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Art. 3 GlG, Art. 5 Abs. 1 und 2 GlG, Art. 6 GlG

Regeste:

Art. 3 GlG, Art. 5 Abs. 1 und 2 GlG, Art. 6 GlG – Glaubhaftmachen einer Geschlechterdiskriminierung; Untersuchungsmaxime (Erw. 3). Grundsätzlich spricht keine natürliche Vermutung dafür, dass eine Ungleichbehandlung im Zusammenhang mit der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses geschlechtsspezifisch begründet ist (Erw. 10.5).

Aus dem Sachverhalt:

Die Beklagten bilden einen internationalen Konzern. CEO war Q. Im Frühjahr 2008 wechselte die Klägerin, die bereits zuvor mit Q. im selben Unternehmen tätig war, zu den Beklagten. Im November 2010 verliess Q. den beklagtischen Konzern. Im März 2011 kündigten die Beklagten der Klägerin «aus gutem Grund» («for Cause»; Sachverhalt zusammengefasst).

Aus den Erwägungen:

3. Die Klägerin stützt alle geltend gemachten Ansprüche (...) alternativ zu den arbeitsrechtlichen Grundlagen auf eine unzulässige Geschlechterdiskriminierung im Sinne von Art. 3 sowie Art. 5 Abs. 1 lit. b und d GlG (...).

3.1 Gemäss Art. 3 Abs. 1 GlG dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden, namentlich nicht unter Berufung auf den Zivilstand, auf die familiäre Situation oder, bei Arbeitnehmerinnen, auf eine Schwangerschaft. Das Verbot gilt insbesondere für die Anstellung, Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung (Art. 3 Abs. 2 GlG). Wer von einer Diskriminierung im erwähnten Sinne betroffen ist, kann gemäss Art. 5 Abs. 1 GlG dem Gericht oder der Verwaltungsbehörde beantragen, dass eine drohende Diskriminierung zu verbieten oder zu unterlassen ist (lit. a), dass eine bestehende Diskriminierung beseitigt wird (lit. b), dass eine Diskriminierung festgestellt wird, wenn diese sich weiterhin störend auswirkt (lit. c) oder dass die Zahlung des geschuldeten Lohns angeordnet wird (lit. d). Das Diskriminierungsverbot hat absolut zwingenden Charakter. Art. 6 GlG sieht für die diskriminierte Person eine Beweislasterleichterung vor. Demnach wird bezüglich der Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung eine Diskriminierung vermutet, wenn diese von der betroffenen Person glaubhaft gemacht wird. Mit der Glaubhaftmachung einer Diskriminierung kehrt folglich die Beweislast um. Glaubhaftmachen bedeutet weniger als beweisen, aber mehr als behaupten. Die diskriminierte Person hat darzulegen, dass das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen wahrscheinlich ist (vgl. Freivogel, in: Kaufmann/Steiger-Sackmann [Hrsg.], a.a.O., Art. 3 GlG N 2; Kofmel Ehrenzeller, in: Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. A. 2013, Art. 261 ZPO N 7 ff. und Art. 266 ZPO N 3 mit Hinweisen).

3.2 Bei Streitigkeiten nach dem GlG gilt die Untersuchungsmaxime. Das Gericht hat von Amtes wegen den Sachverhalt festzustellen (Art. 247 Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 243 Abs. 2 lit. a ZPO) und Beweise zu erheben (Art. 153 Abs. 1 ZPO). Nach Lehre und Rechtsprechung ist das Gericht jedoch nur zur Nachforschung verpflichtet, wenn an der Vollständigkeit der Behauptungen oder Beweise ernsthafte Zweifel bestehen. Ist eine Partei anwaltlich vertreten, so ist das Mass der gerichtlichen Mitwirkung auf krasse Fälle beschränkt. Das Gericht darf daher trotz Untersuchungsmaxime nicht darauf hinwirken, dass Einwendungen oder Einreden geltend gemacht oder nicht offerierte Beweise abgenommen werden (Hauck, in: Sutter-Somm / Hasenböhler / Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2. A. 2013, Art. 247 ZPO N 35; Hasenböhler, in: Sutter-Somm / Hasenböhler / Leuenberger [Hrsg.], a.a.O., Art. 153 ZPO N 4).

3.3 Ob eine Diskriminierung vorliegt, ist für jede behauptete Ungleichbehandlung separat zu prüfen. Beruhte etwa die unterschiedliche Entlöhnung auf einer geschlechterspezifischen Diskriminierung, trifft dies nicht ohne Weiteres auch für die Entlassung zu und umgekehrt. Wie an den entsprechenden Stellen zu zeigen ist, liegt der vorliegenden Streitigkeit indes keine (geschlechterspezifische) Diskriminierung zugrunde.

(...)

10.5 Schliesslich beruft sich die Klägerin darauf, dass die Kündigung «aus wichtigem Grund» («for Cause») diskriminierend gewesen sei, weil die in der Kündigung erhobenen Vorwürfe – falls sie zutreffen würden – umso stärker gegen Herrn Q. gelten würden. Doch hätten die Beklagten Q. gegenüber nie Vorwürfe erhoben (...). Die Beklagten entgegnen, dass sie erst im Februar 2011 auf das im Form 10 ausgewiesene Gesamtsalär der Klägerin aufmerksam geworden seien, Q. jedoch die Beklagte 1 bereits per 1. Dezember 2010 verlassen habe. Die Aufhebungsvereinbarung mit Q. (...) sei ihm bereits im November 2011 unterbreitet und von ihm am 14. Dezember 2010 unterzeichnet worden (...).

10.5.1 Besteht die Diskriminierung in der Ablehnung einer Anstellung oder in der Kündigung eines obligationenrechtlichen Arbeitsverhältnisses, so hat die betroffene Person gestützt auf Art. 5 Abs. 2 GlG Anspruch auf eine Entschädigung. Im Verhältnis zur Sanktionsregelung für eine missbräuchliche Kündigung gemäss Art. 336 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 336a OR geht die Regelung des Gleichstellungsgesetzes vor (Riemer-Kafka/Ueberschlag, a.a.O., Art. 5 GlG N 47).

10.5.2 Gestützt auf Art. 6 GlG ist zu prüfen, ob die Klägerin eine Diskriminierung, d.h. eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts, glaubhaft gemacht hat. Glaubhaftzumachen ist einerseits die Benachteiligung (Ungleichbehandlung) als solche und andererseits der Umstand, dass der Grund der Benachteiligung im Geschlecht liegt. Betreffend Lohngleichheit beispielsweise ist nach Auffassung des Bundesgerichts bei ungleicher Entlöhnung von Mitarbeitenden unterschiedlichen Geschlechts, welche eine ähnliche Position mit vergleichbarem Pflichtenheft innehaben, zu vermuten, dass die Lohndifferenz geschlechtsspezifisch begründet ist (vgl. Stauber-Moser, Lohngleichheit und bundesgerichtliche Rechtsprechung, AJP 11/2006, S. 1352 ff., 1359; BGE 127 III 207 E. 3b). Bei der erwähnten Vermutung handelt es sich um eine natürliche Vermutung. Dabei wird von bewiesenen Tatsachen (Vermutungsbasis; im erwähnten Beispiel: Lohnungleichheit) gestützt auf die Lebenserfahrung und den gewöhnlichen Lauf der Dinge (Erfahrungssatz) auf unbewiesene Tatsachen (Vermutungsfolge) geschlossen (Walter, Der Anscheinsbeweis im Haftpflichtrecht, in: Fuhrer [Hrsg.], Haftpflicht- und Versicherungsrecht – Liber amicorum Roland Brehm, 2012, S. 447 ff., 451 ff.; Kummer, Berner Kommentar, 2012, Art. 8 ZGB N 317 f. und 362). Die Erfahrungssätze bei Lohnungleichheit ergeben sich aus Lohnstatistiken. Derlei gibt es in Bezug auf Beförderungen oder Kündigungen nicht. Dort wäre eine natürliche Vermutung höchstens in Erwägung zu ziehen bei Kündigungen gegenüber Arbeitnehmerinnen, die schwanger sind oder aufgrund der familiären Situation Teilzeit arbeiten; diese zwei Beispiele kommen in der Gleichstellungspraxis bei Kündigungen nämlich besonders häufig vor (vgl. Nordmann, Die missbräuchliche Kündigung im schweizerischen Arbeitsvertragsrecht unter besonderer Berücksichtigung des Gleichstellungsgesetztes, Diss. 1998, S. 178 ff.; Online-Datenbank für Verfahren betreffend Gleichstellungsgesetz [www.gleichstellungsgesetz.ch]). Jedenfalls aber darf die natürliche Vermutung bei Lohnungleichheit nicht ohne Weiteres auf andere Diskriminierungsarten wie beispielsweise die Beförderung oder die Kündigung übertragen werden, dies umso weniger, wenn es um eine Kündigung geht, die keinen Zusammenhang mit einer wegen der familiären Situation bedingten Teilzeitarbeit oder mit einer Schwangerschaft aufweist.

10.5.3 Vorliegend ist nicht von der Hand zu weisen, dass einige der von den Beklagten an die Klägerin gerichteten Vorwürfe (z.B. das angeblich eigenmächtige Festlegen eines Umrechnungskurses [für ihr Salär] von 1,2213) nicht der Klägerin, sondern wenn, dann vielmehr dem Vergütungsausschuss bzw. Q. vorzuwerfen gewesen wären (...). Die Beklagten halten dem entgegen, dass sie die Pflichtverletzungen der Klägerin erst im Februar 2011 entdeckt hätten, d.h. nachdem die Aufhebungsvereinbarung mit Q. bereits abgeschlossen gewesen sei (...). Die Aufhebungsvereinbarung wurde von Q. am 14. Dezember 2010 gegengezeichnet. Sein Austritt erfolgte per 30. November 2010 («Separation Date»). Das Datum des Inkrafttretens («Effective Date») der Aufhebungsvereinbarung war acht Kalendertage nach Unterzeichnung, also am 22. Dezember 2010 (...). Ab dann waren die vereinbarten Leistungen gemäss Aufhebungsvereinbarung geschuldet, wobei die Fälligkeit gewisser Leistungen aufgeschoben wurde (vgl. Ziff. 2.1 der Aufhebungsvereinbarung). Im Gegensatz zu Q. hat die Beklagte 2 in der Aufhebungsvereinbarung nicht auf sämtliche Forderungen gegenüber Q. verzichtet (vgl. Ziff. 5.1 und 5.2 [...]). Insofern wäre es gemäss Aufhebungsvereinbarung nicht ausgeschlossen gewesen, dass die Beklagte 2 gegenüber Q. auch ab Februar 2011 noch Ansprüche hätte erheben können. Dies tat sie aber offenbar nicht. Eine Ungleichbehandlung ist damit glaubhaft.

10.5.4 Dass diese Ungleichbehandlung allerdings auf dem Geschlecht beruht, ist nicht glaubhaft. Hierfür liegen keinerlei Anhaltspunkte vor. Hingegen gibt es zahlreiche andere Unterschiede zwischen der Klägerin und Q., welche plausible Gründe für die Ungleichbehandlung darstellen. Erstens hätte Q. nämlich nicht vorgeworfen werden können, seinen eigenen Lohn in Eigenregie festgelegt zu haben. Im Falle der Klägerin ging es bei den angeblichen Pflichtverletzungen um ihren eigenen Lohn. Insofern wäre die behauptete Bereicherungsabsicht (vgl. schriftliche Kündigungsbegründung [...]: «uniquely enriching compensation arrangements») bei Q. ganz anders zu beurteilen. Zweitens ist zu berücksichtigen, dass Q. im Gegensatz zur Klägerin nicht Jurist ist und nicht Leiter der Personalabteilung war (...). Selbst wenn er als CEO die Gesamtverantwortung trug, dürfte und müsste die Klägerin mit den Einzelheiten der Genehmigungserfordernisse besser vertraut (gewesen) sein als er. Dies ist ein ausbildungs- und tätigkeitsspezifisches Unterscheidungsmerkmal. Drittens bekleidete Q. eine andere Position als die Klägerin, weshalb auch aus diesem Grund eine Ungleichbehandlung nicht geschlechtsbedingt sein muss. Losgelöst von Q. spricht sodann gegen eine Geschlechterdiskriminierung, dass sich die Klägerin während des Arbeitsverhältnisses nie über Diskriminierung beklagt hat und sie namentlich lohnmässig sogar bessergestellt war als sämtliche männlichen Arbeitskollegen auf gleicher Stufe (...). Ferner ist den Beklagten dafürzuhalten, dass sie – soweit aktenkundig – gegen die (weiblichen) Mitarbeiterinnen T. (sie unterzeichnete die Ergänzungsvereinbarung der Klägerin mit dem Basissalär von CHF 400'000.00 [...]) und S. (sie war involviert bei der Ausgestaltung des Arbeitsvertrages der Klägerin [...]; zudem war sie am Kündigungsgespräch am 10. März 2011 anwesend) ebenfalls keine rechtlichen Schritte eingeleitet haben. Die Ungleichbehandlung der Klägerin im Vergleich zu Q. ist ein Einzelfall ohne erkennbaren Zusammenhang mit dem Geschlecht.

Kantonsgericht Zug, Einzelrichter, 27. Mai 2016

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