Navigieren auf Kanton Zug

Gerichtspraxis

Staats- und Verwaltungsrecht

Bau- und Planungsrecht

Denkmalschutz

Handelsregister

Sozialversicherungsrecht

Steuerrecht

Verfahrensrecht

Kindes- und Erwachsenenschutz

Art. 363 Abs. 2 und 3 ZGB

Regeste:

Art. 363 Abs. 2 und 3 ZGB – Bei der Validierung eines Vorsorgeauftrags muss die Höhe der Mandatsentschädigung konkret bestimmbar sein (Erw. 3.6).

Aus dem Sachverhalt:

Die verwitwete A. liess am 30. Oktober 2015 einen Vorsorgeauftrag gemäss Art. 360 bis 369 ZGB öffentlich beurkunden. Als vorsorgebeauftragte Personen setzte sie für die Personensorge ihre Tochter C. und für die Vermögenssorge ihren Sohn B. ein. Mit Gefährdungsmeldung vom 26. Januar 2017 teilte B. der KESB mit, dass seine Mutter A. am 10. Juli 2015 einen Stolpersturz erlitten und in der Folge eine Implantation einer inversen Schulterprothese links gehabt habe. Mithilfe der Spitex und der Nachbarsfrauen könne sie den Haushalt noch besorgen. Sie leide an einer beginnenden demenziellen Entwicklung. Nach der Einholung eines ärztlichen Berichts, der Anhörung von A. und den beiden designierten Vorsorgebeauftragten stellte die KESB mit Entscheid vom 2. Mai 2017 fest, dass der am 30. Oktober 2015 beurkundete Vorsorgeauftrag gestützt auf Art. 363 Abs. 2 und 3 ZGB gültig errichtet worden sei und erklärte diesen für wirksam. Sie ernannte C. zur vorsorgebeauftragten Person für die Personensorge und B. zur vorsorgebeauftragten Person für die Vermögenssorge. Den Vorsorgebeauftragten seien die notwendigen Auslagen zu ersetzen. Für ihren zeitlichen Aufwand hätten sie Anspruch auf eine übliche Entschädigung. Gegen diesen Entscheid der KESB reichte B. am 27. Mai 2017 beim Verwaltungsgericht Beschwerde ein und beantragte unter anderem, die KESB sei anzuweisen, die Höhe der Entschädigung der Beauftragten konkret festzuhalten. Mit Vernehmlassung vom 29. Juni 2017 beantragte die KESB die Abweisung der Beschwerde.

Aus den Erwägungen:

(…)

3.2 Nach Art. 366 Abs. 1 ZGB legt die Erwachsenenschutzbehörde eine angemessene Entschädigung fest, wenn der Vorsorgeauftrag keine Anordnung über die Entschädigung der beauftragten Person enthält und wenn dies mit Rücksicht auf den Umfang der Aufgaben als gerechtfertigt erscheint oder wenn die Leistungen der beauftragten Person üblicherweise entgeltlich sind. Nach Abs. 2 der Bestimmung werden die Entschädigung und die notwendigen Spesen der auftraggebenden Person belastet. Der Beschwerdeführer ist sinngemäss der Ansicht, Art. 366 ZGB sei unter anderem immer dann anwendbar, wenn sich die konkrete Höhe der geschuldeten Entschädigung nicht aus dem Vorsorgeauftrag ergebe. Mithin habe die KESB mittels Auslegung auch die konkrete Höhe der üblichen Entschädigung im vorliegenden Fall festzulegen. Die KESB hingegen argumentiert sinngemäss, es sei mit Art. 366 ZGB vereinbar, die konkrete Höhe der gemäss Vorsorgeauftrag vom 30. Oktober 2015 geschuldeten Entschädigung durch den Beschwerdeführer mittels Auslegung ermitteln zu lassen.

3.3 Der KESB ist zunächst darin zuzustimmen, dass sie nur dann nach Art. 366 ZGB eine Entschädigung festlegen soll, wenn der Vorsorgeauftrag keine oder nur eine lückenhafte Regelung diesbezüglich enthält (FamKomm Erwachsenenschutz-Geiser, Art. 366 ZGB N 6). Insofern sollte die KESB in der Tat nur zurückhaltend eine Regelung der Entschädigung vornehmen (siehe Geiser, a.a.O., Art. 366 ZGB N 13). Gleichwohl dürfen diese Überlegungen nicht dazu führen, dass die KESB ihrem Schutzauftrag i.S.v. Art. 368 ZGB, der Beseitigung von Gefährdungen der Interessen der betroffenen Person, nicht mehr nachkommt. Eine solche Gefährdung liegt namentlich potentiell dann vor, wenn die beauftragte Person in einer Angelegenheit Interessen hat, die denen der betroffenen Person widersprechen (Art. 365 Abs. 2 ZGB). Bei Interessenkollision entfallen von Gesetzes wegen die Befugnisse der beauftragten Person (Art. 365 Abs. 3 ZGB). Wenn nun aber dem Beschwerdeführer als einer der beiden beauftragten Personen die Kompetenz eingeräumt wird, den auslegungsbedürftigen Begriff der «üblichen Entschädigung» selbst zu konkretisieren, besteht die Gefahr eines Interessenkonflikts. Diese Gefahr ist umso grösser, als in der Lehre keine vollständige Einigkeit darüber besteht, welche Faktoren bei der Bemessung einer üblichen Vergütung im Rahmen eines Vorsorgeauftrags relevant sein können (siehe Hinweise bei Rumo-Jungo, a.a.O., Art. 366 N 5). Obwohl ein Interessenkonflikt zwar dann nicht zwingend eine Benachrichtigungspflicht nach Art. 365 Abs. 2 ZGB auslöst, wenn der Konflikt von der auftraggebenden Person bewusst in Kauf genommen worden ist (siehe dazu Rumo-Jungo, a.a.O., Art. 365 N 23), sollte die Gefahr durch einen solchen Interessenkonflikt nicht unterschätzt werden. Dass ein solcher bewusst in Kauf genommen worden ist, ergibt sich vorliegend nicht zwingend aus der blossen Formulierung der einen Klausel im Vorsorgeauftrag. Vielmehr bräuchte es hier zusätzliche Elemente, die es nahelegten, dass die Vorsorgeauftraggeberin die Kompetenz zur Festlegung der Entschädigung bewusst den beiden Vorsorgebeauftragten hat erteilen wollen und damit einen Interessenkonflikt akzeptiert hat. Solche können aber beispielsweise auch dem Gesprächsprotokoll der Anhörung vom 6. April 2017 nicht entnommen werden, sodass nicht hinreichend Indizien für eine Inkaufnahme eines Interessenkonflikts vorhanden sind. Zu beachten ist zudem, dass die Vorsorgeauftraggebende in ihrem Vorsorgeauftrag zwei Personen mit je verschiedenen Aufgaben beauftragt hat, was einen Einfluss auf die jeweilige Entschädigungshöhe haben könnte. Da die Vorsorgeauftraggebende im Vorsorgeauftrag lediglich den Grundsatz der Entschädigung ohne ausreichende Bemessungskriterien festgehalten und der Beschwerdeführer die KESB mit einer schlüssigen und nachvollziehbaren Begründung um die Festlegung der Entschädigungshöhe ersucht hat, hat die KESB eine angemessene Entschädigungsregelung zu treffen. Sie kann jedoch bei der vorsorgebeauftragten Person einen Vorschlag zur Entschädigungsregelung einholen (Kurzkommentar-ZGB-Langenegger, Art. 366 N 2). Insofern kann sich die KESB durchaus der Erfahrung des Beschwerdeführers in der Vorsorge- und Finanzberatung bedienen, selbst wenn einzig der KESB selbst die Kompetenz zur Festlegung der Entschädigungshöhe zukommt.

3.4 Eine konkrete Festlegung der üblichen Entschädigung durch die KESB ist auch vor dem Hintergrund weiterer möglicher Entwicklungen sinnvoll. Zusätzlich zu den Ausführungen in Erwägung 3.3 und der dort festgehaltenen Notwendigkeit eines Handelns der KESB ist nämlich zu berücksichtigen, dass ein jetziges Tätigwerden der KESB geeignet ist, allfällige spätere behördliche Interventionen zu vermeiden, was schliesslich auch im Sinne der gesetzlich angestrebten Selbstbestimmung ist. Vorliegend ist namentlich zu beachten, dass die Vorsorgebeauftragte ihre beiden Kinder als beauftragte Personen eingesetzt hat. Sollte nun der Beschwerdeführer die Kompetenz haben, seine Entschädigung selber festzulegen, besteht, nicht zuletzt auch wegen der nicht vollständig klaren Bewertungskriterien, die Gefahr, dass dadurch Familienkonflikte entstehen, die wiederum einen KESB-Entscheid erforderlich machen könnten. Ein Indiz hierfür ist die im Rahmen der Anhörung vom 6. April 2017 getätigte Äusserung des Beschwerdeführers, dass bei den Geschwistern Emotionen über die Art der Ausübung des Mandats vorhanden seien und es einen Klärungsbedarf aufgrund der finanziellen Situation gebe. Zudem besteht für den Beschwerdeführer die Gefahr einer Haftung nach Art. 456 ZGB, sollte die selbständige Festlegung der Entschädigung als ein Verstoss gegen das Verbot von Interessenkonflikten bzw. die Treuepflicht beurteilt werden. Es überrascht denn auch nicht, dass der Beschwerdeführer, welcher gemäss der unwidersprochenen Darstellung der KESB in der Vorsorge- und Finanzberatung erfahren ist, sie um die Festlegung der Entschädigung bittet. Damit riskiert er zwar, dass die Entschädigung geringer ausfällt, als wenn er sie selber festlegen könnte, doch sieht er sich durch den angestrebten behördlichen Entscheid nicht dem Vorwurf einer Treuepflichtverletzung ausgesetzt. Dieses vorsichtige Vorgehen des Beschwerdeführers deutet gerade darauf hin, dass er die soeben beschriebenen Konflikte vermeiden möchte, was ihm nicht zum Nachteil gereichen soll.

3.5 An der Anhörung vom 6. April 2017 wies der Beschwerdeführer darauf hin, er habe bisher die ganze Tätigkeit zugunsten seiner Mutter gratis geleistet. Man könne dies aber auch anders regeln. Entgegen der Ansicht der KESB soll diese Aussage nicht zu seinen Ungunsten interpretiert werden. Vernünftigerweise kann sie nicht dahingehend verstanden werden, dass der Beschwerdeführer der Ansicht sei, die Entschädigungsfragen seien hinreichend im Vorsorgeauftrag geregelt. Zudem ist nicht ersichtlich, weshalb für die Frage, ob der Vorsorgeauftrag betreffend die Entschädigung lückenhaft sei, auf einzelne Äusserungen des Beschwerdeführers abzustellen sein sollte. Vielmehr ist eine Auslegung des Vorsorgeauftrags selbst vorzunehmen und zwar, solange der Vorsorgeauftrag noch nicht angenommen worden und/oder präventiv um dessen Auslegung ersucht worden ist, nach dem Willensprinzip (Rumo-Jungo, a.a.O., Art. 364 N 7 ff.). Dabei kann es nicht auf Äusserungen des Beschwerdeführers ankommen.

3.6 Das Argument der KESB, wonach es schwierig sei, die Entschädigung bereits im Voraus festzulegen, vermag an den obigen Ausführungen nichts zu ändern. So kann die KESB die Entschädigung durch generelle Faktoren wie Stundensätze oder andere Richtlinien hinreichend bestimmen (siehe Geiser, a.a.O., Art. 366 ZGB N 10 f.), ohne jedes spezifische Detail entscheiden zu müssen. Des Weiteren besteht im Bedarfsfall die Möglichkeit einer Anpassung an veränderte Verhältnisse (Rumo-Jungo, a.a.O., Art. 366 N 5). Nicht erforderlich hingegen ist eine Bestimmung der notwendigen Auslagen. Wie die KESB zu Recht ausführt, sollten die notwendigen Auslagen bzw. Spesen jeweils ohne Weiteres, z.B. gestützt auf entsprechende Belege, klar ausgewiesen und geltend gemacht werden können. Demnach ergibt sich, dass die Bestimmung der üblichen Entschädigung für die beauftragten Personen durch die KESB nicht nur zulässig, sondern auch erforderlich ist. Insofern ist der Antrag des Beschwerdeführers, die KESB sei anzuweisen, die Höhe der Entschädigung der Beauftragten konkret festzuhalten, gutzuheissen.

(…)

5. Zusammenfassend bleibt mithin festzuhalten, dass sich die Beschwerde insofern als begründet erweist, als Ziff. 5 des angefochtenen Entscheids aufzuheben und die vorliegende Angelegenheit zur Neuformulierung und Festlegung der Höhe der Entschädigung der Vorsorgebeauftragten an die KESB zurückzuweisen ist. Die KESB hat insbesondere auch zu prüfen, ob die unterschiedlichen Aufgabenbereiche der Vorsorgebeauftragten eine unterschiedliche Entschädigungshöhe erfordern oder nicht.

(…)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 24. Mai 2018, F 2017 26
Das Urteil ist rechtskräftig.

Weitere Informationen

Fusszeile

Deutsch