direkt Geschädigte X. Beschwerde erhoben und die Erklärung abgegeben, sich als Privatklägerin zu konstituieren, sondern die schweizerische Sonderkonkursmasse der X. Es stellt sich die Frage, ob sie sich als Privatklägerin konstituieren kann und als solche zur Beschwerde legitimiert ist.

Die Rechte der geschädigten Person gehen im Strafverfahren nur in bestimmten Fällen auf deren Rechtsnachfolger über. Wem die Ansprüche einer geschädigten Person gegen den Schädiger rechtsgeschäftlich abgetreten wurden, kann diese nicht im Strafverfahren geltend machen und sich nicht als Privatkläger konstituieren (BGE 140 IV 162, E. 4.4, m.w.H.). Wer hingegen von Gesetzes wegen in die Ansprüche der geschädigten Person eintritt, ist zwar zur Zivilklage berechtigt und hat jene Verfahrensrechte, die sich unmittelbar auf die Durchsetzung der Zivilklage beziehen (Art. 121 Abs. 2 StPO). Der eigentliche Strafanspruch steht jedoch ausschliesslich der geschädigten Person selbst zu und kann nicht, auch nicht im Falle einer gesetzlichen Subrogation der Ansprüche, von einer Drittperson geltend gemacht werden. Ausgenommen sind einzig Angehörige im Sinne von Art. 110 Abs. 1 StGB, auf welche im Falle des Todes des Privatklägers dessen Rechte übergehen (Art. 121 Abs. 1 StPO).

5. Im Konkurs der geschädigten Person findet eine gesetzliche Nachfolge der Konkursmasse im strafprozessrechtlichen Sinne bzw. im Sinne von Art. 121 Abs. 2 StPO statt (Mazzucchelli/Postizzi, a.a.O., Art. 121 N 13, m.w.H.). Der Beschwerdeführerin stehen daher nur diejenigen Verfahrensrechte zu, die sich unmittelbar auf die Durchsetzung ihrer Zivilklage beziehen. Die Beschwerdeführerin bestreitet dies nicht, ist jedoch der Auffassung, mit der Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung nehme sie ein Verfahrensrecht wahr, das sich auf die Durchsetzung der Zivilforderung beziehe. Wenn ihre Beschwerdelegitimation verneint würde, so würde ihr auf rechtsmissbräuchliche Weise verunmöglicht, die ihr nach Art. 121 Abs. 2 StPO zustehenden Rechte in Anspruch zu nehmen. Das rechtlich geschützte Interesse der Beschwerdeführerin liege nicht in der Durchsetzung einer Strafklage, sondern im Schutz vor einer rechtsmissbräuchlichen und treuwidrigen Beschneidung der ihr zustehenden Verfahrensrechte zur Durchsetzung ihrer Zivilansprüche. Die neuere Lehre äussere sich ohnehin skeptisch gegenüber der Tragweite der Einschränkung der Verfahrensrechte gemäss Art. 121 Abs. 2 StPO und plädiere für eine weite Auslegung.

(...)

6. (...)

Die Stellung der Rechtsnachfolgerin der geschädigten Partei im Sinne von Art. 121 Abs. 2 StPO kommt der Stellung einer Privatklägerin gleich, die sich nur im Zivilpunkt, nicht aber im Strafpunkt konstituiert hat. Beide haben kein geschütztes Interesse an einer strafrechtlichen Verurteilung des Beschuldigten, im einen Fall aufgrund eigenen Verzichts, im anderen kraft gesetzlicher Vorschrift von Art. 121 Abs. 2 StPO. Durch die Einstellungsverfügung bringt die Staatsanwaltschaft zum Ausdruck, eine strafrechtliche Verurteilung des Beschuldigten sei ihres Erachtens nicht zu erwarten und die Weiterführung des Verfahrens daher nicht zu rechtfertigen. Die Anfechtung der Einstellungsverfügung bezieht sich mithin nur auf den Strafpunkt; es werden ausschliesslich die strafrechtlichen bzw. strafprozessualen Überlegungen der Staatsanwaltschaft beanstandet. Ein Rechtsverlust droht dem Zivilkläger durch die Einstellung des Verfahrens nicht. Mit der Verweisung seiner Zivilforderung auf den Zivilweg steht ihm die Anrufung der zivilen Gerichte offen; eine res iudicata liegt nicht vor (Dolge, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], a.a.O., Art. 126 N 29) und ein Schuldspruch wird für die Zusprechung der Zivilforderung in einem späteren Verfahren vor Zivilgericht nicht vorausgesetzt. Zur Durchsetzung der zivilrechtlichen Ansprüche ist das Verfahrensrecht der Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung demnach nicht notwendig. Zwar kann der Rechtsnachfolger des Privatklägers seinen Anspruch nicht im Adhäsionsprozess geltend machen, und entgeht ihm auch ein allfälliges verurteilendes Straferkanntnis als Beweismittel; die im Strafverfahren gesammelten Beweismittel stehen ihm aber aufgrund seines Akteneinsichtsrechts auch in einem Zivilprozess zur Verfügung. Mithin ist zwar nicht zu verkennen, dass auch der bloss im Zivilpunkt als Privatkläger am Verfahren Beteiligte ein faktisches Interesse an der Weiterführung des Verfahrens bzw. an der Aufhebung der Einstellungsverfügung haben kann. Das Gesetz gewährt aber dem Privatkläger gemäss Art. 121 Abs. 2 StPO ausdrücklich nur diejenigen Verfahrensrechte, die sich unmittelbar auf die Durchsetzung der Zivilansprüche beziehen; dazu gehört nach dem Gesagten die Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung nicht; die Beschwerdeführerin wäre zur Beschwerde nur legitimiert, wenn sie auch die Rechte der Privatklägerin im Strafpunkt geltend machen könnte, was, wie erwähnt, nicht zutrifft (vgl. Niklaus Schmid, Schweizerische Strafprozessordnung Praxiskommentar, 2.A., 2013, Art. 323 N 6; Landshut/Bossard, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], a.a.O., Art. 322 N 9, m.w.H.).

7. (...)

Das Strafverfahren dient in erster Linie der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs; dabei ist unter anderem der Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung zu beachten, der sich schlecht mit einer ausufernden Geltendmachung von Zivilforderungen verträgt, zumal wenn diese erhoben werden von Parteien, die sich am Strafpunkt desinteressiert zeigen oder von Gesetzes wegen als nicht direkt geschädigte Subrogationsgläubiger in den Verfahrensrechten eingeschränkt sind. Insofern besteht kein Anlass, vom klaren Wortlaut des Gesetzes abzuweichen. Die erwähnte Kritik an der Einschränkung von Parteirechten bezieht sich, wie aus den vorgebrachten Argumenten zu schliessen ist, wohl auch vorwiegend auf Einschränkungen der Teilnahmerechte und Akteneinsichtsrechte und weniger auf die fehlende Beschwerdelegitimation im Falle von Einstellungsverfügungen.

(...)

Obergericht, I. Beschwerdeabteilung, 11. Juni 2015

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