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§ 76 Ziff. 2 VRG, § 3 Abs. 3 EG ZGB, § 3 Verordnung über die amtliche Schätzung

Regeste:

§ 76 Ziff. 2 VRG, § 3 Abs. 3 EG ZGB, § 3 Verordnung über die amtliche Schätzung – Erstellt die Schätzungskommission eine Schätzung im Rahmen eines Steuerveranlagungsverfahrens, kann der Schätzungsentscheid nicht direkt beim Verwaltungsgericht angefochten werden (Erw. 4). Will ein Steuerpflichtiger das Schätzungsergebnis anfechten, hat er seine Rechte im steuerrechtlichen Einsprache- und Rekursverfahren geltend zu machen (Erw. 4). Die Schätzungskommission hat bei ihren ausserhalb der sachlichen Bereiche des PBG und des ZGB erfolgten Schätzungen in ihren Einspracheentscheiden inskünftig die Rechtsmittelbelehrung zu unterlassen (Erw. 5).

Aus dem Sachverhalt:

Am 28. September 2016 meldete C. die Liegenschaft GS Nr. X in E. auf Anweisung der kantonalen Steuerverwaltung zwecks Festsetzung der Erbschaftssteuer zur amtlichen Schätzung an. Am 2. Dezember 2016 stellte die Schätzungskommission dem Auftraggeber den Schätzungsbericht zu, worin sie als Verkehrswert für die Liegenschaft Fr. __ einsetzte. Dagegen reichte C. Einsprache ein. Mit Entscheid vom 18. Januar 2017 wies die Schätzungskommission die Einsprache ab. Gegen diesen Einspracheentscheid liess C. am 17. Februar 2017 Verwaltungsgerichtsbeschwerde einreichen.

Aus den Erwägungen:

1. a) Im Schätzungsbericht (...) vom 2. Dezember 2016 legte die Schätzungskommission Zug den Verkehrswert der Liegenschaft GS Nr. X in E. auf Fr. ___ fest. (...) In der Rechtsmittelbelehrung wies sie auf die Möglichkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Zug hin. (...)

b) Als Adressa­t des angefochtenen Entscheids ist C. fraglos gemäss § 62 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 1. April 1976 (VRG, BGS 162.1) zur Beschwerdeerhebung legitimiert; er ist durch den Entscheid besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung und Änderung. Seine Beschwerde wurde fristgerecht eingereicht und entspricht den übrigen Formerfordernissen (§§ 64 und 65 VRG). Es stellt sich jedoch die Frage, ob das Zuger Verwaltungsgericht sachlich zuständig ist, die vorliegende Beschwerde zu prüfen. Dazu Folgendes:

2. a) Als Grundsatz regelt § 61 Abs. 1 Ziff. 1 VRG, dass gegen Verwaltungsentscheide unterer kantonaler Verwaltungsbehörden die Beschwerde an das Verwaltungsgericht zulässig ist, soweit sich ihre Entscheide auf Bundesrecht stützen und die Gesetzgebung keinen Weiterzug an den Regierungsrat oder das Bundesverwaltungsgericht vorsieht. Gemäss § 76 VRG beurteilt das Verwaltungsgericht letztinstanzlich Streitigkeiten vorwiegend vermögensrechtlicher Art nach kantonalem Recht, insbesondere Beschwerden gegen Entscheide der Schätzungskommission nach dem Planungs- und Baugesetz (Ziff. 2). Gemäss § 67 Abs. 1 des Planungs- und Baugesetzes vom 26. November 1998 (PBG, BGS 721.11) richtet sich der Rechtsschutz in Planungs- und Bausachen nach dem Verwaltungsrechtspflegegesetz. Die Entscheide der Schätzungskommission (7. und 8. Abschnitt) unterliegen der Beschwerde an das Verwaltungsgericht, wobei für Zwischenentscheide eine Beschwerdefrist von 20 Tagen gilt (§ 67 Abs. 2 lit. e PBG). Letztere Bestimmung korrespondiert abgesehen vom Hinweis in der Klammer mit § 76 Ziff. 2 VRG. Der 7. Abschnitt des PBG enthält Bestimmungen betreffend Landumlegung und Grenzbereinigung und der 8. Abschnitt regelt die Voraussetzungen und Wirkungen der (formellen und materiellen) Enteignung. Weiter unterliegen gestützt auf § 3 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches für den Kanton Zug vom 17. August 1911 (EG ZGB, BGS 211.1), in der seit dem 17. November 2001 geltenden Fassung, Einspracheentscheide der Schätzungskommission der Beschwerde an das Verwaltungsgericht. Weitere explizite gesetzliche Regelungen zur Anfechtung von Entscheiden der Schätzungskommission gibt es im kantonalen Recht nicht.

b) Mit § 3 EG ZGB wurde auf kantonaler Ebene das in Art. 618 des schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) verlangte amtliche Schatzungsverfahren eingeführt, welches in denjenigen Fällen angeordnet wird, wenn sich die Erben nicht über den Anrechnungswert von Grundstücken einigen können. Gestützt darauf erliess der Regierungsrat die Verordnung über die amtliche Schätzung vom 3. Dezember 2002 (BGS 215.14). Sie regelt in § 1 die Grundzüge der Organisation und des Verfahrens der amtlichen Schätzung von Liegenschaftswerten im privaten Rechtsverkehr nach Zivilgesetzbuch und bäuerlichem Bodenrecht (lit. a); die Schätzung auf Grund von Verfügungen des Landwirtschaftsamts oder im Auftrag des Grundbuch- und Vermessungsamts, von Gerichten und Betreibungsämtern (lit. b); und die Voraussetzungen, unter denen in Rechtsgebieten, wo das Gesetz keine amtliche Schätzung vorsieht, die Schätzungskommission eine amtliche Schätzung vornehmen kann (lit. c). Im streitigen und nichtstreitigen Verfahren können Parteien im gegenseitigen Einvernehmen eine amtliche Schätzung auch dann verlangen, wenn das Gesetz eine solche nicht vorsieht (§ 3 der Verordnung). Eine Expertenschätzung kann als amtliche Schätzung eröffnet werden, wenn die Schätzung nach den verbindlichen Grundlagen gemäss § 2 (so u.a. Einhalten von Standesregeln und Vorgaben der Fachverbände) und den Parteien das rechtliche Gehör gemäss § 3 (so u.a. Teilnahme am Schätzungsaugenschein, Einsicht in Unterlagen) vorgenommen wurde und die Parteien über die Schätzungsmethode orientiert wurden.

c) Gemäss § 1 Abs. 2 des Steuergesetzes vom 25. Mai 2000 (BGS 632.1) erhebt der Kanton eine Erbschafts- und Schenkungssteuer gemäss den §§ 172 ff., deren Ertrag den Einwohnergemeinden zufällt. Für deren Steuerbemessung bedarf es einer Bewertung des übergehenden Vermögens (§ 178 StG). Für die Bewertung sind gemäss § 178 Abs. 2 StG die §§ 39 ff. unter Vorbehalten sinngemäss anwendbar. So müssen Grundstücke, für die keine Schatzung vorliegt oder deren letzte Schatzung mehr als vier Jahre zurückliegt, neu bewertet werden (§ 178 Abs. 2 lit. a StG). Gemäss § 42 Abs. 1 StG (Bewertung - Grundstücke) entspricht der Steuerwert von Grundstücken dem Verkehrswert. Dabei ist der Ertragswert angemessen zu berücksichtigen. Die Verordnung zum Steuergesetz von 30. Januar 2001 (BGS 632.11) verlangt in § 20, dass bei der Bestimmung des Verkehrswertes von Grundstücken die besonderen Verhältnisse der betreffenden Gegend und der Ertragswert angemessen zu berücksichtigen sind. Als Ertragswert gilt dabei in der Regel der mit 6 bis 8 Prozent kapitalisierte Bruttoertrag der Liegenschaft. Alter und baulicher Zustand des Objekts sind angemessen zu berücksichtigen.

Die Wegleitung Immobilienbesteuerung der Steuerverwaltung der Kantons Zug (Stand Oktober 2013) – Liegenschaften, Festsetzung der Vermögenssteuer und Eigenmietwerte ab Steuerperiode 2002 bzw. 2001 – hält allgemein unter Ziffer 1 fest, dass ihre Ausführungen zur Festsetzung der Werte als Richtlinien gälten und in der Regel anzuwenden seien. Bei Vorliegen von Besonderheiten (Bauart, Ausstattung oder Umgebung, Villen oder Liebhaberobjekte) oder bei unrealistischen Ergebnissen könne davon abgewichen werden. Gemäss Ziff. 10 der Wegleitung können neuere amtliche Schatzungen oder Schatzungen nach anerkannten Grundsätzen der Liegenschaftenschätzungen als Entscheidungshilfe für die Festlegung der Steuer- und Mietwerte dienen.

3. Im vorliegenden Fall ersuchte der Beschwerdeführer am 28. September 2016 die Schätzungskommission mit der Schätzung seiner Liegenschaft GS Nr. X mittels des von ihr herausgegebenen «Formulars für die Anmeldung einer amtlichen Schätzung» (vgl. dazu § 13 der Geschäftsordnung für die Schätzungskommission vom 19. April 2012, BGS 162.32). Als Grund für sein Begehren kreuzte er das im Formular vorgegebene Feld «hoheitlich (Auf Anweisung einer kantonalen Amtsstelle)» an, da die Schätzung von der kantonalen Steuerverwaltung zur Festsetzung der Erbschaftssteuer verlangt werde. Am 8. November 2016 führten der Präsident und ein Mitglied der Schätzungskommission zusammen mit dem Beschwerdeführer beim Schätzungsobjekt einen Augenschein durch und erstellten daraufhin am 2. Dezember 2016 den Schätzungsbericht. Das Deckblatt des Schätzungsberichts enthält den Verweis «Amtliche Schätzung nicht landwirtschaftlicher Grundstücke, Privates Interesse, § 3 Abs. 2 Bst. d EG ZGB, § 3 Verordnung über die amtliche Schätzung». In der Rechtsmittelbelehrung wird auf die Möglichkeit der schriftlichen Einsprache an die Schätzungskommission verwiesen.

4. In Würdigung der vorliegenden Sach- und Rechtslage ist vorab festzuhalten, dass sich die Möglichkeit der Beschwerde an das Verwaltungsgericht nicht aus § 61 Abs. 1 Ziff. 1 VRG ableiten lässt, da die direkte Beschwerde gegen Entscheide unterer kantonaler Behörden nur dann gegeben ist, wenn sich ihre Entscheide auf Bundesrecht abstützen. Das ist hier offensichtlich nicht der Fall. Bezweckt wurde mit der Schätzung einzig, im Rahmen des Steuerveranlagungsverfahrens eine Bewertungsgrundlage für die nur auf kantonalem Recht basierende Erbschaftssteuer zu erlangen. Auch ergibt sich die Beschwerdemöglichkeit nicht aufgrund § 3 Abs. 3 EG ZGB, hat diese Schätzung doch ihre (bundesrechtliche) Grundlage in Art. 618 ZGB (womit gleichzeitig auch die Voraussetzung von § 61 Abs. 1 Ziff. 1 VRG erfüllt ist). Das VRG hält zwar in § 76 Ziff. 2 in allgemeiner Weise fest, dass es Beschwerden gegen Entscheide der Schätzungskommission nach dem PBG letztinstanzlich beurteilt. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass sämtliche Entscheide der Kommission unmittelbar beim Verwaltungsgericht angefochten werden können, da – wie oben ausgeführt – die Schätzungskommission des Kantons Zug auch ausserhalb des Bereiches des PBG amtliche Schätzungen erstellt. Damit besteht keine formalrechtliche Grundlage für die direkte Beschwerde an das Verwaltungsgericht.

Eine Ausweitung auf die direkte Beschwerde an das Verwaltungsgericht gegen alle Entscheide der Kommission rechtfertigt sich aber auch aus sachlichen Gründen nicht. Das Zuger Steuergesetz gibt der Steuerverwaltung keine gesetzliche Grundlage oder einen Auftrag, in Bewertungsfragen eine «amtliche Schätzung» anzuordnen. Im vorliegenden Fall könnte überdies der Schätzungsbericht auch nicht gestützt auf § 11 der Verordnung über die amtliche Schätzung als amtliche Schätzung eröffnet werden, wurde die Steuerverwaltung gemäss den Akten offenkundig nicht in das Schätzungsverfahren einbezogen. Die Steuerverwaltung kann im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen verlangen, dass die notwendigen Bemessungs- und Bewertungsgrundlagen der zu besteuernden Vermögenswerte (neu) zu erstellen bzw. vorzulegen sind. Betreffend Grundstücke stellt die Schätzung der Zuger Schätzungskommission dazu eine Möglichkeit nebst anderen denkbaren Nachweisen des Wertes (aktuelle private fachkundige Schätzungen, aktuelle Werte von vergleichbaren Grundstücken etc.) dar. Anders aber als in Schätzungsverfahren gestützt auf das PBG oder auf das ZGB, bei welchen die (rechtskräftigen) Schätzungsergebnisse für beide Parteien verbindlich gelten, bilden Schätzungen, unabhängig von wem sie getätigt wurden, im Steuerveranlagungsverfahren für die Steuerbehörde bloss, aber immerhin Entscheidungshilfen. Die Steuerverwaltung ist und bleibt befugt, nach den spezifischen steuerrechtlichen Bestimmungen und ihrer gehandhabten Praxis die Vermögenswerte abweichend von einer Expertise zu veranlagen. Ist der Steuerpflichtige mit den zugrunde gelegten Vermögenswerten nicht einverstanden, kann (und muss) er seine Rechte im steuerrechtlichen Einsprache- bzw. im Rekursverfahren beim Verwaltungsgericht geltend machen. Zusammenfassend muss sich somit ergeben, dass im Rahmen des Steuerveranlagungsverfahrens eingereichte Schätzungen ähnlich wie im Verwaltungsverfahren erhobene Gutachten zu würdigen sind, die grundsätzlich in materieller Hinsicht nicht eigenständig anfechtbar sind. Würde anders entschieden, hätte dies zur Folge, dass die Schätzungen, sei es sofort oder erst nach gerichtlicher Beurteilung, für den Steuerpflichtigen aber auch die Steuerverwaltung in Rechtskraft erwüchsen und für beide Beteiligten Pflicht und Recht daraus resultierte, die Steuerveranlagung darauf zu stützen. Indem der Grundstückeigentümer den Schätzungsbericht nicht selbstständig anfechten kann, erleidet er im Übrigen keinen Nachteil, da ihm im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens in der Steuerangelegenheit die umfassende gerichtliche Überprüfung der Veranlagung bzw. der darauf basierenden Faktoren verbleibt.

5. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Rechtsmittelbelehrung der Schätzungskommission nicht korrekt war. Entsprechend erging auch der Einspracheentscheid zu Unrecht und zeitigt damit keine Rechtswirkung. Die Schätzungskommission wird daher an dieser Stelle darauf hingewiesen, inskünftig bei ihren ausserhalb der sachlichen Bereiche des PBG und des ZGB erfolgten Schätzungen in ihren Einspracheentscheiden die Rechtsmittelbelehrung zu unterlassen. Solche Schätzungen dürften in aller Regel als Gutachten dienen und innerhalb eines zwischen den Parteien bestehenden Grundverhältnisses allenfalls einer richterlichen Prüfung unterzogen werden können. Aufgrund des Dargelegten kann somit auf die Beschwerde von C. aus Zuständigkeitsgründen nicht eingetreten werden.

(...)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 29. Mai 2018, V 2017 23
Das Urteil ist rechtskräftig.

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