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§ 6 EG KVG; § 7 EG KVG; Art. 2 Abs. 2 KVAG; aArt. 12 Abs. 2 KVG

Regeste:

§ 6 EG KVG; § 7 EG KVG; Art. 2 Abs. 2 KVAG; aArt. 12 Abs. 2 KVG – Sachliche Zuständigkeit für Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen i.S.v. Art. 2 Abs. 2 KVAG. Auslegung von § 6 EG KVG (Erw. 3.1 ff.). Zuständigkeitsnorm von § 6 EG KVG erfasst nur freiwillige Taggeldversicherungen gemäss KVG, nicht aber solche gemäss VVG. Letztere sind vielmehr unter den Begriff der Zusatzversicherung i.S.v. § 7 EG KVG zu subsumieren, womit entsprechende Streitigkeiten von den Zivilgerichten zu beurteilen sind (Erw. 3.3).

Aus dem Sachverhalt:

Die 1964 geborene A. war bis Ende Februar 2015 bei der B. GmbH angestellt und im Rahmen der Krankentaggeldversicherung ihres Arbeitgebers bei der X. Versicherung gegen krankheitsbedingten Erwerbsausfall versichert. Im Sommer 2014 unterzog sich A. nach eigenen Angaben in der Klinik Z. einer Operation, welche in eine postoperative Infektion mündete. Seither ist A. nach eigener Darstellung aufgrund chronischer Schmerzen durchweg zu 100 % arbeitsunfähig. Die X. anerkannte die Arbeitsunfähigkeit ab dem 13. Januar 2015 und richtete bis zum 31. Juli 2015 ein Krankentaggeld auf der Basis einer Arbeitsunfähigkeit von 100 % aus.

Mit Klageschrift vom 18. April 2016 stellte A. beim Verwaltungsgericht des Kantons Zug die Rechtsbegehren, die X. sei teilklageweise zu verpflichten, ihr als Krankentaggeld für den Zeitraum vom 1. August 2015 bis 14. Februar 2016 den Betrag von CHF 76'160.70 nebst 5 % Zins seit dem 7. November 2015 zu bezahlen; von ihrem Nachklagerecht sei Vormerk zu nehmen; unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Beklagten. Zur Begründung führte die Klägerin im Wesentlichen aus, ihre Erkrankung dauere bis heute an, was sie mittels entsprechender Arztzeugnisse gegenüber der Beklagten fortlaufend und unaufgefordert nachgewiesen habe. Die Beklagte weigere sich jedoch seit 1. August 2015, ihrer Leistungspflicht nachzukommen. Mit Klageantwort vom 16. Juni 2016 beantragte die Beklagte innert erstreckter Frist, auf die Klage sei mangels sachlicher Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht einzutreten. Eventualiter sei die Klage abzuweisen.

Aus den Erwägungen:

(...)

2. (...) Die Beklagte bestreitet die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht. Uneinig sind sich die Parteien indessen in Bezug auf die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, weshalb vorab darüber zu befinden ist.

3. Gemäss § 6 des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung (EG KVG, BGS 842.1) ist das Verwaltungsgericht das kantonale Versicherungsgericht im Regelungsbereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und der freiwilligen Taggeldversicherung. Für Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen i.S.v. Art. 12 Abs. 2 KVG sind demgegenüber gemäss § 7 EG KVG die Zivilgerichte zuständig. Es ist also zu ermitteln, ob unter «freiwillige Taggeldversicherung» i.S.v. § 6 EG KVG auch Taggeldversicherungen gemäss VVG zu subsumieren sind, bejahendenfalls das angerufene Gericht zur Beurteilung der Streitigkeit zuständig wäre.

3.1 Zunächst fällt auf, dass sich der kantonale Gesetzgeber bei § 6 EG KVG eines praktisch identischen Wortlautes bedient hat wie der Bundesgesetzgeber bei der Umschreibung des Geltungsbereiches des KVG in Art. 1a Abs. 1 KVG, welcher mit dem Begriff der sozialen Krankenversicherung identisch ist (Botschaft zum Bundesgesetz betreffend die Aufsicht über die soziale Krankenversicherung, BBl 2012 S. 1941 ff., S. 1956 [Botschaft KVAG]): Sowohl bei der bundesrechtlichen als auch bei der kantonalen Bestimmung ist von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung einerseits und der freiwilligen Taggeldversicherung andererseits die Rede. Paragraph 7 EG KVG verweist demgegenüber auf aArt. 12 Abs. 2 KVG (in der bis am 31. Dezember 2015 gültigen Fassung), welcher es Krankenkassen freistellte, neben der sozialen Krankenversicherung nach dem KVG ausserdem (gemäss aArt. 12 Abs. 3 KVG dem VVG unterstellte) Zusatzversicherungen anzubieten. Der eng an das KVG angelehnte bzw. direkt darauf verweisende Wortlaut von § 6 und 7 EG KVG kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass der kantonale Gesetzgeber bei der Zuordnung der Zuständigkeiten dieselbe Aufteilung vornehmen wollte, wie es der Bundesgesetzgeber bei der Unterstellung der jeweiligen Versicherungsarten unter das öffentliche bzw. das Privatrecht getan hatte. Nach dieser Lesart wären Streitigkeiten aus der sozialen Krankenversicherung (bestehend aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und der freiwilligen Taggeldversicherung gemäss KVG) dem Verwaltungsgericht zur Beurteilung zugewiesen, wohingegen sämtliche privatrechtlichen Versicherungen, darin eingeschlossen die Taggeldversicherungen gemäss VVG, vom Zivilgericht zu entscheiden wären. Der Umstand, dass aArt. 12 Abs. 2 KVG per 31. Dezember 2015 ausser Kraft getreten ist, kann darauf keinen ernstzunehmenden Einfluss haben, zumal der Regelungsgehalt der Norm per 1. Januar 2016 vollständig in Art. 2 Abs. 2 KVAG überführt wurde (Botschaft KVAG, S. 1956) und § 7 EG KVG mittelfristig wohl an die neue Rechtslage auf Bundesebene angepasst werden dürfte. Der Wortlaut der relevanten Bestimmungen spricht somit eher gegen eine Subsumtion freiwilliger Taggeldversicherungen gemäss VVG unter § 6 EG KVG.

3.2 In systematischer Hinsicht vertritt die Klägerin die Auffassung, § 6 EG KVG stelle gegenüber § 7 EG KVG eine lex specialis dar. Paragraph 7 EG KVG gelte nicht für Taggeldversicherungen, da er diese zum einen nicht explizit erwähne und sich § 6 EG KVG zum anderen nicht ausdrücklich auf Taggeldversicherungen gemäss aArt. 67 ff. KVG beschränke. Für die – wenngleich implizite – Beschränkung von § 6 EG KVG auf freiwillige Taggeldversicherungen nach dem KVG spricht aber bereits dessen eng an die Definition der sozialen Krankenversicherung gemäss Art. 1a Abs. 1 KVG angelehnte Wortlaut (E. 3.1). Die fehlende ausdrückliche Bezugnahme auf Taggeldversicherungen in § 7 EG KVG lässt sich damit erklären, dass Taggeldversicherungen gemäss VVG – wie die Beklagte zutreffend ausführt – nach der bundesgerichtlichen Praxis zu aArt. 12 Abs. 2 KVG, aArt. 85 Abs. 2 VAG (in der bis zum 31. Dezember 2010 in Kraft stehenden Fassung) und zuletzt auch Art. 7 ZPO bereits vom Begriff der Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung erfasst werden (BGE 133 III 439 E. 2.1 f. und 2.2.2.2; Urteil des Bundesgerichts vom 11. Oktober 2011, 4A_118/2011 E. 1.3, und vom 17. November 2010, 4A_194/2010 E. 2.2.1). Eine explizite Nennung von Taggeldversicherungen, wie es die Klägerin für erforderlich hält, wäre somit redundant. Auch binnensystematische Überlegungen sprechen mithin nicht für, sondern vielmehr gegen die Subsumtion von Taggeldversicherungen gemäss VVG unter § 6 EG KVG.

3.3 Nicht ausschlaggebend ist schliesslich das Argument der Klägerin, es sprächen teleologische Überlegungen für die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts, da § 6 EG KVG wie auch Art. 7 ZPO eine Know-how-Konzentration bei der sozialversicherungsrechtlichen Abteilung des Verwaltungsgerichts zu bewirken suchten. Es trifft zwar zu, dass eine Konzentration von Verfahren betreffend Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung beim kantonalen Sozialversicherungsgericht im Hinblick auf dessen Fachkompetenz sinnvoll sein kann (und in vielen Kantonen auch praktiziert wird). Indessen leuchtet es nicht ein, warum der Zuger Gesetzgeber, hätte er eine solche Zuständigkeitskonzentration herbeiführen wollen, dem Verwaltungsgericht lediglich die Zuständigkeit für Streitigkeiten betreffend die Taggeldversicherungen gemäss VVG, nicht aber jene betreffend die übrigen dem VVG unterstehenden Zusatzversicherungen zugewiesen hat. Es entspricht entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht der Zielsetzung von Art. 7 ZPO, die Zuständigkeit für die soziale Krankenversicherung und jene für Zusatzversicherungen beim kantonalen Verwaltungsgericht zu konzentrieren; die Kompetenz dazu kommt den Kantonen bereits aufgrund von Art. 4 Abs. 1 ZPO zu. Vielmehr wollte es der Bundesgesetzgeber den Kantonen ermöglichen, ein Gericht zu bezeichnen, welches als einzige kantonale Instanz (als Ausnahme vom Erfordernis des zweistufigen kantonalen Instanzenzugs gemäss Art. 75 des Bundesgerichtsgesetzes [BGG, SR 173.110]) Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung beurteilen kann (hierzu Botschaft zur ZPO, BBl 2006 S. 7221 ff., S. 7247 f). Indem er es bei § 7 EG KVG und damit bei der Rechtslage vor Inkrafttreten der ZPO beliess, hat der Zuger Gesetzgeber aber gerade nicht von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Auch vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Zuständigkeitsnorm von § 6 EG KVG nur freiwillige Taggeldversicherungen gemäss KVG, nicht aber solche gemäss VVG erfassen will. Letztere sind vielmehr unter den Begriff der Zusatzversicherung i.S.v. § 7 EG KVG zu subsumieren, womit entsprechende Streitigkeiten von den Zivilgerichten zu beurteilen sind.

3.4 Nach dem Gesagten ist das angerufene Gericht zur Beurteilung der anhängig gemachten Streitigkeit sachlich unzuständig, womit auf die Klage nicht einzutreten ist.

(...)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. August 2016, S 2016 49.
Das Urteil ist rechtskräftig.

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