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Art. 4 und 5 Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen

Art. 10 Abs. 2 BV, Art. 13 BV i.V.m. Art. 36 BV, § 3 VideoG

Regeste:

Art. 10 Abs. 2 BV und Art. 13 BV i.V.m. Art. 36 BV und § 3 VideoG –  Die Anordnung einer Videoüberwachung rund um den Bahnhof Zug bis hin zur Bossard-Arena ist verhältnismässig, weshalb sie grundsätzlich Zustimmung verdient. D ie Massnahme ist geeignet und erforderlich, um künftige Straftaten zu verhindern und bereits begangene Straftaten zu verfolgen und aufzuklären. Sie erweist sich als zumutbar, stehen dem grossen öffentlichen Interesse doch lediglich weniger gewichtige private Interessen der von der Videoüberwachung betroffenen Personen gegenüber (Erw. 3d ff.). Sie ist jedoch insofern einzuschränken, als dass im Gebiet zwischen dem Bahnhof Zug und der Bossard-Arena die Videoüberwachung nur bei Veranstaltungen erfolgen darf, bei denen mit Ausschreitungen bzw. dem Begehen von strafbaren Handlungen gerechnet werden muss (Erw. 3h/dd).

Aus dem Sachverhalt:

Mit Beschluss vom 31. Oktober 2017 erteilte der Regierungsrat des Kantons Zug die Bewilligung zum Betrieb einer Videoüberwachung für fünf Jahre. Die Videoüberwachung bezweckt die Verhinderung, Verfolgung und Aufklärung von strafbaren Handlungen. Als zuständiges Organ wurde die Zuger Polizei bezeichnet. Überwacht werden soll mit insgesamt 23 Kameras der öffentliche Raum in der Stadt Zug
- am Bahnhofplatz und an der Alpenstrasse bis nach der Kreuzung Gotthardstrasse;
- an der westlichen Vorfahrt zum Bahnhof, parallel zur Dammstrasse, vom südwestlichen Bahnhofausgang bis zur Gubelstrasse;
- an der Gubelstrasse und General-Guisan-Strasse von der Bahnhofunterführung bis zur Kreuzung Allmendstrasse, einschliesslich angrenzender Bereiche der Dammstrasse und der Aabachstrasse;
- auf dem Aussenbereich des Kaufmännischen Bildungszentrums Zug, einschliesslich des Parkplatzes bis und mit Weststrasse;
- auf dem Arenaplatz und den Aussenbereichen der Stadthalle Zug, der Bossard-Arena und der Curlinghalle, einschliesslich angrenzender Bereich der Weststrasse und der Allmendstrasse.
Der Beschluss enthält in zwölf weiteren Ziffern Handlungsanweisungen an die Zuger Polizei und bezeichnet die berechtigten Stellen innerhalb der Zuger Polizei. Er wurde im Amtsblatt des Kantons Zug vom 10. November 2017 veröffentlicht. Am 9. Dezember 2017 erhob A. B. (nachfolgend Beschwerdeführer), Baar, gegen diesen Beschluss Verwaltungsgerichtsbeschwerde und stellte den Antrag, der Beschluss sei aufzuheben.

Auf Verlangen des Gerichts reichte die Sicherheitsdirektion eine statistische Auswertung ein zur Beantwortung der Fragen, worauf ihre Feststellungen basierten, dass im für die Videoüberwachung vorgesehenen Perimeter überdurchschnittlich viele Straftaten stattfänden bzw. es sich um Orte mit hohem Kriminalitätsdruck, um sog. Brennpunkte oder «Hotspots», handle, sowie dass die Straftaten im vorgesehenen Perimeter zu jeder Jahreszeit und zu jeder Tages- und Nachtzeit erfolgten. Das von der Zuger Polizei erstellte Dokument enthält die statistische Auswertung der Straftaten, welche im Zeitraum 2014 bis 2018 (Stand: 26. September 2018) im Kanton Zug stattgefunden haben. Dabei wurden die Straftaten nach ausgewählten StGB-Titeln gegliedert und einerseits räumlich (mit einer Heatmap) und andererseits zeitlich statistisch ausgewertet. Für die Auswertung konnten die Straftaten verwendet werden, deren Tatorte mit Koordinaten versehen sind (81.4 % aller Straftaten im Kanton Zug, davon 37.9 % in der Stadt Zug).

Aus den Erwägungen:

(…)

3a) Eine personenbezogene Videoüberwachung – wie sie hier der Fall ist, weil Personen erkennbar oder bestimmbar sind – stellt einen Eingriff in die von der Bundesverfassung und der EMRK geschützten Grundrechte persönliche Freiheit, insbesondere die Freiheit, sich in den überwachten Räumen frei und ungezwungen zu bewegen (Art. 10 Abs. 2 BV) (Lucien Müller, Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen, Diss. Zürich/St. Gallen 2011, S. 151), Privatsphäre (Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 EMRK) und informationelle Selbstbestimmung, welche vor Datenmissbrauch schützt (Art. 13 Abs. 2 BV), dar. Einschränkungen dieser Rechte haben die Anforderungen von Art. 36 BV zu erfüllen. Danach bedürfen Einschränkungen von Grundrechten einer gesetzlichen Grundlage. Sie müssen durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt sein. Einschränkungen von Grundrechten müssen zudem verhältnismässig sein. Mit dem VideoG ist die gesetzliche Grundlage für die Videoüberwachung gegeben. Im vorliegenden Fall verfolgt die Videoüberwachung das Ziel, Straftaten zu verhüten und zu ahnden, was unbestrittenermassen im öffentlichen Interesse liegt. Ob das öffentliche Interesse (Schutzzweck) das private Interesse (persönliche Freiheit, Schutz der Privatsphäre) überwiegt und ob die geplanten Massnahmen verhältnismässig sind, ist nachfolgend zu beurteilen.

b) Das Gebot der  Verhältnismässigkeit verlangt, dass eine behördliche Massnahme für das Erreichen des im öffentlichen oder privaten Interesse liegenden Zieles geeignet und erforderlich ist und sich für die Betroffenen in Anbetracht der Schwere der Grundrechtseinschränkung zumutbar und verhältnismässig (i.e.S.) erweist. Geeignet ist eine Massnahme, wenn der von ihr verfolgte (im öffentlichen Interesse liegende) Zweck damit auch erreicht werden kann (Rainer J. Schweizer, in: St. Galler Kommentar zur Bundesverfassung, 3. Aufl., Zürich/St. Gallen 2014, Art. 36, Rz. 38). Eine Massnahme ist dann nicht erforderlich und damit unverhältnismässig, wenn das von ihr angestrebte Ziel mit einem weniger schweren Grundrechtseingriff erreicht werden kann (BGE 136 I 87 E. 3.2; 133 I 77 E. 4.1; 132 I 49 E. 7.2 mit Hinweisen). Der Eingriff darf in sachlicher, räumlicher, zeitlicher und personeller Beziehung nicht über das Notwendige hinausgehen (Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 9. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2016, Rz. 322). Zwischen dem verfolgten Ziel und dem dazu erforderlichen Grundrechtseingriff muss sodann ein vernünftiges Verhältnis bestehen. Das öffentliche Interesse an der Durchführung einer Massnahme oder der Erfüllung einer Aufgabe einerseits und die dadurch betroffenen privaten Interessen andererseits sind gegeneinander abzuwägen, um zu entscheiden, ob der Grundrechtseingriff dem Betroffenen zumutbar ist (dazu Schweizer, a.a.O., Art. 36, Rz. 40).

c) Das Gebot der Verhältnismässigkeit findet sich auch im VideoG. Gemäss § 3 Abs. 1 VideoG dürfen Videoüberwachungen eingesetzt werden, soweit sie geeignet und erforderlich sind, a) zum Schutz von Personen und Sachen vor strafbaren Handlungen sowie zur Verhinderung, Verfolgung und Aufklärung von Straftaten; b) innerhalb und ausserhalb der Bauten und Anlagen der Organe zum Schutz der Bauten und Anlagen und ihrer Benutzerinnen und Benutzer vor strafbaren Handlungen sowie zur Verhinderung, Verfolgung und Aufklärung von Straftaten. Die Videoüberwachungen sind örtlich und zeitlich auf das zur Erfüllung des Zwecks Erforderliche zu beschränken (Abs. 2).

d) (…)

Müller (a.a.O.) hat in seiner Dissertation zahlreiche Studien und Berichte betreffend die Videoüberwachung analysiert. Er kommt dabei zum Ergebnis, dass die Videoüberwachung grundsätzlich ein geeignetes Mittel dazu sei, die Strafverfolgung zu erleichtern oder überhaupt zu ermöglichen. Namentlich liessen sich mit der Videoüberwachung die Aufklärungsraten und das Festnahmerisiko steigern. Auch die Funktion von Videoaufzeichnungen als Beweismittel im Strafprozess dürfe nicht unterschätzt werden. Die Aufzeichnungen könnten auch dazu dienen, Opfer und Zeugen von Straftaten zu identifizieren (S. 240 f.). Gemäss Müller ist insbesondere diejenige Videoüberwachung geeignet, welche auch eine Echtzeitbeobachtung zulässt. Bei dieser gehe es auch darum, unmittelbar Gefahren am Bildschirm zu registrieren und Beamte vor Ort schicken zu können. Es sei davon auszugehen, dass eine solche Echtzeitbeobachtung nach dem Kamera-Monitor-Prinzip der Polizei tatsächlich ein schnelleres Eingreifen vor Ort erlaube, womit sich die Begehung von Delikten oder zumindest die Begehung zusätzlicher oder schwerer Delikte verhindern lasse (S. 241 f.). Eine Echtzeitüberwachung ist im Kanton Zug gemäss § 8 VideoG möglich und wird in Ziff. 11 des Regierungsratsbeschlusses auch ausdrücklich erwähnt. Eher unklar ist, ob die Videoüberwachung einen abschreckenden Effekt auf die Begehung von Delikten hat. Gemäss Müller sei festzustellen, dass sich aus bisherigen Untersuchungen zur Wirksamkeit der Videoüberwachung im öffentlichen Raum zur Reduktion der Gesamtkriminalität im überwachten Gebiet keine klaren Schlüsse ziehen liessen. In den Untersuchungen scheine immerhin eine gewisse Übereinstimmung dahingehend zu bestehen, dass die Videoüberwachung Delikte, welche mit Gewalt gegen Personen verbunden seien, wie namentlich Körperverletzungsdelikte, kaum oder nur in sehr geringem Umfang zu verhindern im Stande sei. Dies werde damit erklärt, dass solche Delikte häufig im Affekt und/oder unter Alkohol- oder Drogeneinfluss begangen würden. Hingegen scheine die Videoüberwachung von Parklätzen zum Schutz der Fahrzeuge vor Diebstahl und Sachbeschädigung wirksam zu sein, zumindest soweit gleichzeitig weitere Massnahmen ergriffen würden, wie etwa eine bessere Beleuchtung. Bezüglich anderer auf öffentlichen Strassen und Plätzen vorkommender Delikte wie Sachbeschädigung, Raub oder Diebstahl zeige sich ein uneinheitliches Bild. Ähnliches gelte für Betäubungsmitteldelikte. Die Videoüberwachung im öffentlichen Verkehr solle hingegen zu Rückgängen von Vandalismusschäden geführt haben, ebenso zu einer Verminderung von Bedrohungen und Übergriffen. Müller kommt zum Ergebnis, dass sich nicht pauschal behaupten lasse, die Videoüberwachung sei ein generell ungeeignetes Mittel, um die Kriminalität im überwachten Bereich zu verringern. Ohnehin gelte, dass Massnahmen der Gefahrenabwehr nicht etwa schon deshalb ungeeignet seien, weil sie Gefahren nicht vollumfänglich zu verhindern in der Lage seien. Es sei ausreichend, wenn sie voraussichtlich einen sinnvollen Beitrag zur Verwirklichung des angestrebten Zieles leisteten (S. 243 ff.).

Für das Gericht ergibt sich daraus Folgendes: Auch wenn gewisse Zweifel an der präventiven Wirkung einer Videoüberwachung bestehen, kann ihr die Geeignetheit nicht abgesprochen werden. Dafür spricht im vorliegenden Fall insbesondere, dass sie offen erfolgt, also für den Einzelnen erkennbar ist. Das sieht Ziff. 15 der regierungsrätlichen Bewilligung vor, wonach die Videoüberwachung im Aufnahmegebiet mit Hinweisschildern gekennzeichnet wird, die ein Kamerasymbol und die Aufschrift «Video» tragen. Die Kennzeichnungspflicht ist im Übrigen auch bereits in § 13 VideoG vorgesehen. Es ist gerade das Wissen um die Beobachtung und allenfalls die Aufzeichnung deliktischen Verhaltens, welches die Videoüberwachung überhaupt als taugliches Mittel zur Erreichung einer abschreckenden Wirkung erscheinen lässt (Müller, a.a.O., S. 247). Die heutigen Videokameras, welche auch die Zuger Polizei einsetzen wird, haben zudem eine derart gute Qualität, dass damit eine effiziente Strafverfolgung durchaus möglich ist und dadurch ein Abschreckungseffekt auch tatsächlich erzielt werden kann. Den bestehenden Zweifeln an der präventiven Wirkung der Videoüberwachung wird insbesondere dadurch begegnet, dass die Bewilligung auf fünf Jahre befristet ist. Soll der Betrieb nach Ablauf der Bewilligungsfrist verlängert werden, muss das zuständige Organ ein erneutes Gesuch einreichen. Der Einsatz der Videoüberwachung ist somit regelmässig zu überprüfen. Paragraf 2 Abs. 3 VideoV sieht denn auch vor, dass bei der ersuchten Erneuerung oder Verlängerung einer
Videoüberwachung ihre Wirksamkeit darzulegen ist. Sollte sich daraus ergeben, dass der Zweck der Videoüberwachung am fraglichen Ort nicht erreicht wird, würde die Bewilligung nicht verlängert. Dies und insbesondere die Tatsachen, dass eine Videoüberwachung die Strafverfolgung erleichtert oder überhaupt ermöglicht, sowie dass die geplante Echtzeitbeobachtung der Polizei ein schnelleres Eingreifen vor Ort erlaubt, führt das Gericht zur Erkenntnis, dass im vorliegenden Fall die vorgesehene Videoüberwachung ein geeignetes Mittel darstellt, um Straftaten zu verhindern, zu verfolgen und aufzuklären. Ob diese
Videoüberwachung tatsächlich erforderlich und verhältnismässig ist, wird weiter unten zu prüfen sein.

(…)

f/aa) Eine Verwaltungsmassnahme muss im Hinblick auf das im öffentlichen Interesse angestrebte Ziel erforderlich sein; sie hat zu unterbleiben, wenn eine gleich geeignete, aber mildere Massnahme für den angestrebten Erfolg ausreichen würde. Das Element der Erforderlichkeit dient der Prüfung der Intensität staatlichen Handelns. Die Massnahme darf in sachlicher, räumlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht nicht über das Notwendige hinausgehen (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl., Zürich/
St. Gallen 2016, Rz. 527 und 530).

f/bb) Bezüglich baulicher Massnahmen oder Verbesserung der Beleuchtung ist darauf hinzuweisen, dass solche Massnahmen keine unmittelbare Abschreckung, wie sie durch die Videoüberwachung bezweckt wird, bewirken (Müller, a.a.O., S. 252). Dem Regierungsrat ist zudem zuzustimmen, dass bauliche Massnahmen oder die Verbesserung der Beleuchtungssituation zwar vereinzelt und in spezifischen Situationen diesen Zweck unterstützen, die Wirkungsmöglichkeiten der geplanten Videoüberwachungsmassnahmen aber bei weitem nicht ersetzen. Insbesondere können sie keinen Beitrag zur Aufklärung von Straftaten leisten. Was eine Erhöhung der Polizeipräsenz an den fraglichen Orten betrifft, ist festzustellen, dass der Einsatz von Polizeibeamten vor Ort verglichen mit einer Videoaufzeichnungsmassnahme die mildere Massnahme darstellt. Da aber eine Videoaufzeichnung aufgrund der Beweissicherung einer polizeilichen Präsenz überlegen ist und damit auch ein zusätzlicher präventiver Effekt erreicht werden dürfte, lässt sich mit einer Steigerung der beobachtenden polizeilichen Präsenz vor Ort nicht zwangsläufig eine gleichermassen abschreckende Wirkung erzielen (Müller, a.a.O., S. 250). Kommt hinzu, dass mit der Videobeobachtung, verglichen mit dem Einsatz von Polizeikräften vor Ort, jedenfalls eine grossflächigere, genauere und intensivere Beobachtung möglich ist, weshalb sie aufgrund des dadurch gesteigerten Entdeckungsrisikos als zur Abschreckung besser geeignet erscheint. Eine solch hohe Beobachtungskapazität durch blosse Polizeipräsenz zu erreichen, ist zwar nicht ausgeschlossen. Dies würde aber eine massive Steigerung der polizeilichen Präsenz vor Ort bedingen. Dann erschiene die (gesteigerte) Polizeipräsenz zwar als gleich geeignetes Mittel wie eine Videobeobachtung, könnte aber nicht mehr als milderes Mittel bezeichnet werden. Die zusätzlich notwendigen personellen und finanziellen Mittel würden jedenfalls in keinem sinnvollen Verhältnis zum erreichten Sicherheitsgewinn stehen. Damit erweist sich die geplante Videoüberwachung als erforderlich.

g) Der Beschwerdeführer bestreitet die Verhältnismässigkeit der Massnahme. Unter anderem erachtet er die zu überwachenden Gebiete als sehr umfangreich. So würden ganze Strassengegenden und bestimmte Stadtgebiete vollständig von der Videoüberwachung erfasst.

g/aa) Der Regierungsrat liess dem Verwaltungsgericht eine statistische Auswertung der Straftaten der Jahre 2014 bis 2018, deren Tatorte mit Koordinaten versehen sind (81.4 % aller Straftaten), zukommen (act. 20). In der von der Zuger Polizei erstellten räumlichen Auswertung (Heatmap) wird dargestellt, wo diese Straftaten im Kanton Zug und insbesondere in der Stadt Zug erfolgten. Basierend auf der Gebietsbelastung durch Straftaten wurde die der Heatmap zugrundeliegende Karte wie folgt eingefärbt: gelb = starke Belastung, rot = mittlere Belastung, blau = geringe Belastung, wobei die unterschiedliche Einfärbung nicht nur auf der Ebene von Quartieren, sondern in noch grösserer Detaillierung vorgenommen wurde. Auch wenn die Heatmap keine Legende mit absoluten Zahlen enthält, kann ihr mit grosser Eindrücklichkeit entnommen werden, dass mit Abstand am meisten Delikte im Gebiet des Bahnhofs Zug begangen werden. Dies gilt insbesondere für strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, Verbrechen und Vergehen gegen die Freiheit, strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität sowie für strafbare Handlungen gegen das Vermögen (wobei Letztere, was die Gesamtzahl anbetrifft, stark überwiegen). Die Heatmap zeigt somit auf, dass es sich beim Bahnhof Zug und seinem Umgelände eindeutig um einen Brennpunkt oder «Hotspot» bezüglich Straftaten handelt. Es ist daher nicht zu bemängeln, wenn sich der Überwachungsperimeter vom südlichen Bahnhofeingang bis zum Dreispitzplatz sowie an der westlichen Bahnhofvorfahrt vom dortigen Bahnhofausgang bis zur Gubelstrasse erstreckt. In diesen beiden Gebieten ist das Personenaufkommen hoch, und dort finden, wie ausgeführt, mit Abstand am meisten Straftaten innerhalb des Kantons Zug statt. Im Gebiet des Bahnhofs Zug ist die Karte gelb eingefärbt.

(…)

g/bb) Gerichtsnotorisch ist, dass grössere Veranstaltungen, insbesondere Sportveranstaltungen, die Polizeiorgane immer wieder vor grosse Herausforderungen stellen. Die Polizei ist dabei häufig mit gewalttätigen Auseinandersetzungen und Vandalismus konfrontiert. Mit verschiedenen Massnahmen und geeigneten Mitteln, wozu wie vorangehend erwähnt auch die Videoüberwachung gehört, soll versucht werden, die Sicherheit sowohl der Veranstaltungsteilnehmer als auch der übrigen Bevölkerung zu gewährleisten. Bei Anlässen mit grossem Publikumsandrang unterstützt die Videoüberwachung zudem das Führen von Menschenansammlungen und das Bilden von Rettungsachsen für allfällige Evakuierungen. Solche Anlässe finden im Kanton Zug mehrheitlich im Gebiet der Sportanlagen Allmend/Herti statt, und es besteht insbesondere ein Bedürfnis, Fanmärsche, die zwischen dem Bahnhof Zug und den genannten Sportanlagen stattfinden, mit Videokameras zu überwachen. Auch wenn in diesem Gebiet gemäss der von der Zuger Polizei vorgenommenen statistischen Auswertung nicht die meisten Straftaten stattfinden, erachtet es das Gericht, angesichts dessen, dass bei grösseren Veranstaltungen mit hohem Publikumsandrang immer wieder Gefährdungssituationen entstehen, als gerechtfertigt, die Videoüberwachung vom Bahnhof Zug her an der Gubelstrasse und der General-Guisan-Strasse bis zur Kreuzung Allmendstrasse («Fanmarschroute») sowie auf dem Areal zwischen der Allmendstrasse, der Weststrasse, der Aabachstrasse und der General-Guisan-Strasse vorzusehen. Diese räumliche Ausdehnung ist zur Erreichung des Zwecks erforderlich.

g/cc) Als Zwischenresultat ergibt sich somit, dass die räumliche Dimension der vorgesehenen Videoüberwachung nicht zu bemängeln ist. Ob sich die Videoüberwachung auch bezüglich ihres zeitlichen Umfangs (vorgesehen ist die Überwachung rund um die Uhr, sowohl beim Bahnhof Zug als auch auf der «Fanmarschroute») als verhältnismässig erweist, ist nachfolgend zu prüfen.

(…)

h/cc) Die zeitliche Auswertung der Straftaten, für welche dieselben Daten verwendet wurden, welche die Grundlage für die räumliche Auswertung der StGB-Straftaten bildeten, zeigt – entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers – auf, dass sich die Verteilung von Straftaten sowohl im Kantonsgebiet als auch im Gebiet der Stadt Zug weder nach Jahreszeit, nach Wochentag oder Tagesstunde stark unterscheidet. Einzig am Sonntag sind rund 30 % weniger Delikte festzustellen als an den bezüglich Anzahl erfasster Straftaten ziemlich ausgeglichenen übrigen Wochentagen. Auffallend ist zudem, dass es auch keine massiven Unterschiede bei der Verteilung der Delikte auf die Uhrzeit gibt. Insbesondere verhält es sich nicht so, dass in der Nacht mehr Straftaten als am Tag verübt werden, was der Forderung der Datenschutzstelle entsprechen würde, im Bereich Bahnhof den Aufzeichnungsmodus auf die Nachtzeiten einzuschränken. Im Gegenteil, in der Stadt Zug (aber auch im übrigen Kantonsgebiet) werden mehr tagsüber als in der Nacht begangene Straftaten festgestellt, wobei jedoch davon ausgegangen werden muss, dass in den Nacht- und Morgenstunden tendenziell eher schwerere Straftaten stattfinden. Vor diesem Hintergrund und eingedenk der bereits weiter oben gemachten Feststellung, dass es sich beim Gebiet südlich und westlich des Bahnhofs Zug um einen eigentlichen Kriminalitätsschwerpunkt handelt, sieht das Gericht keine Veranlassung, die Beurteilung des Regierungsrats zu bemängeln und in diesem Perimeter eine zeitlich eingeschränkte Videoüberwachung anzuordnen. Angesichts der Tatsache, dass in diesem Gebiet mehr Straftaten am Tag als in der Nacht erfolgen, ist das Verhältnismässigkeitsprinzip auch nicht dadurch verletzt, dass tagsüber mehr Personen von der Videoüberwachung betroffen sind als in der Nacht. Eine dauernde Videoüberwachung dient am ehesten dem Zweck, im Brennpunkt südlich und westlich des Bahnhofs Zug Straftaten zu verfolgen und aufzuklären. Somit ist festzustellen, dass die Rund-um-die-Uhr-Überwachung am Bahnhofplatz und an der Alpenstrasse bis nach der Kreuzung Gotthardstrasse sowie an der westlichen Vorfahrt zum Bahnhof parallel zur Dammstrasse, vom südwestlichen Bahnhofausgang bis zur Gubelstrasse, (Spiegelstriche 1 und 2 der regierungsrätlichen Bewilligung) zulässig ist.

h/dd) Anders beurteilt das Gericht die Situation ab der Gubelstrasse bis zur Bossard-Arena, der sogenannten «Fanmarschroute». Hier wurde bereits ausgeführt, dass auf dieser Strecke keine überdurchschnittliche Häufung von Straftaten registriert werden kann, es sich, was die Anzahl von Delikten betrifft, somit nicht um einen «Hotspot» handelt. Hingegen besteht bei grösseren Veranstaltungen im Gebiet Allmend/Herti eine erhöhte Gefährdung der Sicherheit, insbesondere bei Risikospielen der Eishockeymeisterschaft, bei denen es immer wieder zu gewalttätigen Ausschreitungen und Übergriffen sowie weiteren strafbaren Handlungen kommt, was mit der Videoüberwachung eingedämmt werden soll. Solche Veranstaltungen finden jedoch nur punktuell statt, und das Gericht erachtet es als unverhältnismässig, zum Zweck der Strafverfolgung und Aufklärung von Delikten sowie der Prävention im Gebiet ab der Gubelstrasse bis zur Bossard-Arena (Spiegelstriche 3 - 5 der Bewilligung des Regierungsrats) die Videoüberwachung rund um die Uhr vorzunehmen. So war es denn auch der Regierungsrat selber, der in seinem Bericht und Antrag vom 4. Dezember 2012 zum VideoG ausführte, die Videoüberwachung sei nicht nur in räumlicher, sondern auch in zeitlicher Hinsicht auf das zur Erreichung des Überwachungsgesetzes Notwendige zu begrenzen. So werde sich etwa die Überwachung an öffentlichen Flanierwegen und Freizeitplätzen im Wesentlichen auf die Sommermonate beschränken, wo die Wahrscheinlichkeit von Straftaten wesentlich grösser sei als im Winter, und der Weg vom Bahnhof Zug zur Bossard-Arena und zurück werde praktisch nur im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen zu einem möglichen Problembereich (KRV Nr. 14211, S. 16). Nach Ansicht des Gerichts ist eine Videoüberwachung rund um die Uhr in diesem Gebiet unverhältnismässig, und der Regierungsrat hat diesbezüglich sein Ermessen überschritten. Eine Beschränkung der Videoüberwachung auf Veranstaltungen, bei denen mit Ausschreitungen bzw. dem Begehen von strafbaren Handlungen gerechnet werden muss, ist angezeigt, wobei – entsprechend der Empfehlung der Datenschutzstelle – Echtzeitüberwachungen (mit gleichzeitiger Aufzeichnung) zulässig sein sollen. Um welche Veranstaltungen es sich dabei handelt, soll der pflichtgemässen Beurteilung der Zuger Polizei überlassen bleiben. Die Folge, dass dadurch für die Bevölkerung weniger gut erkennbar und nachvollziehbar ist, ob momentan eine Videoüberwachung erfolgt oder nicht, ist für das Gericht vernachlässigbar, da es einerseits technische Mittel gibt, dies zu kommunizieren, und andererseits die erwünschte kriminalpräventive Wirkung der Videoüberwachung auch dann gegeben ist, wenn ein Betroffener irrtümlich davon ausgeht, die Videoüberwachung sei eingeschaltet. Die Beschränkung der Videoüberwachung auf einzelne Veranstaltungen reduziert im Übrigen auch die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Problematik, dass sich im Gebiet der "Fanmarschroute" das Kaufmännische Bildungszentrum (KBZ) befindet. Zu den Zeiten, in denen diejenigen risikobehafteten Veranstaltungen stattfinden, bei welchen eine Videoüberwachung angezeigt ist, findet in der Regel im KBZ kein Schulunterricht statt, weshalb die grosse Mehrheit der KBZ-Schülerinnen und -Schüler nicht von Videokameras erfasst wird.

i) Der Beschwerdeführer sieht das Gebot der Verhältnismässigkeit insbesondere auch dadurch verletzt, dass durch die vorgesehenen Videoüberwachungsmassnahmen überdurchschnittlich viele Personen betroffen seien. Zudem lasse der Regierungsrat ausser Acht, dass gewisse Ladengeschäfte oder Räumlichkeiten (z.B. Anwaltskanzleien, Arztpraxen, Beratungsstellen, Ombudsstelle des Kantons Zug) nur über das mit Video überwachte Gebiet erreicht werden könnten. Passantinnen und Passanten hätten daher häufig gar keine Möglichkeit, das mit Video überwachte Gebiet zu meiden.

i/aa) Damit bezieht sich der Beschwerdeführer auf die Verhältnismässigkeit der Videoüberwachung im engeren Sinne. Dabei ist zu klären, ob durch die Videoüberwachung ein vernünftiges Verhältnis zwischen dem angestrebten Ziel und dem durch die betroffenen Personen zu erduldenden Eingriff besteht. Die Massnahme muss durch ein das private Interesse überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt sein. Nur in diesem Fall ist sie den betroffenen Privatpersonen zumutbar. Für die Interessenabwägung massgeblich sind also einerseits die Bedeutung der verfolgten öffentlichen Interessen und anderseits das Gewicht der betroffenen privaten Interessen. Eine Massnahme, an der nur ein geringes öffentliches Interesse besteht, die aber tiefgreifende Auswirkungen auf die Rechtsstellung der betroffenen Privaten hat, soll unterbleiben (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., Rz. 557).

i/bb) Unstreitig im öffentlichen Interesse liegen die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (vgl. BGE 132 I 49 E. 7.1; Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., Rz. 472; Schweizer, a.a.O., Art. 36, Rz. 32), die Verhinderung künftiger Straftaten und die Aufklärung und Verfolgung bereits begangener Straftaten (BGE 128 II 259 E. 3.5; BGE 120 Ia 147 E. 2d; BGE 117 Ia 472 E. 3f). Somit besteht kein Zweifel daran, dass die mit der Videoüberwachung verfolgten Zwecke der Verhütung und (erleichterten) Verfolgung von Straftaten im öffentlichen Interesse liegen (BGE 136 I 87 E. 8.3 und 8.4; BGE 133 I 77 E. 5.3 f.). Das öffentliche Interesse an der Verhinderung und Ahndung von Straftaten stellt grundsätzlich ein gewichtiges öffentliches Interesse dar (vgl. EGMR, Urteil vom 28. Januar 2003 i.S. Peck gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 44647/98, ECHR 2003-I, Ziff. 79). Dies auch deshalb, weil die Sicherheit selbst eine Voraussetzung für die Ausübung individueller Freiheiten und Rechte darstellt und damit letztlich auch für das Funktionieren eines demokratischen und freiheitlichen Staatswesens unerlässlich ist (siehe dazu auch Müller, a.a.O., S. 233 f.).

Nachdem sich vorangehend die Videoüberwachung als geeignet und erforderlich erwiesen hat, ist somit im vorliegenden Fall auch von einem hinreichenden öffentlichen Interesse auszugehen. Zu prüfen ist, ob dieses Interesse die persönlichen Schutzrechte, die mit dem Mittel der Videoüberwachung beeinträchtigt werden, überwiegt. Dabei ist insbesondere zu prüfen, wie intensiv diese Grundrechtsbeeinträchtigung ist.

i/cc) Die Beantwortung der Frage der Intensität des Grundrechtseingriffs durch Videoüberwachung im öffentlichen Raum hängt von den Umständen des Einzelfalls ab bzw. hat unter Berücksichtigung sämtlicher die Überwachung charakterisierender Elemente zu erfolgen. Es trifft zu, dass durch die vorliegend vorgesehene Videoüberwachung viele Personen betroffen sind. Wie dargelegt, finden im Überwachungsperimeter aber auch überdurchschnittlich viele Straftaten statt. Ein Missverhältnis zwischen der Anzahl der von der Videoüberwachung betroffenen Personen und der Anzahl Straftaten ist jedenfalls nicht erkennbar. Überdies wiegt der individuelle Grundrechtseingriff an sich nicht deshalb schwerer, weil eine grosse Anzahl von Personen betroffen ist (siehe dazu BGE 133 I 77 E. 5.3). Wie erwähnt (Erw. 3c), enthält das VideoG einen Hinweis auf das Gebot der Verhältnismässigkeit. Aber auch mit weiteren Bestimmungen trägt das VideoG den von der Videoüberwachung tangierten Grundfreiheiten Rechnung. So dürfen gemäss § 9 VideoG die Bildaufzeichnungen nur dann ausgewertet werden, wenn eine Strafanzeige, ein Strafantrag oder konkrete Verdachtsgründe für eine Straftat vorliegen und damit zu rechnen ist, dass die Aufzeichnungen als Beweismittel dienen können. Ein verdachtsloses Ausforschen oder Verfolgen von Einzelpersonen ist untersagt. Die Echtzeitüberwachung ist an die Voraussetzungen von § 8 VideoG gebunden. Danach kann die Polizei die Echtzeitüberwachung anordnen, a) unmittelbar aufgrund einer Alarmmeldung, die das überwachte Gebiet, den überwachten Bau oder die überwachte Anlage betrifft; b) wenn angenommen werden muss, dass im überwachten Gebiet, im überwachten Bau oder in der überwachten Anlage eine besondere Gefährdungssituation besteht (Abs. 1). Die Echtzeitüberwachung erfolgt ohne Anordnung automatisch aufgrund eines Alarms, der an einer im überwachten Gebiet, im überwachten Bau oder in der überwachten Anlage angebrachten Vorrichtung ausgelöst wird (Abs. 2). Auch der Regierungsrat hat Vorkehrungen getroffen, um die Intensität des Grundrechtseingriffs von Videoüberwachungen zu verkleinern. Die Videoüberwachungsverordnung enthält Bestimmungen, die diesem Zweck dienen. So haben gemäss § 3 VideoV die Videoüberwachungsanlagen mindestens folgende Anforderungen zu erfüllen: a) Aufnahmen ausserhalb des bewilligten Bereichs werden mit technischen Mitteln verhindert; b) Arbeitsplätze und Technik sind so eingerichtet, dass nur die Berechtigten die Bildaufzeichnungen einsehen können; c) Zugriffe auf die Bildaufzeichnungen werden lückenlos dokumentiert. Gemäss § 4 Abs. 1 VideoV bildet die Polizei die zur Auswertung berechtigten Stellen in Zusammenarbeit mit der Datenschutzstelle aus. Die Funktionstüchtigkeit der Videoüberwachungsanlage wird mindestens einmal jährlich überprüft. Abweichungen vom bewilligten Betrieb der Videoüberwachungsanlage werden so rasch als möglich behoben. Kann die Videoüberwachungsanlage nicht wie bewilligt betrieben werden, ist sie ausser Betrieb zu nehmen. Die Funktionsprüfungen und die Wartungen der Videoüberwachungsanlage werden protokolliert (§ 6 Abs. 1–4 VideoV). Gemäss § 7 Abs. 1 VideoV werden die Aufnahmebereiche zudem mindestens mit Kamerasymbolen und der Aufschrift "Video" gekennzeichnet. Das Datenschutzgesetz vom 28. September 2000 (BGS 157.1) verlangt zudem in § 7 Abs. 1, dass die Organe durch angemessene technische und organisatorische Massnahmen für die Sicherung der Daten sorgen. Daten sind insbesondere vor Verlust, Fälschung, Entwendung, Kenntnisnahme, Kopieren und Bearbeiten durch Unbefugte zu sichern. Gestützt auf § 20 des Datenschutzgesetzes hat die Datenschutzstelle weiter jederzeit das Recht, die Datensicherheit zu kontrollieren.

Im vorliegenden Fall machte der Regierungsrat mehrere Auflagen, um die Intensität des Grundrechtseingriffs von Videoüberwachungen zusätzlich zu verringern. So sind gemäss Ziff. 9 der Bewilligung die Aufzeichnungen nach 14 Tagen zu löschen, sofern sie nicht Eingang in Strafuntersuchungen finden, obwohl gemäss bundesgerichtlicher Praxis (BGE 133 I 77 E. 5.3) und § 12 VideoG eine 100-tägige Aufbewahrungsfrist zulässig wäre. Durch diese Senkung der Aufbewahrungsfrist auf 14 Tage sinkt die Intensität des Grundrechtseingriffs. Zugang zu den Daten und Einsicht in die Aufzeichnungen erhält nur ein eingeschränkter Personenkreis der Zuger Polizei, der an das Amtsgeheimnis gebunden ist (Ziff. 14 der Bewilligung). Entsprechend der kantonalen Gesetzgebung findet die Videoüberwachung nur im öffentlichen Raum statt. Verglichen mit einer Videoüberwachung im privaten, nicht öffentlich zugänglichen Raum weist eine solche im öffentlichen Raum eine geringere Eingriffsintensität auf. Um die Privatsphäre von Anwohnern und Geschäften zu respektieren und zu gewährleisten, werden ihre Liegenschaften, Hauseingänge und Räumlichkeiten technisch mit sogenannten «Privacy Masks» ausgeblendet, so dass sie weder auf den Aufzeichnungen noch in der Live-Ansicht einsehbar sind. Gemäss der glaubwürdigen Darstellung der Sicherheitsdirektion und entgegen der Vermutung des Beschwerdeführers sind diese Aufzeichnungen nicht rekonstruierbar. Es sei nämlich vorgesehen, dass die Blindbereiche direkt auf der Kamera programmiert bzw. konfiguriert würden, so als würde ein Teil der Kameralinse mit einem Gegenstand oder einem durchsichtigen Klebeband zugedeckt. Die Blindbereiche könnten folglich nicht eingesehen werden. Da sie gar nicht aufgenommen würden, bestehe auch im Nachhinein keine Möglichkeit, die Anonymisierungen auf den Bildsequenzen zu bearbeiten, zu entfernen oder dahinterliegende Ereignisse sichtbar zu machen. Damit kann den Bedenken des Beschwerdeführers entsprochen werden, wonach es im überwachten Bereich Angebote und Dienstleistungen wie Anwaltskanzleien, Arztpraxen sowie soziale und andere Beratungsstellen (z.B. kantonale Ombudsstelle) gebe, deren Räumlichkeiten nur über das überwachte Gebiet erreicht werden könnten. Es kann davon ausgegangen werden, dass Leute, welche solche Gebäude betreten, nicht erkannt werden können, womit ihre Privatsphäre diesbezüglich geschützt ist. Von Bedeutung ist weiter, dass die Überwachung entsprechend § 13 VideoG und Ziff. 15 der Bewilligung offen und nicht verdeckt erfolgt, indem auf den Einsatz der Bildaufzeichnungs- und Bildübermittlungsgeräte mit einem Kamerasymbol und der Aufschrift «Video» gut sichtbar hingewiesen wird. Durch den Verzicht auf die Heimlichkeit der Datenbeschaffung sinkt die Eingriffsintensität ebenfalls.

Weiter ist Folgendes zu beachten: Im südlichen und westlichen Vorfeld des Bahnhofs Zug bzw. im dort überwachten Raum sind die Aufenthaltszeiten der betroffenen Personen in der Regel eher kurz. Es handelt sich nicht um ein typisches Ausgangsviertel, und z.B. Strassencafés, in denen Personen regelmässig länger verweilen, gibt es nur wenige. Die Pflege von sozialen Kontakten und der Kommunikation mit anderen Personen steht in diesem Gebiet nicht im Vordergrund. Auch wird das Gelände nicht für Veranstaltungen genutzt. Viel eher wird das Gebiet normalerweise einfach durchquert, wenn nicht gerade Personen auf Busse warten oder auf der Westseite des Bahnhofs mit Personenwagen oder Cars abgeholt werden. Mit anderen Worten: Das Verhalten bzw. die Persönlichkeit einer Person werden dort in einem geringen Ausmass erfasst. Es gibt kaum besonders schützenswerte Lebensbereiche, in denen Personen beobachtet oder registriert werden. Und schliesslich ist auch darauf hinzuweisen, dass keine sogenannte intelligente Videosysteme (auch «Thinking Cameras» genannt) eingesetzt werden, was den Grundrechtseingriff vertiefen würde. Intelligente Videoüberwachung würde Videoanalysen und einen Datenabgleich erlauben. Unter Videoanalyse versteht man Verfahren, welche Bildinhalt und/oder das Videosignal bewerten, insbesondere um Abweichungen festzustellen oder Objekte anhand bestimmter Kriterien (wie Form, Grösse oder Geschwindigkeit) zu erkennen. Als wichtigste Videoanalysefunktionen gelten die Videosensorik, die Objekterkennung, die Biometrie, die Suche in Bildkonserven und die Sabotageüberwachung (Müller, a.a.O., S. 17 ff.). All das wird vorliegend nicht eingesetzt, um auch dadurch die Eingriffsintensität gering zu halten.

j) Das Gericht teilt die Ansicht des Beschwerdeführers nicht, wonach die Bewilligung des Regierungsrats nur ungenügende Massnahmen betreffend Datensicherheit enthalte und insbesondere unklar bleibe, mit welchen Massnahmen die Datensicherheit in Bezug auf die Aufzeichnung, Bearbeitung und Auswertung sowie die Vernichtung konkret sichergestellt werde. Gemäss § 6 Abs. 2 lit. g VideoG muss die Bewilligung Angaben darüber enthalten, mit welchen Massnahmen für die Datensicherheit bei der Aufzeichnung, Bearbeitung, Auswertung sowie Vernichtung der Daten gesorgt wird. Der Grundsatz der Datensicherheit, wie er in § 7 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes normiert ist, verlangt, dass die Organe durch angemessene technische und organisatorische Massnahmen für die Sicherung der Daten sorgen. Daten sind insbesondere vor Verlust, Fälschung, Entwendung, Kenntnisnahme, Kopieren und Bearbeiten durch Unbefugte zu sichern. Die regierungsrätliche Bewilligung enthält in Ziff. 8 und in Übereinstimmung mit § 3 lit. b und c VideoV die Auflage, dass jeder Datenzugriff registriert wird und somit im Sinne einer Eingabekontrolle jeder Datenzugriff nachträglich überprüft werden kann. Gemäss Ziff. 10 werden die Datenspeicher in nicht öffentlich zugänglichen Räumen in Datenschränken eingeschlossen, wodurch eine Zugangskontrolle sichergestellt ist. Ziffer 14 bringt eine enge Begrenzung der Personen, welche Zugang zu den Aufzeichnungen haben. Auch die in § 10 Abs. 2 VideoG und § 4 VideoV geregelte Ausbildung der zur Auswertung Berechtigten dient dem Grundsatz der Datensicherheit. Die Regelung von § 12 VideoG, wonach das zuständige Organ durch geeignete technische und organisatorische Massnahmen sicherstellt, dass Daten spätestens nach hundert Tagen (tatsächlich nach 14 Tagen) gelöscht oder innerhalb dieser Frist in ein Strafverfahren überführt werden, ist konkret genug, um betreffend Datenvernichtung den Anforderungen des Datenschutzes gerecht zu werden. Und schliesslich dienen auch die Bestimmungen von § 6 VideoV betreffend Funktionsprüfung und Wartung der Videoüberwachungsanlagen dem Ziel, eine ausreichende Datensicherheit zu erreichen.

k) Aus diesen Umständen ergibt sich, dass – unter der Einschränkung, dass im Gebiet zwischen dem Bahnhof Zug und der Bossard-Arena die Videoüberwachung nur bei Veranstaltungen erfolgt, bei denen mit Ausschreitungen bzw. dem Begehen von strafbaren Handlungen gerechnet werden muss – das gewichtige öffentliche Interesse an der Verhütung und Verfolgung von Straftaten die persönlichen Schutzrechte, die mit dem Mittel der Videoüberwachung beeinträchtigt werden, überwiegt und daher den Betroffenen zumutbar ist.

4. Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass die Beurteilung des Regierungsrats, dass die vorgesehene Videoüberwachung verhältnismässig ist, grundsätzlich Zustimmung verdient. Die Massnahme ist geeignet und erforderlich, um künftige Straftaten zu verhindern und bereits begangene Straftaten zu verfolgen und aufzuklären. Sie erweist sich als zumutbar, stehen dem grossen öffentlichen Interesse doch lediglich weniger gewichtige private Interessen der von der Videoüberwachung betroffenen Personen gegenüber. Sie ist einzig insofern einzuschränken, als dass im Gebiet zwischen dem Bahnhof Zug und der Bossard-Arena die Videoüberwachung nur bei Veranstaltungen erfolgen darf, bei denen mit Ausschreitungen bzw. dem Begehen von strafbaren Handlungen gerechnet werden muss. Bezüglich Letzterem ist die Beschwerde gutzuheissen. Im Übrigen erweist sie sich als unbegründet, weshalb sie in diesem Umfang abzuweisen ist.

(…)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 18. Dezember 2018, V 2017 132
Das Urteil ist bei Redaktionsschluss der GVP 2018 noch nicht rechtskräftig.

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