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Art. 192 SchKG i.V.m. Art. 725a OR

Regeste:

Art. 192 SchKG i.V.m. Art. 725a OR – Im Konkursverfahren nach erfolgter Überschuldungsanzeige sind die Gläubiger nicht legitimiert, die Bewilligung des Konkursaufschubs anzufechten.

Aus den Erwägungen:

2. Zur Beschwerde ist legitimiert, wer ein schutzwürdiges eigenes und aktuelles Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides hat. Der Rechtsmittelkläger muss formell und materiell beschwert sein (für viele: Reetz, a.a.O., Vorbem. zu den Art. 308-318 ZPO N 3 ff.). Es muss sich um ein im rechtlichen Sinne geschütztes Interesse handeln; ein bloss tatsächliches Interesse an der Aufhebung oder Abänderung des angefochtenen Entscheides genügt nicht (Kunz, in: Kunz/Hoffmann-Novotny/Stauber [Hrsg.], ZPO-Rechts¬mittel Berufung und Beschwerde, 2013, Vor Art. 308 ff. ZPO N 62).

3.1 Von einem schutzwürdigen Interesse der Beschwerdeführerin wäre auszugehen, wenn ihr als Gläubigerin der Beschwerdegegnerin ein Anspruch auf Mitwirkung im Konkursaufschubsverfahren zustünde. Diesfalls wäre sie legitimiert, den Entscheid der Einzelrichterin vom 24. Februar 2018 mit Beschwerde im vorerwähnten Umfang anzufechten.

3.2 Auf die Benachrichtigung der Überschuldung einer Aktiengesellschaft eröffnet der Richter den Konkurs. Er kann ihn auf Antrag des Verwaltungsrates oder eines Gläubigers aufschieben, falls Aussicht auf Sanierung besteht (Art. 725a Abs. 1 OR). Die Gläubiger dürfen durch die Gewährung des Aufschubs nicht schlechter gestellt werden und ein Eingriff in ihre Rechte ist nur mit ihrer ausdrücklichen Zustimmung möglich (Hardmeier, Zürcher Kommentar, 1997, Art. 725a OR N 1319). Die Interessen der Gläubiger an der Erhaltung des Vermögens sind durch richterliche Massnahmen, insbesondere durch die Einsetzung eines Sachwalters zu wahren (Wüstiner, Basler Kommentar, 5. A. 2016, Art. 725a OR N 10, 15). Dieser richterlichen Verpflichtung ist die Einzelrichterin mit der Einsetzung des Sachwalters samt Erteilung von Weisungen zur Erhaltung des Vermögenssubstrates am 13. Februar 2018 nachgekommen (Vi act. 10).

Ein Gläubiger kann die konkursamtliche Liquidation des Schuldners herbeiführen, indem er diesen auf Konkurs betreibt (Art. 166 SchKG) oder indem er die Konkurseröffnung ohne vorgängige Betreibung zufolge Zahlungseinstellung (Art. 190 Abs. 1 SchKG) verlangt. Wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat, steht dem Gläubiger indessen das Recht nicht zu, die Konkurseröffnung über die schuldnerische Aktiengesellschaft zu beantragen, weil diese überschuldet sei. Mithin kommt zwar jedem Gläubiger gemäss ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift das Recht zu, im Falle einer Überschuldungsanzeige den Aufschub des Konkurses zu verlangen. Es ist aber nicht ersichtlich, welches darüber hinausgehende schützenswerte Interesse er an der Mitwirkung am Konkursaufschubsverfahren haben könnte. Insbesondere ist nicht einzusehen, weshalb der Gläubiger nach Bewilligung des Konkursaufschubs die Möglichkeit haben sollte, den Konkurs des Schuldners herbeizuführen, obwohl er vor Erteilung der Aufschubsbewilligung dieses Recht nicht hatte. Weitergehende Mitwirkungsrechte als das Recht, den Konkursaufschub zu beantragen, haben die Gläubiger in einem aufgrund einer Überschuldungsanzeige eröffneten konkursrichterlichen Verfahren daher nicht. Ihre Interessen hat der Richter beim Entscheid über den Konkursaufschub und danach gegebenenfalls der Sachwalter zu wahren (Lorandi, Die Wirkungen des Konkursaufschubs, in: Schweizerisches und internationales Zwangsvollstreckungsrecht, Festschrift für Karl Spühler, 2005, S. 237 m.H.; Wüstiner, a.a.O., Art. 725a OR N 5, N 11).

3.3 Nach dem Wortlaut von Art. 174 Abs. 1 SchKG kann der Entscheid des Konkursgerichts von den Parteien angefochten werden. Im Urteil BGE 123 III 402 hat das Bundesgericht den am Konkursverfahren nicht beteiligten Gläubigern die Legitimation zur Weiterziehung eines aufgrund der Insolvenzerklärung ergangenen Konkurserkenntnisses abgesprochen (vgl. auch BGE 111 III 66; Urteil des Bundesgerichts 5A_43/2013 vom 25. April 2013 E. 2). Es ist nicht einzusehen, weshalb dies anders sein soll, wenn das Konkursverfahren nach Überschuldungsanzeige gemäss Art. 725a OR i.V.m. Art. 192 SchKG eingeleitet wurde. Auch hier sind zur Weiterziehung des Entscheides des Konkursgerichtes nur diejenigen Gläubiger befugt, die am erstinstanzlichen Verfahren teilgenommen haben (Hardmeier, a.a.O., Art. 725a OR N 1310; Krampf/Schuler, Die aktuelle Praxis des Konkursrichters des Bezirksgerichts Zürich zu Überschuldungsanzeige, Konkursaufschub und Insolvenzerklärung juristischer Personen, in: AJP 2002, S. 1072; Brunner/Boller, Basler Kommentar, 2. A. 2010, Art. 192 SchKG N 24; Talbot, a.a.O., Art. 192 SchKG N 32). Eugen Fritschi (Verfahrensfragen bei der Konkurseröffnung, 2010, S. 279) führt zudem aus, die Beschwerdelegitimation könne auch nicht auf Art. 346 ZPO abgestützt werden, da dies im Widerspruch zu der zitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung stehen würde.

3.4 Die Beschwerdeführerin ist nicht Partei des Konkursverfahrens und daran nicht beteiligt. Sie konnte sich daran auch nicht beteiligen, da ihr, wie gezeigt, keine Mitwirkungsrechte zustehen. Sie hätte einzig selbst den Konkursaufschub beantragen können; ob sie, wenn ihrem Antrag nicht entsprochen worden wäre, diesen Entscheid hätte anfechten können, muss hier nicht entschieden werden. Damit kommt auch nichts darauf an, ob die Beschwerdeführerin Kenntnis vom Konkursverfahren hatte, da sie sich, auch wenn sie davon gewusst hätte, nicht hätte daran beteiligen können.

Die Beschwerdeführerin führt gegenteilige Literaturmeinungen an, namentlich von Roger Giroud (Die Konkurseröffnung und ihr Aufschub bei der Aktiengesellschaft, 2. A. 1986, § 6 N 38) und von Brunner/Boller (Basler Kommentar, 2. A. 2010, Art. 192 SchKG N 24). Letztere bestätigen aber am zitierten Ort ein Beschwerderecht nur derjenigen Gläubiger, die sich mit einem abgewiesen Gesuch um Konkursaufschub am erstinstanzlichen Verfahren beteiligt haben, was für die Beschwerdeführerin offensichtlich nicht zutrifft. Giroud ist zwar der Meinung, dass auch Entscheide des Konkursrichters, mit denen der Konkursaufschub bewilligt wurde, von jedem Gläubiger und unabhängig davon, ob er sich am vorinstanzlichen Verfahren beteiligte, gemäss Art. 174 SchKG angefochten werden können. Diese Meinung steht indessen in Widerspruch insbesondere zum Bundesgerichtsentscheid 123 III 402, welcher im Übrigen nach Publikation des Werkes von Giroud ergangen ist. Auch die von Giroud zitierten Kommentare Bürgi (Zürcher Kommentar) und Jäger sind inzwischen durch Neuauflagen überholt, in welchen, wie oben belegt, abweichende Auffassungen vertreten werden.

3.5 Mithin ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin mangels Beteiligung an dem nach erfolgter Überschuldungsanzeige eingeleiteten Konkursverfahren nicht legitimiert ist, die in diesem Verfahren ergangenen Entscheide und insbesondere die Bewilligung des Konkursaufschubes anzufechten. Auf die Beschwerde wäre insoweit mithin selbst dann nicht einzutreten gewesen, wenn sie rechtzeitig eingereicht worden wäre.

3.6 Da der Beschwerdeführerin, wie gezeigt, kein Anspruch auf Beteiligung und Mitwirkung im Konkursaufschubsverfahren zusteht, ist die Einzelrichterin zudem zu Recht nicht auf den Antrag eingetreten, es sei der Aufschub zu widerrufen. Bei dieser Sachlage hatte sie der Be-schwerdeführerin die Kosten zu auferlegen (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Die Beschwerde erweist sich mithin als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

Obergericht, II. Beschwerdeabteilung, 29. März 2018 (BZ 2018 13)

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