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Art. 9 StPO, Art. 319 Abs. 1 StPO

Regeste:

Art. 9 StPO, Art. 319 Abs. 1 StPO – Anklagegrundsatz, Verfahrenseinstellung. Steht fest, dass der Sachverhalt nicht detailliert genug ermittelt werden kann, um gestützt darauf eine mängelfreie Anklageschrift aufzubauen, muss der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit zur Einstellung des Verfahrens offen stehen.

Aus den Erwägungen:

(...)

6. In der Anklageschrift muss die Staatsanwaltschaft das Prozessthema, d.h. der dem Beschuldigten vorgeworfene Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens, so präzise umschreiben, dass die Vorwürfe im objektiven und im subjektiven Bereich genügend konkretisiert sind (Bundesgerichtsentscheid 6B_100/2014 vom 18. Dezember 2014, E. 2.2, m.w.H.); der Beschuldigte muss die ihm vorgeworfenen Handlungen identifizieren können, damit er sich dazu äussern und sich gegen den Vorwurf zur Wehr setzen kann. Andernfalls liegt ein Verstoss gegen den Anklagegrundsatz vor und kann die Straftat gerichtlich nicht beurteilt werden (Art. 9 StPO).

Wie erwähnt werden die Vorwürfe der Tätlichkeiten wie auch der angeblichen Nötigungen und Drohungen, soweit nicht der Vorfall in Mazedonien betroffen ist, von der Beschwerdeführerin sehr pauschal vorgebracht. Eine örtliche und zeitliche Einordnung ist kaum möglich, und eine Umschreibung des konkreten Tatherganges fehlt. Andere Erkenntnisquellen neben den Angaben der Beschwerdeführerin zur Feststellung des Sachverhaltes sind nicht ersichtlich. Auf dieser Grundlage wäre es der Staatsanwaltschaft demnach gar nicht möglich einen Anklagevorhalt zu formulieren, welcher den Anforderungen des Anklagegrundsatzes standhält. Das Gericht müsste das Verfahren bei einer dem Anklagegrundsatz nicht genügenden Anklage einstellen, da auch eine Rückweisung zur Verbesserung offenkundig nicht zu einer Behebung des Mangels führen könnte (vgl. Niggli/Heimgartner, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Schweizerische Strafprozessordnung, Basler Kommentar, 2.A., 2014, Art. 9 N 62). Bei dieser Sachlage ist nicht einzusehen, weshalb die Staatsanwaltschaft Anklage sollte erheben müssen. Vielmehr muss – zumal der Katalog der Einstellungsgründe gemäss Art. 319 Abs. 1 StPO nicht abschliessend ist (Landshut/Bossard, in: Donatsch/ Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2.A., 2014, Art. 319 N 13) – der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit zur Einstellung des Verfahrens offen stehen, wenn feststeht, dass der Sachverhalt nicht detailliert genug ermittelt werden kann, um gestützt darauf eine mängelfreie, dem Anklageprinzip genügende Anklageschrift aufzubauen. Es besteht nämlich wie bei unzureichender Beweislage auch in diesem Fall keine Aussicht auf ein verurteilendes gerichtliches Erkenntnis. Die Einstellung des Verfahrens erfolgte vorliegend auch aus diesem Grund zu Recht.

(...)

Obergericht, I. Beschwerdeabteilung, 27. August 2015

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