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Adressauskunft der Einwohnerkontrolle an ein deutsches Gericht

Regeste:

§ 8 DSG und Artikel 52 Abs. 1, 3, und 5 des Schengener Durchführungsübereinkommens vom 19. Juni 1990 – Einwohnerkontrollen des Kantons Zug dürfen deutschen Gerichten, denen die  Adresse der Empfängerin oder des Empfängers für die Zustellung einer Vorladung in einer Strafsache nicht bekannt ist, keine Adressauskünfte erteilen. Zuständig für die Übermittlung einer  Vorladung bei unbekannter Anschrift ist das Bundesamt für Justiz.

Aus dem Sachverhalt:

Eine Richterin eines deutschen Landgerichts sandte der Einwohnerkontrolle einer Zuger Gemeinde per E-Mail eine Anfrage um Adressbekanntgabe. Die Einwohnerkontrolle lehnte die Adressbekanntgabe ab. Daraufhin gelangte das Gericht wiederum per E-Mail an die Einwohnerkontrolle und brachte vor, die betroffene Person solle als Zeugin in einem bestimmten Strafverfahren vorgeladen werden, die Schweizer Wohnsitzanschrift der Person sei dem Gericht jedoch nicht bekannt, deshalb sei es auf die Bekanntgabe der Adresse angewiesen. Ein Zwang, der Vorladung Folge zu leisten, bestehe für die betroffene Zeugin nicht. Die Leiterin der Einwohnerkontrolle wandte sich daraufhin mit der Frage an die Datenschutzstelle, ob sie die Adresse bekanntgeben dürfe.

Aus den Erwägungen:

Die Bekanntgabe von Personendaten durch die Einwohnerkontrolle ist in § 8 des Datenschutzgesetzes (DSG; BGS 157.1) geregelt. Gemäss § 8 Abs. 1 DSG erteilt die Einwohnerkontrolle Organen unter den Voraussetzungen gemäss § 5 DSG Einzel- oder Sammelauskünfte betreffend Name, Vorname, Geschlecht, Geburtsdatum, Zivilstand, aktuelle Adresse, Ort und Datum des Zu- und Wegzugs, Heimatort, Staatsangehörigkeit und Todestag. Gesuch und Auskunft können schriftlich oder mündlich erfolgen. Gemäss § 8 Abs. 2 Bst. a DSG erteilt die Einwohnerkontrolle Dritten Einzelauskünfte betreffend Name, Vorname, Geschlecht, aktuelle Adresse (bei Wegzug mit Wegzugsdatum und Wegzugsort) und Todestag «voraussetzungslos». Gesuch und Auskunft können ebenfalls schriftlich oder mündlich erfolgen.

Das DSG definiert in § 2 Abs. 1 Bst. i «Organe» als «Behörden und Dienststellen, die für den Kanton oder die Gemeinden handeln, und natürliche oder juristische Personen oder Personengesellschaften des Handelsrechts, soweit ihnen öffentliche Aufgaben übertragen sind.» Als «Dritte» definiert das DSG in § 2 Abs. 1 Bst. k «[...] all diejenigen, die weder betroffene Personen noch Organe sind.»

Ausländische Gerichte gelten nicht als «Organe» im Sinn des DSG. Zuger Einwohnerkontrollen dürfen somit ausländischen Gerichten keine Adressauskünfte gestützt auf § 8 Abs. 1 DSG erteilen. Es stellte sich damit die Frage, ob ausländische Gerichte allenfalls als «Dritte» im Sinn von § 8 Abs. 2 Bst. a i.V.m. § 2 Abs. 1 Bst. k DSG zu verstehen sind, und ihnen somit gestützt auf diese Bestimmung eine Adresse bekanntgegeben werden darf.

Dagegen spricht Folgendes: Hängige Verfahren der Zivil- und der Strafrechtspflege (inklusive Verfahren der internationalen Rechtshilfe) sowie der Verwaltungsrechtspflege mit Ausnahme der erstinstanzlichen nicht strittigen Verwaltungsverfahren sind gemäss § 3 Abs. 2 Bst. a DSG vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen. Der Grund für diese Ausnahmen vom Geltungsbereich liegt darin, dass davon ausgegangen wird, dass die Prozessordnungen den Schutz der Persönlichkeitsrechte spezifisch für die in den gerichtlichen Verfahren zwischen den Verfahrensbeteiligten bestehenden Konstellationen regeln. Die Zustellung von Schriftstücken in Strafverfahren ist ein formeller Akt der Gerichtsbarkeit und damit eine Amtshandlung. Die direkte Postzustellung aus dem Ausland kommt der Vornahme von Amtshandlungen auf schweizerischem Gebiet gleich und ist nur gestattet, soweit sie in Staatsverträgen vorgesehen ist, wenn der Empfangsstaat diese Zustellungsart verlangt oder sie (einseitig) zulässt oder soweit der Bundesrat sie für zulässig erklärt (siehe Wegleitung des Bundesamts für Justiz zur internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, 9. Auflage 2009, S. 81).

Das von der Schweiz ratifizierte Schengener Durchführungsübereinkommen vom 19. Juni 1990 (SDÜ; Amtsblatt der EU Nr. L 239 vom 22/09/2000 S. 0019 - 0062) hält in Artikel 52 Abs. 1 fest, dass jede Vertragspartei Personen, die sich im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten, gerichtliche Urkunden unmittelbar durch die Post übersenden kann. Dazu gehören gemäss den Mitteilungen und Erklärungen der Schweiz zu Art. 52 Abs. 1 SDÜ u. a. Vorladungen. Allein aus der Ermächtigung, Vorladungen in Strafsachen direkt per Post zustellen zu dürfen, kann ein ausländisches Strafgericht jedoch nicht auch die Berechtigung zum Einholen von Adressauskünften bei schweizerischen Einwohnerkontrollen ableiten. Wie das ausländische Gericht vorzugehen hat, wenn die Anschrift des Empfängers unbekannt ist, zeigt vielmehr Art. 52 Abs. 5 SDÜ auf: In einem solchen Fall kann die Zustellung von gerichtlichen Urkunden «durch Übermittlung der Justizbehörde der ersuchten Vertragspartei vorgenommen werden». Die zuständige Justizbehörde der Schweiz ist das Bundesamt für Justiz (Direktionsbereich Internationale Rechtshilfe). Das deutsche Landgericht müsste also dem BJ ein entsprechendes Zustellungsgesuch zukommen lassen. Die Einwohnerkontrolle darf die Adresse somit nicht bekanntgeben.

Die Einwohnerkontrolle liess dem deutschen Landgericht eine entsprechende E-Mail zukommen; eine Reaktion oder Rückmeldung darauf erhielt sie nicht.

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