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Art. 3 KVG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 lit. b KVV
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Art. 51 Abs. 1 AVIG i.V.m. Art. 29 AVIG und 15 Abs. 1 AVIG
Art. 95 AVIG i.V.m. Art. 25 Abs. 1 ATSG
EG Nr. 883/2004 vom 29. April 2004 i.V.m. EG Nr. 988/2009 vom 16. September 2009, Wegleitung über die Versicherungspflicht in der AHV/IV (WVP), Stand 1. April 2012, Art. 20 Abs. 3 AHVV

Art. 25 ATSG i.V.m. Art. 24 ELV

Regeste:

Art. 25 ATSG i.V.m. Art. 24 ELV – Unrechtmässig bezogenen Leistungen sind bei guten Glauben nicht zurückzuerstatten (Erw. 5). Bei nicht vorliegender Meldepflichtverletzung, kann jedoch nicht automatisch auf einen gutgläubigen Leistungsbezug geschlossen werden. Vielmehr obliegt dem gutgläubigen EL-Bezüger die Sorgfaltspflicht, zu prüfen, ob die ausgerichteten Ergänzungsleistungen nach erfolgter Meldung angepasst wurden (Erw. 7.3). In casu hätte die Beschwerdeführerin merken müssen, dass keine Anpassungsverfügung erlassen wurde, daher liegt eine grobe Verletzung der Sorgfaltspflicht vor, sodass der gutgläubige Leistungsbezug zu verneinen ist (Erw. 7.3).

Aus dem Sachverhalt:

Die Versicherte, Jahrgang 1968, geschieden, bezieht seit einiger Zeit Ergänzungsleistungen zu ihrer Invalidenrente. Mit Verfügung vom 17. Februar 2016 sprach die Ausgleichskasse Zug (AK Zug) der Versicherten mit Wirkung ab 1. März 2016 monatliche Ergänzungsleistungen in der Höhe von Fr. 908.– zu, wobei dieser Betrag mit Einspracheentscheid vom 29. März 2016 auf Fr. 1'208.– erhöht und in der Folge wiederum mehrfach angepasst wurde (Verfügungen vom 4. Juli und 23. August 2016). Nach Kenntnisnahme eines entsprechenden Einkommens ab Juli 2016 forderte die AK Zug mit Verfügung vom 27. September 2016 die in der Zeit von Juli bis September 2016 zu viel ausbezahlten Ergänzungsleistungen in der Höhe von Fr. 3'325.– zurück und setzte die Ergänzungsleistungen ab 1. September 2016 bei Fr. 0.– fest. Im Rahmen des Einspracheverfahrens entsprach die AK Zug dem Begehren betreffend Anpassung des Mietzinses für den Monat Juli 2016 und reduzierte die Rückforderung schliesslich um Fr. 438.– auf Fr. 2'887.–. Darüber erliess sie eine neue Verfügung, datierend vom 17. Februar 2017, welche unangefochten in Rechtskraft erwuchs. Am 31. März 2017 ersuchte die Versicherte um Erlass der Rückerstattungsforderung, wobei dieses Gesuch von der AK Zug mit Verfügung vom 26. April 2017 abgewiesen wurde. Die von der Versicherten am 26. Mai 2017 dagegen erhobene Einsprache wies die AK Zug mit Entscheid vom 17. August 2017 ab. Zur Begründung machte sie im Wesentlichen geltend, die Einsprecherin habe die AK Zug nicht über das höhere Erwerbseinkommen informiert und damit die Meldepflicht verletzt, weshalb es am guten Glauben fehle und die Rückforderung folglich nicht erlassen werden könne. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 18. September 2017 liess die Versicherte beantragen, der Einspracheentscheid vom 17. August 2017 sei aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, die Rückforderung im Betrag von Fr. 2'887.– zu erlassen. Mit Vernehmlassung vom 26. September 2017 beantragte die AK Zug die vollumfängliche Abweisung der Beschwerde.

Aus den Erwägungen:

(...)

5. Nach Art. 25 Abs. 1 ATSG sind unrechtmässig bezogene Leistungen zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt. Demnach darf eine Rückforderung nur unter der doppelten Voraussetzung des guten Glaubens und der grossen Härte erlassen werden. Der Rückforderungsanspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem die EL-Stelle davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Jahren nach der Errichtung der einzelnen Leistung (Art. 25 Abs. 2 ATSG).

5.1 Von einem gutgläubigen Bezug einer Sozialversicherungsleistung wird gesprochen, wenn das Bewusstsein über den unrechtmässigen Leistungsbezug fehlt, sofern dieses Fehlen nach objektiver Betrachtungsweise unter den gegebenen Umständen als entschuldbar erscheint. Rechtsunkenntnis stellt indes nicht à priori guten Glauben dar. Praxisgemäss ist zu unterscheiden zwischen dem guten Glauben als fehlendem Unrechtsbewusstsein und der Frage, ob sich jemand unter den gegebenen Umständen auf den guten Glauben berufen kann oder ob er bei zumutbarer Aufmerksamkeit den bestehenden Rechtsmangel hätte erkennen sollen (Urteil des EVG vom 10. Juli 2006, C 209/2005, Erw. 2 mit Verweis auf BGE 122 V 221 Erw. 3 und weitere Urteile). Die Frage nach dem Unrechtsbewusstsein ist eine Tatfrage, während die Frage nach der gebotenen Aufmerksamkeit als frei überprüfbare Rechtsfrage gilt. Der gute Glaube ist zu vermuten und besteht folglich insbesondere dann, wenn sich die empfangende Person keiner groben Nachlässigkeit schuldig gemacht hat. Ein nur leicht schuldhafter Verstoss gegen die Meldepflicht spricht nach der Praxis nicht gegen den guten Glauben. Daraus erhellt, dass der gute Glaube von vornherein entfällt, wenn die zu Unrecht erfolgte Leistungsausrichtung auf eine arglistige oder grobfahrlässige Melde- und Auskunftspflichtverletzung zurückzuführen ist. Anderseits kann sich der Rückerstattungspflichtige auf den guten Glauben berufen, wenn sein fehlerhaftes Verhalten nur eine leichte Fahrlässigkeit darstellt (Urteil des EVG vom 31. August 2004, C 279/2002, Erw. 3.1 mit weiteren Hinweisen). Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat in konstanter Praxis ausgeführt, grobe Fahrlässigkeit sei gegeben, wenn jemand das ausser Acht lasse, was jedem verständigen Menschen in gleicher Lage und unter gleichen Umständen als beachtlich hätte einleuchten müssen (BGE 110 V 176 Erw. 3d mit weiteren Hinweisen; vgl. auch: Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2015, N 47 ff. zu Art. 25).

(...)

7. Fakt ist, dass die Beschwerdeführerin vor Juli 2016 während einer gewissen Zeit keiner Erwerbstätigkeit nachging, weshalb für sie bei den Ergänzungsleistungen kein Erwerbseinkommen angerechnet wurde. Erstellt ist alsdann, dass sie im Juli 2016 für die Katholische Kirchgemeinde A. während fünf Tagen Reinigungsarbeiten ausgeführt und dabei ein Erwerbseinkommen von Fr. 1'249.40 erzielt hat und dass sie ab August 2016 temporär bei der B. angestellt war. Aus den Akten ergibt sich überdies, dass die AK Zug gestützt auf die veränderten Einkommensverhältnisse die Ergänzungsleistungen neu berechnete, was zu einem tieferen Ergänzungsleistungsanspruch führte und sie deshalb die zu viel bezahlten Ergänzungsleistungen im Betrag von Fr. 2'887.– zurückforderte. Das darauf folgende Erlassgesuch wies die AK Zug schliesslich mit der Begründung ab, die Versicherte sei ihrer Meldepflicht nicht nachgekommen und der gute Glaube deshalb zu verneinen. Als Erstes gilt es demnach zu prüfen, ob sich die Beschwerdeführerin einer grobfahrlässigen Meldepflichtverletzung schuldig gemacht hat.

7.1 Den Akten lässt sich zum Aspekt der Meldepflicht das Folgende entnehmen: Betreffend die Reinigungstätigkeit für die Katholische Kirchgemeinde A. liegt ein Schreiben, datierend vom 19. Juli 2016, in den Akten, mit welchem die Beschwerdeführerin die AK Zug darüber informiert hat, dass sie im Monat Juli 2016 während fünf Tagen (11. - 15. Juli 2016) in der Kirche Reinigungsarbeiten durchgeführt habe. Aus dem genannten Schreiben ergibt sich sodann, dass die Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin die gleiche Mitteilung am 19. Juli 2016 bereits telefonisch hat zukommen lassen. Das entsprechende Schreiben wurde schliesslich am 23. Juli 2016 der Post übergeben und ging am 25. Juli 2016 bei der AK Zug ein. Am 8. August 2016 teilte die Beschwerdeführerin der AK Zug sodann per E-Mail mit, dass der Lohn für ihren Putzeinsatz in der Kirche erst am 10. August 2016 überwiesen werde. Bestätigt wurde dies durch die weitergeleitete Nachricht von C., Leiterin Finanzen & Rechnungswesen der Katholischen Kirchgemeinde A. Die Lohnabrechnung der Katholischen Kirchgemeinde A. per 30. Juli 2016 datiert schliesslich vom 9. August 2016 und enthält einen Auszahlungsbetrag zu Gunsten der Beschwerdeführerin von Fr. 1'249.40. Die Lohnabrechnung ging bei der AK Zug am 12. August 2016 ein. Was das temporäre Arbeitsverhältnis bei der B. betrifft, geht aus den Akten hervor, dass die Beschwerdegegnerin die AK Zug mit bereits genanntem E-Mail vom 8. August 2016 darüber informierte, dass sie am gleichen Tag ihren Nachtwacheeinsatz im Alters- und Pflegeheim beginnen werde. Darüber hinaus liegen in den Akten die Lohnabrechnungen für die Monate August und September 2016, welche am 20. September 2016 bei der AK Zug eingingen.

7.2 Nach dem Dargelegten ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin die Beschwerdegegnerin am 19. Juli 2016 telefonisch und anschliessend auch noch schriftlich, umgehend nach dem Arbeitseinsatz und noch vor Erhalt des Lohnes, über ihre Tätigkeit bei der Katholischen Kirchgemeinde A. und damit ihre veränderte Erwerbssituation informiert hat. Auch wenn dem genannten Schreiben keine weiteren Angaben den Lohn betreffend entnommen werden können, ist die Beschwerdeführerin nach Ansicht des Gerichts damit ihrer Meldepflicht in genügendem Masse nachgekommen. Es gilt diesbezüglich nämlich zu berücksichtigen, dass an die Meldung veränderter Verhältnisse im Sinne von Art. 24 ELV keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. So wird es grundsätzlich als ausreichend betrachtet, wenn eine Änderung des Sachverhalts angezeigt wird, selbst wenn der Versicherungsträger in der Folge zusätzliche Abklärungen, z.B. das Einholen weiterer Unterlagen, in die Wege leiten muss. Als Ausfluss des im Administrativverfahrens allgemein geltenden Untersuchungsgrundsatzes wäre es vorliegend somit Sache der Beschwerdegegnerin gewesen, von Amtes wegen abzuklären, welche Konsequenzen die gemeldete Änderung auf den laufenden EL-Anspruch hat. In diesem Zusammenhang hätte die Beschwerdegegnerin ebenfalls zu prüfen gehabt, ob zusätzliche Unterlagen – von der Beschwerdeführerin oder von dritter Seite – hätten eingeholt werden müssen, um die Auswirkungen der gemeldeten Änderung schlüssig beurteilen zu können (vgl. SVR 2007 IV Nr. 24, Erw. 5; SVR 1995 EL Nr. 17, Erw. 7b). Angesichts der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin die Beschwerdegegnerin vorab telefonisch über die veränderte Erwerbssituation informiert hat, wäre nach Ansicht des Gerichts zumindest zu erwarten gewesen, dass die Beschwerdegegnerin bei der Beschwerdeführerin weitere Informationen über ihre Erwerbstätigkeit erfragt hätte. Sie hätte so leicht in Erfahrung bringen können, wieviel die Beschwerdeführerin bei dieser Erwerbstätigkeit im Juli 2016 verdient hat. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin die Beschwerdegegnerin nach Bestätigung des entsprechenden Auszahlungsbetrags von rund Fr. 1'200.– informierte und sie der Beschwerdegegnerin auch die Lohnabrechnung sofort nach Erhalt zustellte. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin kann der Beschwerdeführerin für den Monat Juli 2016 somit keine Meldepflichtverletzung vorgeworfen werden. Dass sich die Beschwerdeführerin ihrer Meldepflicht bewusst war, ergibt sich schliesslich aus dem Schreiben vom 19. Juli 2016, in welchem die Beschwerdeführerin erwähnte, sie hoffe, dass das Schreiben als gültig gelte, nicht dass sie nachher beschuldigt werde, dies nicht gemeldet zu haben. Was die Erwerbstätigkeit bei der B. betrifft, muss mit der Beschwerdegegnerin festgestellt werden, dass sich – entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin – der entsprechende Arbeitsvertrag nicht in den Akten der AK Zug befindet, weshalb mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass dieser der Beschwerdegegnerin nicht zugestellt wurde. Wäre der genannte Vertrag, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, am 9. August 2016 bei der Beschwerdegegnerin eingegangen, würde dieser bei den Akten liegen. Etwas anderes zu behaupten, würde bedeuten, der Beschwerdegegnerin fehlerhafte Aktenführung zu unterstellen. Demgegenüber bestreitet die Beschwerdegegnerin nicht, am 8. August 2016 per E-Mail darüber informiert worden zu sein, dass die Beschwerdeführerin neu Nachtwacheeinsätze im Alters- und Pflegeheim leistet. Soweit die Beschwerdegegnerin in diesem Zusammenhang jedoch einwendet, dem genannten E-Mail sei das entsprechende Pensum und die Vergütung nicht zu entnehmen gewesen, darüber sei sie erst Ende September 2016 informiert worden, verkennt sie die aus dem Untersuchungsgrundsatz fliessenden Pflichten. Es wäre nämlich gerade Sache der Beschwerdegegnerin gewesen, abzuklären, welche Konsequenzen die gemeldete Änderung auf den laufenden EL-Anspruch hat. In diesem Zusammenhang wäre der Beschwerdegegnerin ohne weiteres zumutbar gewesen, bei der Beschwerdeführerin nachzufragen und insbesondere den nicht eingereichten Arbeitsvertrag zu verlangen, um danach die Auswirkungen der gemeldeten Änderung auf den EL-Anspruch schlüssig beurteilen zu können. Hat es die Beschwerdegegnerin indes unterlassen, nach Eingang einer Meldung geänderter Verhältnisse die erforderlichen Massnahmen zu treffen, um sich über die Auswirkungen dieser Meldung hinreichend Rechenschaft geben zu können, dann ist nicht mehr eine allenfalls ungenügend substantiierte Meldung im Sinne von Art. 24 ELV, sondern die Verletzung der aus dem Untersuchungsgrundsatz abgeleiteten Pflichten der Beschwerdegegnerin kausal für die weitere Ausrichtung einer zu hohen Ergänzungsleistung (SVR 1995 EL Nr. 17, Erw. 7b). Nach dem Gesagten kann sich die Beschwerdegegnerin somit nicht darauf berufen, erst Ende September 2016 mit Erhalt der Lohnabrechnungen über das erzielte Einkommen von mehr als Fr. 30'000.– informiert worden zu sein. Vielmehr hätte sie bei entsprechenden Abklärungen die Ergänzungsleistungen bereits per Ende August 2016 anpassen und die zu viel geleisteten Ergänzungsleistungen zurückfordern können. Folglich kann der Beschwerdeführerin auch hinsichtlich ihrer Erwerbstätigkeit bei der B. keine Verletzung der Meldepflicht vorgeworfen werden.

7.3 Auch wenn die Veränderung der Erwerbssituation sofort mitgeteilt wurde und keine Meldepflichtverletzung vorliegt, so kann daraus noch nicht auf einen gutgläubigen Leistungsbezug geschlossen werden. Die Verletzung der Melde- oder Auskunftspflicht ist nämlich eine häufige, aber nicht die einzige Form eines schuldhaften Verhaltens, das die Berufung auf den guten Glauben ausschliesst. In Betracht fällt z.B. auch die Unterlassung, sich bei der Verwaltung (nach der Rechtmässigkeit der Auszahlung) zu erkundigen (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 4. Dezember 2012, EL 2012/20, Erw. 2.2). Reagiert die EL-Durchführungsstelle nicht auf die Meldung einer Veränderung im Erwerbseinkommen, so kann der EL-Bezüger daraus nicht gutgläubig den Schluss ziehen, die Veränderung sei EL-rechtlich irrelevant. Vielmehr gehört es im Rahmen des gutgläubigen Leistungsbezuges zur Pflicht des EL-Bezügers, bei der EL-Durchführungsstelle nachzufragen, weshalb nicht mit einer Revisionsverfügung auf die Änderungsmeldung reagiert wurde (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 20. März 2009, EL 2008/56). Angesichts dessen hätte die Beschwerdeführerin vorliegend bei gebührender Sorgfalt erkennen müssen, dass die Anpassung der laufenden Ergänzungsleistungen an das ab Juli 2016 erzielte Erwerbseinkommen offensichtlich nicht erfolgte. Schliesslich hat das Erwerbseinkommen einen wesentlichen Einfluss auf die Höhe der Ergänzungsleistungen, weshalb der Beschwerdeführerin bei den EL-Auszahlungen die Nichtberücksichtigung des Erwerbseinkommens hätte auffallen müssen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin durfte sie sich somit nach Mitteilung der veränderten Erwerbssituation nicht darauf verlassen, dass die von der Beschwerdegegnerin ausbezahlten Ergänzungsleistungen korrekt waren. Vielmehr hätte es die Beschwerdeführerin stutzig machen müssen, dass, obwohl sie die neue Erwerbstätigkeit gemeldet hat, daraufhin keine Anpassungsverfügung erlassen wurde. Diesbezüglich konnte sie schliesslich auch nicht darauf vertrauen, dass die Veränderung EL-rechtlich irrelevant sei. Vielmehr hätte sie sich bei der Beschwerdegegnerin erkundigen müssen, weshalb auf die Änderungsmeldung nicht mit einer Anpassungsverfügung reagiert wurde. Hat dies die Beschwerdeführerin unterlassen, stellt dies eine grobe Verletzung der Sorgfaltspflicht dar, sodass der gutgläubige Leistungsbezug zu verneinen ist. Des Weiteren wäre für die Beschwerdeführerin spätestens im Berechnungsblatt der Verfügung vom 23. August 2016 zu erkennen gewesen, dass trotz Meldung der Erwerbstätigkeit unter Einnahmen lediglich das Einkommen ihres Sohnes angerechnet wurde, während die Aufnahme ihrer Erwerbstätigkeit unberücksichtigt blieb. Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass von einem EL-Bezugsberechtigten in der Regel zwar nicht erwartet wird, dass er die EL-Berechnung vollständig nachzuvollziehen vermag. Um sich nicht dem Vorwurf einer Sorgfaltspflichtverletzung auszusetzen, muss es genügen, dass die Berechnungsblätter, die den EL-Verfügungen beigelegt sind, im Rahmen der individuellen Möglichkeiten auf offensichtliche Fehler hin kontrolliert werden. In diesem Umfang besteht aber eine Prüfungspflicht (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 4. Dezember 2012, EL 2012/20, Erw. 2.2). Die Beschwerdeführerin hätte demnach bei gebührender Sorgfalt erkennen können und müssen, dass die im September 2016 ausgerichteten Ergänzungsleistungen ohne Berücksichtigung der von ihr gemeldeten Erwerbstätigkeit bei der B. berechnet und somit zu viel Ergänzungsleistungen ausbezahlt wurden. Entgegen ihrer Auffassung durfte sie somit nicht auf die Richtigkeit der EL-Abrechnung vertrauen, zumal in der Verfügung vom 23. August 2016 unter «Kommentar zur Berechnung» darauf hingewiesen wurde, dass das Einkommen nach Auszahlung und nach Erhalt des Arbeitsvertrages noch im Nachhinein angepasst werde. Dementsprechend musste die Beschwerdeführerin mit der Rückforderung der zu viel ausbezahlten Ergänzungsleistungen ganz klar rechnen, weshalb sie in Bezug auf die empfangenen Ergänzungsleistungen nicht als gutgläubig betrachtet werden kann (siehe zum Ganzen auch Urteil des Bundesgerichts 9C_453/2011 vom 15. September 2011).

8. Zusammenfassend ist nach dem Gesagten festzustellen, dass die Beschwerdeführerin ihrer Meldepflicht betreffend die Aufnahme einer neuen Erwerbstätigkeit zwar nachgekommen ist, sie indes die ihr obliegende Sorgfaltspflicht verletzt hat, weshalb der gute Glaube zu verneinen ist. Damit fehlt es an einer notwendigen Voraussetzung für den Erlass der Rückforderung. Bei diesem Ergebnis ist nicht zu prüfen, ob – als weitere Voraussetzung für den Erlass der Rückerstattung unrechtmässig bezogener Leistungen – eine grosse Härte vorliegt. Aufgrund des Gesagten erweist sich der Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin als rechtens und die Beschwerde ist vollumfänglich abzuweisen.

(...)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16. November 2017, S 2017 126
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Verfahrensnummer am Bundesgericht: 9C_19/2018

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