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Art. 33 Abs. 1 HMG, Art. 11 Abs. 1 AWV

Regeste:

Art. 33 Abs. 1 HMG, Art. 11 Abs. 1 AWV – Die Strafbehörde hat den Beweis zu erbringen, dass die den an einem Workshop teilnehmenden Ärzten geleistete Entschädigung übermässig ist und daher ein unzulässiger geldwerter Vorteil im Sinne von Art. 33 Abs. 1  HMG darstellt. Weiter hat die Strafbehörde das Vorhandensein von Umständen nachzuweisen, aus denen hervorgeht, dass der geldwerte Vorteil geeignet ist, das Verschreibungsverhalten der begünstigten Fachpersonen zu beeinflussen. Gelingt der Nachweis nicht, hat der Staat die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen und der Beschuldigte ist freizusprechen.

Aus den Erwägungen:

(...)

II. Rechtliche Würdigung

1. Objektiver Tatbestand

1.1 Personen, die Arzneimittel verschreiben oder abgeben, und Organisationen, die solche Personen beschäftigen, dürfen für die Verschreibung oder die Abgabe eines Arzneimittels geldwerte Vorteile weder gewährt noch angeboten noch versprochen werden (Art. 33 Abs. 1 HMG). Der Repräsentationsaufwand im Zusammenhang mit wissenschaftlichen Kongressen muss in einem vertretbaren Rahmen bleiben und in Bezug auf den Hauptzweck der Veranstaltung von untergeordneter Bedeutung sein (Art. 11 Abs. 1 der Verordnung über die Arzneimittelwerbung, AWV).

1.2 A. entschädigte die 15 zum Workshop eingeladenen und erschienenen Rheumatologen mit je CHF 550.– und verpflegte sie im Wert von CHF 57.– pro Person. Dem Anklagesachverhalt ist zu entnehmen, dass der Hauptzweck der Veranstaltung im Sammeln von Erfahrungen bestand, welche die Rheumatologen mit dem Medikament XY[Medikament] in der Praxis machten. Diese gesammelten Informationen und Anregungen der Rheumatologen sollten der B. AG dazu dienen, die Marktposition des Medikaments zu verbessern. Die Rheumatologen beteiligten sich demnach an einem Marktforschungsprojekt der B. AG. In Übereinstimmung mit der Verteidigung von A. (OG GD 3/7 S. 27 Randziffer 89) ist in der Tat fraglich, ob die Heilmittelwerbevorschriften, insbesondere Art. 33 HMG, auf die Markforschungstätigkeit überhaupt Anwendung finden. Aufgrund der nachfolgenden Erwägungen braucht die Frage im vorliegenden Fall jedoch nicht weiter erörtert zu werden.

1.3 Die Verpflegung im Wert von CHF 57.– ist als Repräsentationsaufwand des Veranstalters von wissenschaftlichen Kongressen und Promotionsveranstaltungen im Sinne von Art. 4 lit. f und Art. 11 Abs. 1 AWV zu betrachten. Im Verhältnis zum Hauptzweck der Veranstaltung, der Gewinnung von Erkenntnissen über die Marktposition des Medikaments XY[Medikament], hatte die Verpflegung der Veranstaltungsteilnehmer sowohl in ihrer Funktion als auch in der aufgewendeten Höhe objektiv betrachtet nur untergeordneten Charakter und wurde in einem vertretbaren Rahmen gehalten. Soweit sich der zweistündige Workshop überhaupt als «wissenschaftlicher Kongress» im Sinne der genannten Bestimmung verstehen lässt, wurde Art. 11 Abs. 1 AWV somit nicht verletzt.

1.4 Nicht unter «Repräsentationsaufwand» subsumieren lässt sich hingegen die Entschädigung von CHF 550.– pro Teilnehmer, da sie nicht zur Gestaltung des Workshops aufgewendet, sondern den Rheumatologen für ihre Teilnahme direkt vergütet wurde. Dass diese Vergütungen Geldwert aufweisen, ist offensichtlich. Mithin ist im weiteren zu prüfen, ob sie für die Ärzte unzulässige Vorteile im Sinne von Art. 33 Abs. 1 HMG darstellten.

1.5. In der Botschaft des Bundesrates zum Heilmittelgesetz ist zu den geldwerten Vorteilen Folgendes festgehalten (Botschaft zu einem Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte [Heilmittelgesetz, HMG] vom 1. März 1999, S. 3519):

«Artikel 33 verbietet die Beeinflussung von Fachpersonen (Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker, Drogistinnen und Drogisten), welche Arzneimittel anwenden oder abgeben, durch geldwerte Vorteile, wie zum Beispiel Superboni, Reisen, Einladungen, Geschenke, Gratismuster usw.»

Daraus erhellt, dass sich die «Vorteile» im Sinn des Gesetzes auf Leistungen an Fachpersonen beschränken, die ohne Gegenleistung und einzig zu ihrer persönlichen Bereicherung erbracht werden (ähnlich die Formulierung der swissmedic, OG GD 1/2, S. 13 Ziff. 3.1.1), bzw. die in einem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung stehen (Saxer, in: Eichenberger/Jaisli/Richli, Heilmittelgesetz, Basler Kommentar, Basel 2006, N 20 zu Art. 33).

1.6 Die im vorliegenden Fall geladenen Ärzte sind Rheumatologen, welche Erfahrungen mit der Verschreibung und der Abgabe des Medikaments XY[Medikament] haben. Gemäss Anklagesachverhalt war es ihre Aufgabe, sich im Rahmen des Workshops am Erfahrungsaustausch und an einer gemeinsamen Lösungsfindung unter anderem zur Frage zu beteiligen, welche Konsequenzen die Verwendung von XY[Medikament] habe. Hierzu hatten sie verschiedene Fragen zu ihrer eigenen Erfahrung mit XY[Medikament] zu beantworten sowie dessen Anwendungsmöglichkeiten und die bestgeeigneten Massnahmen zu nennen, mit denen XY[Medikament] noch besser bekannt gemacht werden kann. Das Ergebnis dieses Workshops hatte A. zu Handen der B. AG zu sammeln und auszuwerten. Mit ihrer Beteiligung am Workshop erbrachten die Rheumatologen somit eine aktive Gegenleistung zur angebotenen Entschädigung. Es bleibt somit zu prüfen, ob sie für ihre Gegenleistung unangemessen hoch entschädigt wurden.

1.7 Vorab ist der Umfang der Entschädigung zu bestimmen. Die swissmedic macht sinngemäss geltend, dass die Powerpoint-Präsentation einen Weiterbildungswert beinhalte, der bei der Angemessenheitsprüfung zu berücksichtigen sei. Gemäss Anklagesachverhalt wurden den Teilnehmern tatsächlich zuerst wissenschaftliche Informationen zu diesem Medikament vermittelt. Da die Teilnehmer jedoch Rheumatologen waren, die bereits jahrelange Erfahrungen mit dem Medikament XY[Medikament] hatten, ist davon auszugehen, dass der Weiterbildungswert der einleitenden Präsentation äusserst gering war. Sie diente daher hauptsächlich als «Aufhänger» für das Gesprächsthema und war für die Rheumatologen eine zusammenfassende Repetition ihres Fachwissens. Etwas anderes geht aus dem Anklagesachverhalt nicht hervor (vgl. Schlussprotokoll, act. 207 f. Ziff. 2.2.2.). Die Veranstaltung brachte den Rheumatologen keinen nennenswerten Mehrwert im Bereich ihres Fachwissens. Zu prüfen ist daher einzig, ob die finanzielle Entschädigung von CHF 550.– zur Gegenleistung der Rheumatologen in der aufgewendeten Zeit von 2.5 Stunden in einem Missverhältnis steht, sodass die Rheumatologen durch die Entschädigung persönlich bereichert wurden.

1.7.1 Jede Person gilt bis zu ihrer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig (Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 10 Abs. 1 StPO). Als Beweislastregel folgt aus der Unschuldsvermutung, dass es nicht Sache der beschuldigten Person ist, ihre Unschuld zu beweisen, sondern dass die Strafbehörden verpflichtet sind, den Nachweis der Schuld zu führen. Gelingt der Nachweis der Schuld nicht, hat der Staat die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen und der Beschuldigte ist freizusprechen (Wohlers, a.a.O., N 6 und 9 zu Art. 10, mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall trägt daher die swissmedic die Beweislast dafür, dass die Rheumatologen durch eine übermässige Entschädigung im Verhältnis zur erbrachten Gegenleistung persönlich bereichert wurden.

1.7.2 Die swissmedic führt die von Prof. J. geäusserte Meinung als Beweis für eine übermässig hohe Entschädigung der Rheumatologen an und beanstandet, dass sich die Vorinstanz mit dieser Meinung nicht auseinandergesetzt habe (OG GD 1/2 S. 12). Diese Rüge ist unbegründet; denn Prof. J. äusserte sich nicht konkret zur Frage, ob die Entschädigung der Rheumatologen im vorliegenden Fall übermässig hoch gewesen sei. Er erklärte einzig, dass die Gefahr bestehe, dass Ärzte zu Marketinginstrumenten der Pharma-Industrie würden, falls sie für ihre Meinungsäusserungen übermässig entschädigt würden («s'ils sont grassement rémunérés», SE GD 6/2/3 S. 4 und OG GD 1/2 S. 32). Die Vorinstanz konnte daher zu Recht davon absehen, die Meinungsäusserung von Prof. J. in die Erwägungen einzubeziehen.

1.7.3 Weiter begründet die swissmedic die Übermässigkeit der Entschädigung mit dem TARMED-Tarif von CHF 200.– pro Stunde (Schlussprotokoll, act. 207 Ziff. 2.2.1. lit. b und act. 211 Ziff. 2.2.5.; Strafbescheid, act. 313 Ziff. 3). Die Vorinstanz würdigte den TARMED als Beweismittel umfassend (OG GD 1/1/1 S. 15 ff. E. 7.4.3.1 - 7.4.3.3) und stellte fest, dass der TARMED-Tarif nicht zum fraglichen Beweis tauge, da die Angemessenheit des Stundenansatzes am infrage stehenden Workshop weder aus einem Tarif «abgelesen» noch aufgrund effektiver Kostenstrukturen oder Lohnvergleichen der Teilnehmenden errechnet werden könne (OG GD 1/1/1 S. 17 E. 7.4.4). Diese Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden bzw. jedenfalls nicht willkürlich, sodass auf sie verwiesen werden kann (Art. 82 Abs. 4 StPO).

1.7.4 Soweit die swissmedic das AHV-pflichtige Medianeinkommen der Ärzte als Vergleichswert heranzieht (OG GD 1/2 S. 17), ist dieses nicht tauglich, um die Übermässigkeit der Entschädigung im vorliegenden Fall zu belegen. Die Rheumatologen beteiligten sich hier nämlich an einem Marktforschungsprojekt und bewegten sich deshalb ausserhalb der klassischen Arzttätigkeit, welche vom AHV-pflichtigen Medianeinkommen erfasst wird.

1.8 Die swissmedic rügt sodann, die Vorinstanz habe das Vorteilsverbot von Art. 33 HMG rechtsfehlerhaft ausgelegt. Zum einen sei rechtsfehlerhaft, dass sie zum Schluss gelangt sei, ein Entschädigungsansatz von CHF 225.– bis CHF 275.– pro Stunde ausserhalb der üblichen Praxisöffnungszeiten sei für Rheumatologen gerechtfertigt. Zum andern bestehe eine rechtsfehlerhafte Auslegung auch darin, dass die Vorinstanz die Höhe der gewährten Entschädigung von insgesamt CHF 550.– zuzüglich Bewirtung als dem tatsächlich geleisteten Aufwand der Teilnehmer entsprechend beurteilt habe (OG GD 1/2 S. 14).

1.8.1 Die swissmedic scheint zu verkennen, dass es nicht die Aufgabe des Beschuldigten ist, die Angemessenheit der Entschädigung nachzuweisen bzw. festzustellen. Vielmehr hat die swissmedic als Anklägerin den Beweis zu erbringen, dass die geleistete Entschädigung übermässig ist und daher ein unzulässiger geldwerter Vorteil im Sinne von Art. 33 Abs. 1 HMG darstellt. Fehlt es an einem solchen Nachweis, ist der Beschuldigte freizusprechen.

1.8.2 Die swissmedic kritisiert, dass sich das angefochtene Urteil lediglich soweit zum erbrachten Aufwand der Teilnehmer äussere, als es zu den zwei Stunden Dauer noch eine halbe Stunde Wegzeit hinzuschlage. Hingegen würden so gut wie keine Ausführungen zu den von den Teil-nehmern während des Workshops selbst erbrachten Leistungen, insbesondere zur Intensität der verlangten Mitwirkung, vorliegen. Entsprechende Ausführungen im Schlussprotokoll und Strafbescheid sowie des Vertreters der Swissmedic in der Hauptverhandlung vom 8. Oktober 2013 seien unberücksichtigt geblieben (OG GD 1/2 S. 23).

Dem ist Folgendes entgegenzuhalten: Gemäss Anklagesachverhalt wurden den Teilnehmern zuerst wissenschaftliche Informationen vermittelt, wobei die Präsentation durch Diskussionen und Erfahrungsaustausch unterbrochen wurde. Danach hatten die Teilnehmer verschiedene Fragen zu ihrer eigenen Erfahrung mit XY[Medikament] zu beantworten (grösstenteils in Form von «multiple choice»-Fragen) sowie dessen Anwendungsmöglichkeiten und die bestgeeigneten Massnahmen zu nennen, mit denen XY[Medikament] noch besser bekannt gemacht werden könne («Moderations»-Teil). Nach den vorliegenden Unterlagen war vorgesehen, dass diese Fragen unter den Teilnehmern auch diskutiert werden konnten. Die Antworten der Teilnehmer wurden von A. schriftlich festgehalten und von ihm anschliessend ausgewertet. Weitere Angaben zur Intensität und dem Nutzen der aktiven Beteiligung der Rheumatologen macht der Anklagesachverhalt nicht. Es ist aus ihm daher einzig zugunsten des Beschuldigten abzuleiten, dass ein Erfahrungsaustausch mit Diskussion über das besagte Medikament von wissenschaftlicher Qualität stattfand. Aus dem blossen Umstand, dass die Rheumatologen keine Vor- oder Nachbereitung zu leisten und damit zusätzlich Zeit zur Verfügung zu stellen hatten, ergibt sich kein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Es hätte an der swissmedic gelegen, den Nachweis zu erbringen, dass die Beiträge der Rheumatologen für die B. AG nur einen geringen Wert aufwiesen. Hierzu hätte es wohl einer umfassenden Darlegung des Marktforschungskonzepts der B. AG bedurft.

1.8.3 Die swissmedic hielt gestützt auf diesen Sachverhalt fest, dass die aktive Teilnahme der Rheumatologen als Gegenleistung akzeptiert werden könne und ohne Verstoss gegen Art. 33 HMG angemessen entschädigt werden dürfe (Schlussprotokoll, act. 207 E. 2.1.2). Jedoch sei die Höhe der geleisteten Entschädigung im Hinblick auf die Grenze von CHF 200.– gemäss TARMED-Tarif nicht angemessen (Schlussprotokoll, act. 211 E. 2.2.5).

In der Anklage macht die swissmedic somit nicht geltend, die Intensität der verlangten Mitwirkung sei einer finanziellen Entschädigung nicht würdig gewesen. Der Vorwurf der swissmedic beschränkt sich darauf, die Höhe der Entschädigung im Hinblick auf die Grenze von CHF 200.– gemäss TARMED-Tarif als nicht angemessen zu bezeichnen. Andere Umstände für eine angebliche Unangemessenheit wie die Intensität des Aufwandes der Rheumatologen oder des Nutzens der Informationen für die B. AG werden in der Anklage nicht geltend gemacht. Da die Anklage das Prozessthema beschränkt, ist die Intensität der verlangten Mitwirkung nicht als Kriterium für die Angemessenheit der Entschädigung heranzuziehen, sondern einzig auf die von den Rheumatologen aufgewendete Zeit von 2.5 Stunden abzustellen. Ein Stundenlohn von CHF 220.– (CHF 550.– dividiert durch 2.5 Stunden) für einen Rheumatologen erscheint im Vergleich z.B. mit einem üblichen Anwaltshonorar objektiv nicht als übermässig hoch und weicht nur unwesentlich vom Honoraransatz von CHF 200.– ab, den die swissmedic als zulässig erachtet.

Damit aber bleibt die behauptete Unangemessenheit der Entschädigung bzw. ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung unbewiesen. Demzufolge fehlt es bereits am objektiven Tatbestandselement des geldwerten Vorteils, weshalb der Beschuldigte freizusprechen ist.

1.9 Darüber hinaus ist auch das objektive Tatbestandsmerkmal der Äquivalenz, wonach die Gewährung der geldwerten Vorteile «für die Verschreibung oder die Abgabe eines Arzneimittels» erfolgt sein muss, nicht erfüllt:

1.9.1 Art. 33 HMG soll dazu beitragen, dass die Verschreibung und Abgabe von Medikamenten ausschliesslich aufgrund medizinischer Erwägungen erfolgt und nicht aufgrund finanzieller Anreize. Dieses Verbot verfolgt somit einen gesundheitspolizeilichen Zweck. Der Endverbraucher bzw. Patient soll die am besten geeigneten Behandlungen und Arzneimittel erhalten. Diese sollen namentlich nicht über das nötige Mass hinaus verschrieben oder abgegeben werden. Auch sollen nicht bestimmte Medikamente, welche für die Behandlung der gestellten Diagnose möglicherweise weniger effizient sind als andere Produkte, mit Blick auf allfällige geldwerte Vorteile eingesetzt werden (Urteil des Bundesgerichts Nr. 2C_92/2011 vom 12. April 2012, E. 3.9.1, m.w.H.). Das strafbare Verhalten muss deshalb die Gewährung eines Vorteils beinhalten, die objektiv geeignet ist, das Verschreibungs- oder Abgabeverhalten und damit die Absatzförderung zu beeinflussen (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Nr. C-1663/2007 vom 28. Juni 2011, E. 4.1.1).

1.9.2 Es stellt sich somit die Frage, ob die für die Teilnahme am Workshop «Concept Board Excellence Rhumatologie XY[Medikament]» vom 30. März 2011 geleistete Entschädigung als finanzieller Anreiz geeignet ist, das Verschreibungs- und Abgabeverhalten der 15 teilnehmenden Rheumatologen zu beeinflussen. Dieses Kriterium hat entgegen der Auffassung der swissmedic nicht die Vorinstanz unzulässigerweise eingeführt (OG GD 1/2 S. 37), sondern ergibt sich selbstredend aus dem Normzweck und dem Gesetzeswortlaut und wurde vom Bundesverwaltungsgericht etabliert (vgl. vorangehende Erwägung 1.9.1; Saxer, a.a.O., N 36 zu Art. 33). Zudem vertritt die swissmedic in ihrer Eigenpublikation im Swissmedic Journal 1/2006, S. 20 - 45 (OG GD 1/2/3 S. 30 a.E.) diese Meinung auch selbst.

1.9.3 Die Teilnehmer des Workshops wurden mit CHF 550.– entschädigt. Aus dem angeklagten Sachverhalt geht hervor, dass sie dafür während zwei Stunden eine umfassende Gegenleistung erbrachten, indem sie ihre persönlichen Erfahrungen als Rheumatologen mit dem Medikament XY[Medikament] preisgaben und sogar noch Ratschläge für die Vermarktung erteilten. Sie übten am Abend des 30. März 2011 somit eine Tätigkeit als fachlich geschulte Berater der B. AG aus. Diese Tätigkeit ist zivilrechtlich als einfacher Auftrag im Sinne von Art. 394 Abs. 1 und 2 OR zu qualifizieren; A. war Auftraggeber, und die eingeladenen Rheumatologen waren die Beauftragten. Für solche Aufträge ist üblicherweise eine Vergütung zu leisten (Art. 394 Abs. 3 OR). Eine solche Beratertätigkeit ist gemeinhin nicht geeignet, den Berater in seiner Verwendung des Produkts des Beratenen zu beeinflussen. Der Berater hat sich nämlich bereits vor der Aufnahme der Beratertätigkeit eine gefestigte Meinung zur Qualität des Produkts und der Möglichkeiten seiner Anwendbarkeit gebildet, da er sonst in diesem Bereich keine sinnvolle Beratung anbieten könnte und auch nicht zu einer derartigen Veranstaltung eingeladen würde. Dass diese Veranstaltung geeignet war, die Rheumatologen in der Verschreibung oder in der Abgabe von Medikamenten zu beeinflussen, ist daher aus dem Anklagesachverhalt nicht erkennbar.

1.9.4 Auch hier ist es nicht an A. gelegen, seine Unschuld zu beweisen. Vielmehr wäre es die Auf-gabe der swissmedic gewesen, das Vorhandensein von Umständen nachzuweisen, aus denen hervorgeht, dass der angebliche geldwerte Vorteil geeignet ist, das Verschreibungsverhalten der Rheumatologen zu beeinflussen. Aufgrund des Anklageprinzips müssten diese Umstände im angeklagten Sachverhalt enthalten sein. Da sie aber fehlen und ohnehin nicht nachgewiesen sind, wäre der Beschuldigte auch vor diesem Hintergrund freizusprechen.

2. Subjektiver Tatbestand

Da das Verhalten von A. objektiv keine Zuwendung von geldwerten Vorteilen darstellt, welche die Rheumatologen in ihrem Abgabeverhalten zu beeinflussen vermöchten, kann ihm auch kein Vorsatz unterstellt werden, zumal ein eigenes wirtschaftliches Interesse an einer Zunahme der Dispensation des Medikaments XY[Medikament] ohnehin fraglich erscheint. Soweit die swissmedic eventualiter ein fahrlässiges Verhalten von A. geltend macht (OG GD 1/2 S. 38 f.), würde es bereits an einer ausreichenden Anklage fehlen. Fahrlässiges Verhalten von A. wurde nämlich nicht angeklagt (vgl. Schlussprotokoll vom 25. August 2011, act. 213, und Strafbescheid vom 17. Dezember 2012, act. 321).

(...)

Obergericht, Strafabteilung, 6. November 2014

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