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Art. 404 ZGB; § 47 EG ZGB; § 8 VESBV; Art. 92 SchKG

Regeste:

Art. 404 ZGB; § 47 EG ZGB; § 8 VESBV; Art. 92 SchKG – Der  Vermögensbegriff im Sinne von Art. 404 ZGB ist weit auszulegen (Erw. 2). Genugtuungszahlungen gelten als Vermögen im Sinne von Art. 404 ZGB und § 8 Abs. 3 VESBV (Erw. 3.2.3).

Aus dem Sachverhalt:

Mit Entscheid vom 3. März 2015 genehmigte die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) den von A erstatteten Bericht und die eingereichte Rechnung für die Betreuung vom 7. Mai 2013 bis 31. Mai 2014 der im Sinne von Art. 393 und Art. 394 Abs. 1 ZGB in Verbindung mit Art. 395 Abs. 1 und 2 ZGB verbeiständeten B. Die KESB hielt sodann fest, dass ihr Vermögen per 31. Mai 2014 Fr. 50'825.65 betragen und im Vergleich zur Vorperiode um Fr. 4'008.30 zugenommen habe und dass die Vermögensveränderung den gesetzlichen Bestimmungen entspreche. Die Entschädigung für die Mandatsführung vom 7. Mai 2013 bis 31. Mai 2014 werde auf Fr. 5'670.– festgesetzt und der Spesenansatz von Fr. 30.80 genehmigt. Die Entschädigung und der Spesenersatz würden vom Kanton Zug entrichtet und B anschliessend in Rechnung gestellt. Die Spruchgebühr betrage Fr. 230.–. Mit Beschwerde vom 17. März 2015 an das Verwaltungsgericht des Kantons Zug beantragte B die Befreiung sowohl von der Entrichtung der Mandatsentschädigung als auch von der Spruchgebühr. (...) Mit Wiedererwägungsentscheid vom 5. Mai 2015 erliess die KESB der Beschwerdeführerin die Spruchgebühr in der Höhe von Fr. 230.– und mit Wiedererwägungsentscheid vom 26. August 2015 reduzierte sie schliesslich die Entschädigung für die Mandatsführung auf Fr. 4'392.–.

Aus den Erwägungen:

(...)

2. Gemäss Art. 404 Abs. 1 ZGB hat der Beistand Anspruch auf eine angemessene Entschädigung und auf Ersatz der notwendigen Spesen aus dem Vermögen der betroffenen Person. Bei einem Berufsbeistand fallen die Entschädigung und der Spesenersatz an den Arbeitgeber. Die Erwachsenenschutzbehörde legt die Höhe der Entschädigung fest. Sie berücksichtigt dabei insbesondere den Umfang und die Komplexität der dem Beistand übertragenen Aufgaben (Art. 404 Abs. 2 ZGB). Die Kantone erlassen Ausführungsbestimmungen und regeln die Entschädigung und den Spesenersatz, wenn diese nicht aus dem Vermögen der betroffenen Person bezahlt werden können (Art. 404 Abs. 3 ZGB). In § 47 Abs. 1 EG ZGB wird Art. 404 Abs. 1 Satz 1 ZGB wiederholt. In den Absätzen 2 und 3 wird weiter bestimmt, dass der Kanton die Kosten zu tragen hat, wenn kein Vermögen vorhanden ist, und dass der Regierungsrat eine Gebührenverordnung über die Entschädigung und den Spesenersatz unter Berücksichtigung des Aufwands für Verwaltung und des Vermögens erlässt. Gestützt darauf hat der Regierungsrat die Verordnung über Entschädigung und Spesenersatz bei Beistandschaften und Vormundschaften vom 18. Dezember 2012 (VESBV, BGS 213.52) erlassen. Die Mandatsentschädigung und der Spesenersatz sind grundsätzlich aus dem Vermögen der betroffenen Person zu leisten. Ist kein Vermögen vorhanden, so gehen Entschädigung und Spesenersatz zu Lasten des Kantons (§ 8 Abs. 2 VESBV). Beträgt das Vermögen bei Erwachsenen weniger als Fr. 20'000.–, so sind Entschädigung und Spesen vorschussweise aus der Staatskasse zu leisten (§ 8 Abs. 3 VESBV).

Die Beistandschaft dient den Interessen der betroffenen Person, sodass diese weiterhin, d.h. auch nach neuem Erwachsenenschutzrecht, primär für die Kosten der staatlich organisierten Dienstleistung aufzukommen hat (Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Erwachsenenschutz, Personen- und Kindesrecht vom 28. Juni 2006, S. 7051). Fassbind ist in diesem Zusammenhang der Ansicht, dass der Anspruch des Beistands auf Entschädigung und Ersatz der notwendigen Spesen dem Verursacherprinzip entsprechend grundsätzlich aus dem Vermögen der betroffenen Person zu entrichten seien, welcher die staatlich organisierte Hilfe auch zu Gute komme (Patrick Fassbind, Erwachsenenschutz, Zürich 2012, S. 267). Der Vermögensbegriff im Sinne von Art. 404 ZGB ist weit auszulegen (Basler Kommentar Erwachsenenschutz, Ruth Reusser, Art. 404 N 29; Fassbind, a.a.O., S. 267). Dazu gehören insbesondere auch Forderungen aus Unterhalts- (Art. 125 und 163 ZGB) und Unterstützungspflicht (Art. 328 f. ZGB) des Ehegatten bzw. eingetragenen Partners und der Verwandten in auf- und absteigender Linie (Botschaft, a.a.O., S. 7051; Heinz Hausheer/Thomas Geiser/Regina Aebi-Müller, Das neue Erwachsenenschutzrecht, Bern 2014, N 2.130). Schliesslich ist auch ein allfälliges Einkommen zum Vermögen, aus dem Spesen und Entschädigung entrichtet werden müssen, zu zählen (Christoph Häfeli, Grundriss zum Erwachsenenschutzrecht, Bern 2013, N 21.38).

3. Anfechtungsgegenstand bildet der zweite Wiedererwägungsentscheid der Beschwerdegegnerin vom 26. August 2015, worin sie unter anderem den vom Beistand A erstatteten Bericht und die eingereichte Rechnung für die Betreuung vom 7. Mai 2013 bis 31. Mai 2014 genehmigt und dem Beistand eine Entschädigung von Fr. 4'392.– zugesprochen hat. Die nachfolgende Mandatsperiode bildet nicht Gegenstand des angefochtenen Entscheids, sodass auf den Antrag des Beistands – Begrenzung der Mandatsentschädigung der nachfolgenden Periode auf maximal Fr. 1'000.– – nicht eingetreten werden kann.

Wie bereits erwähnt sind die Mandatsentschädigung und der Spesenersatz grundsätzlich aus dem Vermögen der betroffenen Person zu leisten. Lediglich wenn kein Vermögen, d.h. weniger als Fr. 20'000.–, vorhanden ist, gehen Entschädigung und Spesenersatz zu Lasten des Kantons (§ 8 Abs. 2 und 3 VESBV). Obwohl die Beschwerdeführerin unbestrittenerweise per 31. Mai 2014 über ein Vermögen von Fr. 50'825.65 verfügt hat, beantragen sie und ihr Beistand die Übernahme der Mandatsentschädigung und des Spesenersatzes durch den Kanton Zug. Demgegenüber ist die Beschwerdegegnerin unter Verweis auf die genannten Bestimmungen der Ansicht, dass die Beschwerdeführerin für die Mandatsentschädigung und den Spesenersatz aufkommen müsse.

(...)

3.2 Die Beschwerdeführerin und ihr Beistand machen sinngemäss geltend, dass das Vermögen in casu im Wesentlichen aus Genugtuungszahlungen bestehe. Es handle sich somit um ein Sondervermögen, das nicht unter den Vermögensbegriff im Sinne von Art. 404 ZGB und § 8 Abs. 3 VESBV zu subsumieren sei. (...)

3.2.1 Vorab weist der Beistand zur Begründung darauf hin, dass Leistungen aus Genugtuung und Integritätsentschädigung gemäss den Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien) nur so weit anzurechnen seien, als die entsprechenden Freigrenzen – für eine Einzelperson: Fr. 25'000.– – überschritten seien (vgl. E.2.1 der Richtlinien).

Dem Beistand ist entgegen zu halten, dass die SKOS-Richtlinien lediglich Empfehlungen der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe zu Handen der Sozialhilfeorgane des Bundes, der Kantone und der Gemeinden und der Organisationen der privaten Sozialhilfe darstellen und erst durch die kantonale und kommunale Rechtsetzung und die Rechtsprechung verbindlich werden (vgl. S. 3 der SKOS-Richtlinien). Mangels fehlender direkter Bindungswirkung der SKOS-Richtlinien im vorliegenden Zusammenhang vermag die Beschwerdeführerin daraus nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Lediglich der Vollständigkeit halber ist hinsichtlich der vom Beistand angesprochenen SKOS-Freigrenze darauf hinzuweisen, dass auch das Erwachsenenschutzrecht eine Freigrenze statuiert hat. So haben – wie bereits mehrfach ausgeführt – lediglich vermögende Betroffene, d.h. diejenigen, die über ein Vermögen ab Fr. 20'000.– verfügen, eine Mandatsentschädigung zu bezahlen (§ 8 Abs. 3 VESBV).

3.2.2 Für den Beistand stellt Art. 92 Abs. 1 Ziff. 9 des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes vom 11. April 1889 (SchKG) ein weiteres Argument für seine Behauptung dar, wonach es sich bei Genugtuungszahlungen um ein in casu nicht zu beachtendes Sondervermögen handle. Dieser Gesetzesbestimmung ist zu entnehmen, dass unter anderem Renten, Kapitalabfindungen und andere Leistungen, die dem Opfer oder seinen Angehörigen für Körperverletzung, Gesundheitsstörung oder Tötung eines Menschen ausgerichtet werden, unpfändbar seien, soweit solche Leistungen Genugtuung, Ersatz für Heilungskosten oder für die Anschaffung von Hilfsmitteln darstellten.

Dem Beistand ist entgegen zu halten, dass das SchKG das Verfahren zur zwangsweisen Durchsetzung von Ansprüchen in der Form von Geldzahlungen oder geldwerten Sicherheitsleistungen mittels staatlicher Gewalt regelt. Hinsichtlich eines allfälligen Bestehen/Nichtbestehens einer Forderung kann aus dem SchKG jedoch nichts abgeleitet werden. Es ist daher nicht ersichtlich und wird vom Beistand auch nicht schlüssig dargelegt, inwiefern aus Art. 92 Abs. 1 Ziff. 9 SchKG geschlossen werden könnte, dass Genugtuungszahlungen nicht als Vermögen im Sinne von § 8 Abs. 3 VESBV zu qualifizieren sind. Aus Art. 92 Abs. 1 Ziff. 9 SchKG vermag die Beschwerdeführerin daher nichts zu ihren Gunsten abzuleiten.

3.2.3 Es bleibt mithin festzuhalten, dass die Genugtuungszahlungen unter den Vermögensbegriff von Art. 404 ZGB und § 8 Abs. 3 VESBV zu subsumieren sind und sich die Beschwerde daher als diesbezüglich unbegründet erweist. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die der Beschwerdeführerin ausbezahlten Genugtuungsleistungen weder zweckgebunden waren noch auf ein Sperrkonto ausgezahlt wurden (vgl. Ziffer 3 der Verfügung der Sicherheitsdirektion vom 18. Dezember 2003). Unter Vorbehalt der mit der Beistandschaft zusammenhängenden Einschränkungen kann sie somit über ihr Vermögen grundsätzlich frei verfügen.

(...)

3.4 Abschliessend bleibt festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin per 31. Mai 2014 über ein Vermögen von Fr. 50'825.65 verfügt hat. Dieses liegt deutlich über der Vermögensfreigrenze von Fr. 20'000.–, sodass sie die Mandatsentschädigung und den notwendigen Spesenersatz in Nachachtung von § 8 Abs. 3 VESBV zu bezahlen hat. Da die Höhe der im zweiten Wiedererwägungsentscheid der Beschwerdegegnerin vom 26. August 2015 festgelegten Mandatsentschädigung von Fr. 4'392.– und des Spesenersatzes von Fr. 30.80 unbestritten ist, erübrigen sich diesbezügliche Weiterungen. Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet und ist daher abzuweisen.

(...)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 26. November 2015, F 2015 16

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