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Art. 1 Abs. 3 aExpaV, Art. 1 Abs. 2 ExpaV
Art. 20 Abs. 1 lit. c DBG, § 19 Abs. 1 lit. c StG
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§ 30 lit. a, § 156 Abs. 2 StG, Art. 33 Abs. 1 lit. a DBG

Regeste:

§ 30 lit. a, § 156 Abs. 2 StG, Art. 33 Abs. 1 lit. a DBG – Bei Verzugszinsen auf Steuer- und Nachsteuerschulden handelt es sich um private Schuldzinsen im Sinne von Art. 33 Abs. 1 lit. a DBG und § 30 lit. a StG. Dies gilt auch für Verzugszinsen auf ausländischen (Nach-)Steuerschulden. Verzugszinsen auf Bussen bzw. Strafsteuern sind hingegen aufgrund des Strafcharakters der Busse bzw. Strafsteuer nicht zum  Abzug zuzulassen.

Aus dem Sachverhalt:

A. a) Mit Verfügungen vom 12. Juni 2013 für die Steuerperiode 2011 veranlagte die Steuerverwaltung des Kantons Zug das Ehepaar XY. kantons- und gemeindesteuerrechtlich mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. 580'058.– (satzbestimmend Fr. 580'000.–; Steuersatz 7.9990 %) und einem steuerbaren Vermögen von Fr. 885'530.– (satzbestimmend Fr. 885'000.–; Steuersatz 0.1450 %) und bundessteuerrechtlich mit einem Gesamteinkommen von Fr. 605'258.– (satzbestimmend Fr. 605'200.–; in der Schweiz steuerbar Fr. 592'000.–; Steuersatz 10.7956 %). Dabei liess die Steuerverwaltung jedoch unter anderem den Abzug der geltend gemachten Schuldzinsen auf ausländischen Steuerforderungen im Betrag von Fr. 133'119.– nicht zu. Die Steuerverwaltung führte zur Begründung im Wesentlichen aus, Verzugszinsen seien ihres Erachtens keine Schuldzinsen im Sinne von § 30 lit. a StG bzw. Art. 33 Abs. 1 lit. a DBG. Es sei davon auszugehen, dass Zinszahlungen auf Steuerschulden als Nebenrechte der Steuerforderung das Schicksal der Hauptforderung teilen würden und daher gemäss § 32 lit. e StG bzw. Art. 34 lit. e DBG von natürlichen Personen nicht in Abzug gebracht werden könnten.

b) Mit Einsprache vom 15. Juli 2013 und mit die Einsprache aktenmässig ergänzenden Eingaben vom 13. März 2014 und vom 21. Mai 2014 liess das Ehepaar XY. beantragen, es seien die Verzugszinsen im Umfang von Fr. 133'119.46 für die Staats- und Gemeindesteuern sowie für die direkten Bundessteuern in der Steuerperiode 2011 als steuerlich abzugsfähige Schuldzinsen zu qualifizieren.

c) Mit Einspracheentscheid vom 27. Juni 2014 wies die Steuerverwaltung des Kantons Zug die Einsprache vom 15. Juli 2013 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, Zinsen auf Nachsteuerforderungen würden gemäss der gefestigten Praxis der Zuger Steuerverwaltung nicht zum Abzug zugelassen.

(...)

Aus den Erwägungen:

(...)

3. a) Gemäss § 30 lit. a StG und Art. 33 Abs. 1 lit. a DBG sind private Schuldzinsen im Umfang der steuerbaren Vermögenserträge aus beweglichem und unbeweglichem Vermögen und weiteren Fr. 50'000.– von den Einkünften abzugsfähig. Bei den genannten Bestimmungen handelt es sich um Normen mit wirtschaftlicher Anknüpfung, die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten auszulegen sind. Der Begriff der Schuldzinsen ist dabei eng auszulegen. Schuldzinsen sind alle Vergütungen, welche die steuerpflichtige Person einer Drittperson für die Gewährung einer Geldsumme oder das ihr zur Verfügung gestellte Kapital zu leisten hat, sofern dieses Entgelt nach der Zeit und als Quote des Kapitals in Prozenten berechnet wird und damit nicht als Kapitalschuld getilgt wird. Das Vorhandensein einer Kapitalschuld, also einer Verpflichtung, die Geld zum Leistungsgegenstand hat, ist Voraussetzung für die Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen. Die Kapitalschuld muss dabei nicht freiwillig entstanden sein. Es genügt, dass die steuerpflichtige Person einer Drittperson einen bestimmten Geldbetrag schuldet. Schuldzinsen sind deshalb alle geldwerten Leistungen für die Kapitalnutzung, soweit sie nicht zur Rückzahlung des Kapitals führen. Unerheblich ist dabei, ob das Entgelt periodisch oder aperiodisch geleistet wird, in einem festen Prozentsatz oder variabel bestimmt ist (vgl. zum Ganzen Richner/Frei/Kaufmann/ Meuter, Handkommentar zum DBG, 2. Auflage, Zürich 2009, Art. 33 N 8 m.w.H.).

b) Verzugszinsen sind Zinsen, die geschuldet sind, wenn der Schuldner eine Geldschuld zu spät bezahlt (Art. 104 i.V.m. Art. 102 des Bundesgesetzes vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Fünfter Teil: Obligationenrecht; OR, SR 220]). Bei einer Steuerveranlagung handelt es sich zwar um eine auf eine Geldleistung gerichtete Verfügung und der Verzugszins auf Steuerschulden stellt auch keine Vergütung für die Gewährung einer Geldsumme dar, allerdings macht das Schweizer Steuerrecht bezüglich der Herkunft von Schuldzinsen keinen Unterschied. Für die Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen ist der Verwendungszweck irrelevant. Verzugszinsen auf Steuerschulden sind somit abzugsfähige private Schulden und daher im steuerrechtlichen Sinne hinsichtlich ihrer Abzugsfähigkeit den Schuldzinsen gleichgestellt. Sie können demzufolge ungeachtet der tatsächlichen Zahlung im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit abgezogen werden (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 26. März 2013, A 2012 25; StE 2003 B 27.2 Nr. 25, Erw. 3a/aa; Richner / Frei / Kaufmann / Meuter, a.a.O., Art. 33 N 13). Abzugsfähig sind ferner auch Verzugszinsen aus Nachsteuerforderungen (Zigerlig / Jud, in: Athanas/Zweifel [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht I/2a, 2. Auflage, Basel 2008, Art. 33 N 9, mit weiteren Verweisen).

c) Gemäss § 156 Abs. 1 StG werden die Fälligkeiten und Zahlungsfristen für periodische Steuern durch die Vollziehungsverordnung geregelt. Allgemeiner Fälligkeitstermin für die Jahressteuern der natürlichen Personen ist nach § 34 der Verordnung zum Steuergesetz vom 30. Januar 2001 (VO StG; BGS 632.11) der 30. November des Bemessungs- und Steuerjahres. Nach Ablauf der Zahlungsfrist wird gemäss § 156 Abs. 2 StG auf den Steuerbetrag, ungeachtet eines allfälligen Einsprache-, Rekurs-, oder Beschwerdeverfahrens, ein Verzugszins geschuldet. Die Gleichstellung der Verzugszinsen mit den Schuldzinsen, auch bezüglich des Abzugs im Zeitpunkt der Fälligkeit, führt dazu, dass in jedem Bemessungsjahr die in diesem Jahr aufgelaufenen Verzugszinsen abgezogen werden können (vgl. StE 2003 B 27.2 Nr. 25, Erw. 4a). Nachsteuern werden gemäss Art. 161 Abs. 3 lit. c DBG mit Zustellung der Veranlagungsverfügung bzw. gemäss § 34 Abs. 3 VO StG mit Rechnungsstellung fällig.

4. a) Strittig und zu prüfen ist zunächst, ob die basierend auf einer ausländischen Nachsteuer angefallenen Verzugszinsen ganz grundsätzlich von den Einkünften abgezogen werden können oder nicht. Die Rekursgegnerin stellt dabei nicht in Abrede, dass Verzugszinsen auf ordentlichen Steuerschulden in demjenigen Bemessungsjahr, in welchem die Zinsen aufgelaufen sind, abzugsfähig sind. Sie macht jedoch geltend, es handle sich vorliegend weder um Verzugszinsen auf ordentlichen Steuerschulden noch um aufgelaufene Verzugszinsen auf rechtskräftig veranlagten Nachsteuern, welche nach deren Veranlagung aufgelaufen sind. Somit seien die Verzugszinsen auf Nachsteuern nicht abzugsfähig. Selbst wenn sie abzugsfähig sein sollten, so könnten die Abzüge aber nicht gewährt werden, weil der Rekurrent mit den von ihm eingereichten Unterlagen weder die Höhe des Kapitals noch die Zeit, für welche die Zinsen berechnet worden seien, noch den angewendeten Prozentsatz nachzuweisen vermöge.

b) Festzuhalten ist zunächst, dass sich im Schweizerischen Steuerrecht die Nachsteuer von der ordentlich geschuldeten Steuer nur in formeller Hinsicht unterscheidet (Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, a.a.O., Art. 151 N 5). Die Nachsteuer ist keine vom ursprünglichen Steueranspruch verschiedene Forderung, sondern die «Mehrsteuer» (BGE 98 Ia 22 Erw. 2), die sich aufgrund des Nachsteuerverfahrens gegenüber der ursprünglichen Veranlagung ergibt. Sie bezweckt die Deckung eines Steuerausfalls einschliesslich Zins ab Zustellung der Veranlagungsverfügung. Die Bestimmungen über die Nachsteuer sind lediglich verfahrensrechtliche Vorschriften und betreffen nicht Bestand und Umfang des Steueranspruchs an sich (Vallender/Looser, in: Zweifel/Athanas [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht I/2b, Art. 151 N 2).

c) Angesichts der vorstehenden Ausführungen ist nicht nachvollziehbar, weswegen es sich bei Verzugszinsen auf Nachsteuerforderungen um «Zinsen sui generis» oder gar um einen Bestandteil der Steuer an sich handeln sollte. Vielmehr ist festzuhalten, dass sich die gewöhnliche Steuer zumindest in materieller Hinsicht nicht von der Nachsteuer unterscheidet. Aus diesem Grunde überzeugt die Argumentation der Rekursgegnerin, wonach Verzugszinsen auf Steuerforderungen grundlegend anderer Natur seien als Verzugszinsen auf Nachsteuerforderungen, nicht. Besteht jedoch kein Unterschied zwischen den Verzugszinsen auf Steuern und Nachsteuern, so dürfen diese auch in steuerrechtlicher Hinsicht nicht unterschiedlich beurteilt werden. Somit ist festzuhalten, dass auch Verzugszinsen auf Nachsteuerforderungen im Sinne von Art. 33 Abs. 1 lit. a DBG und § 30 lit. a StG abzugsfähig sind. Diese Ansicht wird von der herrschenden Lehre (vgl. Erw. 3b in fine) und auch Teilen der Rechtsprechung vertreten (vgl. Urteile des Steuergerichts des Kantons Basel-Landschaft, StGE Nr. 82/2005 und StGE Nr. 47/2002). Wenn die Rekursgegnerin diesbezüglich vorbringt, es gebe in den Kantonen keine einheitliche Praxis und gemäss ihrer eigenen gefestigten Praxis würden Verzugszinsen auf Nachsteuerforderungen nicht zum Abzug zugelassen, so kann sie daraus nichts zu ihren Gunsten ableiten, weil das Verwaltungsgericht gemäss § 58 VRG in seiner Rechtsanwendung unabhängig und nur an das Recht gebunden ist. Aus diesem Grunde ist ebenfalls unerheblich, dass sich sowohl die herrschende Lehre als auch der Rekurrent ausschliesslich auf die Rechtsprechung derselben Instanz (Steuergericht des Kantons Basel-Landschaft) beruft.

d) Als Zwischenergebnis ist nach den vorstehenden Ausführungen festzuhalten, dass es sich auch bei Verzugszinsen auf Nachsteuerforderungen um abzugsfähige Schuldzinsen im Sinne von Art. 33 Abs. 1 lit. a DBG und § 30 lit. a StG handelt. Sind Verzugszinsen auf Schweizerischen Nachsteuerforderungen abziehbar, so muss dies auch für Verzugszinsen auf ausländischen Nachsteuerforderungen gelten. Die vom Rekurrenten geltend gemachten Verzugszinsen auf US-amerikanischen Nachsteuern sind daher zum Abzug von den Einkünften zuzulassen.

5.

(...)

b) Konkret lässt der Rekurrent geltend machen, es seien ihm die in der Steuerperiode 2011 angefallenen Fr. 133'119.46 an Verzugszinsen auf ausländischen Nachsteuern (für Steuerperioden 2003 bis 2008) zum Abzug zuzulassen. Die Rekursgegnerin bringt diesbezüglich zu Recht vor, es sei nicht ersichtlich, ob sich die geltend gemachten Verzugszinsen nur auf die Nachsteuern oder auch auf die Strafsteuern beziehen würden. (...)

c) Es ist daher zusätzlich zu prüfen, ob auch Verzugszinsen auf ausländischen Strafsteuern als private Schuldzinsen im Sinne von Art. 33 Abs. 1 lit. a DBG und § 30 lit. a StG abzugsfähig sind. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Schweizerische Steuerrecht keine Strafsteuern, sondern als finanzielle Sanktionen nur die Busse oder die Geldstrafe kennt. Diese Sanktionen sind deshalb klar von der Nachsteuer abzugrenzen, da mit letzterer lediglich die zu Unrecht nicht veranlagte Steuer nachträglich erhoben wird (Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, a.a.O., Art. 151 N 3). Die ausländische Strafsteuer («Penalty») jedoch ist im Gegensatz zur Nachsteuer als Busse bzw. Geldstrafe zu betrachten, weswegen es sich bei den entsprechenden Verzugszinsen nicht um Verzugszinsen auf einer Steuerforderung, sondern um Verzugszinsen auf einer Busse bzw. Geldstrafe handelt. In den abschliessenden Aufzählungen von Art. 33 Abs. 1 lit. a DBG und § 30 lit. a StG werden weder (Nach-)Steuern noch Bussen noch Geldstrafen erwähnt, sodass sie alle Lebenshaltungskosten darstellen und deswegen nicht von den Einkünften abgezogen werden können. Obwohl die (Nach-)Steuern und die Busse bzw. Geldstrafe in dieser Hinsicht gleichgestellt sind, so gibt es im Übrigen doch wesentliche Unterschiede. Zentral ist dabei vor allem, dass es sich bei Bussen und Geldstrafen – im Gegensatz zur Steuer und zur Nachsteuer – um Sanktionen mit Strafcharakter handelt, welche durch ein persönlich vorwerfbares Verhalten des Steuerpflichtigen verhängt wurden. Es wäre daher stossend, wenn die wirtschaftliche Belastung einer Sanktion in der Folge dadurch reduziert werden würde, dass die Busse bzw. Geldstrafe oder die darauf geschuldeten Verzugszinsen zum steuerlichen Abzug zulassen würde. Vor diesem Hintergrund ist die Abzugsfähigkeit von Verzugszinsen auf Strafsteuern im Sinne von Art. 33 Abs. 1 lit. a DBG und § 30 lit. a StG klar zu verneinen.

(...)

7. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es sich auch bei Verzugszinsen auf Nachsteuern um private Schuldzinsen im Sinne von Art. 33 Abs. 1 lit. a DBG und § 30 lit. a StG handelt. Verzugszinsen auf Bussen bzw. Strafsteuern sind hingegen aufgrund des Strafcharakters der Busse bzw. Strafsteuer nicht zum Abzug zuzulassen. Obwohl die Verzugszinsen grundsätzlich im entsprechenden Bemessungsjahr, in welchem sie aufgelaufen sind, zum Abzug gebracht werden müssten, können im vorliegenden Fall sämtliche Verzugszinsen in der Steuerperiode 2011 zum Abzug gebracht werden, zumal dem Rekurrenten ein Abzug vorher mangels Kenntnis der Verzugszinsen nicht möglich war und sich eine Revision der entsprechenden Steuerveranlagungen 2003 bis 2008 auch als unverhältnismässig kompliziert erweisen würde. Mithin erweist sich der vorliegende Rekurs zumindest zum Teil als begründet, weswegen er teilweise gutzuheissen ist.

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 10. August 2015 A 2014 17

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