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Verfahrensrecht, Denkmalpflege, Aufsichtsbeschwerde

§ 52 VRG (Aufsichtsbeschwerde)

Regeste:

§ 52 VRG (Aufsichtsbeschwerde) – Der Verlust von Wandmalereien als integrierender Bestandteil einer Kapelle kann bei fehlendem Inventareintrag aus denkmalpflegerischer Sicht nicht verhindert werden. Wenn die Kapelle selbst nicht als schutzwürdiges Baudenkmal taxiert wird, beinhaltet deren Abbruch auch die Wandmalereien; diese verlieren ihren schutzwürdigen Wert, wenn sie nicht mehr im Kontext mit der Kapelle stehen (Erw. II.G). Das Vorgehen der einzelnen kantonalen Behörden und Personen wie auch die Koordination deren Handelns waren im vorliegenden Fall korrekt und geben keinerlei Anlass für die Ergreifung von aufsichtsrechtlichen Massnahmen (Erw. II.H).

Aus dem Sachverhalt:

A. Der Verein X. (nachfolgend: der Beschwerdeführer) hat mit Eingabe vom 16. November 2016 beim Regierungsrat des Kantons Zug eine Aufsichtsbeschwerde betreffend «Sachbeschädigung und Kulturgutzerstörung durch Mitarbeitende und Vorgesetzte der kantonalen Verwaltung» wegen der Übermalung der Wandbilder von Fritz Pauli in der alten Kapelle des ehemaligen Kantonsspitals Zug eingereicht.

B. Der Beschwerdeführer führte aus, es seien im ehemaligen Kantonsspital Zug Bilder des Schweizer Künstlers Fritz Pauli mit weisser Farbe übermalt worden, was nach heutiger Erkenntnis nicht mehr rückgängig gemacht werden könne und damit unweigerlich zum Verlust der Wandgemälde geführt habe. Er habe bei der Staatsanwaltschaft deshalb eine Strafanzeige gegen Unbekannt eingereicht. Da der Kanton das Spital an der Artherstrasse in Zug mit der Kapelle und den zwischen 1937 und 1938 von Fritz Pauli gemalten Wandbildern von der Bürgergemeinde übernommen hatte, sei dieser auch verantwortlich für die Pflege und den Erhalt dieser bedeutenden Kunstwerke. Es sei nicht verständlich, weshalb keine Inventarinformationen über die Bedeutung der Wandmalerei vorhanden seien. Bekannt sei dem Beschwerdeführer, dass die Denkmalpflege seit längerer Zeit die Passionsszenen in der ehemaligen Kapelle in den Schutz des kantonalen Denkmalschutzgesetzes habe aufnehmen wollen. Aufgrund des absehbaren Abbruchs der Kapelle sei auch erwogen worden, die auf Leinwand gemalten Werke samt dem darunter liegenden Verputz abzulösen und woanders gesichert aufzubewahren. Warum diese Abklärungen nicht zum Ziel geführt hätten oder warum allfällige erhaltende Massnahmen nicht getroffen worden seien, sei nicht bekannt. Die Vorgänge um die Übermalung der Wandbilder seien deshalb aufsichtsrechtlich zu klären. Abzuklären sei weiter, wo Fehler passiert seien und welche Massnahmen zu treffen seien, die ein ähnliches Vorgehen künftig verhindern würden. Namentlich sei die aus Sicht des Beschwerdeführers fehlende beziehungsweise nicht genügende Koordination zwischen den verantwortlichen Personen für die Asylunterkunft und den Fachexpertinnen und Fachexperten für die Kulturgüter zu verbessern.

(...)

Aus den Erwägungen:

D. Mit einer Aufsichtsbeschwerde kann jede Person die Aufsichtsbehörde über Tatsachen in Kenntnis setzen, die ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde gegen eine untere Verwaltungsbehörde von Amtes wegen erfordern (§ 52 Abs. 1 VRG). Die Aufsichtsbeschwerde ist ein formloser Rechtsbehelf, welcher kein eigentliches Beschwerdeverfahren auslöst und der Anzeigeerstatterin beziehungsweise dem Anzeigeerstatter keinen Anspruch auf Erledigung verleiht (Marco Weiss, Verfahren der Verwaltungsrechtspflege im Kanton Zug, Diss. Zürich 1983, S. 75). Die Anzeigeerstatterin beziehungsweise der Anzeigeerstatter hat nicht die Rechte einer Partei und es besteht keine Pflicht zur Begründung von aufsichtsrechtlichen Entscheiden (§ 52 Abs. 2 und 4 VRG). Die Art der Erledigung ist der Anzeigeerstatterin beziehungsweise dem Anzeigeerstatter indessen mitzuteilen (§ 52 Abs. 3 VRG). Nach ständiger Praxis wird eine Anzeige von der Aufsichtsbehörde nicht behandelt, sofern ein ordentliches oder ausserordentliches Rechtsmittel zur Verfügung steht. Sie dient dem Ziel der Verwaltungskontrolle und knüpft an der Pflicht der oberen Behörde an, die nachgeordneten Stellen angemessen zu beaufsichtigen, um eine rechtmässige und gut funktionierende Verwaltung zu gewährleisten. Die Eingabe soll eine Aktion veranlassen, welche die Aufsichtsbehörde von Amtes wegen durchführen müsste, würde sie selbständig auf den gerügten Missstand aufmerksam (vgl. Kölz/Bosshart/Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Auflage, Zürich 1999, Vorbemerkungen zu § 19 bis 28, N 29 ff.; Auer / Müller / Schindler, Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], Bern 2008, S. 891 ff.). Eine Aufsichtsbeschwerde hat schliesslich insofern eine beschränkte Wirkung, als ihr nur beim Vorliegen von unhaltbaren Zuständen, welche in einem Rechtsstaat nicht toleriert werden dürfen, Folge gegeben wird. Dies ist bei Verletzung klaren materiellen Rechts, bei Missachtung wesentlicher Verfahrensgrundsätze oder bei Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen der Fall (BGE 126 II 300 E. 2.c; BGE 125 I 394 E. 3).

Nach § 52 Abs. 1 VRG ist die Aufsichtsbeschwerde bei der zuständigen Aufsichtsbehörde zu führen. Die angerufene Behörde prüft ihre Zuständigkeit gemäss § 6 Abs. 2 VRG von Amtes wegen. Gemäss § 47 Abs. 1 lit. h KV kommt dem Regierungsrat die Aufsicht über die unteren Verwaltungsbehörden und das Entscheidungsrecht über diesbezügliche Anstände und Beschwerden unter Vorbehalt der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zu. Die vorliegende Aufsichtsbeschwerde gegen das Handeln von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und vorgesetzten Personen der kantonalen Verwaltung fällt demzufolge in seine Zuständigkeit. Dem Beschwerdeführer steht vorliegend kein formelles Rechtsmittel zur Verfügung, weshalb die Aufsichtsbeschwerde an die Hand zu nehmen ist.

E. Aus den Stellungnahmen der Baudirektion vom 14. Dezember 2016, der Direktion des Innern vom 30. Dezember 2016 und der Kantonalen Denkmalkommission vom 18. Mai 2017 geht hervor, dass sich der zu klärende Sachverhalt folgendermassen zugetragen hat:

Die Wandmalereien waren zu keinem Zeitpunkt im Inventar der schützenswerten Denkmäler oder im Verzeichnis der geschützten Denkmäler enthalten. Im Rahmen der Planungsarbeiten für die Nutzung des Areals des ehemaligen Kantonsspitals hat die Baudirektion im November 2004 betreffend die Neunutzung des Areals einen Investorenwettbewerb ausgeschrieben. In diesem Zusammenhang hat die Kantonale Denkmalkommission am 6. Dezember 2004 einen ausführlichen Augenschein auf dem Areal vorgenommen und dabei unter anderem die Kapelle mit den Wandmalereien von Fritz Pauli beurteilt. Sie kam damals zum Schluss, dass die Kapelle mitsamt den Wandmalereien nicht schutzwürdig sei und es aus denkmalpflegerischer Sicht einzig Gründe gebe, auf dem Areal den Bettentrakt des Keiser&Bracher-Baus aus den Jahren 1934-37 (sogenannter Südflügel) zu erhalten. Ein Auszug aus dem Text der Denkmalpflege zu Handen des Beurteilungsgremiums des Wettbewerbs lautete denn auch: «Die Wandmalereien in der Kapelle des Seeflügels (1938, von Fritz Pauli) [...] müssen nicht zwingend erhalten werden.». Ab diesem Zeitpunkt bildeten die Malereien keinen Teil des offiziellen Verfahrens mehr.

An ihrer Sitzung vom 3. Dezember 2008 stellte die Kantonale Denkmalkommission einen Antrag auf Aufnahme des Südflügels (als einziges Gebäude auf dem ehemaligen Kantonsspitalareal) ins Inventar der schützenswerten Denkmäler. Im beiliegendem Bericht wurden die Malereien nicht erwähnt. Die Direktion des Innern folgte dem Antrag der Denkmalkommission und teilte der Baudirektion und dem Stadtrat von Zug im Schreiben vom 18. Dezember 2008 die Aufnahme des Bettentrakts ins Inventar der schützenswerten Denkmäler mit. Der damalige Denkmalpfleger war jedoch trotz Verzicht der Aufnahme der Kapelle ins Inventar (und trotz fehlender Verpflichtung) darum bemüht, die Wandmalereien an einem anderen Standort unterbringen zu lassen. Diesen Bemühungen war allerdings kein Erfolg beschieden.

Das damalige Siegerprojekt des Wettbewerbsverfahrens sah einen Abbruch der alten Gebäude im Bereich der Kapelle vor, wobei lediglich der Spitalsüdflügel der Architekten Keiser & Bracher erhalten werden sollte. Während der Grosse Gemeinderat der Stadt Zug den entsprechenden Bebauungsplan Belvedere beschloss, lehnte ihn das Stimmvolk der Stadt Zug im Jahr 2008 ab. Die Wandmalereien wurden auch anlässlich der Abstimmung nicht thematisiert.

Am 25. Juli 2011 lancierte die Baudirektion einen städtebaulichen Studienauftrag, der die Grundlage für einen neuen Bebauungsplan bilden sollte. Dieser Auftrag hielt erneut fest, dass die Wandmalereien in der Kapelle des Südflügels nicht zwingend erhalten werden müssten. Im Rahmen der Überarbeitung des Siegerprojekts präzisierte das Amt für Denkmalpflege und Archäologie im Januar 2014 die zwingend zu erhaltenden Bauteile des schützenswerten Südflügels des Spitals. Die ehemalige Kapelle mitsamt den Wandmalereien war davon nicht betroffen. Diese Rahmenbedingungen flossen schliesslich in den Bebauungsplan ein. Der Grosse Gemeinderat der Stadt Zug beschloss schliesslich am 15. Dezember 2015 den Bebauungsplan, welchen der Regierungsrat am 3. Mai 2016 genehmigte. Die kantonale Genehmigung ist zwischenzeitlich in Rechtskraft erwachsen.

Aufgrund der angespannten Situation im Asylbereich entschied der Regierungsrat, die noch freien Räumlichkeiten des alten Kantonsspitals neu und während der Dauer einer Übergangsphase als Durchgangsstation für Asylsuchende entsprechend herzurichten und zu nutzen.

F. Vor der hier behandelten Aufsichtsbeschwerde reichte der Beschwerdeführer am 9. Juni 2016 eine Strafanzeige gegen unbekannt ein. Diese wurde mit Verfügung vom 28. Februar 2017 mangels fehlender Legitimation nicht an die Hand genommen. In den Erwägungen wird zudem festgehalten, dass die fraglichen – übermalten – Wandbilder nicht als wertvoll qualifiziert werden, da sie denkmalpflegerisch als nicht zwingend zu erhalten taxiert wurden.

G. Die Baukunst ist grundsätzlich auf das Engste und Unmittelbarste mit dem Bauwerk selbst verbunden. Denkmäler sind überdies stets ortsgebundene Objekte, die in ihrer Materie möglichst vollständig mit all ihren Zeitspuren überliefert bleiben und nicht versetzt werden sollen («Leitsätze zur Denkmalpflege in der Schweiz» der eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege, Zürich 2007, Ziff. 1.2 f. und Ziff. 5.7). Die Wandmalereien von Fritz Pauli wurden als «Kunst am Bau» realisiert und wurden spezifisch für die alte Kapelle des Kantonsspitals Zug angefertigt. Sie bilden einen integrierenden Bestandteil der Kapelle. Der Verlust der Wandmalereien ist aus kunsthistorischer Sicht zwar bedauerlich, konnte aus denkmalpflegerischer Sicht aber nicht verhindert werden. Da die Kapelle selbst nicht als schutzwürdiges Baudenkmal taxiert wurde, beinhaltet deren Abbruch auch die Wandmalereien; diese verlieren ihren schutzwürdigen Wert, wenn sie nicht mehr im Kontext mit der Kapelle stehen.

H. Gestützt auf die vorangegangenen Ereignisse sowie den rechtskräftigen Bebauungsplan konnten die betroffenen Personen davon ausgehen, dass weder die alte Kapelle als Abbruchobjekt noch die dort angebrachten Wandbilder schutzwürdig sind. Darüber hinaus enthielt auch die baurechtliche Umnutzung keine entsprechenden Auflagen. Infolge dessen mussten die Mitarbeitenden der Baudirektion denn auch keine geeigneten Schutzmassnahmen ergreifen. In Bezug auf die Mitarbeitenden des Amtes für Denkmalpflege und Archäologie kann festgehalten werden, dass sich die Direktion des Innern bei der Behandlung ihrer Geschäfte grundsätzlich stets auf die Überlegungen und Anträge der Kantonalen Denkmalkommission stützt (siehe auch § 13 Abs. 1 Bst. b des Gesetzes über Denkmalpflege, Archäologie und Kulturgüterschutz vom 26. April 1990 [Denkmalschutzgesetz; BGS 423.11]). So kam die Kommission im Anschluss an den ausführlichen Augenschein auf dem Areal des ehemaligen Kantonsspitals am 6. Dezember 2004 zum Schluss, dass es aus denkmalpflegerischer Sicht keinen Grund gebe, die Kapelle zu erhalten. Es wurden insgesamt durch die Vorgehensweise der betroffenen Personen weder Verfahrensgrundsätze noch klares materielles Recht verletzt. Auch kann nach dem Gesagten keine Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen erblickt werden. Das Vorgehen der einzelnen kantonalen Behörden und Personen wie auch die Koordination deren Handelns waren im vorliegenden Fall korrekt und geben keinerlei Anlass für die Ergreifung von aufsichtsrechtlichen Massnahmen. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass auch kein relevantes strafrechtliches Verhalten festgestellt werden konnte.

I. Dem Begehren um die aufsichtsrechtliche Klärung der Vorgänge im Zusammenhang mit der Übermalung der Wandmalereien in der alten Kapelle des ehemaligen Kantonsspitals Zug ist mit Aufklärung des Sachverhaltes somit materiell entsprochen worden und die Aufsichtsbeschwerde kann in diesem Punkt als erledigt abgeschrieben werden.

J. In Bezug auf das Begehren des Beschwerdeführers, Massnahmen zu treffen, die ein ähnliches Vorgehen wie das vorliegende künftig verhindern, ist die Aufsichtsbeschwerde gestützt auf die vorangehenden Ausführungen nicht Folge zu leisten.

K. Bei der Erledigung einer Aufsichtsbeschwerde werden der Anzeigeerstatterin beziehungsweise dem Anzeigeerstatter keine Kosten auferlegt. Es besteht zudem kein Anspruch auf eine Parteientschädigung (vgl. GVP 1991/92, S. 203).

(...)

Regierungsrat, 29. August 2017

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