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Art. 16 Abs. 2 BV, Art. 34 Abs. 2 BV und Art. 8 Abs. 1 BV, § 22 GSW, § 13 Abs. 1 Reklamereglement Stadt Zug

Regeste:

Art. 16 Abs. 2 i.V.m. Art. 34 Abs. 2 – Für die Ausübung von Freiheitsrechten besteht ein bedingter Anspruch auf Bewilligung von gesteigertem Gemeingebrauch des öffentlichen Grundes (Erw. 3 c/aa – 3 c/bb).

§ 22 GSW und § 13 Abs. 1 Reklamereglement Stadt Zug – Rechtsetzende Erlasse müssen publiziert werden. Dies gilt auch für die im Reklamereglement der Stadt Zug verlangten vom Stadtrat zu erlassenden Richtlinien für politische Werbung (Erw. 3 c/dd – 3 c/ff).

Art. 8 Abs. 1 BV – Keine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots, wenn die Plakatierung allen offen steht, welche die einschränkenden Voraussetzungen nach Massgabe der Art des Urnengangs erfüllen. Plakatierungspraxis des Stadtrates in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden (Erw. 4).

Aus dem Sachverhalt:

Die Partei X reichte am 6. September 2016 bei der Stadt Zug ein Gesuch mit dem Antrag ein, zur Volksabstimmung vom 25. September 2016 über das Nachrichtendienstgesetz an zehn Standorten in der Stadt Zug je einen Plakatständer mit maximal zwei Plakaten im Format F4 für die Zeitspanne vom 10. September bis zum 28. September 2016 aufstellen zu dürfen. Mit Stadtratsbeschluss vom 13. September 2016 wurde das Gesuch abgewiesen. Nachdem die Partei dagegen erfolglos Beschwerde vor Regierungsrat führte, erhob sie am 9. April 2017 Verwaltungsgerichtsgerichtsbeschwerde und beantragte die Aufhebung des Regierungsratsbeschlusses vom 7. März 2017 sowie die Feststellung, dass die Verweigerung der Plakatierungsbewilligung durch den Stadtrat der Stadt Zug anlässlich der Volksabstimmung vom 25. September 2016 über das Nachrichtendienstgesetz rechtswidrig war.

Das Verwaltungsgericht erwägt:

(...)

3. a) Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass zur Ausübung politischer Rechte ein bedingter Anspruch auf Bewilligung des gesteigerten Gemeingebrauchs nach Art. 34 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101) i.V.m. Art. 16 Abs. 2 BV bestehe. Sie habe den Stadtrat Zug darum ersucht, anlässlich einer nationalen Referendumsabstimmung auf bestimmten Plätzen in der Stadt mit Plakaten für ihren Standpunkt werben zu können. Mit der Abweisung dieses Gesuchs habe der Stadtrat Zug ihre verfassungsmässigen Rechte verletzt.

b/aa) Der Stadtrat Zug hat das strittige Gesuch der Beschwerdeführerin mit der Begründung abgelehnt, die Stadt stelle bei Wahlen und Abstimmungen an rund zehn verschiedenen Standorten die kostenlose Plakatierung auf mobilen Plakatständern auf öffentlichem Grund zur Verfügung. Auch könne auf verschiedenen Werbeflächen der APG kostenlos plakatiert werden. Verschiedentlich habe er aber entschieden, dass das Angebot der kostenlosen Plakatierung in erster Linie für kommunale Abstimmungen und Wahlen sowie für kantonale und gesamtschweizerische Gesamterneuerungswahlen vorgesehen sei.

b/bb) Der Stadtrat Zug beruft sich in seinen Eingaben im vorinstanzlichen Verfahren auf eine langjährige Praxis, die dazu diene, eine Gleichbehandlung der politischen Akteure sicherzustellen. Gemäss dieser Praxis werde die politische Plakatierung nur an zehn Standorten bewilligt (...). Zusammengefasst sehe die Praxis wie folgt aus (...):

  • Gesamterneuerungswahlen («Supersunday», alle vier Jahre)
    Handhabung: An den zehn Standorten werden je 24 Plakatflächen zur Verfügung gestellt. Die Plakatflächen werden den Parteien anteilmässig zur Verfügung gestellt. Die Plakatständer werden von der Stadt beklebt und aufgestellt. Freie Plakatierung auf privatem Grund und entlang der Kantonsstrassen.
  • Städtische Abstimmung oder Ergänzungswahl
    Handhabung: An den zehn Standorten werden pro Abstimmungs- bzw. Wahlgegenstand zwei bis vier Plakatflächen zur Verfügung gestellt. Die Plakatständer werden von der Stadt beklebt und aufgestellt. Freie Plakatierung auf privatem Grund und entlang der Kantonsstrassen.
  • Eidgenössische oder kantonale Urnenabstimmungen (sofern keine städtischen Abstimmungen oder Ergänzungswahlen anstehen)
    Handhabung: Die zehn Standorte werden den kantonalen Parteien zur Plakatierung zur Verfügung gestellt. Die Plakatständer müssen jedoch von den Parteien gestellt, beklebt und aufgestellt werden. Freie Plakatierung auf privatem Grund und entlang der Kantonsstrassen.

b/cc) In einem Schreiben des Stadtrats an alle «städtischen Parteien», welches auf eine Stadtratssitzung vom 8. Juli 2016 Bezug nimmt, orientiert der Stadtpräsident über die Plakatierung im Hinblick auf die hier streitbetroffene städtische Urnenabstimmung vom 25. September 2016 (...). Demzufolge würden dem Pro- und dem Contra-Komitee vom 29. August bis und mit 25. September 2016 je 10 F4-Plakatständer mit jeweils zwei F4-Plakaten an zehn Standorten in der Stadt zur Verfügung gestellt. Es würden auf dem öffentlichen Grund keine zusätzlichen Plakate bewilligt. Für die kostenlose Plakatierung auf Werbeflächen der APG stünden den politischen Parteien, Gruppierungen oder Aktionskomitees in der gleichen Zeit je 59 Flächen für F4-Plakate zur Verfügung. Ein Kontingent bestehe aus maximal 20 F4-Flächen. Die Parteien könnten Kontingente nach Bedarf auch für die kantonalen Ergänzungswahlen beanspruchen. Die Plakate seien mit dem Vermerk «Kommunale Abstimmung der Stadt Zug vom 25. September 2016» sowie dem Namen der Partei/des Komitees, der APG zuzustellen. Auf den ordentlichen Plakatstellen könne jedes Komitee unbeschränkt politische Plakate für Abstimmungen und Wahlen stellen. Der Aushang erfolge über die APG gemäss deren Verkaufsbedingungen. Politische Parteien, Gruppierungen oder Aktionskomitees könnten politische Plakate frühestens sechs Wochen vor dem Abstimmungssonntag grundsätzlich auch auf privatem Grund innerhalb der Bauzone in der Stadt Zug und ausserorts entlang der Kantonsstrassen stellen. Dabei dürften die Plakate innerhalb der Bauzone nicht im Bereich von Kreuzungen, Strasseneinmündungen sowie in privaten Ein- und Ausfahrten stehen und sie müssten den Durchgang für Fussgänger gewährleisten. Entlang der Kantonsstrassen seien die Plakate auf privatem Grund zu verankern. Sie dürften das Landschafts- und Ortsbild nicht zu stark stören und sie müssten den Bestimmungen des Strassenverkehrsrechts entsprechen.

b/dd) Der Stadtrat leistet mit seinem Angebot der kostenlosen politischen Plakatierung auf mobilen Ständern und Plakatflächen der APG einen wichtigen und sehr begrüssenswerten Beitrag zur politischen Willensbildung im Vorfeld von Abstimmungen und Wahlen. Es ist indessen nicht zu übersehen, dass der Stadtrat unter Berufung auf dieses Angebot, in ganz bestimmten Konstellationen, nämlich immer dann, wenn über eine kommunale Abstimmungsvorlage zu befinden ist, gewisse Gruppierungen daran hindert, den öffentlichen Grund in der Stadt zu beanspruchen, welche darauf ebenfalls politische Plakatwerbung betreiben wollen. Dies war beispielsweise auch im Vorfeld der Abstimmung vom 25. September 2016 der Fall. Anhand der vom Stadtrat Zug vor der Vorinstanz dargelegten Praxis ist dies auf den ersten Blick zwar nicht ersichtlich. Doch aus dem Schreiben, welches der Stadtrat an alle städtische Parteien richtete, geht hervor, dass nur Parteien und Gruppierungen, welche sich im Rahmen der städtischen Urnenabstimmungen engagierten, gratis Plakatständer erhielten und kostenlos auf APG-Werbeflächen plakatieren konnten, ferner dass auf öffentlichem Grund keine weiteren Plakatständer bewilligt wurden und dass politische Akteure zwar ausserorts entlang der Kantonsstrassen frei plakatieren durften, dass solche Plakate aber im privaten Grund verankert werden mussten. Damit konnten Gruppierungen, die im Vorfeld des Abstimmungswochenendes vom 25. September 2016 in einer eidgenössischen Sachabstimmung auf Plakaten für ihren Standpunkt werben wollten, den öffentlichen Grund in der Stadt Zug nicht beanspruchen. Es ist zu prüfen, ob der Stadtrat von Zug diese Gruppierungen tatsächlich daran hindern durfte.

c/aa) Das Bundesgericht hat sich in BGE 135 I 302 E. 3.2 zur Problematik der Bewilligungspflicht für eine intensivere Nutzung des öffentlichen Grundes wie folgt geäussert: «Nach Rechtsprechung und Lehre gehören zum schlichten Gemeingebrauch die Nutzungen öffentlicher Sachen und all jene Tätigkeiten auf öffentlichem Grund, die entsprechend der breit umschriebenen und weit verstandenen Widmung der Allgemeinheit voraussetzungslos offen stehen. Merkmal des schlichten Gemeingebrauchs – und zugleich wesentliches Kriterium der Abgrenzung zum gesteigerten Gemeingebrauch – bildet die Gemeinverträglichkeit. Eine Nutzung wird als gemeinverträglich betrachtet, wenn sie von allen interessierten Bürgern gleichermassen ausgeübt werden kann, ohne dass andere an der entsprechenden Nutzung übermässig behindert werden. Wesentlich ist, dass im fraglichen Bereich gesamthaft eine gleichartige Benutzung durch alle Interessierten praktisch möglich ist (BGE 122 I 279 E. 2e/cc S. 286 mit Hinweisen). Die Grenze des einfachen Gemeingebrauchs wird indes überschritten, wenn eine Nutzung ihrer Natur oder Intensität nach den Rahmen des Üblichen übersteigt, nicht mehr der bestimmungsgemässen Verwendung entspricht, den rechtmässigen Gebrauch durch andere Benützer beeinträchtigt und somit nicht mehr gemeinverträglich ist. Für die Abgrenzung im Einzelnen ist auf die konkreten örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten sowie die Art und das Ausmass der üblichen Benützung abzustellen (BGE 126 I 133 E. 4c S. 139; BGE 105 Ia 91 E. 2 S. 93; je mit Hinweisen; ... ). Gesteigerter Gemeingebrauch unterliegt im Allgemeinen einer Bewilligungspflicht, welche nicht so sehr dem Schutz von Polizeigütern als vielmehr der Koordination und Prioritätensetzung zwischen verschiedenen Nutzungen des öffentlichen Raums dient (BGE 127 I 164 E. 3b S. 169; BGE 126 I 133 E. 4d S. 139; je mit Hinweisen). Nach der unter der alten Bundesverfassung ergangenen Rechtsprechung durfte gesteigerter Gemeingebrauch auch ohne gesetzliche Grundlage von einer Bewilligung abhängig gemacht werden (vgl. BGE 121 I 279 E. 2b S. 283; BGE 105 Ia 91 E. 2 S. 93; je mit Hinweisen). Unter der neuen Bundesverfassung wird von der Lehre eine gesetzliche Grundlage für eine Bewilligungspflicht gefordert.»

c/bb) Zum bedingten Anspruch auf Bewilligung von gesteigerten Gemeingebrauch erwog das höchste Gericht in BGE 138 I 274 E. 2.2.2: «Meinungsäusserungen verlangen vielfach die Benützung öffentlicher Sachen. Sofern die in Frage stehende Grundrechtsausübung nicht eine über den allgemeinen Zweck hinausgehende Nutzung der öffentlichen Sache darstellt, besteht ein unbedingter Anspruch auf Nutzung der öffentlichen Sache und diese ist – unter Vorbehalt von gesetzlich vorgesehenen, im öffentlichen Interesse liegenden und verhältnismässigen Einschränkungen (Art. 36 BV) – zulässig (vgl. etwa BGE 135 I 302 E. 3.2 f. S. 307 ff.; ...). Handelt es sich dagegen um eine intensivere Nutzung, so hat das Bundesgericht zunächst bei Sachen in Gemeingebrauch festgehalten, dass ein bedingter Anspruch auf Bewilligung von gesteigertem Gemeingebrauch besteht, wenn er für die Ausübung von Freiheitsrechten auf öffentlichem Grund erforderlich ist (vgl. BGE 135 I 302 E. 3.2 S. 308; 132 I 256 E. 3 S. 259; 1P.336/2005 vom 20. September 2005 E. 5; siehe auch BGE 127 I 84 E. 4b S. 88). Der Anspruch ist nur bedingt: Bedingt zum einen, weil grundsätzlich kein Anspruch besteht, dass der Staat positiv (neue) Einrichtungen schafft, um die Freiheitsrechtsausübung zu ermöglichen (...). Der bedingte Anspruch bezieht sich somit jeweils nur auf die Nutzung bestehender öffentlicher Sachen in engerem Sinn oder bestehender Infrastruktur (zu öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch: BGE 127 I 164 E. 5/b/bb S. 179; siehe auch BGE 122 I 279 E. 2c S. 284; zum Verwaltungsvermögen: Urteil 1P.304/1990 vom 18. Februar 1991 E. 3, in: ZBl 1992, S. 40 ff. in Verbindung mit nicht publiziertem Urteil P.170/1978 vom 19. März 1980 E. 3). Daneben besteht kein Recht, den öffentlichen Grund an einem beliebigen Ort, zu einem beliebigen Zeitpunkt und in einer beliebigen Weise zu benützen (vgl. BGE 127 I 164 E. 3c S. 171 m.H.); ausschlaggebend sind genügende Kapazitäten.»

c/cc) Öffentliche Plätze dienen in erster Linie dazu, dass sich Personen darauf aufhalten und diese zu Fuss queren können. Werden auf Plätzen im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen während mehrerer Wochen Plakatständer aufgestellt, so geht diese Nutzung über den schlichten Gemeingebrauch hinaus und es liegt gesteigerter Gemeingebrauch vor. Ein Plakatständer nimmt einen gewissen Raum in ausschliesslicher Weise in Anspruch. Der zur Verfügung stehende öffentliche Raum ist beschränkt, und es können auf einem Platz nicht in beliebiger Anzahl Plakatständer aufgestellt werden. Ungeregeltes Aufstellen von Plakatständern auf einem öffentlichen Platz könnte zudem andere legitime Benutzungsarten beeinträchtigen. Der Regelungsbedarf der Behörden für das Aufstellen von Plakaten auf Plätzen im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen ist damit ausgewiesen (vgl. BGE 105 Ia 91 E. 2, in dem das Bundesgericht das Aufstellen eines Informationsstands eines politischen Aktionskomitees an fünf Samstagen auf einem Platz als gesteigerten Gemeingebrauch taxierte.).

c/dd) Das kantonale Gesetz über Strasse und Wege vom 30. Mai 1996 (GSW, BGS 751.14) regelt in grundsätzlicher Weise, dass im Kanton Zug jede über den Gemeingebrauch hinausgehende Benutzung einer Strasse oder eines Weges bewilligungspflichtig ist (§ 22 Abs. 1 GSW). Die Stadt Zug hat für die Werbung im öffentlichen Raum, wozu das Aufstellen von Plakaten auf öffentlichen Plätzen gehört, mit dem Reglement für Aussenwerbung vom 22. November 2011 (Reklamereglement, Nr. 406) eine spezielle Rechtsgrundlage geschaffen. Das Reglement wurde vom Grossen Gemeinderat erlassen und unterstand gemäss § 8 Abs. 1 lit. a der Gemeindeordnung der Stadt Zug vom 1. Februar 2005 (GO Zug, Nr. 101) der fakultativen Volksabstimmung. Beim Reklamereglement handelt es sich somit um eine Norm auf Gesetzesstufe bzw. um ein formelles Gesetz. Gemäss § 1 Abs. 1 Reklamereglement umschreibt es die Bewilligungspflicht von Werbeträgern. Ferner regelt es das Bewilligungsverfahren für Werbeträger, deren Zulässigkeit, Gestaltung und Unterhalt. Es dient gemäss Abs. 2 dem Vollzug der planungsrechtlichen und baupolizeilichen Vorschriften, der Verkehrssicherheit, dem Schutz des Orts- und Landschaftsbilds, dem Schutz von Kultur- und Naturdenkmälern sowie dem Schutz von Aussichtspunkten. Paragraph 2 Reklamereglement statuiert sodann, dass es für alle Reklameeinrichtungen auf dem Gebiet der Stadt Zug gilt (Abs. 1). Es gilt auch für temporäre und mobile Werbung und Werbeträger (Abs. 2). Plakatstellen gelten als Werbung im Sinne des Reglements (§ 3 Abs. 2 Reklamereglement). Paragraph 13 Abs. 1 Reklamereglement behandelt sodann die politische Werbung. Demzufolge erlässt der Stadtrat für politische Werbung, wie für Wahlen und Abstimmungen, eigene Richtlinien. Bei letztgenannter Bestimmung handelt es sich um eine Delegationsnorm. Der Stadtrat Zug wird darin vom Gesetzgeber beauftragt, generell-abstrakte Regelungen für politische Werbung im öffentlichen Raum aufzustellen, die auf verschiedene Einzelfälle anzuwenden sind. Rechtsdogmatisch gesehen handelt es sich bei diesen vom Stadtrat zu erlassenden Richtlinien um eine Verordnung. Eine Verordnung ist nämlich dadurch charakterisiert, dass sie Rechtsnormen enthält, die einer anderen Form als derjenigen der Verfassung oder des Gesetzes ergangen sind, d.h. auf einer Stufe unterhalb des Gesetzes stehen (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. A., Zürich / St. Gallen 2016, N 69). Lehre und Praxis unterscheiden verschiedene Arten von Verordnungen. Es stellt sich im vorliegenden Fall insbesondere die Frage, ob es sich bei der zu erlassenden Verordnung um eine Rechts- oder um eine Verwaltungsverordnung handelt. Während Verwaltungsverordnungen generelle Dienstanweisungen einer Behörde an ihre untergeordneten Behörden sind, enthalten Rechtsverordnungen Rechtsnormen, die dem Einzelnen Rechte einräumen oder Pflichten auferlegen. Sie richten sich in der Regel an die Allgemeinheit (Häfelin Müller/Uhlmann, a.a.O., N 77 ff.). Im konkreten Fall fordert der Stadtzuger Gesetzgeber in § 13 Abs. 1 Reklamereglement den Stadtrat auf, Regeln für die politische Werbung zu erlassen. Aufgrund dieses Wortlauts wird klar, dass sich die Regeln nicht an dem Stadtrat unterstellte Behörden richten, sondern dass diese Regeln Aussenwirkung haben sollen. Insbesondere richten sie sich an politische Akteure (Parteien, Gruppierungen, Aktionskomitees, Einzelpersonen usw.), welche den öffentlichen Grund in der Stadt Zug benutzen wollen, um darauf für ihre Anliegen zu werben. Es handelt sich bei der zu erlassenden Verordnung somit um eine Rechtsverordnung und nicht um eine Verwaltungsverordnung.

c/ee) Aus rechtsstaatlichen Gründen, insbesondere im Hinblick auf die Rechtssicherheit, gilt der Grundsatz, dass rechtssetzende Erlasse erst nach ihrer Publikation in der Gesetzessammlung für die Privaten verbindlich werden (BGE 125 I 182 E. 2 b/cc, mit weiteren Verweisen; Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 260). Dieser Grundsatz gilt auch für Rechtsverordnungen (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 79). Der Stadtrat Zug geht offenbar ebenfalls davon aus, dass nicht nur Beschlüsse des Grossen Gemeinderats, sondern auch solche, die er fasst und die allgemeinverbindlich sind, in der Amtlichen Sammlung der Ratsbeschlüsse der Stadt aufzunehmen und damit der Allgemeinheit zur Kenntnis zu bringen sind (vgl. Ziff. 1 lit. b Stadtratsbeschluss 43.15 vom 20. Januar 2015 betreffend die Aufnahme der Ratsbeschlüsse vom Zeitraum 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2014).

c/ff) Richtlinien zur politischen Werbung bzw. eine entsprechende Rechtsverordnung hat der Stadtrat Zug indessen offensichtlich nicht erlassen. Wäre es anders, hätte der Stadtrat Zug diese wohl zu den Akten gereicht oder zumindest darauf verwiesen. Auch auf der Website der Stadt Zug sind keine Richtlinien bzw. ist keine Verordnung zur politischen Werbung aufgeschaltet. Die Plakatierungspraxis, auf die sich der Stadtrat in diesem Verfahren beruft, ist kein adäquater Ersatz für die fehlende Rechtsgrundlage. Die Praxis ist der Allgemeinheit nämlich nicht bekannt, wodurch es den davon betroffenen politischen Akteuren nicht möglich ist, sich danach zu richten. Das Schreiben, welches der Stadtrat von Zug im Vorfeld des Abstimmungswochenendes vom 25. September 2016 an politische Gruppierungen verschickt hat, kommt als Ersatz für die fehlende Rechtsverordnung aufgrund des eingeschränkten Adressatenkreises (städtische Parteien) erst recht nicht in Frage. Ausserdem war das Schreiben nicht geeignet, den angeschriebenen Gruppierungen Rechtssicherheit zu verschaffen, da diese aufgrund der nicht vorhandenen Rechtsverordnung nicht überprüfen konnten, ob der Stadtrat seine Praxis im Einzelfall rechtsgleich handhaben würde oder nicht. Auch eine gerichtliche Überprüfung ist damit nicht möglich. Der Stadtrat Zug hat das Gesuch der Beschwerdeführerin vom 6. September 2016 am 13. September 2016 abgewiesen, ohne dafür über eine genügende Rechtsgrundlage zu verfügen, und obwohl er verpflichtet war, eine entsprechende Rechtsgrundlage zu schaffen. Der Stadtrat hat hier umgehend seiner gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen.

d) Der Regierungsrat hat im angefochtenen Entscheid die fehlende Rechtsgrundlage für die Bewilligung von Plakatständern auf öffentlichen Plätzen in der Stadt Zug für politische Werbung nicht festgestellt und gerügt. Damit hat der Regierungsrat es unterlassen, auf den Fall das richtige Recht anzuwenden, was eine Rechtsverletzung darstellt.

4. Fehlt es für die angefochtene Verfügung der Stadt an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage, stellt sich trotzdem die Frage, wie die Verfügung auf die erhobene Beschwerde hin zu beurteilen ist. Das Fehlen einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage kann nicht bedeuten, dass die Stadt bis zum Erlass einer solchen jedermann und jederzeit den gesteigerten Gemeingebrauch ihrer Strassen und Plätze, auch nicht für politische Meinungsäusserungen, uneingeschränkt zu gewähren hätte. Dem steht nicht nur die – an sich aber auf unvorhersehbare Notfälle beschränkte (vgl. BGE 137 II 431 E. 3.3; 136 IV 97 E. 6.3.1) – polizeiliche Generalklausel entgegen, sondern immerhin auch die kantonale Gesetzesnorm von § 22 GSW und das städtische Reklamereglement, das in der Delegationsnorm von § 13 Abs. 1 vorsieht, dass für die politische Werbung in der Stadtgemeinde Richtlinien zu erlassen sind.

Demzufolge ist in Berücksichtigung der verfassungsmässigen Rechte der Beschwerdeführerin Folgendes festzustellen: Der Stadtrat Zug setzt bei der Zurverfügungstellung des öffentlichen Grunds für die politische Plakatwerbung klare Akzente. Er will die politischen Akteure bei kommunalen Urnengängen (Sachabstimmungen und Ergänzungswahlen) und bei den alle vier Jahre stattfindenden kommunalen und kantonalen Gesamterneuerungswahlen klar bevorzugen. Diese Priorisierung gegenüber Parteien, Aktionskomitees und Personen, die sich bei nationalen oder kantonalen Urnengängen engagieren, erscheint vor dem Hintergrund der begrenzten Kapazitäten sowie dem öffentlichen Interesse an einem ungestörten Fussgängerfluss und einem möglichst harmonischen Stadtbild sachlich gerechtfertigt. Der Beschränkung des Angebots auf zehn stark frequentierte Plätze haftet nichts Willkürliches an, sondern sie ist das Resultat einer durch die Vorinstanzen nach objektiven Kriterien vorgenommenen Interessenabwägung. Die in diesem Zusammenhang vom Regierungsrat im angefochtenen Entscheid gemachten Ausführungen sind nachvollziehbar und nicht zu beanstanden (...). Eine Ermessensüberschreitung oder ein Ermessensmissbrauch durch den Regierungsrat liegt jedenfalls nicht vor. Weiter ist eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots (Art. 8 Abs. 1 BV), wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, nicht ersichtlich. Dies jedenfalls solange die Plakatierung jeweils allen offensteht, welche die einschränkenden Voraussetzungen nach Massgabe der Art des Urnengangs erfüllen. Dies heisst aber auch, dass es bei kommunalen Abstimmungen wohl nicht gerechtfertigt wäre, die Gratisangebote (Plakatieren auf zehn Plätzen und auf APG-Werbeflächen) nur einem Pro- und einem Contra-Komitee zu ermöglichen, sondern sie wären auch anderen Personen, Parteien oder Gruppierungen zugänglich zu machen, welche sich auf Plakaten im Format F4 zu einer oder mehreren kommunalen Vorlagen äussern wollen. Ähnliches liesse sich zu den kantonalen und eidgenössischen Sachabstimmungen sagen, wo es vor dem Hintergrund des Rechtsgleichheitsgebots problematisch sein dürfte, die zehn öffentlichen Plätze in der Stadt lediglich politischen Parteien für Plakatierungsaktionen zur Verfügung zu stellen. Die Regelung, dass politische Akteure bei diesen Vorlagen ihre Plakatständer selber mitbringen und bekleben müssen, hält des Weiteren vor dem Rechtsgleichheitsgebot stand, so lange sie in solchen Situationen für alle gleich gilt. Was schliesslich das städtische Angebot bei den Erneuerungswahlen betrifft, so müssten sich die Plakatierungsangebote mit Blick auf Art. 34 Abs. 2 BV an alle Personen und Gruppierungen richten, welche Wahlvorschläge eingereicht haben. Eine Beschränkung der Gratisangebote auf politische Parteien, welche bereits in den jeweiligen Parlamenten vertreten sind, würde vor der Verfassung wohl nicht standhalten. In materieller Hinsicht erweist sich somit die Abweisung des Gesuchs der Beschwerdeführerin durch den Stadtrat als rechtens, indem der Entscheid keine verfassungsmässigen Rechte der Beschwerdeführerin verletzt und verhältnismässig ist.

5. Demzufolge ergibt sich, dass in teilweiser Gutheissung der Beschwerde festzustellen ist, dass sich die angefochtenen Entscheide der Vorinstanzen nicht auf eine genügende gesetzliche Grundlage stützen können und insofern gegen Verfassungsrecht verstossen. Sie verletzen in materieller Hinsicht indessen nicht verfassungsmässige Rechte, weshalb die Beschwerde im Übrigen abzuweisen ist.

(...)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 5. Oktober 2017, V 2017 43
Das Urteil ist rechtskräftig.

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