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Art. 433 ff. ZGB

Regeste:

Art. 433 ff. ZGB – Medizinische Massnahmen ohne Zustimmung des Patienten im Rahmen einer fürsorgerischen  Unterbringung; Inhalt und Bedeutung des Behandlungsplans. Der Behandlungsplan als solcher ist gerichtlich nicht anfechtbar. Er bildet die Grundlage für eine medizinische Massnahme ohne Zustimmung des Patienten. Diese Massnahme muss im Behandlungsplan erwähnt sein, ist in einem separaten Dokument mit Rechtsmittelbelehrung vom Chefarzt der Abteilung (oder seinem Stellvertreter) anzuordnen und kann gerichtlich angefochten werden (Erw. 2.1).

Aus den Erwägungen:

(...)

2. Wird eine Person zur Behandlung einer psychischen Störung in einer Einrichtung untergebracht (Art. 426 Abs. 1 ZGB), so erstellt der behandelnde Arzt unter Beizug der betroffenen Person und gegebenenfalls ihrer Vertrauensperson einen schriftlichen Behandlungsplan (Art. 433 Abs. 1 ZGB). Fehlt die Zustimmung der betroffenen Person, so kann die Chefärztin oder der Chefarzt der Abteilung die im Behandlungsplan vorgesehenen medizinischen Massnahmen schriftlich anordnen, wenn ohne Behandlung der betroffenen Person ein ernsthafter gesundheitlicher Schaden droht oder das Leben oder die körperliche Integrität Dritter ernsthaft gefährdet ist (Art. 434 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB), die betroffene Person bezüglich ihrer Behandlungsbedürftigkeit urteilsunfähig ist (Art 434 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB) und keine angemessene Massnahme zur Verfügung steht, die weniger einschneidend ist (Art. 434 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB).

2.1 Der Behandlungsplan gemäss Art. 433 Abs. 2 ZGB soll Auskunft über die geplanten Abklärungen und Untersuchungen geben, eine erste oder eine bereits gesicherte Diagnose enthalten, die dazu passende Therapie umschreiben, Ausführungen über Risiken und Nebenwirkungen der Therapie machen und eine mögliche Prognose stellen. Zudem sind andere mögliche Behandlungswege und die Gefahren einer unterlassenen Therapie aufzuzeigen (vgl. Botschaft Erwachsenenschutz, BBl 2006 7068). Der Behandlungsplan wird der betroffenen Person zur Zustimmung unterbreitet (Art. 433 Abs. 3 ZGB). Wenn eine Zustimmung zur Behandlung nicht vorliegt, ist die Ergreifung von medizinischen Massnahmen nur unter den engen Voraussetzungen von Art. 434 ZGB erlaubt (Botschaft Erwachsenenschutz, BBl 7068). Der Behandlungsplan wird der laufenden Entwicklung angepasst (Art. 433 Abs. 4 ZGB). Mit Erstellen des Behandlungsplans wird somit nicht über eine bestimmte Behandlung entschieden, sondern, wie auch in der Botschaft ausgeführt, lediglich Auskunft über die geplanten Therapien oder über alternative Behandlungsmöglichkeiten gegeben. Stimmt eine Person dem Behandlungsplan zu, können die darin erwähnten Behandlungen durchgeführt werden. Stimmt sie dem Behandlungsplan nicht zu, kann eine medizinische Massnahme auf der Grundlage von Art. 434 ZGB durchgesetzt werden. Hierzu bedarf es aber gemäss dem Gesetzeswortlaut eines schriftlichen Entscheids, welcher gestützt auf Art. 439 Abs. 1 Ziff. 4 ZGB anfechtbar ist. Vorbehalten bleibt die Anordnung medizinischer Massnahmen, die sofort aufgrund einer Notfallsituation umgesetzt werden müssen (Art. 435 ZGB). Da somit mit dem Behandlungsplan keine konkrete medizinische Massnahme angeordnet wird, sondern lediglich Absichten aufgezeigt werden, ist der Behandlungsplan nicht als möglicher Anfechtungsgegenstand einer Beschwerde anzusehen. Gegen eine einzelne Massnahme kann sich eine betroffene Person wehren, wenn die Einrichtung einen Entscheid gestützt auf Art. 434 ZGB fällt, mithin «eine im Behandlungsplan vorgesehene medizinische Massnahme» schriftlich und ohne Zustimmung der betroffenen Person anordnet. Der Behandlungsplan als solcher ist folglich keine behördliche Verfügung und auch keine Zwangsmassnahme, sodass er auch nicht gestützt auf Art. 439 ZGB gerichtlich angefochten werden kann. Der Behandlungsplan bildet jedoch die Grundlage für eine gestützt auf Art. 434 ZGB angeordnete und auch gerichtlich anfechtbare medizinische Massnahme, da diese im Behandlungsplan vorgesehen sein muss (s. dazu Basler Kommentar ZGB I, Geiser/Etzensberger, Art. 433 N 21; FamKomm Erwachsenenschutz/Guillod, Art. 433 ZGB N 32; KOKES-Praxisanleitung Erwachsenenschutzrecht, Zürich/St. Gallen 2012, Rz. 10.40; Erwachsenenschutzrecht, 2. A., Basel 2015, Daniel Rosch, Art. 439 ZGB N 3).

2.2 Im vorliegenden Verfahren beanstandet die Beschwerdeführerin die vorgesehene antipsychotische Medikation, die sie konsequent ablehnt. Das Dokument «Behandlungsplan: Geplante medikamentöse Zwangsmassnahme» vom 14. April 2016 enthält einerseits die für einen Behandlungsplan gemäss Art. 433 ZGB vorgeschriebenen Elemente (Gründe und Zweck der Behandlung, Risiken und Nebenwirkungen, Folgen der Unterlassung und alternative Behandlungsmöglichkeiten), so auch die vorgesehenen vorwiegend antipsychotisch wirkenden Medikamente Aripiprazol, Amisulprid (Reserve: in der Akutphase Haloperidol und Diazepam). Andererseits ist darin aber auch eine Zwangsmedikation angeordnet worden mit dem antipsychotisch wirkenden Clopixol für den Fall, dass die Beschwerdeführerin nach dem 24. April 2016 die verordneten Medikamente nicht oral einnehmen würde; verbunden war diese Anordnung mit einer Rechtsmittelbelehrung, wonach die Beschwerdeführerin gegen diese Anordnung Einspruch erheben könne. Damit hat die Beschwerdegegnerin jedoch den Behandlungsplan und die medizinische Massnahme ohne Zustimmung der Beschwerdeführerin in ein einziges Dokument verpackt und – wie an der Anhörung vom 2. Mai 2016 bestätigt – auch nicht vorgesehen, bei Non-Compliance eine zusätzliche, auf den Behandlungsplan gestützte Anordnung zu treffen. Dies widerspricht indessen dem Gesetzeswortlaut und der vorherrschenden Lehrmeinung; danach bildet der (nicht gerichtlich anfechtbare) Behandlungsplan die Grundlage für eine Verfügung, mit der eine medizinische Behandlung ohne Zustimmung dann auch tatsächlich angeordnet werden kann (s. dazu Basler Kommentar ZGB I, Geiser/Etzensberger, Art. 433 N 24; FamKomm, Erwachsenenschutz-Guillod, Art. 434 N 31). Dass es sich um eine separate Verfügung handeln muss, ergibt sich nicht zuletzt auch daraus, dass der Behandlungsplan nach dem Wortlaut des Gesetzes vom behandelnden Arzt ausgearbeitet wird (Art. 433 Abs. 1 ZGB), während die medizinische Massnahme ohne Zustimmung vom Chefarzt der Abteilung (oder seinem Stellvertreter) angeordnet werden muss (Art. 434 Abs. 1 ZGB), was voraussetzt, dass er als entscheidende Person mithin auch eine bestimmte Stellung in der Klinik innehat und über eine Spezialausbildung in Psychiatrie verfügt (Basler Kommentar ZGB I, Geiser/ Etzensberger, Art. 434/435 N 32 ff.)

2.3 Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass auf die Beschwerde nicht eingetreten werden kann, soweit der Behandlungsplan beanstandet wird. Soweit der Behandlungsplan allerdings bereits eine medikamentöse Behandlung ohne Zustimmung der Beschwerdeführerin anordnet und auch eine Rechtsmittelbelehrung enthält, ist er in teilweiser Gutheissung der Beschwerde aufzuheben. Nicht angefochten und damit auch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die im Urteilszeitpunkt noch bestehende ärztliche FU, die gemäss Angaben der Klinikvertreterinnen an der Anhörung voraussichtlich demnächst aufgehoben werden dürfte, da eine Aufrechterhaltung angesichts der Non-Compliance der Beschwerdeführerin wenig Sinn mache.

3. Gerichtskosten sind nicht zu erheben, da es sich um ein Verfahren im Bereich der fürsorgerischen Unterbringung handelt (§ 57 Abs. 2 EG ZGB). Eine Parteientschädigung ist der nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin nicht zuzusprechen.

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016, F 2016 19
Das Urteil ist rechtskräftig.

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