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Art. 1 IPRG, Art. II Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958
Art. 29 Abs. 2 BV
Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK

Art. 74 ZPO, Art. 731b OR

Regeste:

Art. 74 ZPO, Art. 731b OR – Die  Nebenintervention kommt grundsätzlich auch erst zur Ergreifung eines Rechtsmittels in Betracht. Der Gesuchsteller hat die materiellen Voraussetzungen für die Zulassung einer Nebenintervention glaubhaft zu machen.

Aus den Erwägungen:

1. Der Berufungskläger hat am erstinstanzlichen Verfahren nicht teilgenommen. Mit Eingabe vom 6. April 2016 beantragte er beim Kantonsgericht zwar die Einsetzung eines Sachwalters. Da in diesem Zeitpunkt der angefochtene Entscheid bereits gefällt war, wurde die Eingabe des Berufungsklägers aber nicht mehr entgegengenommen. Mit Eingabe vom 18. April 2016 wandte er sich fristgerecht an das Obergericht und legte Berufung ein.

2. Zur Begründung der Aktivlegitimation bzw. der Zulässigkeit der Nebenintervention trägt der Berufungskläger im Wesentlichen vor, durch die Ausübung eines vorgemerkten Kaufrechts habe ihm die Gesuchsgegnerin im Januar 2013 ein Grundstück in Vico Morcote abgekauft. Am 17. November 2015 sei gegen die wirtschaftlich berechtigte Person der Gesuchsgegnerin, L., ein Verfahren wegen Veruntreuung und Geldwäscherei eröffnet worden. Aufgrund der Eröffnung dieses Strafverfahrens hinterfrage er die Rechtmässigkeit des Kaufvertrages und prüfe derzeit die Möglichkeit einer Anfechtung. Da er zudem im Rahmen des Grundstückverkaufs gegenüber der finanzierenden Bank eine Bürgschaft zugunsten der Gesuchsgegnerin eingegangen sei, habe er ein berechtigtes Interesse an der Rückabwicklung des Kaufvertrages. Denn die Auflösung der Gesuchsgegnerin würde zur sofortigen Geltendmachung der Bürgschaft durch die Gläubigerbank führen.

2.1 Gemäss Art. 74 ZPO kann im Prozess jederzeit als Nebenpartei intervenieren und zu diesem Zweck beim Gericht ein Interventionsgesuch stellen, wer ein rechtliches Interesse glaubhaft macht, dass eine rechtshängige Streitigkeit zugunsten der einen Partei entschieden werde. Da die Intervention grundsätzlich auch erst zur Ergreifung eines Rechtsmittels denkbar ist, kann die Berufung inhaltlich gleichzeitig als Interventionsgesuch i.S. von Art. 75 ZPO entgegen genommen werden (vgl. Beschluss des Kassationsgerichts Zürich vom 2. März 2009, AA080067; Reetz, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur ZPO, 3. A. 2016, Vorbem. Art. 308-318 ZPO N 35).

Das Interventionsgesuch hat gemäss Art. 75 Abs. 1 ZPO den Grund der Intervention zu enthalten. Der Gesuchsteller hat also die materiellen Voraussetzungen für die Zulassung einer Nebenintervention glaubhaft zu machen (Graber/Frei, Basler Kommentar zur ZPO, 2. A. 2013, Art. 74 ZPO N 2, Art. 75 ZPO N 1). Wie bereits erwähnt, wird ein rechtliches Interesse verlangt, dass die Rechtsstreitigkeit zugunsten einer Partei ausgeht. Folglich müssen Rechte oder Pflichten des Intervenienten vom Ausgang des Erstprozesses abhängen (Zuber/Gross, Berner Kommentar zur ZPO, 2012, Art. 74 ZPO N 21). Rein tatsächliche, wirtschaftliche Interessen genügen nicht. Ein rechtliches Interesse ist gegeben, wenn das Urteil aus dem Hauptprozess auf die materielle Rechtslage zwischen Hauptpartei und Nebenintervenient einwirkt. Dabei ist nicht erforderlich, dass diese Wirkung unmittelbar eintritt, es genügt dafür eine Reflexwirkung des Urteils. Die Wirkung kann in einer Beeinträchtigung, einer Gefährdung oder einer Verschlechterung der Rechtslage des Nebenintervenienten liegen (Staehelin/Schweizer, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur ZPO, 3. A. 2016, Art. 74 ZPO N 33 f.). Das vorausgesetzte rechtliche Interesse besteht m.a.W. namentlich dann, wenn eigene Rechte und Verbindlichkeiten des Nebenintervenienten vom Bestand oder Nichtbestand der Rechte oder Rechtsverhältnisse abhängen, die Gegenstand des Prozesses zwischen den Hauptparteien bilden. Die Nebenintervention ist somit zuzulassen, wenn die intervenierende Partei befürchten muss, eine der Hauptparteien werde im Falle ihres Unterliegens gegen sie Ansprüche auf Gewährleistung oder Schadloshaltung erheben oder sie werde Rechte gegenüber einer der Hauptparteien einbüssen, wenn diese im Prozess unterliegt, aber auch wenn das Urteil nur faktisch gegenüber dem Intervenienten präjudiziell wirkt, so dass die Annahme begründet ist, je nach dem Ausgang des Prozesses werde es zu einem Prozess zwischen einer Hauptpartei und dem Dritten kommen (Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. A. 1979, S. 306; Göksu, in: Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], Schweizerische Zivilprozessordnung, Kommentar, 2. A. 2016, Art. 74 ZPO N 11; Graber/Frei, Basler Kommentar, 2. A. 2013, Art. 74 ZPO N 4).

2.2 Der Berufungskläger erwägt die Anfechtung eines Grundstückkaufvertrages zwischen ihm und der Gesuchsgegnerin. Die Rückabwicklung dieses Kaufvertrages hält er nur für möglich, wenn die Gesuchsgegnerin über eine Geschäftsführung verfüge. Bei einer Liquidation der Gesuchsgegnerin sieht der Berufungskläger zudem seine Eigentümerrechte verletzt. Er werde anstelle der Gläubigerbank in die Rolle des Pfandgläubigers versetzt, da die Bank die vereinbarte Bürgschaft geltend machen würde. Dem kann indes nicht gefolgt werden. Die Liquidation der Gesuchsgegnerin wird nach den Vorschriften über den Konkurs durchgeführt (Vi act. 7 E. 1; Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR). Das betreffende Grundstück wird – zusammen mit dem weiteren Vermögen der Gesuchsgegnerin – die Konkursmasse bilden (Art. 197 SchKG). Der Berufungskläger kann aber gegenüber der Konkursverwaltung geltend machen, dass die Liegenschaft etwa aufgrund eines ungültigen Kaufvertrages nicht zur Konkursmasse gehöre (Art. 242 Abs. 1 SchKG). Sollte die Konkursverwaltung den Anspruch des Berufungsklägers als unbegründet erachten, so kann er den Richter anrufen (Art. 242 Abs. 2 SchKG). Demnach bedarf es entgegen der Auffassung des Berufungsklägers zur allfälligen Rückabwicklung des Kaufgeschäfts nicht der Einsetzung eines Sachwalters. Die Möglichkeit, den Kaufvertrag anzufechten und die Liegenschaft zurückzufordern, wird durch eine Liquidation der Gesuchsgegnerin nach den Bestimmungen des Konkursrechts nicht beeinträchtigt. Etwas anderes hat der Berufungskläger nicht substanziiert und nachvollziehbar dargetan. Soweit er sodann geltend macht, die Auflösung der Gesellschaft würde zur sofortigen Geltendmachung der Bürgschaft durch die Gläubigerbank führen und ihn folglich in die Rolle des Grundpfandgläubigers anstelle der Bank versetzen, ist das nicht nachvollziehbar. Bei der Solidarbürgschaft kann der Bürge vor der Verwertung des Grundpfandes nach Art. 496 Abs. 1 OR nur belangt werden, sofern die Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners offenkundig ist. Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein, ist doch die Auflösung der Gesuchsgegnerin und die Anordnung ihrer konkursamtliche Liquidation einzig wegen eines Organisationsmangels erfolgt und nicht wie im Konkursfall wegen Zahlungsunfähigkeit. Der Berufungskläger macht denn auch nicht geltend, dass die Gesuchsgegnerin zahlungsunfähig sei. Mithin ist nicht ersichtlich, inwiefern die Rechte und Pflichten des Berufungsklägers vom Ausgang des vor-liegenden Verfahrens abhängig sein sollen.

Von der Gläubigerbank würde er zudem ohnehin nur dann als Bürge in Anspruch genommen, wenn deren Forderung ungedeckt bliebe. Dazu macht er keine konkreten Ausführungen. Hierbei handelt es sich aber ohnehin um ein wirtschaftliches Interesse des Berufungsklägers, welches zur Begründung der Nebenintervention nicht ausreicht.

Nach dem Gesagten fehlt es somit an einem rechtlichen Interesse am vorliegenden Verfahren, weshalb das Gesuch um Nebenintervention abzuweisen ist.

3. Ist aber eine Nebenintervention des Berufungsklägers unzulässig, kann auf seine Berufung mangels Legitimation nicht eingetreten werden.

(...)

Obergericht, II. Zivilabteilung, 30. Juni 2016

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