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Gerichtspraxis

Verwaltungspraxis

Grundsätzliche Stellungnahmen

Aus der Praxis der Datenschutzstelle

Vorbemerkungen

Datenerhebung im Zusammenhang mit einem Antrag für Betreuungsgutscheine

Auskünfte einer Schule an eine Familienausgleichskasse

Regeste:

§ 5 i.V.m. § 2 Bst. a, c und d des Datenschutzgesetzes; Art. 1, Art. 3 Abs. 1 Bst. b, Art. 13, 14, 18, 19 und 25 Bst. a des Bundesgesetzes über die Familienzulagen; § 20 des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die Familienzulagen; Art. 49a des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung; Art. 28, Art. 31 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts. Eine kantonale Schule darf einer Familienausgleichskasse auf deren Anfrage hin Ausbildungsbestätigungen oder Ausbildungsabbruchsbestätigungen über ihre Schüler nur dann zustellen, wenn eine entsprechende Ermächtigung der Leistungsbezüger vorliegt oder wenn die Voraussetzungen der Amtshilfe erfüllt sind.

Aus dem Sachverhalt:

Familienzulagen

Das Bundesgesetz über die Familienzulagen (FamZG; SR 836.2) unterscheidet zwei Arten von Familienzulagen: die Kinderzulage und die Ausbildungszulage. Erstere wird ab Geburt bis zum 16. Altersjahr, Letztere ab dem 16. Altersjahr bis zum Abschluss der Ausbildung ausgerichtet, längstens bis zum 25. Altersjahr (Art. 3 Abs. 1 Bst. a und b FamZG). Die Anspruchsberechtigung richtet sich nach den Artikeln 13 (reguläre Erwerbstätige), 18 (landwirtschaftliche Erwerbstätige) und 19 FamZG (Nichterwerbstätige). Durchführungsorgane sind kantonale oder kantonal anerkannte sowie die von den AHV-Ausgleichskassen geführten Familienausgleichskassen (Art. 14 FamZG).

Das Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Familienzulagen (EG FamZG; BGS 844.4) regelt für den Kanton Zug Art und Höhe der Leistungen, Zuständigkeiten und Organisation sowie Finanzierung und Lastenausgleich.

Bearbeiten bzw. Bekanntgeben von Personendaten

Bei Ausbildungsbestätigungen einer Schule über bestimmte Schülerinnen oder Schüler handelt es sich um Personendaten im Sinn von § 2 Abs. 1 Bst. a des Datenschutzgesetzes (DSG; BGS 157.1). Gibt eine Schule Ausbildungsbestätigungen an eine Ausgleichskasse weiter, so handelt es sich dabei um eine Datenbearbeitung bzw. um eine Datenbekanntgabe (§ 2 Abs. 1 Bst. c und d DSG). § 5 Abs. 1 DSG bestimmt, dass Organe Daten bearbeiten bzw. bekanntgeben dürfen, sofern a) dafür eine gesetzliche Grundlage besteht, b) es für eine in einer gesetzlichen Grundlage umschriebenen Aufgabe unentbehrlich ist oder c) die betroffene Person im Einzelfall ausdrücklich eingewilligt hat oder ihre Einwilligung nach den Umständen offensichtlich vorausgesetzt werden kann. Diese Bestimmung regelt mithin die grundsätzlichen Voraussetzungen, unter denen Datenbekanntgaben zulässig sind (sog. formelles Datenschutzrecht).

Spezifische gesetzliche Grundlagen

Die Datenschutzstelle überprüfte in der Folge, ob es für die Datenbekanntgabe an die Ausgleichskassen in der Fach- bzw. Sachgesetzgebung betreffend die Familienzulagen spezifische Bestimmungen zur Datenbekanntgabe gibt (sog. materielles Datenschutzrecht).

Art. 1 FamZG erklärt die Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) auf die Familienzulagen anwendbar, soweit das FamZG nicht ausdrücklich eine Abweichung vom ATSG vorsieht.

Nach Art. 25 Bst. a und b FamZG gelten die Bestimmungen der AHV-Gesetzgebung (SR 831.10) mit ihren allfälligen Abweichungen vom ATSG sinngemäss für das Bearbeiten von Personendaten (Art. 49a AHVG) und für die Datenbekanntgabe (Art. 50a AHVG).

Die sinngemässe Anwendbarkeit von Art. 49a AHVG bedeutet für die Familienausgleichskassen, dass sie befugt sind, diejenigen Personendaten – einschliesslich besonders schützenswerter Daten und Persönlichkeitsprofile – zu bearbeiten, die sie benötigen, um Leistungsansprüche zu beurteilen sowie Leistungen zu berechnen und zu gewähren. Die sinngemässe Anwendung von Art. 50a AHVG bedeutet für Organe, die mit der Durchführung, der Kontrolle oder der Beaufsichtigung der Durchführung des FamZG betraut sind, dass sie Daten in Abweichung von Art. 33 ATSG an abschliessend aufgelistete Datenempfänger bekanntgeben dürfen, sofern kein überwiegendes Privatinteresse entgegensteht (für den vorliegenden Fall nicht relevant).

Das EG FamZG bestimmt, dass das AHVG sinngemäss gilt, «soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt» (§ 20 Abs. 1 FamZG). Die Bestimmungen des AHVG «gelten insbesondere für Beiträge, Rückerstattungen, Nachzahlungen, Verzugszinsen, Verrechnungen von Beitragsforderungen mit Zulagenzahlungen, Verjährungen, Meldungen der Steuerbehörden, Auskünfte und Mitwirkungspflichten, Arbeitgeberhaftung und Schadenersatz, Kassenzugehörigkeit, Kassenwechsel, Kassenhaftung, Schweigepflicht sowie Strafbestimmungen» (§ 20 Abs. 2 FamZG).

Neben Art. 49a AHVG gilt es auch Art. 1 AHVG zu berücksichtigen, der seinerseits für den ersten Teil des AHVG das ATSG für anwendbar erklärt (vorbehältlich ausdrücklicher Abweichungen). Wie im Folgenden aufzuzeigen sein wird, ist mit Bezug auf die in § 20 EG FamZG erwähnten Auskünfte und Mitwirkungspflichten ebenfalls das ATSG massgebend.

Erhebung der Daten

a) Mitwirkungs- und Meldepflicht der Leistungsbezüger

Wer Sozialversicherungsleistungen beansprucht, muss unentgeltlich alle Auskünfte erteilen, die zur Abklärung des Anspruchs und zur Festsetzung der Leistungen erforderlich sind (Art. 28 Abs. 2 ATSG). Ausserdem müssen Leistungsbezügerinnen und -bezüger jede wesentliche Änderung in den massgebenden Verhältnissen dem Versicherungsträger oder dem zuständigen Durchführungsorgan melden (Art. 31 Abs. 1 ATSG).

Die Familienausgleichskassen stellen für die Anmeldung bzw. für die Mutationen entsprechende Formulare zur Verfügung. Das Anmeldeformular der Ausgleichskasse Zug beispielsweise enthält einen ausdrücklichen Hinweis, dass für die Geltendmachung von Ausbildungszulagen für Kinder ab 16 Jahren «eine Ausbildungsbestätigung (Kopie Lehrvertrag, Immatrikulationsbestätigung usw.)» beizulegen sei. Auch für Mutationsmeldungen stellt die Ausgleichskasse Zug ein Formular zur Verfügung. Darauf kann unter anderem folgende Option angekreuzt werden: «Ende / Abbruch der Ausbildung. Bestätigung des Arbeitgebenden / der Schule mit Datum des Abbruchs beilegen.»

Neben dieser direkten Datenerhebung bei den betroffenen Personen sieht das ATSG auch vor, dass – unter bestimmten Voraussetzungen – Daten bei Behörden oder privaten Drittpersonen eingeholt werden können.

b) Ermächtigung zur Auskunftserteilung durch Dritte

Art. 28 Abs. 3 ATSG bestimmt, dass Personen, die Leistungen beanspruchen, im Einzelfall andere Personen oder Stellen, namentlich Arbeitgeber, Ärztinnen und Ärzte, Versicherungen sowie Amtsstellen ermächtigen müssen, Auskünfte zu erteilen, wenn sie für die Abklärung von Leistungsansprüchen erforderlich sind. Diese Personen und Stellen sind zur Auskunft verpflichtet. Die Voraussetzungen für eine Ermächtigung zur Auskunft sind somit a) dass ohne die Auskunftserteilung durch private Drittpersonen oder Behörden der Sachverhalt bzw. der Leistungsanspruch nicht abgeklärt werden kann (Erforderlichkeit) und b) dass die Ermächtigung sich auf den Einzelfall bezieht, der Gegenstand der Auskunft also genau umschrieben ist.

c) Amtshilfe

Die Amtshilfe ist in Art. 32 Abs. 1 ATSG wie folgt geregelt:

«Die Verwaltungs- und Rechtspflegebehörden des Bundes, der Kantone, Bezirke, Kreise und Gemeinden geben den Organen der einzelnen Sozialversicherungen auf schriftliche und begründete Anfrage im Einzelfall kostenlos diejenigen Daten bekannt, die erforderlich sind für:

a. die Festsetzung, Änderung oder Rückforderung von Leistungen;
b. die Verhinderung ungerechtfertigter Bezüge;
c. die Festsetzung und den Bezug der Beiträge;
d. den Rückgriff auf haftpflichtige Dritte.»

Die Voraussetzungen für eine amtshilfeweise Datenbekanntgabe sind somit a) dass sich die Anfrage an eine Verwaltungs- oder Rechtspflegebehörde richtet, b) eine schriftliche und begründete Anfrage des Sozialversicherungsorgans vorliegt, c) dass sich die Anfrage auf einen Einzelfall bezieht und d) dass die Datenbekanntgabe für die in den Buchstaben a bis d aufgelisteten Aufgaben der Sozialversicherung erforderlich ist. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein.

d) Verhältnis zwischen Mitwirkungspflichten und Amtshilfe

Im vorliegenden Sachverhalt stellte sich die Frage, in welchem Verhältnis Mitwirkungspflicht und Amtshilfe zueinander stehen bzw. ob das eine vor dem anderen Vorrang hat.

Für die Beantwortung dieser Frage sind aus datenschutzrechtlicher Sicht hauptsächlich zwei Kriterien zu berücksichtigen. Erstens gilt es den datenschutzrechtlichen Grundsatz zu beachten, dass Daten bei der betroffenen Person zu erheben sind (§ 4 Abs. 1 Bst. b DSG). Die Mitwirkungspflicht des ATSG stimmt mit diesem im DSG festgelegten Grundsatz soweit überein. Zweitens ist die erwähnte Erforderlichkeit der Amtshilfe zu beachten. Dies bedeutet einerseits, dass das um Amtshilfe ersuchende Sozialversicherungsorgan nur die zur Erfüllung der in Art. 32 Abs. 1 Bst. a bis d aufgelisteten Aufgaben unbedingt notwendigen Daten erheben darf. Andererseits ist die Erforderlichkeit aber auch so zu verstehen, dass die Amtshilfe nur zu erbringen ist, wenn und soweit das ersuchende Sozialversicherungsorgan ohne die beantragte Hilfe die notwendigen Daten nicht oder nur unter erheblichem Mehraufwand erhalten könnte. Insoweit geht die Mitwirkungspflicht der betroffenen Person vor (vgl. UELI KIESER, ATSG Kommentar, 3. Auflage 2015, Art. 32 Rz. 29).

Damit ist auch für den vorliegenden Fall klar: Primär müssen die Ausgleichskassen die notwendigen Daten zur Überprüfung der Rechtmässigkeit des Bezugs von Familienzulagen bei den Leistungsbezügern erheben.

Hat also eine Familienausgleichskasse begründeten Anlass zur Annahme, dass Ausbildungszulagen zu Unrecht bezogen werden (bspw. wenn sie vermutet, dass die Ausbildung vorzeitig abgebrochen wurde), kann sie von den Empfängern der Ausbildungszulage im Sinn der Mitwirkungspflicht nach Art. 28 Abs. 2 ATSG entweder eine aktuelle Ausbildungsbestätigung oder im Sinn der Meldepflicht nach Art. 31 Abs. 1 ATSG eine Bestätigung des Abbruchs der Ausbildung verlangen. Denkbar ist auch, dass die Ausgleichskasse nach Art. 28 Abs. 3 ATSG bei den Leistungsbezügern eine Einwilligung erwirkt, welche die betroffene Schuleinrichtung ermächtigt, der Ausgleichskasse mündlich oder schriftlich zu bestätigen, ob eine Schülerin oder ein Schüler aktuell eine Ausbildung absolviert oder nicht.

Eine amtshilfeweise Auskunft durch die Schule ist nur dann zulässig, wenn sämtliche Voraussetzungen von Art. 32 ATSG erfüllt sind: Bei der Schule muss es sich um eine kantonale Verwaltungsbehörde im Sinn von Art. 32 Abs. 1 ATSG handeln. Auf die im vorliegenden Fall betroffene Zuger Schule trifft dies zu. Die Ausgleichskasse muss ein schriftlich begründetes Gesuch um Amtshilfe stellen. Die bloss telefonisch erfolgenden Anfragen genügen diesem Erfordernis keinesfalls. In einem Gesuch um Amtshilfe muss dargelegt werden, zu welchem Zweck die Auskunft eingeholt wird (Art. 32 Abs. 1 Bst. a bis d), welches der Gegenstand der Auskunft ist, und weshalb die Ausgleichskasse die notwendigen Daten ohne die beantragte Hilfe nicht oder nur unter erheblichem Mehraufwand erhalten kann. Insbesondere zum letzten Punkt machten indessen die anfragenden Ausgleichskassen offenbar keinerlei Angaben (z.B.: Leistungsbezüger verweigern die Mitwirkung).

Fazit

Die Schuladministration ist weder verpflichtet noch berechtigt, einer Familienausgleichskasse auf eine einfache telefonische Anfrage hin Auskunft über ihre Schülerinnen und Schüler zu geben. Die Datenschutzstelle empfahl der Schule, entweder eine Ermächtigung der Leistungsbezügerin oder des Leistungsbezügers zur Auskunftserteilung gemäss Art. 28 Abs. 3 ATSG oder ein schriftliches Gesuch um Amtshilfe nach Art. 32 Abs. 1 ATSG zu verlangen.

Für jene Fälle, in denen die Schuladministration eine Ausbildungsbestätigung an sich vorbehaltlos ausstellen könnte, wäre eventualiter – im Interesse und sofern ausschliesslich zum Vorteil der betroffenen Leistungsbezüger – folgendes Vorgehen denkbar: Die Schule kann – muss aber nicht – der telefonisch anfragenden Ausgleichskasse anbieten, die betroffene Schülerin oder den betroffenen Schüler über die Anfrage um Auskunft zu informieren und ihr oder ihm zuhanden des Leistungsempfängers eine Ausbildungsbestätigung zwecks Weiterleitung an die Ausgleichskasse aushändigen. Denkbar wäre dieses Vorgehen wohl auch, wenn ein schriftliches Gesuch um Amtshilfe zwar vorliegt, dieses aber ungenügend begründet ist. Mit einem solchen Angebot gibt die Schule im Grunde genommen aber bereits bekannt, dass ein Ausbildungsverhältnis mit der betroffenen Schülerin bzw. dem betroffenen Schüler besteht. Da für die Leistungsbezüger daraus ausschliesslich Vorteile resultieren dürften, ist kein Grund ersichtlich, dieses Vorgehen zu beanstanden.

Die Schule könnte sich auch von den Leistungsbezügern (in aller Regel ein Elternteil) gemäss Art. 28 Abs. 3 ATSG schriftlich ermächtigen lassen, der Ausgleichskasse die Ausbildungsbestätigung direkt zu schicken. Dieses Vorgehen würde der Schule indessen mehr Aufwand bescheren, da sie zuerst abklären müsste, wer der Leistungsbezüger ist. Dies ist jedoch nicht Aufgabe der Schule.

Heikler sieht es bei Anfragen an die Schulen aus, wenn eine Schülerin oder ein Schüler tatsächlich die Ausbildung abgebrochen hat, die Leistungsbezüger dies der Ausgleichskasse entgegen Art. 31 Abs. 1 ATSG jedoch nicht gemeldet haben. In diesen Fällen sollte die Schule der Ausgleichskasse grundsätzlich nicht ohne schriftlich begründetes Amtshilfegesuch bzw. nicht ohne das Vorlegen einer ausdrücklichen Ermächtigung Auskunft erteilen. Dies schon nur deshalb, weil der Schuladministration in den wenigsten Fällen bekannt sein dürfte, ob die Schülerin oder der Schüler nach dem Abbruch eine Ausbildung an einer anderen Bildungseinrichtung aufgenommen oder fortgesetzt hat. In diesen Fällen würden die Leistungsansprüche weiter bestehen. Gerade auch aus diesem Grund muss die Ausgleichskasse die erforderlichen Informationen zu Ausbildungsabbrüchen primär direkt bei den Leistungsempfängern erheben.

 

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