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Vollstreckung

Art. 319 ff. ZPO, Art. 327a ZPO, Art. 38 ff. LugÜ

Regeste:

Art. 319 ff. ZPO, Art. 327a ZPO, Art. 38 ff. LugÜ – Ein Rechtsöffnungsentscheid mit expliziter Exequaturerteilung gemäss Lugano-Übereinkommen ist ausschliesslich mit Beschwerde nach Art. 319 - Art. 327 ZPO anfechtbar, und zwar ohne die Modifikationen gemäss Art. 327a ZPO.

Aus den Erwägungen:

1.1 Vorliegend geht es um die Vollstreckung einer in einem italienischen Mahnbescheid zugesprochenen Geldforderung. Die Vollstreckbarerklärung eines solchen Entscheids richtet sich in der Schweiz nach dem Lugano Übereinkommen (LugÜ, SR 0.275.12; Art. 1 Abs. 2 IPRG i.V.m. Art. 1 LugÜ und LugÜ nach Anhang IX). Danach steht dem Gläubiger zunächst der ordentliche Weg über das Exequaturverfahren nach Art. 38 ff. LugÜ beim kantonalen Vollstreckungsgericht mit daran anschliessender Betreibung offen. Der erstinstanzliche Richter – im Kanton Zug der Einzelrichter im summarischen Verfahren am Kantonsgericht (Anhang II des LugÜ i.V.m. Art. 339 Abs. 2 ZPO, § 27 Abs. 3 lit. b GOG und § 28 Abs. 2 lit. k GOG) – entscheidet über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung gemäss Art. 41 LugÜ sofort und ohne Anhörung des Schuldners. Gegen den Entscheid des Einzelrichters am Kantonsgericht kann jede Partei beim oberen kantonalen Gericht, d.h. bei der Beschwerdeabteilung des Obergerichts, innert eines Monats bzw. zwei Monaten einen Rechtsbehelf einlegen (Art. 43 LugÜ i.V.m. Anhang III des LugÜ, Art. 309 lit. a ZPO, Art. 319 lit. a ZPO und § 21 Abs. 1 lit. a GOG). Die Rechtsmittelinstanz prüft die im LugÜ vorgesehenen Verweigerungsgründe mit voller Kognition und die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung (Art. 327a ZPO).

1.2.1 Daneben steht dem Gläubiger eine weitere Vollstreckungsmethode offen. Er kann nämlich den Weg über die ordentliche Betreibung wählen. Damit wird über die Vollstreckbarerklärung im Rahmen des kontradiktorischen Rechtsöffnungsverfahrens entschieden. Diese Alternative kommt in zweierlei Ausprägungen vor: Zum einen kann die Vollstreckbarerklärung bei der Rechtsöffnung bloss vorfrageweise bzw. inzident erfolgen. Zum anderen kann der Gläubiger im Rahmen des Rechtsöffnungsverfahrens eine ausdrückliche Vollstreckbarerklärung beantragen (Hofmann / Kunz, Basler Kommentar, 2.A. 2016, Art. 38 LugÜ N 288 f.). Im Kanton Zug ist für diese Entscheidungen erstinstanzlich der Einzelrichter im summarischen Verfahren am Kantonsgericht zuständig (Art. 339 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 27 Abs. 3 lit. b GOG und § 28 Abs. 2 lit. k GOG sowie Art. 251 lit. a ZPO i.V.m. § 28 Abs. 2 lit. c GOG).

1.2.2 Gegen den Rechtsöffnungsentscheid sowie die damit inzident ausgesprochene Vollstreckbarerklärung sind nach herrschender Lehre die Rechtsmittel nach innerstaatlichem Recht und nicht etwa der Rechtsbehelf nach dem LugÜ gegeben. Der erstinstanzliche Rechtsöffnungsentscheid kann entsprechend nur mittels Beschwerde nach Art. 319–Art. 327 ZPO angefochten werden. Die in Art. 327a ZPO für den Rechtsbehelf nach dem LugÜ enthaltenen Sonderregeln finden keine Anwendung. Die Frist für die Erhebung des Rechtsmittels richtet sich nach nationalem Recht und beträgt zehn Tage (Art. 321 Abs. 2 ZPO). Die Kognition der Rechtsmittelinstanz ist beschränkt (Art. 320 ZPO) und Noven sind unzulässig (Art. 326 ZPO). Der Beschwerde kommt sodann keine aufschiebende Wirkung zu, sofern das Gericht nicht Gegenteiliges anordnet (Art. 325 ZPO; vgl. ferner Hofmann/Kunz, a.a.O., Art. 38 LugÜ N 316 ff.).

1.2.3 Die Anfechtungsmöglichkeiten eines Rechtsöffnungsentscheids mit expliziter Exequaturerteilung sind in der Lehre umstritten. Nach einem Teil der Lehre ist, wie bei Rechtsöffnungsentscheiden mit inzident ausgesprochener Vollstreckbarkeitserklärung, ausschliesslich die Beschwerde nach Art. 319–Art. 327 ZPO zulässig, und zwar ohne die Modifikationen gemäss Art. 327a ZPO. Demgegenüber geht ein anderer Teil der Lehre von einer Gabelung des Rechtsmittelweges für die Rechtsöffnung und das Exequatur aus. Danach ist gegen die Vollstreckbarerklärung die LugÜ-Beschwerde nach Art. 327a ZPO zu ergreifen, während der Rechtsöffnungsentscheid mit der herkömmlichen Beschwerde nach Art. 319–Art. 327 ZPO anzufechten ist. Schliesslich wird postuliert, dass für die Anfechtung des Rechtsöffnungsentscheids mit ausdrücklicher Exequaturerteilung insgesamt die LugÜ-Beschwerde nach Art. 327a ZPO zur Verfügung steht (Hofmann/Kunz, a.a.O., Art. 38 LugÜ N 344 ff.). Das Bundesgericht hat sich, soweit ersichtlich, zu den Anfechtungsmöglichkeiten nach Inkrafttreten des revidierten LugÜ im Jahre 2011 noch nicht geäussert. Unter dem alten Recht vertrat es die Meinung, die Bestimmungen des aLugÜ über die Vollstreckung seien in einem solchen Fall nicht anwendbar. Es erachtete für den Rechtsmittelzug die Regelung des innerstaatlichen Rechts, d.h. des damals gültigen kantonalen Zivilprozessrechts, als massgebend (BGE 125 III 386 E. 3.b = Pra 2000 Nr. 13 E. 3.b).

1.3 Nach Auffassung der Beschwerdeabteilung ist der Rechtsöffnungsentscheid mit ausdrücklicher Exequaturerteilung nach den gleichen Regeln wie der Rechtsöffnungsentscheid mit inzidenter Exequaturerteilung anzufechten. In beiden Verfahren gibt der Einzelrichter am Kantonsgericht dem Schuldner die Möglichkeit, sowohl zur Exequaturerteilung als auch zur Erteilung der definitiven Rechtsöffnung Stellung zu nehmen. Eine Einschränkung des rechtlichen Gehörs auf Letzteres findet nicht statt, da solches nicht praktikabel wäre. Wird dem Schuldner somit das rechtliche Gehör im erstinstanzlichen Verfahren vollumfänglich gewährt, ist ein umfassendes Beschwerderecht nach Art. 327a ZPO nicht gerechtfertigt. Andernfalls würde unsorgfältiges Prozessieren belohnt. Mit der Möglichkeit, sich vor dem Einzelrichter erschöpfend vernehmen zu lassen und im Beschwerdeverfahren die unrichtige Rechtsanwendung und die offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts im erstinstanzlichen Verfahren rügen zu können (Art. 320 ZPO), werden die Rechte des Schuldners ausreichend gewahrt. Er erfährt damit sogar einen besseren Rechtschutz, als wenn er im erstinstanzlichen Verfahren zur Frage der Vollstreckbarerklärung nicht angehört würde und sich erst im Beschwerdeverfahren dazu vernehmen lassen könnte. Ein unterschiedlicher Rechtsmittelzug für Rechtsöffnungsentscheide mit inzidenter und ausdrücklicher Vollstreckbarerklärung ist damit nicht angezeigt, auch wenn Letztere nicht nur für das konkret eingeleitete Betreibungsverfahren, sondern allgemein Gültigkeit hat (Hofmann/Kunz, a.a.O., Art. 38 N 337).

Obergericht, II. Beschwerdeabteilung, 2. Juni 2016

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