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§ 25 Abs. 1 lit. a DMSG

Regeste:

§ 25 Abs. 1 lit. a DMSG – Nach einer ausführlichen Würdigung eines Gutachtens der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege (EKD) und eines Gegengutachtens erweist sich das ehemalige Gasthaus Ochsen in Oberägeri als ein  Denkmal von sehr hohem wissenschaftlichen, kulturellen und heimatkundlichen Wert.

Aus dem Sachverhalt:

Am 18. April 2002 erwarben A. und B. das damals bereits im Inventar der schützenswerte Denkmäler eingetragene Gasthaus Ochsen, Hauptstrasse 2, Oberägeri (Assek.-Nr. 96a, GS Nr. 354), für Fr. X zu Gesamteigentum. Am 28. September 2010 verfügte die Direktion des Innern, das Gasthaus Ochsen werde als Baudenkmal von lokaler Bedeutung unter kantonalen Schutz gestellt. Der Schutzumfang betreffe den Standort des Gebäudes, seine äussere Erscheinung und die historische Baustruktur. Dagegen liessen A. und B. am 26. Oktober 2010 Verwaltungsbeschwerde beim Regierungsrat einreichen, welche mit Beschluss vom 15. Mai 2012 abgewiesen wurde. In der Begründung führte der Regierungsrat aus, die Unterschutzstellung des Gasthauses Ochsen basiere auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage. Gestützt auf den ausgewiesenen sehr hohen denkmalpflegerischen Wert bestehe an dieser Unterschutzstellung ein sehr hohes öffentliches Interesse, das die privaten Interessen der Eigentümer der Liegenschaft überwiege.

Gegen diesen Beschluss liessen A. und B. (nachfolgend: Beschwerdeführer) am 20. Juni 2012 beim Verwaltungsgericht Beschwerde einreichen und beantragen, es sei die Nichtigkeit der Verfügung der Direktion des Innern vom 28. September 2010 festzustellen, es sei der Entscheid des Regierungsrates vom 15. Mai 2012 aufzuheben und von der Unterschutzstellung des Gebäudes Ass. Nr. 96a, GS Nr. 354, Hauptstrasse 2, Oberägeri, abzusehen, unter Entlassung aus dem Inventar der schützenswerten Denkmäler. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Mit Vernehmlassung vom 23. Juli 2012 beantragte der Regierungsrat die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Am 12. September 2012 führte das Gericht einen Augenschein im Gasthaus Ochsen und in dessen Umgebung durch. Am 19. Dezember 2012 wurde die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege (EKD) mit der Erstellung eines Gerichtsgutachtens beauftragt, welche am 18. April 2013 einen weiteren Augenschein durchführte. Am 4. Juli 2013 erstattete die EKD ihr Gutachten, wobei sie dem Verwaltungsgericht als Quintessenz aus ihren Überlegungen empfahl, die Unterschutzstellung des ehemaligen Gasthauses Ochsen als Denkmal von lokaler Bedeutung zu bestätigen. Die Parteien erhielten in der Folge Gelegenheit, zum Gutachten Stellung zu nehmen. Die Beschwerdeführer bezeichneten das EKD-Gutachten in der Folge als mangelhaft. Der Kommission fehle es an der notwendigen Unvoreingenommenheit und sie habe auch keine eigenen Untersuchungen getätigt. Man habe sich daher gezwungen gesehen, eine ergänzende Begutachtung im Sinne einer Stellungnahme zum EKD-Gutachten einzuholen. Dieses zu den Akten gereichte und von C. verfasste Gutachten komme zum Schluss, dass das EKD-Gutachten in sich widersprüchlich sei und deutliche Hinweise auf flüchtiges Lesen der Grundlagen/Aktenlage zeige. Es halte den Befunden am Bau nicht stand. Das Ergänzungsgutachten gebe im Verbund mit einem schon 2012 ebenfalls bei C. in Auftrag gegebenen Gutachten die Sachlage korrekt wieder. Das EKD-Gutachten werde durch diese Gutachten erschüttert, weshalb bei der Beweiswürdigung auf dieses Gutachten abzustellen sei, eventualiter sei ein Obergutachten einzuholen.

Aus den Erwägungen:

(...)

2. Die Beschwerdeführer machen in ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde in erster Linie geltend, die Schutzwürdigkeit als Denkmal im Sinne von § 2 und § 25 des Gesetzes über Denkmalpflege, Archäologie und Kulturgüterschutz vom 26. April 1990 (Denkmalschutzgesetz, DMSG, BGS 423.11) sei für das Gasthaus Ochsen, Hauptstrasse 2 in Oberägeri nicht gegeben. Insbesondere sei kein überdurchschnittliches denkmalpflegerisches Interesse vorhanden, welches den massiven Eingriff in die Eigentumsfreiheit rechtfertigen würde. Überdies würde eine Unterschutzstellung unzumutbare finanzielle Folgen für die Eigentümerschaft nach sich ziehen. Eine Unterschutzstellung sei somit als unverhältnismässig zu bezeichnen.

a) Unter dem Marginale «Begriff des Denkmals und des Kulturgutes» wird in § 2 DMSG geregelt, dass Denkmäler nach diesem Gesetz Siedlungsteile, Gebäudegruppen, gestaltete Freiräume, Verkehrsanlagen, Einzelbauten, archäologische Stätten und Funde sowie in einer engen Beziehung hierzu stehende bewegliche Objekte sind, die einen sehr hohen wissenschaftlichen, kulturellen oder heimatkundlichen Wert aufweisen. In § 25 Abs. 1 DMSG sind die Voraussetzungen für die Unterschutzstellung wie folgt geregelt:

«Der Regierungsrat entscheidet über die Unterschutzstellung. Er beschliesst sie, wenn
a) das Denkmal von sehr hohem wissenschaftlichen, kulturellen oder heimatkundlichen Wert ist;
b) das öffentliche Interesse an dessen Erhaltung allfällige entgegenstehende Privatinteressen überwiegt;
c) die Massnahme verhältnismässig ist;
d) die dem Gemeinwesen entstehenden Kosten auch auf Dauer tragbar erscheinen.
[...]»

Aus den Materialien zum Denkmalschutzgesetz aus dem Jahr 1989 ist nicht zu entnehmen, was unter den unbestimmten Rechtsbegriffen «wissenschaftlicher, kultureller und heimatkundlicher Wert» zu verstehen ist. Auch die Revision vom 28. August 2008 brachte diesbezüglich keine Klärung. Die im § 25 Abs. 1 lit. a DMSG aufgeführten Rechtsbegriffe haben im Jahr 2008 insofern eine Veränderung bzw. Verschärfung erfahren, als jetzt ein Denkmal einen sehr hohen wissenschaftlichen, kulturellen oder heimatkundlichen Wert haben muss, damit es unter Denkmalschutz gestellt werden darf. Bei den Begriffen «sehr hoher wissenschaftlicher, kultureller oder heimatkundlicher Wert» handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe. Von einem unbestimmten Rechtsbegriff spricht man, wenn eine gesetzliche Bestimmung die Voraussetzungen einer Rechtsfolge in offener, unbestimmter Weise umschreibt. Jede offen formulierte Norm räumt einen gewissen Ermessensspielraum ein. Die Ausübung des Ermessens kann jedoch im Verwaltungsgerichtsverfahren dann nicht überprüft werden, wenn Entscheide des Regierungsrates zu überprüfen sind. Auch bei der Überprüfung der Anwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen ist nach herrschender Lehre und Rechtsprechung eine gewisse Zurückhaltung durch eine gerichtliche Instanz angezeigt. Auch das Bundesgericht übt bei der Überprüfung der Anwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen Zurückhaltung und billigt den Verwaltungsbehörden einen gewissen Beurteilungsspielraum zu, wenn der Entscheid besonderes Fachwissen oder Vertrautheit mit den tatsächlichen Verhältnissen voraussetzt. Das Gericht spricht von «technischem Ermessen» bei der Beurteilung von ausgesprochenen Fachfragen (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. A., Zürich 2010, N 446a-d, mit Verweis auf BGE 135 II 384). Zu beachten ist weiter Folgendes: Gesetzesbegriffe wie «sehr hoher wissenschaftlicher, kultureller oder heimatkundlicher Wert» sind ohne Hilfe durch besonderes Fachwissen kaum justiziabel. Die Unterschiede zwischen hohem und sehr hohem wissenschaftlichem, kulturellem und heimatkundlichem Wert eines Denkmals sind fliessend und werden sogar von Fachleuten bisweilen unterschiedlich beurteilt. Unter solchen Umständen kommt der Beurteilung durch eine Fachstelle besondere Bedeutung zu.

b) Zur Beantwortung der sich im vorliegenden Fall stellenden Fachfragen hat das Gericht die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege (EKD) beauftragt. Die EKD ist die Fachkommission des Bundes für Denkmalpflege, Archäologie und Ortsbildschutz. Sie berät die Departemente in grundsätzlichen Fragen der Denkmalpflege und Archäologie, wirkt bei der Umsetzung des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz und bei der Vorbereitung und Nachführung der Bundesinventare von Objekten nationaler Bedeutung mit. Die EKD verfasst zuhanden der Bundes- und Kantonsbehörden Gutachten zu Fragen der Denkmalpflege und Archäologie, nimmt auf Ersuchen des Bundesamtes für Kultur (BAK) Stellung zu Gesuchen um Finanzhilfe im Bereich der Denkmalpflege, fördert die Grundlagenarbeit und befasst sich mit den Entwicklungen in der Denkmalpflege und Archäologie (vgl. Homepage der EKD unter www.bak.admin.ch). In der ergänzenden Stellungnahme vom 27. November 2013 führt die EKD des Weiteren aus, in der Regel würden sich eine kleinere Delegation und der Präsident einer an sie gerichteten Frage annehmen. In bestimmten Fällen, so wie vorliegend, ziehe sie zusätzliche KonsulentInnen oder ExpertInnen bei. Es sei jedoch stets die gesamte Kommission, welche anlässlich ihrer Sitzungen aufgrund vertiefter Diskussionen ein Gutachten bereinige und verabschiede. Das fünfzehnköpfige Expertengremium vereine ein breites Spektrum an Wissen und Erfahrung. Am 4. Juli 2013 hat die EKD ihr Gutachten erstattet (fortan: «Gutachten EKD»). Nach dem Studium zahlreicher Unterlagen (sämtliche Verfahrensakten, umfangreiche Fachliteratur und Karten, die Rechtsgrundlagen) sowie auch abgestützt auf die im Rahmen des Augenscheins vom 18. April 2013 gewonnenen Erkenntnisse, kommt die Kommission zum Schluss, dass es sich beim Gasthaus Ochsen um ein sehr wertvolles bauliches Zeugnis handle. Aussagen zur Entwicklung und Geschichte des Dorfes, der dörflichen Gesellschaft sowie der Bau- und Handwerkskunst seien mit dem in seinen wesentlichen Teilen erhaltenen Gebäude gesichert. Sekundäre Veränderungen am und im Haus würden die Bedeutung und Schutzwürdigkeit der Baute nicht wesentlich zu schmälern vermögen. Aus bautypologischer Sicht sowie für das Verständnis der Ortsgeschichte des Dorfes Oberägeri, seiner Siedlungsentwicklung und -struktur sei das Haus Hauptstrasse 2 in seiner heutigen Ausprägung einschliesslich seiner baulichen Zeitspuren unverzichtbar (Gutachten EKD, S. 11). Der Beantwortung der Gutachterfragen vorangestellt sind ausführliche und detailliert begründete Vorbemerkungen über den siedlungs- und bautypologischen sowie historischen Kontext und über die denkmalpflegerischen und baurechtlichen Voraussetzungen (Gutachten EKD, S. 3 – 5).

c) (...)

d) Das Gericht stellte der EKD unter anderem die folgende Frage: «3. Ist das Haus mit Bezug auf seine Stellung in der Forschung von sehr hohem wissenschaftlichem Wert? Ist das Haus bezüglich seiner architektonischen Qualitäten, insbesondere mit Bezug auf die noch vorhandene historische Baukultur von sehr hohem kulturellem Wert? Hat das Haus wegen seiner Lage im Dorfkern von Oberägeri eine identitätsstiftende Bedeutung, die von sehr hohem heimatkundlichen Wert ist?»

d/aa) Darauf antwortete die EKD wie folgt:

«Als von sehr hohem wissenschaftlichen Wert erachtet die Kommission die Grundrisstypologie und die bauliche Entwicklung des ehemaligen Gasthauses Ochsen: Der Kernbau ist ein bäuerliches Wohnhaus oder, sofern die gastgewerbliche Nutzung von Anfang an gegeben war, ein Gasthaus, das der Typologie eines bäuerlichen Wohnhauses folgt. Bäuerliche Wohnhäuser wurden nicht selten mit traufseitigen Anbauten erweitert. Die Thematik der Hausentwicklung in der Bauernhausarchitektur und die oft mit Erweiterungen einhergehenden Anpassungen an zeitgenössische ästhetische Vorlieben oder die Bestrebungen, den Ausdruck des Gebäudes zu nobilitieren, wurde von Furrer in seinem Standardwerk «Die Bauernhäuser der Kantone Schwyz und Zug» eingehend abgehandelt (Furrer 1994, S. 114 f.). Gerade diese typologische Ausbildung – in Verbindung mit dem sehr hohen Baualter – ist entscheidend für den sehr hohen wissenschaftlichen, in diesem Fall bauhistorischen Wert. Dabei kann zu diesem Zeitpunkt ohne tiefer gehende archivalische und bauarchäologische Untersuchungen nicht festgestellt werden, ob das Gebäude von jeher als Gasthaus konzipiert war, oder ob es sich um ein stattliches Dorfhaus mit Vorder- und Hinterhausbereich gehandelt hat. Einfache Bauernschenken wiesen im 16. Jahrhundert typologisch kaum Unterschiede zu den bäuerlichen Wohnhäusern ihrer Zeit auf (Furrer 1994, S. 373 f.). Diese Recherche in Ergänzung mit weiterführenden Untersuchungen zur Besitzergeschichte ist noch zu leisten und ein allfälliges Ergebnis wäre für das Gebiet der lokalen Hausforschung, auch wegen sozialgeschichtlicher Aspekte, von sehr hohem wissenschaftlichem Interesse.

Die historische Bausubstanz eines Gebäudes, das eine Baugeschichte von gut 450 Jahren aufweist, setzt sich in der Regel aus mehreren Schichten zusammen. Sie ist ein aus einer kontinuierlichen Weiterentwicklung gewachsenes Ganzes, bei dem die jüngeren Anpassungen und Zufügungen nicht a priori als historisch weniger bedeutsam zu bewerten sind. Mit der strukturellen Kernsubstanz des Blockbaus verfügt das Haus Hauptstrasse 2 über eine massgebende historische Substanz, die aufgrund verschiedener Indizien in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts zurückreicht. Insbesondere verschiedene stilistische und konstruktive Merkmale deuten auf dieses hohe Alter hin. So etwa der Rillenfries wie er als Teil der ehemaligen Fassade im heutigen Dachraum noch sichtbar ist. (...) Furrer setzt die Friesgestaltung je nach Ausprägung in eine chronologische Reihenfolge, nach welcher der besagte Fries im ehemaligen Gasthaus Ochsen in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts datiert werden dürfte.

Auch die aus kräftigen Bohlen bestehende Deckenkonstruktion in der Firstkammer weist auf diese Entstehungszeit hin. Wie meistens bei dieser Konstruktionsweise wurde die letzte, konisch zugeschnittene Bohle von aussen eingeschoben. Damit war die Möglichkeit gegeben, mit dem Schwinden des Holzes den Boden wieder zu verdichten. Dieser so genannte Keil- oder Einschubladen hat sich bis heute überliefert. Er weist eine gegenseitige Überblattung auf, ein Konstruktionsmerkmal, welches laut Furrers Beobachtungen vor allem an spätmittelalterlichen Bauten vorkommt (...).

Obwohl erst eine dendrochronologische Baualtersbestimmung genauere Aufschlüsse bringen würde, so lässt sich dennoch zweifelsfrei feststellen, dass das ehemalige Gasthaus Ochsen zu den ältesten erhaltenen Gebäuden im Zentrum von Oberägeri gehört. Das Haus scheint sogar deutlich älter zu sein als das gegenüber liegende Doppelhaus Bachweg 5 / Hauptstrasse 9. Es ist in einer Bauweise erstellt worden, die deutlich auf seine zeitliche und regionale Entstehung verweist. Unter Beachtung des Umstands, dass im Kanton Zug kaum mehr historische Originalbausubstanz aus dem 16. Jahrhundert existiert und das ehemalige Gasthaus Ochsen mit weiteren umliegenden Baudenkmälern ein historisches Ensemble bildet, ist ihm ohne weiteres ein sehr hoher kultureller Wert (...) zuzusprechen.

Aufgrund seiner auffälligen, zusammen mit dem westlich gegenüberstehenden Doppelhaus Bachweg 5 / Hauptstrasse 9 torbildenden Situation, seiner seit gut 450 Jahren ununterbrochen währenden physischen Präsenz im historischen Dorfmittelpunkt von Oberägeri und seiner Jahrhunderte langen Funktion als Gasthaus ist auf lokaler Ebene dem Gebäude ein sehr hoher identitätsstiftender Wert beizumessen. Der kulturelle und der heimatkundliche Wert sind (...) nicht scharf voneinander trennbar. (...) Gerade weil das baulich wie institutionell historische Zentrum (...), in dem das ehemalige Gasthaus Ochsen eine augenfällige Position einnimmt, materiell überliefert und nach wie vor nachvollziehbar ist, ist ihm in Bezug auf Oberägeri auch ein sehr hoher heimatkundlicher Wert zu attestieren.

Gerade ein Gasthaus ist zudem seit jeher ein Ort der Begegnung und des Austausches zwischen Einheimischen und Auswärtigen (...). Als zentral gelegenes, ehemaliges Gasthaus ist der «Ochsen» bei der Bevölkerung von Oberägeri seit Jahrhunderten bekannt und im kollektiven Gedächtnis verankert. Auch wenn keine in den Geschichtsbüchern wiedergegebenen, bedeutenden Einzelereignisse aus dem Gasthaus Ochsen allgemein bekannt sind, so ist der sehr hohe heimatkundliche Wert dieses zentral gelegenen Dorfgasthofes dennoch klar gegeben. Ein Abbruch des identitätsstiftenden Gebäudes würde von einer breiten Öffentlichkeit als Verlust von eigener Identität und Geschichtlichkeit wahrgenommen» (Gutachten EKD, Ziff. 3, S. 7 ff.)

d/bb) Mit der an die EKD gerichteten Frage, wollte das Gericht in Erfahrung bringen, ob die Kommission beim Gasthaus Ochsen die drei Voraussetzungen von § 25 Abs. 1 lit. a DMSG für erfüllt hält. Wie ersichtlich, hat die Kommission diese Frage uneingeschränkt bejaht. Würdigend ist festzuhalten, dass die EKD sich mit den einzelnen Voraussetzungen ausführlich befasst hat, dabei schlüssig und widerspruchsfrei argumentiert und ihre Schlussfolgerung überzeugend begründet. Was den wissenschaftlichen Wert betrifft, so leuchtet ein, dass es vorliegend nicht ausschlaggebend sein kann, wieviel historische Bausubstanz aus der Anfangszeit des Gebäudes noch vorhanden ist, sondern dass sich am streitbetroffenen Gebäude die über 450-jährige Baugeschichte eines stattlichen bäuerlichen Wohnhauses, das seit Jahrhunderten gleichzeitig auch als Gasthaus genutzt wurde, geradezu exemplarisch ablesen lässt. Gerade die über die Jahrhunderte erfolgten baulichen Eingriffe und Erweiterungen nach dem jeweiligen Geschmack der Zeit machen das Gebäude aus wissenschaftlicher, etwa aus bauhistorischer, Sicht besonders wertvoll, wie die Gutachter schlüssig darlegen. Dazu kommt der im Gutachten erwähnte Umstand, wonach im Kanton Zug kaum mehr historische Bausubstanz aus dem 16. Jahrhundert vorhanden ist. Dass das Gebäude dadurch aus bauarchäologischer Sicht besonders wertvoll ist, leuchtet unmittelbar ein und bedarf keiner weiteren Erörterung. Gleichzeitig legt die EKD überzeugend dar, dass beim betreffenden Gebäude noch viele Fragen einer fachkundigen Klärung bedürfen. So steht das effektive Alter des Hauses nicht fest bzw. ist das Gebäude gemäss EKD offenbar älter als bisher angenommen. Dass dendrochronologische Untersuchungen angezeigt sind, liegt somit ebenfalls auf der Hand. Auch ist offenbar nicht klar, ob der «Ochsen» von Anfang an als Gaststätte diente, ob die Nutzung als Gaststätte erst später erfolgte und wie diese Nutzung ausgestaltet war. Diese ungeklärten Punkte und die Aufarbeitung der Besitzergeschichte machen das Haus aus Sicht der EKD für die lokale Dorfkultur- bzw. die lokale Hausforschung und für Sozialhistoriker überaus interessant, eine Schlussfolgerung, der sich das Gericht ohne weiteres anschliessen kann. Mit Blick auf den kulturellen und heimatkundlichen Wert argumentiert die EKD – gut nachvollziehbar –, dass sich diese beiden Kriterien beim Gasthaus Ochsen kaum scharf voneinander trennen lassen. Zweifelsohne verleiht der im Kanton Zug nur noch selten anzutreffende Umstand einer im Gebäude vorhandenen Bausubstanz, die bis in die Anfänge des 16. Jahrhunderts zurückreicht, diesem Gebäude einen besonders hohen kulturellen Wert, wie die Gutachter festhalten. Andererseits ist das Gebäude kulturell auch deshalb besonders wertvoll, weil es heute zu den ältesten erhaltenen Gebäuden im Zentrum der Gemeinde Oberägeri gehört, wie die EKD ebenfalls stichhaltig dargelegt hat. Nicht zu widersprechen ist den Gutachtern sodann bei ihrer Feststellung, dass das Gebäude nicht nur für sich alleine einen besonders hohen kulturellen Wert aufweist, sondern dass sich dieser Wert zusätzlich auch aus dem Zusammenspiel mit umliegenden Baudenkmälern im Zentrum der Gemeinde ergibt. Den besonders hohen heimatkundlichen und auch kulturellen Wert sieht die EKD namentlich auch in der identitätsstiftenden Wirkung des Gebäudes begründet. Diese Wirkung beruht laut EKD im Wesentlichen wiederum auf drei Faktoren: auf räumlichen, zeitlichen und funktionellen. Die räumliche identitätsstiftende Wirkung ergibt sich für die Gutachter aus der markanten torbildenden Situation mit dem gegenüberliegenden Doppelhaus, die zeitliche aus der Tatsache, dass das Gebäude seit 450 Jahren an dieser Stelle präsent war, und die funktionelle aufgrund des Umstands, dass das Gebäude praktisch ununterbrochen als Gasthaus gedient hat, was man dem Gebäude heute noch ansieht. Diese Überlegungen sprechen für sich und bedürfen für das Gericht ebenfalls keiner weiteren Erörterung. Das Gericht konnte sich anlässlich der beiden Augenscheine im Übrigen selber ein Bild von der das Dorfzentrum prägenden Torwirkung des Gebäudes Hauptstrasse 2 und dem Doppelhaus Bachweg 5 / Hauptstrasse 9 machen und hat dabei denselben Eindruck gewinnen können wie die Gutachter der EKD. Schliesslich sind auch die Überlegungen der EKD hinsichtlich der identitätsstiftenden Wirkung und damit verbunden auch der besonders grossen heimatkundlichen Bedeutung des Gasthauses nicht zu beanstanden. Ein seit Generationen vorhandenes Gasthaus, das an einem markanten Ort im Dorfzentrum steht und das so stattlich in Erscheinung tritt wie das streitbetroffene Gebäude, wird für die Dorfbewohner und die Bevölkerung aus der näheren Umgebung zweifelsohne ganz von selber zu einem kaum mehr wegzudenkenden Dorfbestandteil. Es ist daher nicht falsch, wenn die EKD angesichts dieser Ausgangslage zum Schluss kommt, dass eine breite Öffentlichkeit einen Abbruch des Gebäudes als Verlust von eigener Identität und Geschichtlichkeit wahrnehmen würde.

d/cc) Die Beschwerdeführer haben selber ein Gutachten zur Schutzwürdigkeit des Gasthauses bei der C. AG, Winterthur, in Auftrag gegeben (fortan: Gutachten C.). Das am 20. Juni 2012 abgelieferte Gutachten umfasst 53 Seiten und wurde durch den Geschäftsleiter C. und dessen Mitarbeiter D. verfasst. Bei der Abfassung hat der Gutachter sich gemäss seinen Angaben im einleitenden Kapitel auf Bauakten, Bauabrechnungen und Pläne des Umbaus 1976-1978, Planmaterial zu den Umbauten von 1963 und Bauakten aus dem Gemeindearchiv Oberägeri abgestützt. C. gibt des Weiteren an, das Objekt mehrfach begangen zu haben. Im Juni 2012 sei das Haus fotografisch dokumentiert worden (Gutachten C., S. 4). Ein paar der dabei gemachten Innen- und Aussenaufnahmen sind denn auch im Gutachten wiederzufinden. Das Dokument enthält des Weiteren Kopien von aktuellen Grundrissplänen und Fassadenansichten, in denen C. heute vorhandene bzw. sichtbare Gebäudeteile historisch zugeordnet hat. Im Anhang sind dem Gutachten ältere Fotoaufnahmen des Objektes beigefügt. Die meisten davon stammen aus dem frühen 20. Jahrhundert. Die älteste Aufnahme, auf der ein Teil der südlichen Giebelfassade des «Ochsen» zu sehen ist, geht schätzungsweise auf das Jahr 1860 zurück.

Nachfolgend werden diejenigen Abschnitte des Gutachtens wiedergegeben, in dem der Verfasser sich zur Schutzwürdigkeit des Gebäudes im Sinne des DMSG befasst:

«Wissenschaftlicher Wert: Der wissenschaftliche Wert des Kernbaus als konstruktionsgeschichtlicher interessanter Blockbau ist ausgesprochen gering. Dies ist massgeblich auf den vollständigen Verlust von zwei Fassadenseiten und den fast vollständigen Verlust der Binnenstruktur zurückzuführen. Die erhaltenen Fassaden sind zudem durch die Entfernung aller Blockvorstösse und die Vergrösserung der Fenster so stark in ihrem architektonischen Ausdruck verändert, dass sie nicht mehr als wichtiger Repräsentant einer bestimmten Epoche oder als baukünstlerische Innovation angesehen werden können. Die Grundrissdisposition und Erschliessung des Kernbaus lässt sich heute nicht mehr zuverlässig rekonstruieren, ebenso offen bleiben muss die ursprüngliche Fensteranordnung in den teilweise erhaltenen Aussenwänden. Auch der wissenschaftliche Wert für die Sozial-, Siedlungs- und Wirtschaftsgeschichte der Gemeinde Oberägeri ist vom heutigen Standpunkt aus als ausgesprochen gering einzustufen. Weder handelt es sich um einen der ältesten Bauten in Oberägeri, noch um den einzigen oder ältesten Bau mit Gasthofnutzung. Die politische Aktivität einzelner Mitglieder der Eigentümerfamilie im 19. Jh. ist für einen Gasthausbetrieb keine Seltenheit und ohne besondere sozialgeschichtliche Bedeutung. (....).

Kultureller Wert: Die heute das äussere prägende Fassade mit Einzelfenstern und Schindelschirm besitzt keine besonderen architektonischen Qualitäten. Es handelt sich um eine für die zweite Hälfte des 19. Jh. und das frühere 20. Jh. typische Fassadengestaltung für Neu- und Umbauten. Die Reste des Kernbaus können in ihrer architektonischen Qualität nicht mehr adäquat gewürdigt werden, da hierfür zu wenig Substanz vorhanden ist, zudem sind alle vorhandenen Reste sehr stark verändert und weitestgehend ihrem architektonischen Ausdruck beraubt. Auch der Rohbaukörper als solches ist in seinem architektonischen Ausdruck kein authentischer Zeuge einer bestimmten Epoche mehr. Die prägende Grundform des flachgeneigten Dachs ist grösstenteils eine Erneuerung der 1990er Jahre, in der sich die Form des ehemaligen Tätschdachhauses tradiert hat, in der Substanz aber nicht mehr erhalten ist, mit Ausnahme der südlichen Giebelwand.

Heimatkundlicher Wert: Das Gebäude steht an ortsbaulich sensibler Lage neben dem Brückenübergang über den Dorfbach. Durch die vorgeschobene Stellung ist der Bau prägend für den Strassenraum und bildet mit dem Haus Bachweg 5 auf der gegenüberliegenden Seite eine torartige Situation. Damit ist eine wichtige Voraussetzung für eine das Ortsbild prägende Wirkung gegeben. Entscheidend für diese Wirkung sind die Grundform des Baukörpers und die Fassadengestaltung der Zeit um 1900 mit Rundschindelschirm und regelmässig angeordneten Fenstern. Die Blockbaufassade aus der frühen Neuzeit (...) scheint um 1900 der Identität Oberägeris – als moderner, aufstrebender Tourismus-Ort – nicht mehr gerecht zu werden und hat deshalb eine Modernisierung mit dem heutigen Schindelschirm erfahren. Es sind keine politisch oder historisch relevanten Ereignisse bekannt, die vor oder im Gasthaus Ochsen stattgefunden haben und für die Gemeinde oder Bevölkerung im besonderen Masse identitätsbildend hätten sein können. Das gilt auch für die öffentlich zugängliche Gaststube. Die gesamte Innenausstattung der Gaststube stammt von 1978 und orientiert sich mit Wand- und Deckentäfer in historisierendem Stil am ästhetischen Ideal einer Gaststube aus dem 19. Jh. (...)

Dem vorgefundenen Bestand kommt im Sinne des Denkmalschutzgesetzes bezüglich des Eigenwerts keine wichtige Bedeutung (...) zu. (...) Der Situationswert am alten Übergang über den Dorfbach ist bedeutend. Zusammen mit dem gegenüberliegenden Gebäude Bachweg 5 bildet das Haus eine Torsituation. (...) Im vorliegenden Fall ist für den Ortsbildschutz, das in der Kernzonenbestimmung (Kernzone A) formulierte Ziel – Wahrung der Volumetrie, der Ausrichtung und der Materialisierung zur Wahrung des Situationswertes, bei fehlendem Eigenwert – ausreichend» (Gutachten C., S. 9 – 11).

d/dd) (...)

d/ee) Würdigend ist festzuhalten, dass C. zweifellos über eine reiche und langjährige Erfahrung in der baugeschichtlichen Erforschung von Häusern verfügt. Aufgrund der zahlreichen Inventare, Bauuntersuchungen an historischen Gebäuden und Schutzwürdigkeitsgutachten, welche er in den letzten Jahren für die C. AG im Auftrag von Gemeinden und Kantonen ausgeführt bzw. koordiniert hat, ist es nicht falsch, ihn als erfahrenen und seriösen Bauforscher zu bezeichnen. Auch das von ihm eingereichte Gutachten ist sorgfältig und gründlich abgefasst. Dabei zeichnet es sich insbesondere durch eine umfassende Aufarbeitung der Baugeschichte des Hauses aus (vgl. Gutachten C., S. 23 – 28). Die Beschwerdeführer bezeichnen ihren Gutachter als neutral. Diese Aussage gilt es insofern zu präzisieren, als dass C. das Gutachten im Auftrag derjenigen Partei abgefasst hat, die sich gegen eine Unterschutzstellung ihres Hauses wehrt. Zwar rechtfertigt der Umstand allein, dass eine fachliche Stellungnahme von einer Partei eingeholt und in das Verfahren eingebracht wird, nicht Zweifel an ihrem Beweiswert. Auch ein Parteigutachten enthält Äusserungen, welche zur Feststellung eines Sachverhalts beweismässig beitragen können. Daraus folgt indessen nicht, dass ein solches Gutachten den gleichen Rang wie ein vom Gericht nach dem vorgegebenen Verfahrensrecht eingeholtes Gutachten besitzt. Es verpflichtet indessen – wie jede substantiiert vorgetragene Einwendung gegen ein solches Gutachten – den Richter, den von der Rechtsprechung aufgestellten Richtlinien für die Beweiswürdigung folgend, zu prüfen, ob es in rechtserheblichen Fragen die Auffassungen und Schlussfolgerungen des vom Gericht förmlich bestellten Gutachters derart zu erschüttern vermag, dass davon abzuweichen ist (vgl. BGE 137 II 266 E. 3.2; 125 V 351 E. 3b/dd und 3c).

d/ff) Es gilt zunächst festzuhalten, dass C. in Bezug auf den Situationswert des streitbetroffenen Gebäudes in tatsächlicher Hinsicht weitgehend die gleichen Feststellungen macht wie die EKD. Er spricht ebenfalls von einer ortsbaulich sensiblen Lage, von einem den Strassenraum prägenden Bau und auch die torartige Wirkung mit dem gegenüberliegenden Haus ist ihm nicht entgangen. Eine das Ortsbild prägende Wirkung hätten ferner sowohl die Grundform des Baukörpers wie auch die auf die Zeit um 1900 zu datierende Fassadengestaltung. Im Gegensatz zur EKD attestiert C. dem Haus aber keinen besonders hohen heimatkundlichen Wert. Dies insbesondere deshalb, da der «Ochsen» mit keinen besonderen historischen Ereignissen in Verbindung zu bringen sei. Hinzu komme der Umstand, dass die Innenausstattung der Gaststube von 1978 stamme und im historisierenden Stil gehalten sei. In einer Stellungnahme zum Gutachten der EKD vom 5. September 2013 stuft er den heimatkundlichen Wert des Hauses ausdrücklich als «mässig» ein. Aufgrund der Quellenlage und Forschung zur Geschichte von Oberägeri sei nicht von einer aussergewöhnlichen Bedeutung des Baus für Oberägeri auszugehen. Als materieller Zeuge sei das Gasthaus von untergeordneter Bedeutung. Es gebe in der Gemeinde immer noch eine Reihe spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Blockbauten mit viel erhaltener Substanz, welche bedeutender seien als die Gebäudehülle des Gasthauses Ochsen. Diese Argumente überzeugen nicht. Die markante Lage mitten im Dorf an einer Stelle, wo sich der Weg verengt, der relativ grosse Baukörper und der Umstand, dass das Gebäude deutlich erkennbar als Gasthaus diente, haben zweifelsohne bewirkt, dass sich der «Ochsen» seit mehreren hundert Jahren jeder Person, die den Ortskern Oberägeris durchqueren wollte, gewissermassen in den Weg gestellt und visuell eingeprägt hat. Dies bezeugen nicht zuletzt auch die vom Gutachter C. im Anhang angefügten historischen Aufnahmen eindrücklich. Es ist somit nicht zu beanstanden, wenn die EKD in diesem Zusammenhang schreibt, dass das Gebäude deswegen im kollektiven Gedächtnis der Gemeinde verankert sei. Der Situationswert des Gebäudes ist demnach als so gewichtig zu erachten, dass der Umstand, dass sich das Haus nicht mit einem historischen Ereignis verknüpfen lässt, kaum mehr ins Gewicht fällt. Dass die Gaststube nicht älter als vierzig Jahren ist, spricht ausserdem nicht gegen den heimatkundlichen Wert des Gebäudes. Die Tatsache, dass der «Ochsen» über mehrere Jahrhunderte und bis vor kurzem noch als Gasthaus betrieben wurde und damit grossen Teilen der Bevölkerung heute immer noch als Ort der Begegnung und prägender Anlässe in lebhafter Erinnerung sein dürfte, spricht hingegen dafür, dem Gebäude eine sehr hohe identitätsstiftende und damit auch eine entsprechend grosse heimatkundliche Bedeutung zuzumessen. Obwohl die heutigen Eigentümer gemäss eigenen Angaben das Restaurant im Gasthaus Ochsen aus Betriebs- und Unterhaltskostengründen vor einigen Jahren aufgegeben haben (vgl. Protokoll Augenschein vom 6. April 2011 im Vorverfahren, S. 4; und Augenschein vom 12. September 2012, S. 3) finden im «Ochsen» sogar heute bisweilen noch das lokale Dorfleben prägende Anlässe statt, wie ein Blick ins Internet erhellt (...). Auch dies belegt die nach wie vor feste Verankerung der Liegenschaft als Gasthaus und traditionellen Veranstaltungsort im Bewusstsein der Bevölkerung Oberägeris (...).

Nach dem Gesagten kann das Gericht die Meinung des Gutachters C. nicht teilen, wonach der heimatkundliche Wert der streitbetroffenen Liegenschaft nur mässig sein soll. Die im Gutachten vom 20. Juni 2012 und in der Stellungnahme vom 5. September 2013 erfolgten Ausführungen und Schlussfolgerungen zum heimatkundlichen Wert des «Ochsen» vermögen die Auffassungen und Schlüsse der EKD zu diesem Themenkomplex jedenfalls nicht umzustossen.

d/gg) Bei der Würdigung des kulturellen Wertes greift C. mehrheitlich auf Argumente zurück, welche die Architektur des Hauses betreffen. Zunächst macht er geltend, die Reste des Kernbaus könnten wegen der ausreichend vorhandenen Substanz gar nicht mehr adäquat gewürdigt werden und das noch Vorhandene sei stark verändert und seines architektonischen Ausdrucks weitestgehend beraubt worden. In der Stellungnahme vom 5. September 2013 fügt er an, im Innern seien die wesentlichen Räume, die eine wichtige Zeugenschaft für eine Gasthaus-Kultur begründen würden (Gaststube, Küche und allfällige Gästezimmer) verloren. Als Zeuge für die Bau- und Handwerkskultur sei das Gebäude aufgrund der sehr stark reduzierten Substanz wenig geeignet. Es fällt auf, dass der Gutachter den kulturellen Wert im Wesentlichen am Vorhandensein von alter bis sehr alter Bausubstanz im Gebäude festmachen will. Dabei bestreitet er nicht, dass im Haus noch Substanz vorhanden ist, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht. Dies zeigt sich beispielsweise auch sehr deutlich an den von ihm angefertigten Baualtersplänen in seinem Gutachten (vgl. Gutachten C., S. 12 – 19). In jedem Geschoss hat der Gutachter Mauern und Wände in Orange eingezeichnet, die er auf das 16. und 17. Jahrhundert datiert. Schwergewichtig befindet sich die älteste Bausubstanz im Keller und im Dachgeschoss. Zu sehen ist ferner, dass zu den ältesten Gebäudeteilen nicht nur Aussenmauern gehören, sondern auch Innenwände, bzw. Mauern, die teilweise heute noch raumbildende Funktion haben, so im massiv gemauerten Kellergeschoss und im Dachgeschoss in Form einer Dachkammer. Anhand dieser Pläne zeigt sich auch, dass im Keller, Erd- und Obergeschoss ebenfalls noch Bausubstanz aus dem 17. und 18. Jahrhundert erhalten sein soll (auf den Plänen blau eingefärbt). So lässt sich gemäss Gutachten C. der ganze Eingangsbereich im Westen auf diese Epoche zurückführen. Im Obergeschoss wird der als Kinderzimmer bezeichnete Raum vollständig aus Wänden gebildet, die sich auf das 16., 17. und 18. Jahrhundert zurückführen lassen sollen (...). Im Anhang zur Stellungnahme vom 5. September 2013 hat der Gutachter den Versuch unternommen, die erhaltene Substanz im «Ochsen» in Prozentzahlen zu schätzen. Dabei hat er zwischen Kernbau (im 16. und 17. Jahrhundert), der traufseitigen Erweiterung nach Westen (im 17. oder 18. Jahrhundert) und der giebelseitigen Erweiterung nach Süden (Mitte 19. Jahrhundert) unterschieden (zu den Bauphasen vgl. auch mit Gutachten C., S. 23 ff.). Obwohl er dabei in einigen Bereichen tiefe oder gar keine Anteile an bauzeitlicher Substanz feststellt (namentlich im Erdgeschoss), so gibt es kaum einen Bereich des Hauses, in dem er nicht auf historische Bausubstanz gestossen ist. Teilweise ist diese Substanz sogar vollständig oder rund zur Hälfte erhalten. Im Kernbaubereich, d.h. im ältesten Teil, betrifft das etwa die Fassaden und Binnenwände im Keller, die Fassaden des Erd-, Ober- und Dachgeschosses sowie die Binnenwände und Dachkammerdecken im Dachgeschoss. Bei der Erweiterung im 18. Jahrhundert betrifft dies die Fassaden im Keller-, Erd- und Obergeschoss sowie die Binnenwände im Erd- und Obergeschoss. Was die Erweiterung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts betrifft, so ist der Zusammenstellung im Anhang zu entnehmen, dass sich die entsprechenden Fassaden in allen Geschossen sogar zu 100 % erhalten haben sollen. Die entsprechenden Binnenwände im Obergeschoss seien noch bis zu 50 Prozent intakt und die Decken zu 42 %. Der Gutachter C. präsentiert somit ein Resultat, aufgrund dessen man sagen müsste, dass in der Liegenschaft ein durchaus beachtenswertes Ausmass an alter Bausubstanz aus dem 16., 17., 18. und 19. Jahrhundert vorhanden ist. Es ist für das Gericht daher nicht nachvollziehbar, wie der Gutachter angesichts seiner eigenen Forschungsergebnisse gleichwohl zum Schluss kommen kann, dass die historische Substanz sehr stark reduziert worden sei, wodurch der kulturelle Wert des Gasthauses Ochsen für die Geschichte der Baukultur im Ägerital als «ausgesprochen gering» einzustufen sei. Der Gutachter liefert keine plausible Erklärung für diesen Widerspruch, weshalb das Gericht seine Schlussfolgerung nicht übernehmen kann.

Die EKD bestreitet demgegenüber nicht, dass die bauzeitliche Substanz des Gebäudes seit seiner Erbauung im Spätmittelalter stark verändert und geschmälert worden sei. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 27. November 2013 führt die EKD dazu erläuternd aus, am betreffenden Bau sei die geschichtliche Entwicklung gut ablesbar – sei dies im Keller- oder Dachgeschoss, an der mit der Hausform kontrastierenden Hauptfassade oder der westlichen Trauffassade. Die über die vergangenen Jahrhunderte vorgenommenen Veränderungen würden gerade die Geschichtlichkeit des Hauses ausmachen. Die infolge veränderter Bedürfnisse und Nutzungsintensitäten ausgeführten Ergänzungen und Veränderungen seien nicht nur typisch für die Entwicklungsgeschichte eines über 450-jährigen Gebäudes. Sie würden gleichzeitig auch Zeugnis von diesem Wandel ablegen. Die Geschichte breche mit der Fertigstellung des Baus im Spätmittelalter nicht ab, vielmehr beginne dann die historische Entwicklung des Gebäudes bis in die Gegenwart. Jüngere Anpassungen seien nicht a priori als historisch weniger bedeutsam einzustufen. Die Beurteilung der Materialität sei nicht auf die spätmittelalterliche Substanz zu beschränken. Den Eingriffen des 19. Jahrhunderts oder der neoklassischen Überformung um 1900 sei ein sehr hoher Eigenwert zuzusprechen. Im Gegensatz zum Gutachter C., der den Fokus auf das Ausmass an erhaltener, möglichst alter Bausubstanz richtet und dabei einen relativ strengen Massstab anlegt, verfolgt die EKD einen deutlich dynamischeren Ansatz und rückt bei ihrer Bewertung den sich am Gebäude ablesbaren Wandel in den Mittelpunkt. Vom Umstand, dass sich die geschichtliche Entwicklung bei diesem Haus besonders gut zeigen lässt, konnte sich das Gericht im Übrigen im Rahmen der beiden Augenscheine selber überzeugen. Die EKD sieht die Veränderungen und Eingriffe somit nicht als einen den kulturellen Wert des Gebäudes herabstufenden Umstand an, wie Gutachter C., sondern erachtet diese im Gegenteil gerade als eine der Eigenheiten des Gebäudes, die es schützenswert machen. Diese präzisierenden Erläuterungen seitens der EKD zu ihrem Gutachten vom 4. Juli 2013 sind für das Gericht nachvollziehbar und stichhaltig, womit gleichzeitig gesagt ist, dass das Gutachten C. die Ausführungen der EKD zum kulturellen Wert des Hauses im Gerichtsgutachten nicht zu erschüttern vermag.

C. äussert sich im Zusammenhang mit der kulturellen Bedeutung des Hauses auch zu dessen äusseren Erscheinungsform. Die Fassade mit Einzelfenstern und Schindelschirm besitze keine besonderen architektonischen Qualitäten. Es sei eine für die zweite Hälfte des 19. Jh. und das frühere 20. Jh. typische Fassadengestaltung. Die prägende Grundform des flachgeneigten Dachs sei grösstenteils eine Erneuerung der 1990er Jahre, in der sich die Form des ehemaligen Tätschdachhauses tradiert habe. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 5. September 2013 bringt er zusätzlich vor, dass der «Ochsen» kein Vertreter der Wirtshauskultur sei. Dies namentlich aufgrund seiner äusseren Erscheinung. Beim Gasthaus Ochsen handle es sich um einen allgemein verbreiteten Bautyp des Blockbaus. Als Gasthaus sei der «Ochsen» zwar seit dem 17. Jahrhundert belegt. Er sei aber weder das älteste Gasthaus noch das einzige Gasthaus in Oberägeri im 17. Jahrhundert. Wie bereits dargelegt attestiert C. dem Gebäude unter dem Titel «heimatkundlicher Wert» namentlich auch wegen der Grundform des Baukörpers und der besonderen Fassadengestaltung eine für das Ortsbild prägende Wirkung. Gleichzeitig stuft er die kulturelle Bedeutung des Hauses ausgerechnet auch wegen der Fassadengestaltung herab. Der Gutachter sagt somit, dass die Fassade so besonders ist, dass ihr eine identitätsstiftende Rolle bzw. eine prägende Wirkung für das Dorf Oberägeri zukommt, gleichzeitig ist sie aber von nur so durchschnittlicher architektonischer Qualität, dass sie nicht dazu dienen kann, dem Haus eine besondere kulturelle Bedeutung zuzumessen. Das Gericht kann dieser widersprüchlichen Argumentation nicht folgen. Es mag sein, dass die architektonische Qualität der heutigen Fassadenverkleidung gemessen an der dahinter vorhandenen älteren Bausubstanz als weniger wertvoll zu erachten ist. Die EKD führt zu diesem Punkt aber überzeugend aus, dass auch diese Überformung aus der Zeit um 1900 als typischer Ausdruck eines veränderten Nützungsbedürfnisses zu sehen ist. Sogar der Gutachter C. räumt ein, dass es sich um eine für die damalige Zeit typische Fassadengestaltung handle. Er geht sogar noch weiter und führt an anderer Stelle seines Gutachtens die Fassadenneugestaltung darauf zurück, dass sich Oberägeri damals als modernen, aufstrebenden Touristenort zu verstehen begann. Dieser neuen Identität sei die frühere Blockbaufassade nicht mehr gerecht geworden (Gutachten C., S. 10 f.). Insofern stützt C. die These der EKD und liefert im Widerspruch zu seiner Schlussfolgerung selber ein weiteres Indiz für den kulturellen Wert der heute sichtbaren Fassadenüberformung. Was das Dach betrifft, so streitet die EKD nicht ab, dass das Dach neu ist. Entscheidend für die Kommission sei aber, dass die typische Dachform noch erhalten ist. Im Gutachten führt sie dazu aus, das Gebäude vertrete den für diese Baulandschaft originären Bautypus des auf einem gemauerten Sockel errichteten Blockbaus unter schwach geneigtem Satteldach, der in dieser Gesamtform im Ägerital und insbesondere im dörflichen Kontext nur noch sehr selten anzutreffen sei (Gutachten EKD, S. 7). In seiner Stellungnahme vom 5. September 2013 führt Gutachter C. dazu aus, einschliesslich der Fassaden betrage die erhaltene Substanz weit unter 50 %. Im Innern seien dies nur noch die Umfassungswände der Kellerräume und der Firstkammer sowie deren Decke. Die übrige Substanz der Binnenstrukturen fehle nachweislich vollständig. Das Gasthaus sei damit kein typologisch wichtiger Zeuge mit authentischer Wirkung für ein Tätschdachhaus. Wie bereits zuvor festgestellt, vertritt C. in seinen Bewertungen einen sehr strengen Ansatz. Für ihn vermag die für das Gebäude charakteristische Dachform, welche auch für ihn unbestritten auf die Entstehungszeit des Hauses zurückzuführen ist, dem Haus nur dann einen besonderen kulturellen Wert zu verleihen, wenn auch im übrigen Gebäude noch möglichst viel Substanz aus der Entstehungszeit vorhanden ist. Diese rigide Sicht ist abzulehnen. Sie hätte unter Umständen dann etwas für sich, wenn es im Dorfzentrum Oberägeris eine Vielzahl von so genannten Tätschdachhäusern aus dem 16. und 17. Jahrhundert geben würde, die sich seit ihrer Entstehung praktisch unverändert erhalten haben. Da dies nach Ansicht der EKD aber nicht der Fall ist, und es für das Gericht keinen Grund gibt, an dieser Meinung zu zweifeln, vermögen die Argumente des Gutachters C. diejenigen der EKD zu diesem Themenkomplex nicht auszustechen (...).

d/hh) Wie die EKD nachvollziehbar schreibt, lassen sich der kulturelle und der heimatkundliche Wert eines Hauses nicht scharf voneinander trennen. Dies zeigt insbesondere die Diskussion um den Situationswert des «Ochsen». (...)

Die EKD zählt im Gutachten eine Reihe von historischen Bauten in unmittelbarer Umgebung des «Ochsen» auf, so die Pfarrkirche Peter und Paul gleich gegenüber, die sich auf das Jahr 1226 zurückführen lasse, und das in den 1490er Jahren erstelle Beinhaus St. Michael, das Biedermeier-Haus Bachstrasse 4 (Nachfolgebau des 1830 abgetragenen Rathauses). Im Norden würden des Weiteren das parallel zum Dorfbach stehende Schulhaus von 1836 (Bachweg 6) und im Westen das «Zurlaubenhaus» von 1574 (Mitteldorfstrasse 2) und das «Rössli» (Mitteldorfstrasse 1) den engeren historischen Siedlungskern begrenzen (Gutachten EKD, S. 3 f.). Aus alledem zieht die EKD (...) den Schluss, dass das markante Gebäude des ehemaligen Gasthauses Ochsen gegenüber der Pfarrkirche im Gefüge des Dorfzentrums ortsbildrelevant sei, was mithin auch dessen sehr hohen kulturellen und heimatkundlichen Wert begründe (Gutachten EKD, S. 10). Ganz besonders hebt die EKD bei der Frage des Situationswertes indes die Bedeutung des dem «Ochsen» gegenüberliegenden Doppelhauses «Bachweg 5 / Hauptstrasse 9» hervor. Der «Ochsen» sei zwar deutlich älter als dieses Gebäude, bautypologisch seien die beiden Bauwerke jedoch vergleichbar. Zusammen würden sie eine architekturhistorische und in Bezug auf die Siedlungsmorphologie eine strukturelle Einheit bilden (Gutachten EKD, S. 9). Einerseits würden der «Ochsen» und das ihm gegenüberliegende Haus – dieses sei dendrochronologisch respektive archivalisch spätestens seit dem 17. Jahrhundert nachgewiesen – den zu einem Platz ausgeweiteten Dorfmittelpunkt dominieren (Gutachten EKD, S. 4). Andererseits sei der «Ochsen» explizit zum gegenüberliegenden Doppelhaus orientiert. Und indem die von Unterägeri her führende Strasse nach einer 90-Grad-Kurve zwischen dem ehemaligen Gasthaus Ochsen und dem Doppelhaus Bachweg 5 / Hauptstrasse 9 hindurch führe und sich danach im Bereich von Dorfbach, Brücke und Kirchenvorplatz zum Dorfplatz ausweite, würden diese beiden Häuser das Raumprofil an dieser Lage definieren. (...) (Gutachten EKD, S. 6).

In Auseinandersetzung mit diesen Darlegungen der EKD schreibt Gutachter C. in seiner Stellungnahme vom 4. Juli 2013 zunächst, unter den drei Dorfkernen von Oberägeri sei mit Sicherheit demjenigen im Umfeld der Kirche eine besondere Stellung zugekommen. Hier habe sich auch das älteste namentlich genannte unter Schutz gestellte Gasthaus Rössli befunden. Auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bleibe die Bedeutung des Dorfkerns im Umfeld der Kirche bestehen. Alleine aus der Stellung des «Ochsen» gegenüber der Pfarrkirche im Gefüge des Dorfzentrums von Oberägeri und seiner markanten Erscheinung leite die EKD ab, dass das Gebäude nicht nur ortsbildrelevant sei, sondern auch einen sehr hohen heimatkundlichen Wert aufweise. Zu einer solchen Behauptung hätten sich die Verfasser des ISOS nicht verstiegen. Bei der Bezeichnung der besonders ortsbildrelevanten Gebäude im Dorfzentrum hätten sie den «Ochsen» ausgelassen. Lediglich die Westfassade habe im Plan eine Markierung gefunden. Aus der Tatsache, dass sich der «Ochsen» gemäss ISOS innerhalb der als Gebiet 1.1 bezeichneten Gebäudeansammlung im Zentrum des Dorfes befinde, lasse sich für das Einzelobjekt in diesem Gebiet noch keine besondere Bedeutung innerhalb des Ortsbildes ableiten. Die Gebäude mit besonders hoher Bedeutung seien innerhalb des Gebiets mit schwarz eingefärbtem Grundriss und Referenznummer besonders hervorgehoben. Diese Gebäude würden demzufolge einen sehr hohen kulturellen und heimatkundlichen Wert aufweisen. Es handle sich um die Gebäude Mitteldorfstrasse 1 und 2, die Kirche mit Friedhof und Beinhaus, das Pfrundhaus sowie das Alte Schulhaus am Bachweg 9. Im ISOS-Plan werde auch kein Erhaltungsziel angegeben. Hierzu ist zu bemerken, dass der Gutachter C. offenbar übersehen hat, dass die EKD die grosse Bedeutung des Situationswerts und damit verbunden den überdurchschnittlich hohen heimatkundlichen und kulturellen Wert des «Ochsen» nicht isoliert aus dessen Stellung und Lage im Vergleich zu anderen Häusern im Dorfkern hergeleitet hat, sondern, wie zuvor ausführlich dargelegt wurde, aus einer Vielzahl von Faktoren (lange physische Präsenz im historischen Dorfmittelpunkt, lange Funktion als Gasthaus auf lokaler Ebene, Verankerung im kollektiven Gedächtnis, identitätsstiftende Funktion, Abbruch als Verlust von eigener Identität und Geschichtlichkeit). Es ist deshalb auch eine unzulässige Verkürzung zu sagen, dass die EKD «alleine» aus der Stellung des «Ochsen» gegenüber der Pfarrkirche im Gefüge des Dorfzentrums und wegen der markanten Erscheinung des Gebäudes zu diesem Schluss gekommen sei. Sofern der Gutachter mit dieser Aussage des Weiteren sagen wollte, nur die Lage zur Pfarrkirche habe für die EKD eine ausschlaggebende Rolle gespielt, so ist darauf aufmerksam zu machen, dass die EKD an der vom Gutachter C. zitierten Stelle nach vorne im Gutachten verwiesen hat, wo die Bedeutung des «Ochsen» unter siedlungstypologischen Gesichtspunkten umfassend gewürdigt wird. Was die Frage des ISOS-Inventars betrifft, ist zu bemerken, dass Oberägeri im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) lediglich als Dorf von regionaler Bedeutung klassifiziert ist (vgl. ISOS [Hg. Eidg. Departement des Innern], Ortsbilder von nationaler Bedeutung, Kanton Zug, Bern 2002, S. 20). Das Ortsbild Oberägeri figuriert, wie die EKD korrekt festgehalten hat, somit nicht in dem in Kraft gesetzten Bundesinventar (Gutachten EKD, S. 5; auch: ISOS Zug, S. 8 und 87). Damit entfalten etwaige Einträge im ISOS in Bezug auf die Gemeinde Oberägeri für den Bund keine Rechtswirkung. Dies gilt auch für die kantonalen und kommunalen Behörden im Kanton Zug, da auch der Kanton Zug den ISOS-Plänen, die sich auf die Gemeinde Oberägeri beziehen, keine Rechtswirkung verliehen hat. Kommt hinzu, dass private Grundeigentümer aus ISOS-Inventaren keine direkten Rechtswirkungen für sich ableiten können (ISOS Zug, S. 6; zu den Rechtswirkungen von Bundes-Inventaren wie z.B. dem ISOS vgl. BGE 135 II 209 E. 2.1). Es ist somit nicht zu erkennen, wie sich aus der Feststellung von Gutachter C., wonach nur eine Fassade der streitbetroffenen Liegenschaft im ISOS-Plan der Gemeinde Oberägeri markiert worden sei, etwas zu Gunsten der Beschwerdeführer ableiten lässt. Nach dem Gesagten ist festzuhalten, dass die Aussagen des Gutachters C. in Bezug auf die Gebäude in der Umgebung des «Ochsen» die entsprechenden Erkenntnisse der EKD nicht zu erschüttern vermögen. (...).

Was die Stellung des «Ochsen» zum Doppelhaus Bachweg 5 / Hauptstrasse 9 betrifft, so schreibt Gutachter C., dass der Situationswert des «Ochsen» aufgrund dieses gegenüberliegenden Hauses bedeutend für das Ortsbild sei. Der «Ochsen» bilde für das Haus Bachweg 5 / Hauptstrasse 9 ein wesentliches Gegenüber in Bezug auf das Erscheinungsbild, was auch im umgekehrten Verhältnis gelte. Das Doppelhaus besitze im Unterschied zum «Ochsen» im wesentlichen Umfang historische Bausubstanz in den Fassaden und im Innern. Es stelle einen authentischen Zeugen für den bäuerlichen Wohnhausbau der Frühneuzeit dar. Bei diesem Haus sei die Grundlage für eine wissenschaftliche Bedeutung gegeben. Die Volumetrie des «Ochsen» und dessen Ausrichtung auf die Kirche sowie die Verwendung von Fassaden-Materialien der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts würden aufgrund des fehlenden Eigenwerts indessen als Begründung für eine Unterschutzstellung des «Ochsen» nicht ausreichen.

Für den Gutachter der Beschwerdeführer prägen somit der «Ochsen» und das ihm gegenüberliegende Doppelhaus das Ortsbild im Dorfkern in erheblicher Weise, womit er in Bezug auf den Situationswert des «Ochsen» zunächst auf der gleichen Linie wie die EKD argumentiert. Gutachter C. geht noch weiter und relativiert die Bedeutung des Situationswerts des Hauses aufgrund des von ihm behaupteten geringen Eigenwertes. Bei der Behandlung des kulturellen Wertes wurde zuvor jedoch gezeigt, dass im Gutachten C. bei der Frage der noch vorhandenen historischen Bausubstanz zum Teil widersprüchlich argumentiert und im Vergleich zur EKD überdies ein allzu strenger Massstab angelegt wurde. Das Gericht hat daher nicht auf die entsprechenden Aussagen im Gutachten C. abgestellt und die Sichtweise der EKD bevorzugt (vgl. Erw. 2 d/gg). Es ist nicht einzusehen, warum das Gericht bei der Erörterung des Situationswertes des Gebäudes nun anders verfahren sollte. Somit ist davon auszugehen, dass die Beurteilung der Materialität beim «Ochsen» nicht auf spätmittelalterliche Bausubstanz zu beschränken ist, sondern auch die weiteren Eingriffe, die bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts erfolgt sind, zum Eigenwert des Gebäudes beitragen. Der auch vom Gutachter C. anerkannte Situationswert des «Ochsen» würde mit einem so verstandenen Eigenwert somit sehr wohl für eine Unterschutzstellung des Hauses ausreichen. Nach dem Gesagten vermögen die Überlegungen im Gegengutachten und die spätere Stellungnahme des Gegengutachters die Schlussfolgerungen der EKD im Zusammenhang mit dem Situationswert des «Ochsen» nicht umzustossen. Zusammen mit dem gegenüberliegenden Doppelhaus ist der Situationswert im Gefüge des Dorfzentrums Oberägeri einzigartig und ortsbildrelevant, was den sehr hohen kulturellen und heimatkundlichen Wert des Hauses mitbegründet.

d/ii) Was den wissenschaftlichen Wert betrifft, so stuft der Gegengutachter der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme zum EKD-Gutachten vom 5. September 2013 diesen als ausgesprochen gering ein. Aufgrund der sehr stark reduzierten Substanz sei der Bau für die Forschung von sekundärer, ergänzender Bedeutung. Der Substanzgrad sei so gering, dass allfällige wissenschaftliche Erkenntnisse nur als Vermutung geäussert, aber nicht am Bau überprüft und belegt werden könnten. Durch die Eingriffe in den 1970er Jahren sei der Bau in seiner Integrität erheblich beeinträchtigt worden. Es sei davon auszugehen, dass dabei in massgebendem Umfang Spuren der baulichen Entwicklung und der früheren Nutzung unwiederbringlich getilgt worden seien und für eine wissenschaftliche Auswertung nicht mehr zur Verfügung stünden.

Die Einschätzung des Gutachters der Beschwerdeführer gründet auf der Annahme, dass nur mehr ein geringer Grad an historischer Bausubstanz im Gebäude vorhanden ist. Wie bereits bei der Frage des kulturellen Wertes erörtert wurde, richtet C. den Fokus allzu eng auf das Ausmass an erhaltener, möglichst alter Bausubstanz und blendet dabei im Gegensatz zur EKD die späteren Veränderungen aus, bzw. stuft sie implizit in ihrer Bedeutung für den Wert des Hauses herab. Ausserdem ist das Gericht aufgrund der Untersuchungen, die C. im Haus durchgeführt und die er in seinem Gutachten beschrieben hat, zum Ergebnis gelangt, dass dessen Schlussfolgerungen bezüglich der vorhandenen historischen Bausubstanz nicht nachvollzogen werden können. Dies, da seinen Untersuchungen zu entnehmen sei, dass im «Ochsen» noch ein durchaus beachtenswertes Ausmass an alter Bausubstanz aus dem 16., 17., 18. und 19. Jahrhundert vorhanden sei (vgl. Erw. 2 d/gg). Mit diesem Resultat vor Augen büssen nun aber auch die Einschätzungen des Gegengutachters zum wissenschaftlichen Wert des Hauses erheblich an Aussagekraft ein; denn er ist dabei offenbar von Annahmen ausgegangen, die sich nunmehr für das Gericht als höchst zweifelhaft erweisen. Die EKD hat demgegenüber gut nachvollziehbar dargelegt, dass die bauliche Entwicklung des Hauses – in einem weiteren Sinn, das heisst über die Jahrhunderte hinweg betrachtet – und dessen Grundrisstypologie von sehr hohem wissenschaftlichem Wert seien. Auch die Tatsache, dass es sich in der Kernsubstanz um ein sehr altes Haus handle – laut EKD gehört es zu den ältesten erhaltenen Gebäuden im Dorfzentrum Oberägeris – und diese Kernsubstanz zwar reduziert, doch immerhin in einem beachtenswerten Ausmass vorhanden sei, mache das Haus aus bauhistorischer Sicht überdurchschnittlich wertvoll. Ferner legt die EKD überzeugend dar, dass bestimmte Fragen aus wissenschaftlicher Sicht einer Klärung harren, etwa diejenige nach dem genauen Alter des Hauses und die nach seiner ursprünglichen Funktion (Gasthaus oder stattliches bäuerliches Dorfhaus mit Vorder- und Hinterhausbereich). (...)

d/jj) Nach dem Gesagten vermögen die Überlegungen im Gegengutachten und die spätere Stellungnahme des Gegengutachters die Schlussfolgerungen der EKD im Zusammenhang mit dem wissenschaftlichen Wert des «Ochsen» nicht umzustossen. Damit kann das Gericht weiterhin vollumfänglich auf die Erkenntnisse und somit auch auf die Schlussfolgerungen des von ihm bei der EKD in Auftrag gegebenen Gutachtens abstellen. Somit ist erstellt, dass das Gebäude an der Hauptstrasse 2 in Oberägeri von sehr hohem wissenschaftlichem, kulturellem und heimatkundlichem Wert ist. Die Voraussetzungen von § 25 Abs. 1 lit. a DMSG sind kumulativ erfüllt, wobei festzuhalten ist, dass es für eine Unterschutzstellung eines Objektes bereits reichen würde, wenn das Vorliegen von lediglich einer der drei Voraussetzungen hätte bejaht werden können.

d/kk) (...)

3. [Feststellung, dass das öffentliche Interesse am Erhalt des «Ochsen» das entgegenstehende private Interesse überwiegt. Bejahung der Voraussetzung von § 25 Abs. 1 lit. b DMSG.]

4. [Bejahung der Verhältnismässigkeit einer Unterschutzstellung im Sinne von § 25 Abs. 1 lit. c DMSG: Die weitere Nutzung der Liegenschaft wird nicht verunmöglicht. Durch die Unterschutzstellung wird nicht ausgeschlossen, dass im Gebäudeinnern erhebliche Änderungen und Modernisierungen vorgenommen werden können, und es ist nicht zu sehen, dass die Unterschutzstellung für die Beschwerdeführer unzumutbare finanzielle Folgen nach sich zieht.]

5. (...)

6. (...)

7. a) Insgesamt erweist sich der angefochtene Entscheid daher als rechtmässig und es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Regierungsrat mit seinem Beschluss Recht verletzt hätte. Die Voraussetzungen für eine Unterschutzstellung gestützt auf § 25 Abs. 1 lit. a – d DMSG sind erfüllt, denn es ist auch nicht davon auszugehen, dass die dem Gemeinwesen entstehenden Kosten, welche bei Objekten von lokaler und regionaler Bedeutung für die substanzerhaltenden Massnahmen 30 % betragen, für den Kanton Zug und die Gemeinde Oberägeri finanziell nicht tragbar wären. Die Beschwerde muss daher abgewiesen werden.

b) Bei diesem Ausgang des Verfahrens hätten die Beschwerdeführer als unterliegende Partei gestützt auf § 23 Abs. 1 Ziff. 3 VRG an sich die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gestützt auf § 25 VRG können in besonderen Fällen, insbesondere wenn das öffentliche Interesse an der Streitsache es rechtfertigt (lit. c), die Kosten herabgesetzt oder ganz erlassen werden. Unter der Erwägung 3 wurde ausführlich dargelegt, dass an der Unterschutzstellung ein sehr hohes öffentliches Interesse besteht. Aus diesem Grund wird auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet.

c) Die Voraussetzungen für die Zusprechung einer Parteientschädigung sind für keine der Parteien erfüllt. Die Beschwerdeführer beantragen in ihrer Beschwerde vom 20. Juni 2012 ganz generell eine Parteientschädigung, während sie in ihrer Stellungnahme vom 20. Dezember 2013 ausdrücklich Kostenersatz für das von ihnen in Auftrag gegebene Gutachten im Umfang von Fr. Z verlangen, da in diesem Gutachten Grundlagenarbeit geleistet worden sei. Das Gericht anerkennt durchaus, dass C. in seinem Parteigutachten Grundlagenarbeit geleistet hat, doch reicht dies für die Zusprechung eines Kostenersatzes alleine nicht aus. Es kommt in Gerichtsverfahren regelmässig vor, dass Parteien durch die eigenständig von ihnen beauftragten Experten fundamentales Fachwissen (technischer oder rechtlicher Art) in ein Verfahren einbringen, mit der sich in der Folge sowohl die Gegenseite als auch das Gericht eingehend auseinanderzusetzen haben. Doch selbst wenn diejenige Partei, welche ein Parteigutachten eingereicht hat, vor Gericht obsiegt, ist die Kostenerstattung für derartige Gutachten eher die Ausnahme als die Regel (vgl. hierzu Griffel [Hg.]: Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3.A., Zürich 2014, § 17 N 77). Ob vorliegend so ein Ausnahmefall gegeben ist, muss jedoch nicht geklärt werden. Da die Beschwerdeführer vor Gericht vollständig unterliegen, haben sie überhaupt keinen Anspruch auf Kostenersatz, weder für die von ihrem Rechtsvertreter noch für die von ihrem Gutachter verursachten Kosten. Die gesetzliche Regelung in § 28 Abs. 2 VRG ist diesbezüglich eindeutig. Vor Verwaltungsgericht hat, wenn überhaupt, nur eine ganz oder teilweise obsiegende Partei Anspruch auf eine Parteientschädigung zu Lasten der unterliegenden Seite.

d) (...)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 31. März 2014, V 12 90 – eine dagegen gerichtete Beschwerde wies das Bundesgericht am 18. November 2014 ab (1C_267/2014).

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