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§ 14 Abs. 1 lit e und h EG BGFA i.V.m. § 14 Abs. 2 EG BGFA

Verordnung über die Anwaltsprüfung und die Beurkundungsprüfung für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte

Regeste:

Anwaltsprüfungsverordnung – Ein Kandidat, der bei der Wiederholung der mündlichen Anwaltsprüfung in einem Gebiet als ungenügend bewertet wurde, hat die Anwaltsprüfung insgesamt nicht bestanden. Das gilt auch für das Fach Beurkundungsrecht, das Teil der Anwaltsprüfung ist.

Aus dem Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer, der zur Anwaltsprüfung des Kantons Zug zugelassen worden war und die mündliche Wiederholungsprüfung nicht bestanden hatte, wurde von der Anwaltsprüfungskommission mit dem Hinweis, dass ein erneutes Gesuch um Zulassung zur Anwaltsprüfung erst nach Ablauf von zwei Jahren zulässig sei, abgewiesen. Nach Erwerb eines ausserkantonalen Anwaltspatents stellte er bei der Anwaltsprüfungskommission des Kantons Zug das Gesuch um Zulassung zur Beurkundungsprüfung für Rechtsanwälte mit ausserkantonalem Anwaltspatent. Der Präsident der Anwaltsprüfungskommission erkannte, ein solches Gesuch könne erst nach Ablauf der zweijährigen Sperrfrist gestellt werden. Ferner hielt der Präsident der Anwaltsprüfungskommission nach einem weiteren Schriftenwechsel gegenüber dem Beschwerdeführer fest, es treffe nicht zu, dass er die Beurkundungsprüfung im Rahmen der Anwaltsprüfung bestanden habe. Der Beschwerdeführer erhob dagegen Beschwerde und beantragte im Hauptstandpunkt, es sei ihm der Fähigkeitsausweis zur öffentlichen Beurkundung sofort zu erteilen. Eventualiter sei ihm die Wiederholung der schriftlichen Beurkundungsprüfung zu erlassen, das Resultat des schriftlichen Prüfungsteils Beurkundungsrecht für den Fähigkeitsausweis anzuerkennen und ihn direkt zur mündlichen Beurkundungsprüfung zuzulassen. Subeventualiter sei er unverzüglich ohne Berücksichtigung einer Sperrfrist zur Beurkundungsprüfung zuzulassen. Die II. Beschwerdeabteilung des Obergerichts weist die Beschwerde ab.

Aus den Erwägungen:

1. Zur Begründung seines Hauptantrags, wonach ihm der Fähigkeitsausweis zur öffentlichen Beurkundung sofort zu erteilen sei, wiederholt der Beschwerdeführer den im Schreiben vom 2. Oktober 2016 vertretenen Standpunkt, wonach gemäss der Anwaltsprüfungskommission die Beurkundungsprüfung für Rechtsanwälte mit ausserkantonalem Patent im Sinne von §§ 12 ff. APV Teil der Anwaltsprüfung im Sinne von §§ 1 ff. APV sei, weshalb sämtliche Verfügungen der Anwaltsprüfungskommission im Rahmen der von ihm im Kanton Zug absolvierten Anwaltsprüfung auch mit Bezug auf die Erteilung des Fähigkeitsausweises zur öffentlichen Beurkundung nach §§ 12 ff. APV gelten würden. Da die Anwaltsprüfungskommission mit Verfügungen vom 22. September 2014 und vom 16. März 2015 seine schriftliche Arbeit und seine mündliche Prüfung im Fach Beurkundungsrecht je mit «gut» bewertet habe, habe er die Beurkundungsprüfung bestanden.

2.1 Die Anwaltsprüfung des Kantons Zug gliedert sich in einen schriftlichen und einen mündlichen Teil (§ 2 APV). Die schriftliche Prüfung besteht zum einen aus der Bearbeitung von zwei Fällen, die sich auf Zivilrecht und Zivilprozessrecht inkl. Gerichtsorganisation, Strafrecht und Strafprozessrecht inkl. Gerichtsorganisation oder Staats- und Verwaltungsrecht inkl. Verwaltungsrechtspflege erstrecken. Zum andern ist im Fach Beurkundungsrecht eine öffentliche Urkunde zu erstellen (§ 3 Abs. 1 und 2 APV). In der mündlichen Prüfung werden folgende Gebiete des Bundes- und des zugerischen Rechts geprüft: Zivil- und Zivilprozessrecht, Straf- und Strafprozessrecht, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, Staats- und Verwaltungsrecht, Beurkundungsrecht und Anwaltsrecht (§ 5 Abs. 2 APV). Die Anwaltsprüfung gilt nur als bestanden, wenn in der schriftlichen Prüfung alle drei Arbeiten und in der mündlichen Prüfung alle sechs Gebiete mit mindestens genügend bewertet werden (§ 4 Abs. 2 und § 6 Abs. 2 APV). Wird die Leistung eines Kandidaten bei der Wiederholung der mündlichen Anwaltsprüfung in einem Gebiet als ungenügend qualifiziert, wird der Kandidat abgewiesen, womit die Zulassung zur Anwaltsprüfung erlischt. Ein erneutes Gesuch um Zulassung ist erst nach Ablauf von zwei Jahren zulässig. Diesfalls können die schriftliche und die mündliche Prüfung je einmal wiederholt werden. Eine erneute Abweisung bei der schriftlichen oder mündlichen Prüfung ist endgültig (§ 6 Abs. 4 APV).

2.2 Daraus erhellt, dass ein Kandidat, der bei der Wiederholung der mündlichen Anwaltsprüfung in einem Gebiet als ungenügend bewertet wurde, die Anwaltsprüfung insgesamt nicht bestanden hat. Das gilt auch für das Fach Beurkundungsrecht, das Teil der Anwaltsprüfung ist. Will ein solcher Kandidat das Anwaltspatent erwerben, muss er nach einer zweijährigen Sperrfrist die gesamte Prüfung wiederholen, unabhängig davon, welche Fächer er in der Anwaltsprüfung bestanden hat, die er vor der Sperrfrist absolvierte. Es ist also mit Blick auf eine nach der Sperrfrist zu absolvierende Prüfung irrelevant, in welchen schriftlichen Arbeiten oder Gebieten der mündlichen Prüfung ein Kandidat in einer letztendlich nicht bestandenen Prüfung ausreichende Leistungen erbracht hat.

2.3 In der mündlichen Wiederholungsprüfung vom 19. Mai 2015 bewertete die Anwaltsprüfungskommission die Leistungen des Beschwerdeführers in den Gebieten Zivilrecht I und II je mit ungenügend. Der Beschwerdeführer hat damit die ganze Anwaltsprüfung nicht bestanden. Das trifft auch auf das Fach Beurkundungsrecht zu, das Teil der Anwaltsprüfung ist. Demgemäss kann der Beschwerdeführer aus dem Umstand, dass seine Leistungen im Fach Beurkundungsrecht im schriftlichen und im mündlichen Teil je als gut qualifiziert wurden, nichts zu seinen Gunsten ableiten. Keine Rolle spielt ferner, in welchen Gebieten der mündlichen Anwaltsprüfung die Leistungen des Beschwerdeführers mit ungenügend bewertet wurden. Selbst wenn der Beschwerdeführer in den Fächern Zivilrecht I und II ausreichende Leistungen erbracht hätte und in anderen Fächern gescheitert wäre, bestünde kein Anspruch auf Erteilung des Fähigkeitsausweises für das Beurkundungsrecht, da er auch in diesem Fall die gesamte Anwaltsprüfung inklusive des Fachs Beurkundungsrecht nicht bestanden hätte. Wie erwähnt, haben genügende Leistungen in Teilen der schriftlichen oder mündlichen Prüfung keinerlei Relevanz, wenn die Anwaltsprüfung insgesamt nicht bestanden wird. Dabei spielt keine Rolle, ob es sich um eine Wiederholung der ganzen Anwaltsprüfung handelt oder um die Beurkundungsprüfung für Rechtsanwälte mit einem – inzwischen erworbenen – ausserkantonalen Anwaltspatent nach §§ 12 ff. APV. Demgemäss kann sich der Beschwerdeführer nicht darauf berufen, er habe aufgrund der ausreichenden Resultate im Fach Beurkundungsrecht in der von ihm letztlich nicht bestandenen Anwaltsprüfung nach dem Erwerb des [ausserkantonalen] Anwaltspatents Anspruch auf Erlass der gesamten Beurkundungsprüfung für Rechtsanwälte mit ausserkantonalem Patent oder auf Erlass des schriftlichen Teils dieser Prüfung. Somit besteht auch kein Grund, dem Verfahrensantrag auf Beizug der Tonbandaufnahmen und Prüfungsfragen der mündlichen Prüfung in den Fächern Zivilrecht I, Zivilrecht II sowie Beurkundungs- und Anwaltsrecht stattzugeben.

2.4 Nach dem Gesagten erweisen sich die Anträge des Beschwerdeführers, es sei ihm der Fähigkeitsausweis zur öffentlichen Beurkundung sofort zu erteilen, eventualiter sei ihm die Wiederholung der schriftlichen Beurkundungsprüfung zu erlassen, als unbegründet und sind abzuweisen.

3. Zur Begründung seines Subeventualantrags, wonach er unverzüglich und ohne Berücksichtigung einer Sperrfrist zur Beurkundungsprüfung gemäss § 12 APV zuzulassen sei, macht der Beschwerdeführer geltend, bei der Beurkundungsprüfung für Rechtsanwälte mit ausserkantonalem Patent und der Anwaltsprüfung handle es sich um zwei selbständige Prüfungen mit unterschiedlichen Zulassungsvoraussetzungen und Inhalten, einem jeweils eigenständigen Prüfungsablauf und separat zu erlassenden Verfügungen und sich daraus ergebenden Rechtswirkungen auf die jeweilige absolvierte Prüfung. Bei seinem Gesuch vom 18. August 2016 handle es sich nicht um ein erneutes Gesuch um Zulassung zur Anwaltsprüfung im Sinne von § 6 Abs. 4 i.V.m. § 1 Abs. 1 APV, sondern um ein neues und erstmaliges Gesuch um Zulassung zur Beurkundungsprüfung gemäss § 12 APV. Weil dieses Gesuch somit in keinem Zusammenhang zur Anwaltsprüfung stehe, könne eine allfällig bestehende Sperrfrist nicht zur Anwendung kommen. Die abweisende Verfügung vom 22. Mai 2015 bzw. die darin ausgesprochene Sperrfrist betreffe nur die erneute Zulassung zur Anwaltsprüfung. Dem Wortlaut der Verfügung sei nirgends zu entnehmen, dass diese Sperrfrist auch im Hinblick auf eine allfällige Zulassung zur Beurkundungsprüfung für Rechtsanwälte mit ausserkantonalem Patent Wirkungen zeitigen solle.

4.1 Mit der am 12. November 2016 in Kraft getretenen Revision des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (BGS 163.1, EG BGFA) wurde § 6 um den Absatz 3 ergänzt. Danach kann nicht mehr zur Prüfung zugelassen werden, wer früher bereits definitiv abgewiesen worden ist, wobei – in Präzisierung der bereits bestehenden Regelung in § 4 Abs. 4 APV – festgehalten wurde, dass auch ausserkantonale Abweisungen zu berücksichtigen sind. In den Erläuterungen zur Änderung der Anwaltsprüfungsverordnung hielt das Obergericht fest, diese Regelung gelte auch für die Beurkundungsprüfung, welche im Kanton Zug Teil der Anwaltsprüfung sei. Wer bereits erfolglos versucht habe, das Anwaltspatent oder die Ermächtigung zur Beurkundung zu erlangen (sei es im Kanton Zug, in anderen Kantonen oder im Ausland), werde im Kanton Zug nicht zur Prüfung zugelassen. Daraus ist zu schliessen, dass ein Kandidat, der bei der Anwaltsprüfung im Kanton Zug definitiv abgewiesen wurde und in einem anderen Kanton das Anwaltspatent erworben hat, im Kanton Zug nicht mehr zur Beurkundungsprüfung für Rechtsanwälte mit ausserkantonalem Patent zugelassen wird. Gleich muss es sich verhalten, wenn ein Kandidat bei der Wiederholung des schriftlichen oder mündlichen Teils der Anwaltsprüfung gescheitert ist und hernach in einem anderen Kanton das Anwaltspatent erwirbt. In diesem Fall kann der Betreffende gemäss § 4 Abs. 4 bzw. § 6 Abs. 4 APV vor Ablauf von zwei Jahren kein Gesuch um Zulassung zur Beurkundungsprüfung für Rechtsanwälte mit ausserkantonalem Patent stellen. Das ergibt sich im Übrigen auch aus § 14 APV, der § 4 Abs. 2 und § 6 Abs. 2 APV für die Beurkundungsprüfung für Rechtsanwälte mit ausserkantonalem Patent für sinngemäss anwendbar erklärt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers spielt dabei keine Rolle, dass in der Marginalie von § 14 APV von «Durchführung der Prüfung» die Rede ist und diese Bestimmung bloss eine sinngemässe Anwendung von § 2 sowie § 4–9 AVP vorsieht. Damit wird einzig klargestellt, dass die fraglichen Bestimmungen auf die Beurkundungsprüfung für Rechtsanwälte mit ausserkantonalem Patent soweit anwendbar sind, als dies aufgrund des unterschiedlichen Prüfungsstoffs angezeigt ist. Das trifft für die Regelungen über die Sperrfrist oder die Nichtzulassung eines endgültig abgewiesenen Kandidaten zu. Es ist denn auch durchaus angebracht, Kandidaten, die bei der schriftlichen oder mündlichen Wiederholungsprüfung gescheitert sind oder definitiv abgewiesen wurden, zur Beurkundungsprüfung für Rechtsanwälte mit ausserkantonalem Patent nur unter erschwerten Bedingungen oder gar nicht mehr zuzulassen und damit anders zu behandeln als Kandidaten, die nicht erfolglos versucht haben, die Anwaltsprüfung des Kantons Zug zu bestehen. Aus diesem Grund ist auch der Vorwurf des Beschwerdeführers verfehlt, mit der ihm auferlegten zweijährigen Sperrfrist sei das Gleichbehandlungsgebot verletzt worden.

4.2 Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, dem Wortlaut des Schreibens des Vizepräsidenten der Anwaltsprüfungskommission vom 22. Mai 2015 sei nicht zu entnehmen, dass die Sperrfrist auch für eine Zulassung zur Beurkundungsprüfung für Rechtsanwälte mit ausserkantonalem Patent gelte, vermag er daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. Diese Frage stellte sich damals nicht, da der Beschwerdeführer die Wiederholungsprüfung nicht bestanden hatte und über kein ausserkantonales Anwaltspatent verfügte. Nachdem der Beschwerdeführer am 18. August 2016 nach dem Erwerb des [ausserkantonalen] Anwaltspatents das Gesuch um Zulassung zur Beurkundungsprüfung eingereicht hatte, stellte der Präsident der Anwaltsprüfungskommission mit Schreiben vom 23. August 2016 und mit Verfügung vom 22. September 2016 klar, dass der Beschwerdeführer infolge der zweijährigen Sperrfrist erst ab dem 22. Mai 2017 ein Gesuch um Zulassung zur Beurkundungsprüfung gemäss § 12 APV werde stellen können.

5. An der Sache vorbei zielt schliesslich die Rüge, der Präsident der Anwaltsprüfungskommission habe mit dem Entscheid vom 20. September 2016, wonach der Beschwerdeführer erst ab dem 22. Mai 2017 ein Gesuch um Zulassung zur Beurkundungsprüfung stellen könne, eine Ermessensüberschreitung sowie eine Rechtverweigerung und -verzögerung begangen. In der fraglichen Verfügung hat der Präsident der Anwaltsprüfungskommission dem Beschwerdeführer beschieden, dass er die Voraussetzungen für die Zulassung zur Beurkundungsprüfung für Rechtsanwälte mit ausserkantonalem Patent infolge der bis zum 22. Mai 2017 andauernden Sperrfrist derzeit nicht erfülle. Er hat damit das Gesuch zurzeit abgewiesen. Der Präsident der Anwaltsprüfungskommission hat somit in der Sache entschieden. Es liegt damit weder eine Rechtsverweigerung noch eine Rechtsverzögerung vor. Zudem ist der Entscheid auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer, der aufgrund der gescheiterten Wiederholungsprüfung mit einer Sperrfrist bis zum 22. Mai 2017 belegt ist, erfüllt die Voraussetzungen für die Zulassung zur Beurkundungsprüfung für Rechtsanwälte mit ausserkantonalem Patent nicht. Es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern der Präsident der Anwaltsprüfungskommission mit seinem Entscheid, das Gesuch einstweilen abzuweisen, eine Ermessensüberschreitung begangen haben soll.

Obergericht, II. Beschwerdeabteilung, 11. Januar 2017

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