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Gerichtspraxis

Staats- und Verwaltungsrecht

Verfahrensrecht

Grundrechte

Art. 16 Abs. 2 BV, Art. 34 Abs. 2 BV und Art. 8 Abs. 1 BV, § 22 GSW, § 13 Abs. 1 Reklamereglement Stadt Zug

§ 16 Abs. 1 PolG, Art. 10 Abs. 2 BV, Art. 36 BV

Regeste:

§ 16 Abs. 1 PolG – Sachverhaltsüberprüfung anhand von Videomaterial der Polizei – Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers zeigen Aufnahmen, dass sich am 23. Januar 2016 in der Stadt Zug ein Demonstrationszug formierte, der Beschwerdeführer sich diesem bewusst anschloss und er die sich mehrfach bietenden Gelegenheiten nicht nutzte, um die Gruppe der von der Polizei umstellten Beteiligten zu verlassen (Erw. 3).

Art. 10 Abs. 2 BV und Art. 36 BV – Das gegen den Beschwerdeführer ausgesprochene 24-stündige Rayonverbot beruhte auf einer gesetzlichen Grundlage, war im öffentlichen Interesse und verhältnismässig (Erw. 4).

Aus dem Sachverhalt:

Am 23. Januar 2016 fand in der Zuger Innenstadt eine unbewilligte Demonstration gegen das Weltwirtschaftsforum (WEF) statt. Im Verlauf dieser Kundgebung wurde X. von der Zuger Polizei im Rahmen des Einsatzes «PIAZZA» angehalten und kontrolliert. Gestützt auf § 16 des kantonalen Polizeigesetzes sprach die Zuger Polizei in ihrer Verfügung vom 23. Januar 2016 gegen ihn eine Wegweisung und Fernhaltung aus, welche für das Gemeindegebiet der Stadt Zug während 24 Stunden, d.h. von Samstag, 23. Januar 2016, 17.00 Uhr, bis Sonntag, 24. Januar 2016, 17.00 Uhr, galt.

Dagegen erhob X. am 5. Februar 2016 Verwaltungsbeschwerde beim Regierungsrat des Kantons Zug, der die Beschwerde am 6. Dezember 2016 abwies. Am 11. Januar 2017 reichte X. beim Verwaltungsgericht des Kantons Zug Beschwerde ein und beantragte die Aufhebung des Regierungsratsbeschlusses vom 6. Dezember 2016, die Bezeichnung des Rayonverbots als unverhältnismässig und dessen rückwirkende Aufhebung, unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Vorinstanz.

Aus den Erwägungen:

(...)

2. Anfechtungsgegenstand bildet in casu die Verfügung «Rayonverbot Gemeinde Zug» der Zuger Polizei vom 23. Januar 2016, womit sie den Beschwerdeführer gestützt auf § 16 des Polizeigesetzes des Kantons Zug vom 30. November 2006 (BGS 512.1; PolG) für die Dauer von 24 Stunden, d.h. vom Samstag, 23. Januar 2016, 17.00 Uhr, bis Sonntag, 24. Januar 2016, 17.00 Uhr, aus dem Gebiet der Stadt Zug weggewiesen hat. Im Wesentlichen rügt der Beschwerdeführer, die Zuger Polizei und die Vorinstanz seien von einem unkorrekten Sachverhalt ausgegangen und die angefochtene Verfügung sei unverhältnismässig. Ob der Beschwerdeführer heute noch ein aktuelles Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung der angefochtenen Verfügung hat, kann offenbleiben, da sich die mit der Beschwerde aufgeworfene Frage jederzeit und unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnte, an ihrer Beantwortung wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht und eine rechtzeitige gerichtliche Prüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre (vgl. BGE 135 I 79 Erw. 1.1 mit Verweis auf BGE 131 III 670 Erw. 1.2). In der vorliegenden Angelegenheit ist somit als erstes auf den umstrittenen Sachverhalt einzugehen und zu prüfen, was genau am 23. Januar 2016 geschehen ist (vgl. Erw. 3 nachfolgend). Des Weiteren griff die Zuger Polizei unbestrittenermassen mit der Anordnung der 24-stündigen Wegweisung und Fernhaltung vom Gemeindegebiet der Stadt Zug in die verfassungsmässig garantierten Freiheitsrechte des Beschwerdeführers, namentlich in dessen Bewegungsfreiheit gemäss Art. 10 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101), ein. Da ein solcher Eingriff unter den Voraussetzungen von Art. 36 BV zulässig ist, ist demnach zu prüfen, ob die Verfügung «Rayonverbot Gemeinde Zug» vom 23. Januar 2016 der Zuger Polizei den Voraussetzungen von Art. 36 BV zu genügen vermag. Die Grundrechtseinschränkung bedarf insbesondere einer gesetzlichen Grundlage, muss durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein und hat den Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu wahren (vgl. Erw. 4 nachfolgend).

3. Als erstes ist auf den umstrittenen Sachverhalt einzugehen und zu prüfen, was genau am 23. Januar 2016 geschehen ist.

a) Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die sich am 23. Januar 2016 auf dem Bundesplatz vor dem Eingang zum Coop City aufhaltenden Demonstrierenden keinen Demonstrationszug hätten formieren wollen. Als sie sich in Richtung Bahnhof in Bewegung gesetzt hätten, sei die Kundgebung bereits beendet gewesen und sie hätten dort lediglich den Zug besteigen und nach Hause fahren wollen.

Dem vorliegenden Bildmaterial ist zu entnehmen, dass die vor dem Eingang zum Coop City versammelten Demonstrierenden Transparente gehalten haben (vgl. beispielsweise das auf der Videosequenz 1 gut sichtbare Transparent mit dem roten Stern, ab 0'00''; vgl. auch Videosequenz 2, ab 0'0''). Um 15.26 Uhr setzte sich die Gruppe in Richtung Bahnhof in Bewegung, wobei die Zuschauer eine Gasse bildeten, um die Demonstrierenden durchzulassen (Videosequenz 1, ab 0'29''). Sie bewegten sich eng zusammengeschlossen mit entfalteten Transparenten in Richtung Bahnhof, wobei eine Person ein Megaphon trug. An der Spitze der Gruppe marschierte ein Herr mit grauer Wollmütze mit, dessen zum Mitmarschieren auffordernde Armbewegung mit winkender Hand auf der Videosequenz 2 deutlich zu erkennen ist (ab 0'10''). Aus dem Dargestellten ist unmissverständlich zu schliessen, dass die Demonstrierenden einen Demonstrationszug sowohl beabsichtigt als auch tatsächlich durchgeführt haben. Wenn sie nur einzeln nach Hause hätten gehen wollen, hätten sie nicht Zeichen zum Mitmarschieren gegeben und wären nicht in einer engen Formation mit aufgerollten Transparenten und einem Megaphon in Richtung Bahnhof marschiert. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die Demonstrierenden keinen Demonstrationszug hätten formieren wollen, erweist sich als aktenwidrig.

b) Der Beschwerdeführer wirft der Zuger Polizei vor, sie habe zu Unrecht auf eine Unterscheidung zwischen den eigentlichen Organisatoren der Kundgebung und den räumlich distanziert aufgestellten Zuhörern auf dem Bundesplatz verzichtet.

Vorab ist dem Beschwerdeführer entgegen zu halten, dass er weder von der Zuger Polizei noch vom Regierungsrat als Organisator der Kundgebung bezeichnet worden ist. Des Weiteren ist zu erwähnen, dass sich die vor dem Eingang des Coop City auf dem Bundesplatz versammelten Demonstranten um 15.26 Uhr durch eine Zuschauergasse in Richtung Bahnhof in Bewegung gesetzt haben (Videosequenz 1, ab 0'29''). Zu diesem Zeitpunkt stand der Beschwerdeführer in der Zuschauermenge (mit einem roten Punkt markiert, Videosequenz 2, ab 0'12''). Während sich der Beschwerdeführer dem Demonstrationszug anschloss, blieben andere Zuschauer um ihn herum stehen oder entfernten sich vom Geschehen (Videosequenz 2, ab 0'27''). Die Polizei stoppte den sich Richtung Bahnhof bewegenden Demonstrationszug auf der Höhe der Parfümerie Oswald (Videosequenz 2, ab 0'37''). Die Zuschauer und Passanten waren von dieser Massnahme vorerst noch nicht betroffen und konnten sich auf dem Bundesplatz nach wie vor frei bewegen (Videosequenz 1 ab 1'24''). Von der anderen Seite des Bundesplatzes her, d.h. aus Richtung Warenhaus Manor, rückte die Polizei langsam auf und kesselte die Demonstrierenden ein (Videosequenz 2, ab 0'54''). Während der Umstellung bestand für alle Personen – auch für die Beteiligten – ohne weiteres die Möglichkeit, sich in Richtung Bundesplatz zu entfernen. Insbesondere direkt vor dem Sunrise Laden konnten die Passanten problemlos an den vorrückenden Polizisten vorbeigehen (Videosequenz 2, 1'05'' bis 2'00''). Schliesslich bildete die Polizei auf dem Bundesplatz eine äussere Ordnungskette, um Zuschauer und Passanten von den Demonstrierenden und Beteiligten zu trennen (Videosequenz 5). Das vorhandene Videomaterial zeigt eindeutig und unmissverständlich auf, dass sich der Beschwerdeführer dem Demonstrationszug bewusst angeschlossen hat. Bei der polizeilichen Umstellung verzichtete er zudem darauf, sich umgehend von der Gruppe der Demonstrierenden zu entfernen, um damit der polizeilichen Wahrnehmung entgegen zu wirken, Teil des Demonstrationsumzugs zu sein. Auch im Anschluss an die Umstellung wandte er sich nicht an die Polizei, um sie darüber aufzuklären, dass er lediglich ein unbeteiligter Zuhörer sei und zu seinem Fahrrad bzw. nach Hause wolle. Der Beschwerdeführer verblieb demnach bewusst bei den Demonstrierenden. Schliesslich nahmen auch die Reporter des Fernsehsenders Tele 1 den Beschwerdeführer als einen am Demonstrationsumzug beteiligten Demonstranten wahr und stellten ihn den Fernsehzuschauern als solchen vor (vgl. eingeblendete Zeile «Demonstrant», Videosequenz 7, ab 0'08''). Er verzichtete gegenüber dem Fernsehsender auf den Hinweis, dass er nicht zu den Demonstranten gehöre. Es bleibt mithin festzuhalten, dass die Polizei entgegen den anderslautenden Äusserungen des Beschwerdeführers zwischen am Demonstrationszug Beteiligten und Unbeteiligten unterschieden hat. Bei den Unbeteiligten handelte es sich um schaulustige Zuhörer, welche sich klar von der unbewilligten Demonstration distanzierten. Demgegenüber schlossen sich die Beteiligten bewusst dem Demonstrationszug an und bemühten sich bei der polizeilichen Umstellung nicht um eine umgehende Entfernung von der Gruppe, um zu verhindern, als Teil von ihr wahrgenommen zu werden. Das erwähnte Bildmaterial hat eindeutig und unmissverständlich ergeben, dass die Polizei den Beschwerdeführer zu Recht als am Demonstrationsumzug «Beteiligter» qualifiziert hat. Seine diesbezügliche Rüge erweist sich somit als unbegründet.

c) Des Weiteren rügt der Beschwerdeführer, es habe keine polizeilichen Anweisungen an die auf dem Bundesplatz weilenden Personen gegeben, d.h. die Polizei habe diese nicht über Lautsprecher zum Verlassen des Bundesplatzes innert einer bestimmten Frist aufgefordert. Es habe somit keine Option gegeben, sich an polizeiliche Anordnungen zu halten und damit einer Umzingelung zu entgehen. Schliesslich habe es keinen «Abzugskorridor» gegeben bzw. die Polizei habe ihm das Verlassen des Bundesplatzes nicht erlaubt.

Dem Beschwerdeführer ist das vorliegende Bildmaterial entgegen zu halten. Diesem ist zu entnehmen, dass sich um 15.26 Uhr am südlichen Rand des Bundesplatzes (in Richtung See) mehrere Polizisten aufgehalten und die Versammlung der Demonstranten vor dem Eingang des Coop City beobachtet haben. Zu diesem Zeitpunkt konnten sich die Menschen auf dem Bundesplatz frei bewegen. Als sich der Demonstrationszug in Richtung Bahnhof in Bewegung setzte, folgten ihm diese Polizisten langsam (Videosequenz 1, insbesondere ab 1'12''). Auf der Höhe der Parfümerie Oswald stoppte die Polizei den Demonstrationszug (Videosequenz 2, ab 0'37''). Von der anderen Seite, d.h. aus Richtung See, rückten die Polizisten langsam vor und begannen, die Demonstrierenden und die dort verbliebenen Beteiligten zu umstellen. Während des Stoppens und der geordneten und ruhig verlaufenden Umstellung des Demonstrationszugs bestand sowohl für Beteiligte als auch für Unbeteiligte ohne Weiteres die Möglichkeit, sich in Richtung Bundesplatz/See zu entfernen und sich hinter die von dort her schliessenden Reihe der Ordnungsdienstkräfte zu begeben (Videosequenz 1, ab 1'24''; Videosequenz 2, 1'05'' bis 1'45''). Die Polizei forderte die anwesenden unbeteiligten Zuschauer und Passanten sogar teilweise einzeln auf, sich zu entfernen (vgl. beispielsweise Videosequenz 3, worin zwei junge Frauen von Polizisten zum Weitergehen aufgefordert wurden). Diejenigen, welche diese Gelegenheit nutzten, hatten in der Folge auch keine weiteren polizeilichen Massnahmen zu gewärtigen. In diesem Zusammenhang ist auf die auf der Videosequenz deutlich sichtbare Person mit hellgrüner Mütze zu verweisen, welche sich unmittelbar neben dem Beschwerdeführer aufgehalten hat und dann ungehindert aus der Umstellung herausgegangen ist. Wie die Aufnahme zeigt, hat sich der Beschwerdeführer demgegenüber in Richtung Litfasssäule bewegt und ist dort stehen geblieben (Videosequenz 2, 0'47'' bis 1'03''). Das Dargestellte verdeutlicht, dass der Beschwerdeführer von der Möglichkeit, die Umstellung zu verlassen bzw. gar nicht erst hinein zu gelangen, keinen Gebrauch gemacht hat und bewusst bei den Demonstranten verblieben ist. Auch im Verlauf der Umstellung der Demonstrierenden und Beteiligten durch die Polizei konnten auf der Höhe des Sunrise Shops mehrere Personen durch einen Korridor ungehindert die Umstellung verlassen, was auf den Videoaufnahmen am rechten Bildrand deutlich erkennbar ist (Videosequenz 2, 1'37'' bis 2'10''). Entgegen seinen anderslautenden Ausführungen hätte der Beschwerdeführer somit zu seinem Fahrrad, welches beim Schulhaus Neustadt parkiert war, gehen können, wenn er dies auch tatsächlich gewollt hätte. Obwohl der Polizeieinsatz und die sich anbahnende Umstellung ganz offensichtlich und – spätestens zu diesem Zeitpunkt – nicht mehr zu übersehen waren, verblieb der Beschwerdeführer bei der Litfasssäule und beobachtete ruhig das Geschehen (gut sichtbar in Videosequenz 2, 2'15''). An diesem Umstand vermag auch nichts zu ändern, dass nach seinen Angaben eine dritte Polizeikette auf der nordwestlichen Seite des Bundesplatzes (beim Veloparkplatz des Coop) vorgerückt sein soll. Nach der Stoppung des Demonstrationszuges und der Vollendung der Umstellung kündigte die Polizei den Umstellten um 15.51 Uhr durch ein Megaphon Personenkontrollen und einen allfälligen polizeilichen Gewahrsam gestützt auf § 11 PolG an. Zum Zeitpunkt dieser Durchsage stand der Beschwerdeführer bei den Beteiligten (Videosequenz 4, 0'30''). Um 15.57 Uhr setzte die Polizei den Umstellten ein Ultimatum und gewährte ihnen eine fünfminütige Frist, um freiwillig aus der Gruppe herauszutreten und sich einer Personenkontrolle zu unterziehen. Nach Ablauf dieser fünf Minuten werde sie die Leute einzeln «herauspflücken». Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Beschwerdeführer immer noch in der Gruppe (vgl. Videosequenz 4, 0'57''), nutzte diese Gelegenheit zum Abzug nicht und verblieb vor Ort. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte er, wäre er wie behauptet als Unbeteiligter umstellt gewesen, eine sofortige Reaktion zeigen und die anwesenden Polizisten darauf aufmerksam machen müssen, dass er rein zufällig und fälschlicherweise in die Umstellung geraten sei und er sich von dieser Gruppe distanzieren möchte. Es bleibt daher festzustellen, dass sich seine Rüge, wonach er aufgrund des raschen Vorrückens der Polizeikräfte gar keine Bedenkzeit gehabt habe, um sich aus dem «Kessel» zu entfernen, als aktenwidrig erweist. Sämtliche auf dem Bundesplatz anwesenden Personen (Beteiligte und Unbeteiligte) hatten mehrfach die Gelegenheit, den Platz zu verlassen, was auch für die Zeit der Umstellung gilt (dann allerdings mit einer Personenkontrolle verbunden), sodass sich die vom Beschwerdeführer erhobenen Rügen als unbegründet erweisen.

d) Zur Stützung seiner Sachverhaltsdarstellung verweist der Beschwerdeführer zudem auf die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 15. November 2016 (Verfahren 3A 2016 3123; BF-act. 2). Sie habe festgestellt, dass er sich nicht in der Ansammlung der Demonstranten aufgehalten habe, wie dem von der Zuger Polizei erstellten Verhaltens- bzw. Bewegungsbild zu entnehmen sei. Er sei vielmehr als Beobachter der Demonstration bzw. der Geschehnisse auf dem Bundesplatz zu erkennen (vgl. Erw. 3 der Einstellungsverfügung).

Dem Beschwerdeführer ist unter Verweis auf das vorhandene Bildmaterial entgegen zu halten, dass diese Sachverhaltsfeststellung offensichtlich unzutreffend ist (vgl. dazu die Ausführungen in den Erw. 3a bis 3c), sodass er aus der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 15. November 2016 nichts zu seinen Gunsten abzuleiten vermag. Lediglich der Vollständigkeit halber ist zudem darauf hinzuweisen, dass die Staatsanwaltschaft zu klären hatte, ob sich der Beschwerdeführer einer strafbaren Handlung, d.h. in casu einer Widerhandlung gegen das Gesetz über Strassen und Wege vom 30. Mai 1996 (GSW, BGS 751.14), schuldig gemacht hat. Sie ist der Ansicht, dass dies nicht der Fall sei und stellte daher die Strafuntersuchung gegen den Beschwerdeführer ein. Demgegenüber geht es im vorliegenden Fall um die sicherheitspolizeiliche Massnahme einer Wegweisung und/oder Fernhaltung gemäss § 16 PolG, welche als präventives Mittel im Wesentlichen die Verhinderung von Straftaten bezweckt. Für die Anordnung einer Wegweisung/Fernhaltung ist somit keine strafbare Handlung vorausgesetzt. Um die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrecht zu erhalten bzw. wiederherzustellen wird eine Einschränkung der Bewegungs- und Versammlungsfreiheit in Kauf genommen, allerdings müssen dafür bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein (gesetzliche Grundlage, Wahrung der Verhältnismässigkeit und bestehendes öffentliches Interesse, vgl. dazu Erw. 4 nachfolgend). Am 23. Januar 2016 musste die Polizei beurteilen, ob die erwähnten Voraussetzungen zum Erlass einer Wegweisung/Fernhaltung des Beschwerdeführers gestützt auf § 16 PolG erfüllt sind oder nicht. Ob er sich eines strafbaren Verhaltens schuldig gemacht hat oder nicht, ist eine andere Frage. Der Beschwerdeführer vermag daher weder aus der Sachverhaltsfeststellung der Staatsanwaltschaft noch aus der Einstellung der Strafuntersuchung abzuleiten, dass das präventiv angeordnete Rayonverbot als unrechtmässig bzw. als unverhältnismässig zu qualifizieren wäre.

e) Schliesslich bringt der Beschwerdeführer vor, das von der Vorinstanz zitierte Urteil des Bundesgerichts vom 20. April 2016 (BGE 142 I 121) beziehe sich auf eine sogenannte 1. Mai-Nachdemo in Zürich, welche den Ruf von gewaltsamen Auseinandersetzungen habe. Dies treffe jedoch auf die Zuger Kundgebung vom 23. Januar 2016 nicht zu, sodass die Vorinstanz daraus nichts zu ihren Gunsten abzuleiten vermöchte.

Dem Beschwerdeführer ist entgegen zu halten, dass er die Schlussfolgerung, welche die Vorinstanz aus dem erwähnten Urteil gezogen hat, unkorrekt wiedergibt. Sie wies im vorliegenden Zusammenhang im Wesentlichen darauf hin, dass die Polizei im erwähnten Urteil aufgrund der Umstände – die Person sei einem Aufruf zur Versammlung an einem bestimmten Ort gefolgt und habe sich dort in einer entsprechenden Menschenmenge aufgehalten – korrekterweise davon ausgegangen sei, dass die Person an einer unbewilligten Demonstration teilnehmen könnte (Vernehmlassung, Ziff. 34). Es geht somit um die polizeiliche Beurteilung, ob jemand an einer unbewilligten Kundgebung teilnehmen könnte oder nicht. Ob es sich um eine 1. Mai-Nachdemonstration oder um eine andere Kundgebung handelt, ist dabei nicht entscheidend, sodass sich die Rüge des Beschwerdeführers als unbegründet erweist. Dass die Zuger Kundgebung nicht den «Ruf von gewaltsamen Auseinandersetzungen» gehabt habe, ist ebensowenig entscheidend, da die Ausschreitungsgefahr bei den gegebenen Umständen auch dem Beschwerdeführer klar erkennbar sein musste. Tatsächlich war aber schon aufgrund der im Vorfeld der Demonstration aufgehängten, mobilisierenden Plakaten und der in der Presse geäusserten Befürchtungen und des angekündigten Einsatzes von Polizeikräften gegen die unbewilligte Demonstration mit der Möglichkeit von Auseinandersetzungen zu rechnen. Lediglich der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass das Bundesgericht das polizeiliche Vorgehen im Zürcher Fall angesichts der konkreten Umstände als verhältnismässig qualifiziert hat. Der Betroffene hatte zweieinhalb Stunden im Polizeikessel auszuharren, wo er sich frei bewegen konnte. Anschliessend wurde er – mit Kabelbindern gefesselt – in die Polizeikaserne transportiert und dort noch knapp dreieinhalb Stunden und somit insgesamt rund sechs Stunden festgehalten (vgl. Erw. 3.5.2 des erwähnten Urteils). Da sich die Rüge des Beschwerdeführers wie bereits erwähnt als unbegründet erweist, erübrigen sich Weiterungen zu diesem Thema.

f) Zum umstrittenen Sachverhalt bleibt abschliessend festzuhalten, dass die Darlegung des Beschwerdeführers, er sei als unbeteiligter Zuschauer zufällig in die polizeiliche Umstellung geraten, angesichts seiner 46-jährigen Erfahrung mit «antikapitalistischen» Kundgebungen (Selbstangabe) als unglaubwürdig erscheint. Da der Anti-WEF-Demonstration vom 23. Januar 2016 eine Bewilligung fehlte, musste er mit sicherheitspolizeilichen Massnahmen rechnen. Dem vorliegenden Bildmaterial ist schliesslich klar zu entnehmen, dass er sich dem Demonstrationszug bewusst angeschlossen hat. Er liess die sich mehrfach bietenden Gelegenheiten, aus der Gruppe der Beteiligten respektive aus der Umstellung herauszutreten, ungenutzt verstreichen und nahm damit in Kauf, polizeilich kontrolliert und mit einer Wegweisung und Fernhaltung belegt zu werden. Die vom Beschwerdeführer erhobenen Rügen erweisen sich daher als unbegründet.

4. An dieser Stelle ist zu prüfen, ob die Verfügung «Rayonverbot Gemeinde Zug» vom 23. Januar 2016 der Zuger Polizei den Voraussetzungen von Art. 36 BV zu genügen vermag. Die Grundrechtseinschränkung bedarf einer gesetzlichen Grundlage (vgl. Erw. 4a nachfolgend) und muss durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein (vgl. Erw. 4b) und hat den Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu wahren, wobei der Kerngehalt des Grundrechts unantastbar ist (vgl. Erw. 4c).

a) Nach Art. 36 Abs. 1 BV bedürfen Einschränkungen von Grundrechten einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr. Nach § 16 Abs. 1 PolG kann die Polizei eine Person bis längstens 72 Stunden von einem bestimmten Ort wegweisen und/oder fernhalten, wenn sie selbst ernsthaft und unmittelbar gefährdet ist (lit. a); ein begründeter Verdacht besteht, sie werde die öffentliche Sicherheit und Ordnung ernsthaft und unmittelbar gefährden oder stören oder durch ihr Verhalten die unmittelbare Gefahr einer gewalttätigen Auseinandersetzung schaffen (lit. b); sie Dritte ernsthaft belästigt, gefährdet oder Dritten mit einer ernsthaften Gefährdung droht (lit. c); sie Einsätze zur Wiederherstellung oder Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung insbesondere durch die Polizei, Kräfte des Bevölkerungsschutzes oder der Rettungsdienste behindert, stört oder sich in solche Einsätze einmischt (lit. d); sie die Polizei an der Durchsetzung vollstreckbarer Entscheide hindert, stört oder sich einmischt (lit. e) oder sie die Erfüllung polizeilicher Aufgaben zu vereiteln versucht (lit. f). Die Verfügung «Rayonverbot Gemeinde Zug» der Zuger Polizei vom 23. Januar 2016 stützt sich auf § 16 PolG. Nach dessen Absatz 1 wäre eine Wegweisung/Fernhaltung bis zu 72 Stunden zulässig, sodass die angefochtene Verfügung lediglich einen Drittel der gesetzlich zulässigen Höchstdauer ausschöpft. Sie informiert zudem über die Gründe, die Dauer und den räumlichen Bereich der Massnahme. Ausserdem weist sie auf die Folgen bei Missachtung der Massnahme hin und enthält eine Rechtsmittelbelehrung, sodass die angefochtene Verfügung vom 23. Januar 2016 den Anforderungen von § 16 Abs. 2 PolG zu genügen vermag. Das Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage im Sinne von Art. 36 Abs. 1 BV ist somit zu bejahen.

b) Einschränkungen von Grundrechten müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein (Art. 36 Abs. 2 BV).

aa) Unter das öffentliche Interesse fallen zunächst polizeiliche Schutzgüter. In der bundesgerichtlichen Rechtsprechung handelt es sich dabei typischerweise um den Schutz von Leben und Gesundheit der Menschen, der öffentlichen Ruhe und Sittlichkeit und von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr (BGE 127 I 164 Erw. 3d, BGE 127 II 91 Erw. 4). Der Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung meint einen Sammel- und Oberbegriff und bedeutet letztlich den Schutz der Rechtsordnung. Nichtpolizeiliche Interessen lassen sich anderen Teilen der Verfassung entnehmen, beispielsweise Interessen des Sprachfriedens (Art. 70 BV), des Religionsfriedens (Art. 72 BV), des Umweltschutzes (Art. 74 BV), der Raumplanung (Art. 75 BV), des Natur- und Heimatschutzes (Art. 78 BV), des Tierschutzes (Art. 80 BV), der kulturellen Vielfalt der elektronischen Medien (Art. 93 BV) oder auch sozialpolitische Interessen (Art. 41 BV). Nicht polizeiliche und polizeiliche Interessen können sich teilweise überschneiden (beispielsweise wenn gegen eine Tierquälerei aus Gründen des Tierschutzes und aus polizeilichen Gründen eingeschritten werden muss). Schliesslich bestehen auch nicht zu unterschätzende Eigeninteressen der Behörden und der staatlichen Verwaltung (beispielsweise besondere Geheimhaltungsinteressen oder der Schutz der Funktionsfähigkeit der Behörden). Ob diese öffentlichen Interessen einen Eingriff rechtfertigen, ist im Hinblick auf jedes infrage stehende Grundrecht und für jeden Einzelfall separat zu beurteilen (Rainer Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Bundesverfassung, St. Gallen, 2014, Art. 36 N 32). Eine Einschränkung eines Grundrechts kann zudem zum Schutz der Grundrechtsansprüche eines oder mehrerer anderer Grundrechtsträger nötig sein (Grundrechtskollision). Was das Anliegen des Schutzes der Grundrechte Dritter betrifft, so wird erwogen, ob dieses nicht schon im Begriff des öffentlichen Interesses enthalten ist. Ist die Zahl der betroffenen Drittpersonen gross, so wird ihr grundrechtlich geschütztes Anliegen oft mit einem öffentlichen kollektiven Interesse übereinstimmen (vgl. BGE 128 I 327 Erw. 4.3.2 betreffend die Überprüfung einer neuen Bestimmung in einer grossrätlichen Verordnung des Kantons Graubündens, die im Zusammenhang mit dem WEF erlassen wurde). Ausserdem liegt der Grundrechtsschutz ohnehin im öffentlichen Interesse, soweit Polizeigüter betroffen sind. Schutz von Grundrechten Dritter meint vor allem, dass ein konkret gefährdetes Grundrecht eines Dritten im Vordergrund steht. Das trifft etwa zu, wenn Gefährdungen oder Schädigungen Dritter konkret zu befürchten sind. Der Schutz von Grundrechten Dritter bedeutet aber nicht, dass der Grundrechtsträger auch beliebig vor sich selbst geschützt werden darf. Aber auch wenn den Staat in einem konkreten Fall bei einer besonderen Gefährdung eine Schutzpflicht trifft, muss er vor allem im Fall einer Grundrechtskollision gegenseitige Interessen abwägen, so beispielsweise bei der Frage nach dem Kindswohl. Einen zusätzlichen Gehalt hat der Schutz von Grundrechten Dritter demnach nur dann, wenn mit diesen Grundrechten nicht gleichzeitig ein öffentliches Interesse (z.B. ein Polizeigut) angerufen wird (Schweizer, a.a.O., Art. 36 N 35).

bb) Zu prüfen ist, ob ein öffentliches Interesse oder der Schutz von Grundrechten Dritter eine Einschränkung der Grundrechte des Beschwerdeführers rechtfertigt. Dieser macht geltend, die Einschränkung seiner Grundrechte sei weder durch das Vorliegen eines öffentlichen Interesses noch durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt gewesen. Er habe nämlich in den vergangenen 46 Jahren an den meisten «antikapitalistischen» Kundgebungen im Kanton Zug teilgenommen und könne sich nicht an eine einzige erinnern, an welcher es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen wäre. Vor diesem Hintergrund müsse die polizeiliche Einstufung (hohes Aggressions-, Konflikt- und Schadenpotential) der Kundgebung vom 23. Januar 2016 angezweifelt werden.

Bei der Einschätzung der potentiellen Gefährlichkeit der Veranstaltung sind die zahlreichen Erfahrungen anderer Schweizer Ortschaften bezüglich Anti-WEF-Demonstrationen mit regelmässigem Aufeinandertreffen extremistischer Gruppierungen, welche in schwere Auseinandersetzungen mit teilweise erheblichen Sach- und Personenschäden mündeten, zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang räumte auch der Beschwerdeführer ein, dass die meisten Demonstrierenden von «auswärts zugereist» seien, sodass sich eine Berücksichtigung der Erfahrungen anderer Schweizer Städte mit Anti-WEF-Demonstrationen umso mehr aufdrängt. Angesichts des vorliegend nicht unerheblichen Gewaltpotenzials derartiger Veranstaltungen bestand daher sowohl für Beteiligte als auch für Nichtbeteiligte bzw. bloss anwesende Personen eine ernstzunehmende Verletzungsgefahr. An der Kundgebung vom 23. Januar 2016 wurden nach den Angaben der Polizei einige vermummte Demonstranten und vereinzelte gefährliche Gegenstände angetroffen sowie linksextremistische Führungspersonen identifiziert (vgl. Stellungnahme der Zuger Polizei vom 20. Juni 2016, S. 3). Sowohl der Beschwerdeführer als auch die Polizei erwähnten zudem eine Gruppe junger Männer, die aufgrund ihres szeneüblichen Verhaltens (Zwischenrufe, Äusserungen, Kleidung und Haarschnitt etc.) eher einer rechtsextremen Gruppierung zuzuordnen seien. Aus diesem Grund musste die Polizei mit einer gewalttätigen Konfrontation zwischen den jugendlichen Rechtsextremen und den linken Demonstranten rechnen. Es drohte die unmittelbare Gefahr einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen den beiden Gruppierungen. Ein Zuwarten, bis es zu ersten Personen- oder Sachschäden kommt, war seitens der Polizeikräfte nicht angezeigt. Die Polizei strebte mit ihrem Vorgehen gegenüber den Demonstranten wie auch gegenüber dem Beschwerdeführer die Auflösung einer unbewilligten Demonstration mit nicht unerheblichem Gewaltpotential und die Verhinderung von deren Neuformierung im Sinne der öffentlichen Sicherheit und Ordnung an. Hinweise darauf, dass vom Beschwerdeführer als aktiv handelnder Person eine ernsthafte und unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgegangen ist, sind nicht ersichtlich. Allerdings ist auch durch die blosse Präsenz in einer bestimmten Ansammlung von Menschen, von denen eine entsprechende Gefahr ausgeht, und der darin liegenden Unterstützung bzw. des Mittragens ihres jeweiligen Verhaltens und Vorgehens eine solche Gefahr zu erblicken (vgl. dazu der oben erwähnte BGE 142 I 121, 125, Erw. 3.3.1). Der Beschwerdeführer befand sich am 23. Januar 2016 auf dem Bundesplatz in der Stadt Zug und damit im Zentrum einer Menschenmenge von Demonstranten, deren Zusammensetzung die Zuger Polizei aufgrund der genannten Umstände als risikobehaftet einstufte. Somit ging auch von ihm im Hinblick auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung eine Störgefahr im Sinne von § 16 Abs. 1 lit. b PolG aus. Durch seine Präsenz auf dem Bundesplatz und seine manifestierte Weigerung, sich vom Demonstrationszug zu distanzieren, behinderte der Beschwerdeführer den Einsatz der Polizei zwecks Auflösung der unbewilligten Demonstration, sodass auch § 16 Abs. 1 lit. d PolG erfüllt ist. Schliesslich vermag er aus dem Umstand, dass die Demonstration vom 23. Januar 2016 grundsätzlich friedlich verlaufen ist, nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. Es ist nämlich zu beachten, dass die Stimmung jederzeit umschlagen und in massive Auseinandersetzungen hätte münden können. Das Risiko für Auseinandersetzungen war hierbei nicht bloss theoretischer Natur und es bestand Grund zur Annahme bevorstehender Gewalttätigkeiten oder anderer erheblicher Rechtsbrüche. Vor dem Hintergrund der zahlreichen Erfahrungen bezüglich Anti-WEF-Demonstrationen in anderen Schweizer Ortschaften mit regelmässigem Aufeinandertreffen extremistischer Gruppierungen, welche in schwere Auseinandersetzungen mit Sach- und Personenschäden mündeten, ging die Zuger Polizei zu Recht von einer erhöhten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und die individuelle Unversehrtheit der anwesenden Personen in der Stadt Zug aus. Sowohl das Vorliegen eines öffentlichen Interesse als auch die Notwendigkeit des Schutzes von Grundrechten Dritter im Sinne von Art. 36 Abs. 2 BV ist daher zu bejahen.

c) Es bleibt zu prüfen, ob die Wegweisung/Fernhaltung unter den gegebenen Umständen verhältnismässig gewesen ist (vgl. Art. 36 Abs. 3 und 4 BV).

aa) Ein Grundrechtseingriff lässt sich nur rechtfertigen, wenn er verhältnismässig ist. Dieses Kriterium misst sich am Verhältnis des Grundrechtseingriffs zum Zweck der Regelung, der dem öffentlichen Interesse bzw. dem Schutz der Grundrechte Dritter dienen muss. Dabei müssen drei Aspekte der Verhältnismässigkeit kumulativ erfüllt sein: Die Eignung, die Erforderlichkeit und die Verhältnismässigkeit von Eingriffszweck und Eingriffswirkung (Zumutbarkeit; statt vieler: BGE 124 I 107 Erw. 4c). Im jeweiligen konkreten Einzelfall ist zu prüfen, ob der infrage stehende Eingriff in das betreffende Grundrecht überhaupt notwendig und gerechtfertigt ist (Schweizer, a.a.O., Art. 36 N 37). Geeignet ist eine staatliche Handlung dann, wenn durch sie das öffentliche Interesse auch tatsächlich wahrgenommen werden kann, sprich: Wenn der im öffentlichen Interesse verfolgte Zweck erreicht werden kann (Schweizer, a.a.O., Art. 36 N 38). Gibt es mehrere gleich geeignete Massnahmen, mit welchen der verfolgte Zweck erreicht werden kann, ist eine Massnahme aber in ihren Eingriffswirkungen milder bzw. weniger schwer, so verlangt das Element der Erforderlichkeit, dass auf schwerer wiegende Massnahmen verzichtet wird (BGE 140 I 2 Erw. 9.2.2). Der Eingriff darf also im konkreten Fall in sachlicher, räumlicher, zeitlicher und personeller Beziehung nicht über das, was unerlässlich ist, hinausgehen (Urteil des Bundesgerichts vom 15. April 2013, 1B_277/2013, Erw. 4.3.3). Der Eingriff soll sich namentlich primär gegen die verantwortlichen Störer richten (Schweizer, a.a.O., Art. 36 N 39). Schliesslich muss sich der Eingriffszweck im Verhältnis zur Eingriffswirkung im konkreten Fall bewähren (Zumutbarkeit eines Grundrechtseingriffs). Es ist zu prüfen, ob das gesteckte Ziel in einem vernünftigen Verhältnis zu der zu seiner Erlangung notwendigen Freiheitsbeschränkung steht. Dazu sind namentlich die Interessen des Gemeinwesens am Eingriff gegen die entgegenstehenden spezifischen Interessen der betroffenen Grundrechtsträgerinnen und -träger abzuwägen (Schweizer, a.a.O., Art. 36 N 40).

bb) Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismässigkeit der angeordneten Massnahme ist darauf hinzuweisen, dass Wegweisungen/Fernhaltungen bzw. Rayonverbote ein geeignetes Mittel zur Verhinderung der Fortsetzung des Demonstrationszugs oder einer Nachdemonstration sind, um insbesondere damit verbundenen Eskalationen mit Konfrontationen und Sachbeschädigungen vorzubeugen. Sie können auch als erforderlich gelten, zumal nicht ersichtlich ist, inwiefern die Polizei insoweit ebenso geeignete, aber weniger stark in die Grundrechte des Beschwerdeführers eingreifende Massnahmen hätte ergreifen können.

Unbeteiligte hatten nämlich mehrmals die Gelegenheit erhalten, den Bundesplatz ungehindert zu verlassen. Hätte die Polizei es hingegen zugelassen, dass auch potenzielle Demonstrationsteilnehmer unmittelbar nach ihrer Umstellung den Bundesplatz rasch verlassen könnten, hätte sie nicht ausschliessen können, dass diese sich kurz darauf an einem anderen Ort an einer möglicherweise mit gewalttätigen Ausschreitungen verbundenen, unbewilligten Demonstration beteiligten. Auch wenn die polizeiliche Wegweisung und Fernhaltung den Beschwerdeführer eingeschränkt hat, ist zu beachten, dass den gewichtigen privaten Interessen des Beschwerdeführers, sich frei zu bewegen, sich mit andern Personen versammeln und seine Meinung ungehindert äussern zu können, sehr erhebliche öffentliche Interessen entgegen gestanden sind. Die Erfahrungen vergangener Jahre mit Anti-WEF-Demonstrationen hatten gezeigt, dass es regelmässig zu schweren Ausschreitungen kam, die nicht nur bedeutende Sachbeschädigungen zur Folge hatten, sondern auch mit Verletzungen bei Demonstranten, Einsatzkräften und unbeteiligten Personen einhergingen. Aufgrund ihrer Einschätzung der aktuellen Situation mussten die Einsatzkräfte damit rechnen, dass die unbewilligte Demonstration möglicherweise mit schweren Ausschreitungen verbunden sein könnte, weshalb das öffentliche Interesse an der Festhaltung des Beschwerdeführers und weiterer potenzieller Demonstrationsteilnehmer gross war. Unter den gegebenen Umständen sprachen daher gewichtige öffentliche Interessen dafür, den Beschwerdeführer und weitere potenzielle Demonstrationsteilnehmer sicherheitspolizeilich zu überprüfen. Hinsichtlich der Zumutbarkeit der angefochtenen Verfügung ist im Weiteren zu betonen, dass sich die Wegweisung und Fernhaltung auf das Territorium der Stadt Zug beschränkt und lediglich 24 Stunden gedauert hat, nämlich vom Samstagnachmittag, 23. Januar 2016, 17.00 Uhr, bis Sonntagnachmittag, 24. Januar 2016, 17.00 Uhr. Der Beschwerdeführer macht zudem nicht geltend, dass er in diesem Zeitraum einer dringenden Tätigkeit auf dem Stadtzuger Gemeindegebiet hätte nachgehen bzw. sich anderweitig notwendigerweise dort hätte aufhalten müssen. Er musste weder einen dringenden Arzttermin wahrnehmen noch einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder dringende und nur in Zug mögliche Einkäufe tätigen. Es handelte sich zudem um ein Wochenende bzw. um eine Zeitspanne, in der die meisten Läden ohnehin geschlossen waren. Im Einklang mit der Zuger Polizei ist hierbei hervorzuheben, dass die gesetzlich mögliche Maximaldauer von 72 Stunden nur zu einem Drittel ausgeschöpft worden ist. Eine Fernhaltung für die Dauer von 24 Stunden erscheint vorliegend anhand der für eine bestimmte Zeit drohenden Gefahr erneuter Zusammenrottung von Demonstranten und der damit verbundenen latenten Gefahr von Ausschreitungen zweckmässig. Die Verhältnismässigkeit von Eingriffszweck und Eingriffswirkung (Zumutbarkeit) ist daher zu bejahen. Mangels Vorliegens eines milderen und gleichzeitig gleichwertigen Mittels ist ein Missverhältnis zwischen dem zu wahrenden gewichtigen öffentlichen Interesse hinsichtlich öffentlicher Sicherheit und Ordnung und der konkreten Freiheitsbeschränkung des Beschwerdeführers zu verneinen. Eine Abwägung der sich entgegenstehenden privaten und öffentlichen Interessen ergibt, dass dem Beschwerdeführer unter den konkreten Umständen die Wegweisung und Fernhaltung zumutbar gewesen ist. Die angefochtene Verfügung ist damit als notwendig und verhältnismässig zu erachten und greift nicht in den Kerngehalt der Grundrechte des Beschwerdeführers ein.

d) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Zuger Polizei im Rahmen ihrer Anordnung zur Wegweisung und Fernhaltung des Beschwerdeführers anlässlich der unbewilligten Anti-WEF-Demonstration vom 23. Januar 2016 weder das Polizeigesetz falsch angewendet noch ungerechtfertigt in die verfassungsmässigen Grundrechte des Beschwerdeführers eingegriffen hat. Aufgrund seines Verhaltens wurde er korrekterweise als Beteiligter des Demonstrationszuges angesehen und in Berücksichtigung der konkreten Umstände erweist sich das von der Zuger Polizei gegenüber dem Beschwerdeführer für 24 Stunden für das Gebiet der Stadt Zug ausgesprochene Rayonverbot als gesetzmässig und im öffentlichen Interesse liegend. Schliesslich vermag die angefochtene Verfügung auch der Verhältnismässigkeitsprüfung gemäss Art. 36 Abs. 3 BV standzuhalten und ein Eingriff in den Kernbereich der Grundrechte im Sinne von Art. 36 Abs. 4 BV ist nicht ersichtlich. Abschliessend erweist sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet und ist abzuweisen.

(...)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 24. Oktober 2017, V 2017 6
Das Urteil ist rechtskräftig.

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