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Art. 8 Abs. 1 lit. b BGFA, Art. 9 BGFA

Art. 12 lit. i BGFA

Regeste:

Nach Art. 12 lit. i BGFA hat der Anwalt die Klientschaft bei der Übernahme des Mandats über die Grundsätze seiner Rechnungslegung hinreichend aufzuklären. Ferner hat er die Klientschaft unaufgefordert und unabhängig von Auskunftsbegehren periodisch über die Höhe des geschuldeten Honorars zu unterrichten.

Aus den Erwägungen:

3. Gemäss Art. 12 lit. i 1. Teilsatz BGFA klären die Anwältinnen und Anwälte ihre Klientschaft bei Übernahme des Mandates über die Grundsätze ihrer Rechnungsstellung auf.

3.1 Zur Aufklärung über die Grundsätze der Rechnungsstellung gehören Hinweise auf allfällig gewünschte Vorschüsse, den Zeitpunkt der Rechnungsstellung, die Art des Honorars, allfällige Zahlungsfristen sowie Angaben zu einem allfälligen Stundenansatz. Diese Aufklärungspflicht ist Ausfluss der Pflicht zur Schaffung klarer Verhältnisse. Sie dient nicht zuletzt dazu, das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Klient zu stärken, indem sie Streitigkeiten über das Honorar vorbeugt (vgl. Fellmann, Anwaltsrecht, 2. A. 2017, N 490 mit Hinweisen, u.a. auf den Beschluss der Zuger Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte AK 2006/2 vom 7. November 2006 E. 3.1). Die nötige Information des Klienten erfolgt am besten im Rahmen einer (schriftlichen) Honorarvereinbarung (Fellmann, in: Fellmann/Zindel [Hrsg.], Kommentar zum Anwaltsgesetz, 2. A. 2011, Art. 12 BGFA N 161).

Bei der Festlegung von Art und Höhe der Vergütung sind Anwalt und Klient grundsätzlich frei. Sie können die Höhe der Vergütung im Voraus abschliessend festlegen (Pauschalhonorar). Es ist aber auch möglich, dass sie nur die massgebenden Berechnungselemente, nach denen die Vergütung (später definitiv) bestimmt wird, festsetzen (Fellmann, a.a.O., N 492). Art. 12 lit. i BGFA sagt nichts zum Erfordernis einer Prognose über die Höhe des voraussichtlichen Honorars. Das Gesetz verlangt bloss eine Aufklärung über die Grundsätze der Rechnungsstellung über die bereits angefallenen Kosten. In der Lehre ist jedoch allgemein anerkannt, dass sich der Anwalt im Rahmen seiner Aufklärungspflicht in der Regel auch zur mutmasslichen Honorarhöhe aussprechen muss. Mehr als die Angabe einer vernünftigen Grössenordnung darf vom Anwalt in der Regel allerdings nicht erwartet werden. In den meisten Fällen können die Anwälte nämlich bloss den Rahmen abstecken, in welchem sich ihr Honorar mutmasslich bewegen wird. Man wird aber vom Anwalt fordern dürfen, den Klienten in komplizierten Fällen gerade über die Unvorhersehbarkeit des Aufwands zu informieren und auf die absehbaren Risiken hinzuweisen, die sich auf die Höhe des Honorars auswirken können (Fellmann, a.a.O., N 502 mit Hinweisen; Testa, Die zivil- und standesrechtlichen Pflichten des Rechtsanwaltes gegenüber dem Klienten, Zürich 2001, S. 235).

3.2 Die Anzeigeerstatterin macht geltend, der Verzeigte habe sie nie über die Grundsätze seiner Rechnungsstellung informiert und sie betreffend Höhe des Honorars «einfach im Dunkeln» gelassen. In einem Schreiben, das der Verzeigte am 15. Mai 2017 an ihren aktuellen Rechtsvertreter gerichtet habe, habe er zugeben müssen, dass er mit ihr keine Honorarvereinbarung über CHF 300.00 pro Stunde abgeschlossen habe. Die Behauptung, er habe dies mündlich getan, sei schlicht und einfach falsch (act. 2 S. 3). Der Verzeigte bestreitet diese Ausführungen. Er habe der Anzeigeerstatterin bei Übernahme des Mandates erklärt, dass er nach Aufwand abrechnen werde und zu einem Stundenansatz von CHF 300.00 arbeite. Im Weiteren habe er dargelegt, dass es schwierig sei, den Aufwand abzuschätzen, den der konkrete Fall mit sich bringen würde. Schliesslich habe er auch nicht zugeben müssen, dass keine Honorarvereinbarung abgeschlossen worden sei. Er habe lediglich festgehalten, dass keine schriftliche Honorarvereinbarung abgeschlossen worden sei; es seien aber auch mündliche Verträge gültig (act. 7 S. 5).

3.3 Dem Verzeigten ist vorab insoweit zuzustimmen, als eine Honorarvereinbarung auch mündlich abgeschlossen werden kann. Vorliegend ist allerdings nicht belegt, dass der Verzeigte mit der Anzeigeerstatterin eine solche Vereinbarung getroffen hat. Entsprechende Hinweise lassen sich in den Akten nicht finden. Aufgrund der Korrespondenz, die der Verzeigte und die Anzeigeerstatterin Jahr 2014 geführt haben, ist vielmehr anzunehmen, dass es weder eine Vereinbarung noch entsprechende Hinweise oder Erklärungen des Verzeigten gab. So hielt der Verzeigte in einem an die Anzeigeerstatterin gerichteten Schreiben vom 25. Februar 2014 fest, dass er von ihr «bisher […] ja noch keinen Vorschuss verlangt» habe. Er ersuchte sie daher um eine «Akontozahlung» von CHF 10'800.00 (inkl. MWST) auf sein Honorar, machte dabei aber keinerlei Angaben zum bereits entstandenen und/oder künftig zu erwartenden Aufwand und/oder zu seinem Stundenansatz. Die Anzeigeerstatterin kam dieser Aufforderung nicht nach, sondern bat ihrerseits den Verzeigten mit Schreiben vom 30. August 2014, den «Kostenvorschuss» mit einer Summe von CHF 10'800.00 zu begründen. Im Weiteren hielt sie fest, dass der Verzeigte in der Klage und der Replik [im Verfahren vor dem Kantonsgericht Zug] grösstenteils ihre Vorarbeiten übernommen und sich sein zeitlicher Aufwand damit wohl deutlich beschränkt habe. Im Moment sei sie ohnehin «nicht in der Situation», die geforderte Akontozahlung zu leisten, und erwarte vom Verzeigten «gerne […] nochmals einen Versuch, die Kosten in diesem Fall von der Rechtsschutzversicherung geltend zu machen […] Oder wir einigen uns, dass Ihnen Ihre Kosten für die Aufwände nach Abschluss des Falles ausgezahlt werden (in diesem Fall hoffe ich auf einen für mich möglichst positiven Abschluss, da ich mit den angebotenen 8'000.– CHF im Vergleichsvorschlag [des Kantonsgerichts] wohl kaum irgendetwas anfangen könnte)». Der Verzeigte verzichtete in der Folge auf Kostenvorschüsse oder Akontozahlungen, was ihm weiter nicht vorzuwerfen ist. Offenkundig hat er aber die Anzeigeerstatterin weder über die Grundsätze seiner Rechnungsstellung noch über mutmassliche Honorarhöhe aufgeklärt und damit die Berufsregel gemäss Art. 12 lit. i 1. Teilsatz BGFA verletzt.

4. Gemäss Art. 12 lit. i 2. Teilsatz BGFA haben die Anwältinnen und Anwälte ihre Klientschaft periodisch oder auf Verlangen über die Höhe des geschuldeten Honorars zu informieren.

4.1 In Rechtsprechung und Lehre ist unbestritten, dass Auskünfte über die Höhe des Honorars innert nützlicher Frist zu erfolgen haben, wenn die Klientschaft dies verlangt. Streitig ist hin-gegen, ob der Anwalt den Klienten nur auf eine entsprechende Frage hin zu informieren hat oder ob er ihn auch unaufgefordert periodisch über die Höhe des geschuldeten Honorars zu unterrichten hat (vgl. dazu die Übersicht bei Fellmann, a.a.O., N 503 ff.). Nach Auffassung des Zürcher Obergerichts beurteilt sich der Inhalt der Aufklärungspflicht hinsichtlich des ge-schuldeten Honorars gemäss Art. 12 lit. i BGFA nach Massgabe der auftragsrechtlichen Vorgaben in Art. 398 OR. Der Sinn von Art. 12 lit i BGFA könne nur sein, dass diese periodische Informationspflicht lediglich auf Anfrage des Klienten ausgelöst werde. Eine Informations-pflicht ohne eine solche Anfrage sei nur in denjenigen Fällen gerechtfertigt, wo sich für die Wahrnehmung der Interessen des Klienten unvorhergesehene wesentliche Mehraufwendungen abzeichneten (Beschluss des Obergerichts Zürich, III. Zivilkammer, vom 21. März 2006, in: SJZ 2007 S. 101 f.; gl.M. Testa, a.a.O., S. 234). Diese Auffassung übersieht – wie Fellmann zu Recht bemerkt –, dass die Berufsregeln zum Schutz des rechtssuchenden Publikums weitergehen können als die Sorgfalts- und Treuepflicht nach Auftragsrecht. Aufgrund des klaren Wortlauts des Gesetzes ist daher zu verlangen, dass Anwälte ihre Klienten unabhängig von solchen Auskunftsbegehren unaufgefordert periodisch über die Höhe des geschuldeten Honorars unterrichten (Fellmann, a.a.O., N 504 mit Hinweisen). Im Weiteren ist zu beachten, dass ein Anwalt, der über Jahre hinweg keine Abrechnungen erstellt, unklare Verhältnisse schafft. Wenn im Nachhinein über Jahre hinweg Abrechnungen erstellt werden müssen, bleiben stets Zweifel an der korrekten Mandatsführung und damit an der Vertrauenswürdigkeit des Anwalts. Um das Aufkommen solcher Zweifel von Anfang an zu vermeiden, muss der Anwalt von sich aus in regelmässigen Abständen Abrechnungen erstellen, auch wenn dies der Mandant nicht verlangt (Fellmann, a.a.O., N 505 mit Hinweisen). Damit wird nicht nur das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Klient gestärkt; vielmehr kann ein solches Vorgehen – wie gerade der vorliegende Fall zeigt – auch dazu dienen, unnötige Streitigkeiten über das Honorar zu vermeiden (vgl. vorne E. 3.1). In welcher Kadenz solche Informationen zu erfolgen haben, lässt sich nicht allgemein sagen; massgebend sind die Verhältnisse im Einzelfall (Fellmann, a.a.O., N 505 mit Hinweisen; Hess, Das Anwaltsgesetz des Bundes [BGFA] und seine Umsetzung durch die Kantone am Beispiel des Kantons Bern, ZBJV 2004 S. 123).

4.2 Der Verzeigte bestreitet, die Anzeigeerstatterin nie informiert und sie betreffend Höhe des Honorars «einfach im Dunkeln gelassen» zu haben. So habe die Anzeigeerstatterin mit der Aufforderung zur ersten Akontozahlung vom 25. Februar 2014 «die ungefähre Höhe des Aufwands» gekannt, der bis zu diesem Zeitpunkt entstanden sei. Im Weiteren habe er sie jeweils im Detail über die Anwaltskosten informiert, als das Kantonsgericht nach Abschluss des Schriftenwechsels und nach der Hauptverhandlung den Parteien einen Vergleichsvorschlag unterbreitet habe. Schliesslich habe er ihr auch eine Kopie der Kostennote zugestellt, die er im Verfahren vor Obergericht eingereicht habe (act. 7 S. 6 f.).

4.3 Soweit sich der Verzeigte auf die Aufforderung zur ersten Akontozahlung vom 25. Februar 2014 beruft, ist zu wiederholen, dass er dort keine Angaben zum bereits entstandenen und/oder künftig zu erwartenden Aufwand und/oder zu seinem Stundenansatz machte, weshalb sich das geschuldete Honorar daraus nicht ableiten lässt (vgl. vorne E. 3.3). Im Weiteren fällt auf, dass der Verzeigte in den Kostennoten, die er am 20. November 2015 dem Kantonsgericht und am 10. August 2016 dem Obergericht einreichte, seinen Aufwand mit einem Stundenansatz von CHF 350.00 verrechnete, was seinen eigenen Angaben zum angeblich mit der Anzeigeerstatterin vereinbarten Ansatz widerspricht. Auf der anderen Seite ist zu beachten, dass der Verzeigte in den genannten Kostennoten sein Honorar nicht nur nach Streitwert, sondern auch nach Zeitaufwand berechnete, was es der Anzeigeerstatterin ermöglichte, die Höhe des aufgelaufenen Honorars hinreichend abzuschätzen. Im Übrigen hat die Anzeigeerstatterin dem Verzeigten selber vorgeschlagen, dass ihm die «Kosten für die Aufwände [erst] nach Abschluss des Falles ausgezahlt werden» (vgl. vorne E. 3.3). Unter diesen Umständen kann dem Verzeigten nicht vorgeworfen werden, die Anzeigeerstatterin nur ungenügend informiert und damit gegen die Berufsregel von Art. 12 lit. i 2. Teilsatz BGFA verstossen zu haben.

Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte, 5. Juni 2018 (AK 2017 10)

Die gegen diesen Beschluss erhobene Beschwerde des verzeigten Rechtsanwalts wies die II. Beschwerdeabteilung des Obergerichts mit Urteil vom 11. September 2018 rechtskräftig ab. 

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