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Art. 18d IVG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 IVV
Art. 4 lit. d FamZG i.V.m., Art. 24 FamZG, Art. 6 Abs. 1 lit. b FamZV, Art. 7 Abs. 1 FamZV
Art. 13 IVG i.V.m. Art. 2 f. GgV
Art. 10 Abs. 1 EOG i.V.m. Art. 1 Abs. 2 lit. c EOV

Art. 8 AVIG i.V.m. Art. 15 AVIG

Regeste:

Art. 8 AVIG i.V.m. Art. 15 AVIG – Eine anderweitige Disposition während laufender Rahmenfrist kann erst ab dem Zeitpunkt, an dem sie getroffen wurde, einen  Einfluss auf die Vermittlungsfähigkeit haben (Erw. 3.3).

Aus dem Sachverhalt:

Die Versicherte, Jahrgang 1988, HR-Fachfrau mit eidg. Fachausweis, meldete sich am 18. Dezember 2017 zur Arbeitsvermittlung und zum Bezug von  Arbeitslosenentschädigung an. Da sich die Versicherte vor Antritt ihrer neuen Stelle per 1. Juni 2018 zu einem Sprachaufenthalt in Thailand entschieden hatte, meldete sie sich per 16. Februar 2018 wieder ab. Mit Verfügung vom 16. Februar 2018 erklärte das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) die Versicherte als vermittlungsunfähig, weil aufgrund des knappen Zeitabstands zwischen der Anmeldung zum Leistungsbezug (18. Dezember 2017) einerseits und dem Sprachaufenthalt (Flug am 19. Februar 2018) andererseits eine nur sehr geringe Wahrscheinlichkeit bestehe, von einem Arbeitgeber eine Anstellung zu erhalten. Erschwerend kämen ein zögerliches Wachstum der Schweizer Wirtschaft sowie der anhaltend schwierige Arbeitsmarkt hinzu. Die am 15. März 2018 dagegen erhobene Einsprache wies das AWA mit Entscheid vom 20. April 2018 vollumfänglich ab. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 17. Mai 2018 beantragte die Versicherte sinngemäss die Aufhebung des Einspracheentscheids vom 20. April 2018 und die Feststellung ihrer Vermittlungsfähigkeit für den fraglichen Zeitraum. Mit Vernehmlassung vom 4. Juni 2018 beantragte das AWA die Abweisung der Beschwerde.

Aus den Erwägungen:

(…)

3.
3.1 Gemäss Art. 8 Abs. 1 AVIG hat die versicherte Person Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, wenn sie ganz oder teilweise arbeitslos ist (lit. a), einen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitten hat (lit. b), in der Schweiz wohnt (lit. c), die obligatorische Schulzeit zurückgelegt und weder das Rentenalter der AHV erreicht hat noch eine Altersrente der AHV bezieht (lit. d), die Beitragszeit erfüllt hat oder von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist (lit. e), vermittlungsfähig ist (lit. f) und die Kontrollvorschriften erfüllt (lit. g).

3.2 Nach Art. 15 AVIG als vermittlungsfähig gilt, wer bereit, in der Lage und berechtigt ist, eine zumutbare Arbeit anzunehmen und an Eingliederungsmassnahmen teilzuhaben (Abs. 1). Zur Vermittlungsfähigkeit gehört mithin nicht nur die Arbeitsfähigkeit im objektiven Sinne, sondern subjektiv auch die Bereitschaft, die Arbeitskraft den persönlichen Verhältnissen entsprechend auch einzusetzen. Dabei ist die Vermittlungsfähigkeit prospektiv, d.h. von jenem Zeitpunkt aus und unter Beachtung der Verhältnisse, die bei Verfügungserlass vorlagen, zu beurteilen. Der Begriff der Vermittlungsfähigkeit schliesst graduelle Abstufungen aus. Hingegen sind deren Teilelemente (Bereitschaft, Fähigkeit und Berechtigung) aufgrund der persönlichen Umstände der versicherten Person zu beurteilen. Die Frage der Vermittlungsfähigkeit ist unter Würdigung aller im Einzelfall wesentlichen, objektiven und subjektiven Faktoren zu beurteilen. Die Art der gesuchten zumutbaren Arbeit sowie der Umfang des für die versicherte Person in Betracht fallenden Arbeitsmarktes sind von Bedeutung (Barbara Kupfer Bucher, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und Insolvenzentschädigung, 4. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2013, S. 69 f.; Urteil des Bundesgerichts 8C_382/2010 vom 1. Juli 2010, Erw. 2.2). Hat eine versicherte Person auf einen bestimmten Termin anderweitig disponiert und steht deshalb für eine neue Beschäftigung nur noch während einer relativ beschränkten Zeit zur Verfügung, ist sie in der Regel nicht vermittlungsfähig (BGE 126 V 520 Erw. 3a mit Hinweisen). Zeitliche Einschränkungen auf einen bestimmten Zeitpunkt ergeben sich z.B. bei Auslandreise, Rückkehr von Ausländern in ihren Heimatstaat, Militärdienst, Ausbildung, Aufnahme und Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit usw. (vgl. AVIG-Praxis ALE/B227). Die AVIG-Praxis nimmt dabei Vermittlungsfähigkeit einer versicherten Person an, wenn diese dem Arbeitsmarkt für mindestens drei Monate zur Verfügung steht. Entscheidend für die Beurteilung des Einzelfalles sind dabei nicht in erster Linie der Arbeitswille und die Arbeitsbemühungen der versicherten Person oder gar die Frage, ob sie in dieser Zeit effektiv eine Beschäftigung gefunden hat. Massgebend ist vielmehr, ob mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass ein Arbeitgeber die versicherte Person für die konkret zur Verfügung stehende Zeit noch einstellen würde (BGE 126 V 520 Erw. 3a; BGE 110 V 207 Erw. 1; SVR 2000 ALV Nr. 1 S. 1 Erw. 2b; ARV 1991 Nr. 3 S. 24 Erw. 2b, 1990 Nr. 14 S. 84 Erw. 2a). Bei Verfügbarkeit unter drei Monaten kann die Vermittlungsfähigkeit bejaht werden, wenn aufgrund der Arbeitsmarktsituation und der Flexibilität der versicherten Person – der Bereitschaft zur Annahme von Arbeiten ausserhalb des erlernten Berufes bzw. von Temporärstellen – eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass letztere von einem Arbeitnehmer angestellt wird (AVIG-Praxis ALE/B227). Wer hingegen eine geeignete, jedoch nicht unmittelbar antretbare Stelle findet, handelt in Erfüllung der allen versicherten Personen obliegenden Schadenminderungspflicht. Er hat nicht das Risiko einer allenfalls noch längeren Arbeitslosigkeit auf sich zu nehmen. In einem solchen Fall ist die Vermittlungsfähigkeit bis zum Zeitpunkt des Stellenantritts zu bejahen, auch wenn in der Praxis kaum Aussicht auf eine vorübergehende Beschäftigungsmöglichkeit besteht (Barbara Kupfer Bucher, a.a.O., S. 71 f.; BGE 110 V 207 Erw. 1).

3.3 Disponiert eine versicherte Person (erst später) während laufender Rahmenfrist für den Leistungsbezug anderweitig, ist zu prüfen, ob sie ab diesem Zeitpunkt beziehungsweise der folgenden Kontrollperiode auf Grund der nunmehr beschränkten zeitlichen Verfügbarkeit noch als vermittlungsfähig gelten kann. Dabei geht es aber nicht darum zu entscheiden, ob die Vermittlungsfähigkeit für die noch verbleibende Dauer arbeitsmarktlicher Verfügbarkeit gegeben ist. Vielmehr ist danach zu fragen, ob die versicherte Person, hätte sie bei ansonsten unveränderten Umständen die betreffende Disposition bereits vor bzw. bei der Anmeldung zum Taggeldbezug getroffen, in der Lage (gewesen) wäre, eine zumutbare Arbeit anzunehmen. Anders ausgedrückt ist die versicherte Person bei der Beurteilung der weiteren Vermittlungsfähigkeit für die verbleibende Zeitspanne so zu stellen, wie wenn sie bereits vor Eintritt der Arbeitslosigkeit oder bei deren Andauern vor Ablauf der Leistungsrahmenfrist auf einen bestimmten späteren Zeitpunkt anderweitig disponiert hätte. Ist unter dieser Hypothese die Vermittlungsfähigkeit auf dem in Betracht fallenden allgemeinen Arbeitsmarkt zu bejahen, hat die versicherte Person auch nach der betreffenden Disposition als vermittlungsfähig zu gelten, andernfalls ist ihre Vermittlungsfähigkeit ab diesem Zeitpunkt zu verneinen (vgl. Urteil des Sozialversicherungsgerichts Zürich AL.2004.00457 vom 26. November 2004, Erw. 1.2; Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft 715 14 34/134 vom 5. Juni 2014, Erw. 3.6; SVR 2000 ALV Nr. 1 mit Hinweisen; SZS 1999, S. 251 ff.). Das Bundesgericht hat bestätigend festgehalten, dass die Disposition erst ab dem Zeitpunkt, an dem sie getroffen wurde, einen Einfluss auf die Vermittlungsfähigkeit haben kann. Die Prüfung der konkreten Aussichten, in der zur Verfügung stehenden Zeit angestellt zu werden, erstreckt sich dagegen zugunsten des Versicherten auf die gesamte Zeitspanne ab Anmeldung zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung bis zum Beginn der getroffenen Disposition. Damit soll eine Benachteiligung gegenüber denjenigen Versicherten vermieden werden, die bei sonst gleichen Verhältnissen bereits vor Eintritt der Arbeitslosigkeit oder bei deren Andauern vor Ablauf der Leistungsrahmenfrist auf einen bestimmten Zeitpunkt anderweitig disponiert haben und deren Vermittlungsfähigkeit deswegen für die gesamte beschränkte Dauer einer möglichen Anstellung auf dem in Betracht fallenden allgemeinen Arbeitsmarkt bejaht worden ist (vgl. Urteil des Bundesgerichts C 37/05 vom 6. Juli 2005, Erw. 2.2 f.).

4. Fakt ist, dass sich die Beschwerdeführerin am 18. Dezember 2017 zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung anmeldete und dass sie am 9. Februar 2018 eine Stelle per 1. Juni 2018 als HR-Rekrutiererin fand. Als erstellt gilt weiter, dass die Beschwerdeführerin am 19. Februar 2018, also noch vor Antritt der neuen Arbeitsstelle, nach Thailand reiste, um einen Sprachaufenthalt zu absolvieren. Streitig ist, ob die Beschwerdeführerin ab dem 18. Dezember 2017 als vermittlungsfähig zu qualifizieren ist, was von der Beschwerdegegnerin verneint wird. (...)

(...)

6. Streitig ist wie erwähnt, ob der Beschwerdeführerin die Vermittlungsfähigkeit ab dem 18. Dezember 2017 zu Recht abgesprochen wurde.

6.1 Während die Beschwerdegegnerin die Auffassung vertritt, die Beschwerdeführerin sei ab dem 18. Dezember 2017 als nicht vermittlungsfähig zu beurteilen, weil angesichts des kurzen Zeitraums ab Anmeldung vom 18. Dezember 2017 bis zum Beginn des Sprachaufenthalts vom 19. Februar 2018 eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit bestehen würde, für diesen Zeitraum von einem Arbeitgeber eine Anstellung angeboten zu erhalten, stellt sich die Beschwerdeführerin auf den Standpunkt, sie hätte sich erst nach dem Unterzeichnen des neuen Arbeitsvertrages dazu entschieden, einen Sprachaufenthalt zu absolvieren und somit die Zwischenzeit bis zum Antritt der neuen Arbeitsstelle sinnvoll zu nutzen.

6.2 Zunächst ist festzustellen, dass die Beschwerdegegnerin richtig erkannt hat, dass die Beschwerdeführerin ab dem Zeitpunkt der Anmeldung (18. Dezember 2017) dem Arbeitsmarkt nur für knapp zwei Monate zur Verfügung stehen konnte, stand danach doch ihr Sprachaufenthalt in Thailand an (Flug am 19. Februar 2018). Mithin hat nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit bestanden, von einem Arbeitgeber eine Anstellung zu erhalten, weshalb die Beschwerdegegnerin die Vermittlungsfähigkeit unter diesen Umständen grundsätzlich zu Recht verneint hat.

Die Beschwerdegegnerin verkennt jedoch, dass die Umdisposition, d.h. der Entscheid vorgängig zum Stellenantritt einen Sprachaufenthalt in Thailand zu absolvieren, nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erst ab dem Zeitpunkt, in dem sie getroffen wurde, einen Einfluss auf die Vermittlungsfähigkeit haben kann. Die Verneinung der Vermittlungsfähigkeit wirkt sich entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin somit nicht auf den Zeitraum aus, der vor dem Entschluss der versicherten Person, anderweitig zu planen, liegt (vgl. Erw. 3.3). Vorliegend gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beschwerdeführerin bereits im Zeitpunkt der Anmeldung für einen Sprachaufenthalt entschieden haben könnte. Vielmehr erscheint es für das Gericht glaubhaft und wird seitens der Beschwerdegegnerin auch nicht bestritten, dass sich die Beschwerdeführerin erst nach Unterzeichnen des neuen Arbeitsvertrages, mithin erheblich nach Anmeldung zum Taggeldbezug, nämlich am 15. Februar 2018, als sie den Flug nach Bangkok gebucht hat, entschieden hat, vorgängig zum Antritt der neuen Arbeitsstelle einen Sprachaufenthalt zu absolvieren, zumal sie die neue Stelle erst per 1. Juni 2018 antreten konnte und sie dementsprechend die dazwischen liegende Zeit sinnvoll nutzen wollte. Nach dem Dargelegten ist die Vermittlungsfähigkeit der Beschwerdeführerin somit ab dem Zeitpunkt der Umdisposition am 15. Februar 2018 bis zur Abmeldung am 16. Februar 2018 zu verneinen.

Für den davorliegenden Zeitraum ist die Vermittlungsfähigkeit hingegen zu bejahen, ging die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Anmeldung doch davon aus, dass sie sich für eine «unbeschränkte» Zeit der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen würde.

Die Beschwerde erweist sich somit insofern als begründet und ist gutzuheissen, als die Vermittlungsfähigkeit vom 18. Dezember 2017 bis zum 15. Februar 2018 zu bejahen ist.

(…)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 13. September 2018, S 2018 57
Das Urteil ist rechtskräftig.

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