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Art. 602 f. ZGB; Art. 70 ZPO; Art. 311 Abs. 1 ZPO

Regeste:

Art. 602 f. ZGB; Art. 70 Abs. 1 ZPO; Art. 311 Abs. 1 ZPO – Erbengemeinschaft; Erfordernis des gemeinsamen Handelns im Berufungsverfahren.

Aus dem Sachverhalt:

1. Die  Erbengemeinschaft Z. sel. (nachfolgend: Erbengemeinschaft) besteht aus A. (nachfolgend: Beklagte 1) und B. (nachfolgend: Beklagte 2). Als Mitglieder der Erbengemeinschaft waren die Beklagten 1 und 2 Eigentümerinnen mehrerer im Kanton Zug gelegener Grundstücke. Die Beklagte 1 ist mit X. verheiratet. X. war Geschäftsführer der G. GmbH, die später im Handelsregister gelöscht wurde.

2. Die Beklagten beabsichtigten, die in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke zu überbauen. Bei der Planung kam es jedoch zu erheblichen Schwierigkeiten, die letztlich zum Abbruch des Projektes führten. In der Folge stellte die auf die Entwicklung und Realisation von Liegenschaftsprojekten spezialisierte M. AG (nachfolgend: Klägerin) der Erbengemeinschaft ein Honorar von insgesamt CHF 522'200.– in Rechnung. Zur Begründung führte die Klägerin aus, sie habe – nachdem die Grundeigentümer an sie gelangt seien – erfolgreich an der Entwicklung des Areals gearbeitet und in den Bereichen «Strategische Planung/Vorstudien» und «Projektierung/Vorprojekt» umfangreiche Leistungen erbracht. Diese seien ihr im geltend gemachten Umfang zu vergüten.

3.1 Nachdem die Klägerin die Beklagten 1 und 2 erfolglos betrieben hatte, reichte sie beim Kantonsgericht eine Klage ein und beantragte, die Beklagten 1 und 2 sowie X. seien – unter Vorbehalt einer Nachklage – unter solidarischer Haftung zu verpflichten, der Klägerin CHF 250'000.– zuzüglich Zins zu 5 % seit 26. November 2007 zu bezahlen.

3.2 In der Klageantwort schloss die Beklagte 2 auf kostenfällige Abweisung der Klage. Zur Begründung brachte sie im Wesentlichen vor, sie habe der Klägerin nie einen Auftrag erteilt. X. sei als Geschäftsführer der G. GmbH und als Vertreter der Beklagten 1 aufgetreten. Er habe aber nie eine Vollmacht der Beklagten 2 gehabt. Zwischen der Klägerin und der G. GmbH seien keine Vertragsverhandlungen geführt worden, die eine culpa in contrahendo rechtfertigen würden. Es habe überhaupt keine Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten 2 und der Klägerin gegeben. Läge eine culpa in contrahendo oder eine ungerechtfertigte Bereicherung vor, wären entsprechende Forderungen längst verjährt.

3.3 Die Beklagte 1 und X. stellten in ihrer Klageantwort ebenfalls Antrag auf kostenfällige Abweisung der Klage. Gleichzeitig beantragten sie, zur Vereinfachung sei das Verfahren gemäss Art. 125 lit. a ZPO vorab auf die Frage der Verjährung zu beschränken. Zur Begründung dieses Antrages liessen sie ausführen, die Parteien hätten beabsichtigt, einen Totalunternehmervertrag (inkl. Projektierungsarbeiten) abzuschliessen. Ein solcher Vertrag sei aber nicht gültig zustande gekommen. Demzufolge könne einzig die culpa in contrahendo/Vertrauenshaftung Grundlage der klägerischen Teilforderung bilden. Diese sei jedoch verjährt. Abgesehen davon wären die Voraussetzungen für eine Vertrauenshaftung nicht erfüllt, weil die Beklagte 1 und X. keine vorvertraglichen Pflichtverletzungen begangen und auch kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin geschaffen hätten.

3.4 Mit Entscheid vom 24. Juni 2016 beschränkte der Referent das erstinstanzliche Verfahren auf die Frage, ob überhaupt eine vertragliche oder ausservertragliche Anspruchsgrundlage für die klägerische Forderung bestehe und ob eine allfällige Forderung der Klägerin verjährt wäre.

3.5 Am 22. Dezember 2016 erliess das Kantonsgericht Zug folgenden Zwischenentscheid:

1. Es wird festgestellt, dass eine vertragliche Anspruchsgrundlage für die klägerische Forderung gegenüber der der Erbengemeinschaft besteht und die Forderung der Klägerin nicht verjährt ist.

2. Die Klage gegen X. wird abgewiesen.

[…]

Zur Begründung führte das Kantonsgericht im Wesentlichen aus, zwischen der Klägerin und der Erbengemeinschaft sei ein Architekturvertrag zustande gekommen. Dabei habe X. als Vertreter der Erbengemeinschaft gehandelt, weshalb die Erbengemeinschaft als Vertretene und nicht X. als Vertreter berechtigt und verpflichtet worden sei. X. sei selber nicht Vertragspartei gewesen sei, weshalb die Klage gegen ihn aufgrund der fehlenden Passivlegitimation abzuweisen sei. Nachdem feststehe, dass für die klägerische Forderung eine vertragliche Anspruchsgrundlage bestehe, richte sich die Verjährung nach Art. 127 OR, was auch für Honorarforderungen des Architekten gelte. Mithin sei die zehnjährige Verjährungsfrist anwendbar, welche die Klägerin im vorliegenden Fall mehrmals rechtzeitig unterbrochen habe. Deren Anspruch sei somit nicht verjährt. Demzufolge sei festzustellen, dass eine vertragliche Anspruchsgrundlage für die klägerische Forderung gegen die Erbengemeinschaft bestehe und die Forderung der Klägerin nicht verjährt sei. Die Klage gegen X. sei hingegen mangels Passivlegitimation abzuweisen.

Ob die Voraussetzungen für eine Haftung aus culpa in contrahendo oder eine Vertrauenshaftung erfüllt waren, prüfte das Kantonsgericht nicht. Folglich äusserte es sich auch nicht zur Frage, ob auf diesen Anspruchsgrundlagen basierende Forderungen verjährt wären.

4.1 Gegen das Urteil des Kantonsgerichts reichte die Beklagte 1 beim Obergericht des Kantons Zug eine Berufung mit folgendem Rechtsbegehren ein:

1. Die Berufung sei gutzuheissen, der Zwischenentscheid vom 22. Dezember 2016 sei aufzuheben und die Klage sei vollumfänglich abzuweisen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

2. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Berufungsbeklagten für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren.

[…]

4.2 Die Beklagte 2 erhob gegen das Urteil des Kantonsgerichts ebenfalls Berufung und stellte folgendes Rechtsbegehren:

1. Der Zwischenentscheid des Kantonsgerichts vom 22. Dezember 2016 (A3 2015 34) sei vollumfänglich aufzuheben.

2. Es sei festzustellen, dass keine Anspruchsgrundlage – weder eine vertragliche noch eine aus culpa in contrahendo – für die klägerische Forderung gegenüber der Erbengemeinschaft Y.Z. sel. besteht.

[…]

4.2 Die Klägerin beantragte demgegenüber, die Berufung sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei, und der Zwischenentscheid des Kantonsgerichts vom 22. Dezember 2016 sei zu bestätigen

Aus den Erwägungen:

[…]

2. Vorab zu prüfen ist, ob auf die vorliegenden Berufungen überhaupt einzutreten ist. Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst auf die Besonderheiten der Erbengemeinschaft
als Gesamthandverhältnis einzugehen.

2.1 Die Beklagten 1 und 2 bilden unbestrittenermassen eine Erbengemeinschaft und damit eine (Gesamthand-)Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft (Art. 602 Abs. 1 ZGB). Als solche ist die Erbengemeinschaft weder eine juristische Person noch eine Miteigentumsgemeinschaft. Berechtigt und verpflichtet sind immer die einzelnen Gemeinschafter, d.h. die berufenen Erben, und nicht die Erbengemeinschaft als solche, denn dieser fehlt die Rechtspersönlichkeit. Aus der Rechtsnatur der Erbengemeinschaft als Gemeinschaft zur gesamten Hand ergibt sich indessen der Grundsatz des gemeinsamen Handelns aller Miterben (Art. 602 Abs. 2 ZGB); es gilt das Prinzip der Einstimmigkeit (vgl. Wolf, Berner Kommentar, 2014, Art. 602 ZGB N 42 f. und 56; Wolf/Hrubesch Millauer, Grundriss des schweizerischen Erbrechts, 2017, N 1611 ff.; Schaufelberger/Keller Lüscher, Basler Kommentar, 5. A. 2015, Art 602 ZGB N 9 ff.).

2.2 Bei der Erbengemeinschaft ist das Gesamthandprinzip – jedenfalls in der Tendenz – strikter eingehalten als in anderen Gesamthandverhältnissen, was dadurch begründet ist, dass die Erbengemeinschaft – im Unterschied zu allen anderen Gesamthandverhältnissen – nicht rechtsgeschäftlich, sondern zwingend von Gesetzes wegen eintritt. Das Erfordernis gemein-samen Handelns bezweckt den Schutz der Gemeinschaft gegen schädliche Sonderaktionen einzelner Gemeinschafter. Unzulässig sind deshalb nicht nur eigentliche Verfügungen über das Recht, sondern auch diejenigen Rechtshandlungen, welche die Gefahr einer Benachteiligung der Gemeinschaft oder ihrer Mitglieder bringen können. Das Einstimmigkeitsprinzip ist mit Blick auf seinen Schutzzweck grundsätzlich von zwingender Natur (vgl. Wolf, a.a.O., Art. 602 ZGB N 56 ff. m.w.H., insbesondere auf BGE 121 III 118 E. 3).

2.3 Dem Gesamthandprinzip entsprechend bedarf es zur externen Vertretung der Erbengemeinschaft des Mitwirkens aller Miterben. So bedürfen z.B. Verträge, welche für die Erbengemeinschaft eingegangen werden, der Zustimmung sämtlicher Erben. Aufgrund einer Vollmacht (Art. 32 ff. OR) können ein oder mehrere Miterben oder auch Dritte zur Vertretung der Erbschaft und der übrigen Erben bevollmächtigt werden. Die Erteilung der Vollmacht hat wiederum durch alle Miterben zu erfolgen. Die Bevollmächtigung ist formlos gültig und kann auch stillschweigend erfolgen (Wolf, a.a.O., Art. 602 ZGB, N 71, 75 und 77 f.; Schaufelberger/
Keller Lüscher, a.a.O., Art. 602 ZGB N 17 und 24 f.).

2.4 Das Erfordernis der Einstimmigkeit greift grundsätzlich auch im Prozessrecht. Sind mehrere Personen an einem Rechtsverhältnis beteiligt, über das nur mit Wirkung für alle entschieden werden kann, so bilden sie gemäss Art. 70 Abs. 1 ZPO eine notwendige Streitgenossenschaft und müssen gemeinsam klagen oder beklagt werden. Für die Erbengemeinschaft bedeutet dies, dass bei Aktivprozessen die Erben nur gemeinsam zur Prozessführung befugt sind und alle zusammen klagen müssen. Bei Passivprozessen – d.h. Prozessen gegen die Erbschaft – sind die Fälle der Erbschafts- und Erbgangsschulden sowie der anderweitigen Verpflichtungen der Erbschaft zu unterscheiden. Weil die Erben für die Schulden des Erblassers nach Art. 603 Abs. 1 ZGB solidarisch haften, steht es dem Erbschaftsgläubiger frei, dafür einen einzelnen beliebigen Erben für die Forderung einzuklagen. Die Solidarhaftung von Art. 603 Abs. 1 ZGB gilt indessen nur für Erbschafts- und Erbgangsschulden sowie für Vermächtnisse und Forderungen des überlebenden Gatten aus Güterrecht. Bei der prozessualen Durchsetzung anderer Verpflichtungen der Erbengemeinschaft, z.B. Nichterfüllung eines von der Erbengemeinschaft abgeschlossenen Vertrages oder bei Feststellung des Nichtbestehens einer von der Erbengemeinschaft erhobenen Forderungen, bilden die Teilhaber der Erbengemeinschaft wiederum eine notwendige Streitgenossenschaft und müssen daher alle Erben als Beklagte belangt werden (Schaufelberger/Keller Lüscher, a.a.O., Art. 602 ZGB N 26 und 30 f.; Wolf/Hrubesch Müllauer, a.a.O., Rz 1617).

2.5 Ob eine notwendige Streitgenossenschaft besteht, bestimmt sich mithin nicht nach Art. 70 Abs. 1 ZPO, sondern nach dem anwendbaren materiellen Recht. Insofern stellt Art. 70 Abs. 1 ZPO eine blosse Verweisnorm dar (Staehelin/Schweizer, in Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. A. 2016, Art. 70 ZPO N 39 m.H.; Seiler, Die Berufung nach ZPO, 2013, N 93; von Holzen, Die Streitgenossenschaft im schweizerischen Zivilprozess, 2006, S. 71 f.). Aus dem materiellen Recht ergibt sich auch, dass die notwendigen Streitgenossen grundsätzlich nur gemeinsam Prozesshandlungen vornehmen können; das im materiellen Recht verankerte Einstimmigkeitsprinzip gebietet, dass die Streitgenossen gemeinsam über den Streitgegenstand bestimmen. Sie müssen nicht nur die Klage gemeinsam einreichen, auch das Rechtsbegehren muss gleichlautend sein. Ausserdem sind Tatsachenbehauptungen, Bestreitungen, Klageanerkennung und Klagerückzug, der Abschluss eines Vergleichs, die Einlegung und der Rückzug von Rechtsmitteln nur insofern von Bedeutung, als sie von den Streitgenossen gemeinsam vorgenommen werden (Ruggle, Basler Kommentar, 3. A. 2017, Art. 70 ZPO N 29; E. Staehelin/
Schweizer, a.a.O., Art. 70 ZPO N 44; von Holzen, a.a.O., S. 148; Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. A. 1979, S. 299).

Das Gebot, gemeinsam zu handeln, gilt indes nicht ausnahmslos. So kann den Streitgenossen nicht verwehrt werden, je eigene Parteivorträge abzugeben; allfällige Differenzen während des Prozesses – insbesondere mit Bezug auf Tatsachenbehauptungen und Beweisanträgen – hat das Gericht dann im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung zu bewerten (vgl. Ruggle, a.a.O., Art. 70 ZPO N 30 f.; von Holzen, a.a.O., S. 155 f.). Im Weiteren sieht Art. 70 Abs. 2 Satz 1 ZPO vor, dass rechtzeitige Prozesshandlungen eines Streitgenossen auch für säumige Streitgenossen gelten. Weitere Ausnahmen vom Grundsatz der Notwendigkeit gemeinsamen Handelns sind zudem bei einer Interessenkollision oder Dringlichkeit denkbar (Ruggle, a.a.O., Art. 70 ZPO N 38 ff.; von Holzen, S. 154). Ausdrücklich ausgenommen von diesen Ausnahmen ist das Ergreifen von Rechtsmitteln (Art. 70 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Dies bedeutet, dass im Gegensatz zu anderen Rechtshandlungen die Einreichung einer Berufung durch einen Streitgenossen keine Rechtswirkung für die säumigen Streitgenossen bewirkt; vielmehr müssen hier wie bei der Klageeinreichung sämtliche Streitgenossen gemeinsam handeln (Seiler, a.a.O., N 101; E. Staehelin/Schweizer, a.a.O., Art. 70 ZPO N 50; Ruggle, a.a.O., Art. 70 ZPO N 44; von Holzen, a.a.O., S. 171 f.);

3. Die Berufung ist bei der Rechtsmittelinstanz innert 30 Tagen seit Zustellung des begründeten Entscheids schriftlich und begründet einzureichen (vgl. Art. 311 Abs. 1 ZPO).

3.1 Das Berufungsverfahren ist als eigenständiges Verfahren ausgestaltet. Es dient nicht der Vervollständigung des vorinstanzlichen Verfahrens, sondern der Überprüfung und Korrektur des erstinstanzlichen Entscheids im Lichte konkret dagegen vorgebrachter Beanstandungen. Entsprechend ist die Berufung nach Art. 311 Abs. 1 ZPO begründet einzureichen. Dabei muss der Berufungskläger aufzeigen, inwiefern und weshalb er den angefochtenen Entscheid in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht als fehlerhaft erachtet bzw. weshalb (zulässige) Noven oder neue Beweismittel einen anderen Schluss aufdrängen. Um diesen Anforderungen nachzukommen, genügt es nicht, wenn der Berufungskläger lediglich auf seine Vorbringen vor erster Instanz verweist, sich mit Hinweisen auf frühere Prozesshandlungen zufriedengibt oder den angefochtenen Entscheid in allgemeiner Weise kritisiert. Vielmehr muss er im Einzelnen die vorinstanzlichen Erwägungen bezeichnen, die er beanstandet, sich mit ihnen argumentativ auseinandersetzen und die Aktenstücke nennen, auf denen seine Kritik beruht. Die Begründung muss hinreichend explizit sein, sodass sie von der Berufungsinstanz einfach nachvollzogen werden kann (vgl. Urteil des Bundesgerichts 5A_573/2017 vom 19. Oktober 2017 E. 3.1 m.w.H., insbesondere auf BGE 142 III 413 E. 2.2.2 und 138 III 374 E. 4.3.1).

Die Begründung ist eine gesetzliche, von Amtes wegen zu prüfende Zulässigkeitsvoraussetzung für die Berufung. Fehlt sie, so tritt das obere kantonale Gericht nicht auf die Berufung ein. Die gerichtliche Fragepflicht nach Art. 56 ZPO entbindet nicht von einer gehörigen Begründung der Rechtsmitteleingabe. Ebenso wenig besteht eine Pflicht des Berufungsgerichts, die Berufung zur Verbesserung zurückzuweisen. Dabei handelt es sich nicht um
verbesserliche Mängel im Sinne von Art. 132 Abs. 1 ZPO (vgl. Urteile des Bundesgerichts 5A_209/2014 vom 2. September 2014 E. 4.2.1 und 4A_258/2015 vom 21. Oktober 2015 E. 2.4.1, je m.w.H.).

3.2 Obwohl dies aus dem Wortlaut von Art. 311 ZPO nicht explizit hervorgeht, muss die Berufung (als Rechtsmittel) auch Rechtsmittelanträge enthalten. Aus der Rechtsmittelschrift muss hervorgehen, dass und weshalb der Rechtsuchende einen Entscheid anficht und inwieweit dieser geändert oder aufgehoben werden soll. Die Anträge bestimmen den Umfang, in welchem die Rechtsmittelinstanz den angefochtenen Entscheid überprüfen kann und umgrenzen somit den Streitgegenstand des Rechtsmittelverfahrens. Mit Blick auf die reformatorische Natur der Berufung (Art. 318 Abs. 1 lit. b ZPO) darf sich der Berufungskläger nicht darauf beschränken, lediglich die Aufhebung des angefochtenen erstinstanzlichen Entscheids zu beantragen, son-dern er muss einen Antrag in der Sache stellen. Sein Rechtsbegehren muss so bestimmt sein, dass es im Falle der Gutheissung unverändert zum Urteil erhoben werden kann. Namentlich sind die auf eine Geldzahlung gerichteten Berufungsanträge zu beziffern. Allerdings ist auch
in diesem Zusammenhang das aus Art. 29 Abs. 1 BV abgeleitete Verbot des überspitzten Formalismus zu beachten. Daraus folgt, dass auf eine Berufung mit formell mangelhaften Rechtsmittelbegehren ausnahmsweise einzutreten ist, wenn sich aus der Begründung – allenfalls in Verbindung mit dem angefochtenen Entscheid – ergibt, was der Berufungskläger in der Sache verlangt oder – im Fall zu beziffernder Rechtsbegehren – welcher Geldbetrag zuzusprechen ist.

Werden die Anforderungen an die Rechtsmittelanträge nicht eingehalten, so fehlt es an einer Zulässigkeitsvoraussetzung der Berufung und diese ist ebenfalls durch Nichteintreten zu er-ledigen. Da es sich auch diesbezüglich nicht um einen verbesserlichen Mangel im Sinne von Art. 132 Abs. 1 ZPO handelt, ist keine Nachfrist anzusetzen (vgl. zum Ganzen BGE 137 III 617 E. 4.3 f. und E. 6.1 f. sowie Urteile des Bundesgerichts 4A_383/2013 vom 2. Dezember 2013 E. 3.2.1 und 4A_258/2015 vom 21. Oktober 2015 E. 2.4.1, je m.w.H.; Reetz/Theiler, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], a.a.O., Art. 311 ZPO N 34 f.). Im vorliegenden Verfahren sind beide Beklagten durch Rechtsanwälte vertreten. Es besteht daher kein Anlass, die Anforderungen an die Rechtsmittelanträge zu reduzieren.

4. Im Lichte der vorangehenden E. 2 und 3 ist zu den Rechtsmittelbegehren der Beklagten Folgendes festzuhalten:

4.1 Beide Beklagten beantragen in erster Linie die Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Im Unterschied zur Beklagten 1 verlangt die Beklagte 2 allerdings nicht nur die Aufhebung, son-dern ausdrücklich die vollumfängliche Aufhebung des Entscheids. Dem Wortlaut nach verlangt die Beklagte 2 somit auch die Aufhebung von Ziff. 2 des erstinstanzlichen Urteilsdispositivs, mit welcher die Klage gegen X. abgewiesen wurde. Dies ist insofern bemerkenswert, als die Beklagte 2 eine Bevollmächtigung von X. bestreitet, während die Vorinstanz zum Schluss gelangte, dass X. ausschliesslich als Vertreter der Erbengemeinschaft gehandelt habe und aus diesem Grund selber nicht Vertragspartei gewesen sei, weshalb die Klage gegen ihn mangels Passivlegitimation abzuweisen sei. Dieser Meinung ist auch die Beklagte 1, die der Vorinstanz attestiert, zu Recht auf ein Vertretungsverhältnis zwischen X. und der Erbengemeinschaft geschlossen zu haben. Die Auffassungen der Beklagten widersprechen sich somit diametral. Aus der Begründung der Berufung der Beklagten 2 lässt sich nun allerdings nicht entnehmen, dass diese tatsächlich auch die Aufhebung von Dispositiv-Ziff. 2 des angefochtenen Entscheids verlangt. Dazu wäre sie sie ohnehin nicht legitimiert, da sie in diesem Punkt weder formell noch materiell beschwert ist. Insoweit vermögen die unterschiedlichen Formulierungen der Rechtsbegehren den Beklagten nicht zu schaden.

4.2 Im Weiteren stellen beide Beklagten auch Anträge in der Sache. Diese unterscheiden sich jedoch erheblich, schliesst doch die Beklagte 1 auf vollständige Abweisung der Klage, während die Beklagte 2 um Feststellung ersucht, dass keine Anspruchsgrundlage – weder eine vertragliche noch eine aus culpa in contrahendo – für die klägerische Forderung gegenüber der Erbengemeinschaft besteht.

4.2.1 Der Antrag der Beklagten 1 ist klar und grundsätzlich nicht zu beanstanden, auch wenn die Vorinstanz allfällige Ansprüche der Klägerin aus culpa in contrahendo (noch) nicht beurteilt hat. Die Klägerin übersieht in diesem Zusammenhang, dass eine Rückweisung an die Vorinstanz gemäss Art. 318 Abs. 1 lit c ZPO nur ausnahmsweise in Frage kommt und der Beru-fungsinstanz insofern ein gewisser Ermessenspielraum verbleibt, als sie auch bei Vorliegen eines Rückweisungsgrundes gleichwohl nach pflichtgemässem Ermessen einen reformatori-schen Entscheid treffen kann (vgl. Seiler, a.a.O., N 1518; Reetz/Hilber, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], a.a.O., Art. 318 ZPO N 25). Abgesehen davon hat die Beklagte 1 in ihrer Berufung ein Eventualbegehren auf Rückweisung an die Vorinstanz gestellt, womit sich ihr Rechtsmittelbegehren in jedem Fall als zulässig erweist.

4.2.2 Auf der anderen Seite kann der Beklagten 2 nicht beigepflichtet werden, wenn sie ihren Antrag auf Feststellung, dass für die klägerischen Forderung keine Anspruchsgrundlage bestehe, kurzerhand mit einem Antrag auf Abweisung der Klage gleichsetzen will. Die Beklagte 2 übergeht, dass eine Klage aus einzelnen, völlig unterschiedlichen Gründen ganz oder teilweise abgewiesen werden kann. So beschlägt beispielsweise gerade die Verjährung, um die es vorliegend geht, nicht den Bestand der Forderung als solcher, sondern nur deren Durchsetzung, indem der Schuldner das Recht erhält, die eingeklagte Leistung durch Einrede zu verweigern (vgl. Gauch/Schluep/Emmenegger, Schweizerisches Obligationen Allgemeiner Teil, Band II, 10. A. 2014, Rn 3276). Das Begehren der Beklagten 2 auf Feststellung, dass für die klägerische Forderung keine Anspruchsgrundlage besteht, geht demgegenüber viel weiter und umfasst auch diejenigen Ansprüche der Klägerin, die diese mit ihrer Teilklage (noch) gar nicht geltend gemacht hat. Im Grunde genommen erhebt die Beklagte 2 mit ihrem Begehren widerklageweise eine negative Feststellungsklage. Ein schützenswertes Interesse an einer solchen Klage ist allerdings nicht erkennbar und die Beklagte 2 macht auch nicht geltend, dass neue Tatsachen oder Beweismittel vorlägen, die es ihr erlauben würden, im derzeitigen Verfahrensstadium noch ein solches (neues) Klagebegehren zu stellen (Art. 317 Abs. 2 ZPO). Das Begehren der Beklagten 2 weicht mithin nicht nur erheblich von demjenigen der Beklagten 1 ab; vielmehr erweist es sich auch als unzulässig, weshalb nicht darauf eingetreten werden kann.

4.3 Demnach ist festzuhalten, dass die Beklagten unterschiedliche Rechtsmittelbegehren gestellt haben, die sich auch bei grosszügiger Auslegung der Berufungsbegründungen nicht in Einklang bringen lassen. Damit mangelt es im Berufungsverfahren bereits an der erforderlichen übereinstimmenden Festlegung des Streitgegenstandes. Ausserdem kann auf das von der Beklagten 2 in der Sache gestellte Begehren nicht eingetreten werden. Dieser Mangel kann im Berufungsverfahren, in welchem die Beklagten als Streitgenossinnen und Berufungsklägerinnen gemeinsam handeln müssen (Art. 70 Abs. 2 ZPO; vgl. vorne E. 3.5), nicht "geheilt" werden; unzulässig wäre es insbesondere auch, einzig das Begehren der Beklagten 1 zu be-rücksichtigen (vgl. ZR 1992/93 Nr. 76 E. 3.h). Somit fehlt es an einem gemeinsamen Rechts-mittelbegehren der Streitgenossen, weshalb auf deren Berufung(en) nicht eingetreten werden kann (vgl. Reetz, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuen¬berger [Hrsg.], a.a.O., Vorbemerkungen zu den Art. 308-318 ZPO N 50).

5. Auf die vorliegenden Berufungen kann aber auch deshalb nicht eingetreten werden, weil sie nicht hinreichend begründet sind.

Wie bereits dargelegt, widersprechen sich die von den Beklagten in den Berufungsschriften vertretenen Auffassungen teilweise diametral. Dies gilt insbesondere mit Bezug auf die ent-scheidende Frage, ob X. bevollmächtigt war, als Vertreter der Erbengemeinschaft (d.h. der Beklagten 1 und der Beklagten 2) zu handeln und diese gegenüber der Klägerin zu vertreten. Während die Beklagte 2 eine Bevollmächtigung von X. vehement bestreitet und auch eine sog. Duldungsvollmacht verneint, folgt die Beklagte 1 nicht nur der Vorinstanz, die zu Recht auf ein Vertretungsverhältnis zwischen X. und der Erbengemeinschaft geschlossen habe, sondern bestreitet explizit auch die abweichenden Ausführungen der Beklagten 2. Auf diese Weise lässt sich eine Berufung offenkundig nicht begründen. Die Ausführungen der Beklagten sind derart widersprüchlich, dass sie nicht erkennen lassen, ob überhaupt eine Rüge vorliegt und in welchen Punkten aus welchen Gründen die Beklagten allenfalls eine unrichtige Rechtsanwendung oder eine falsche Feststellung des Sachverhalts geltend machen wollen. Nachdem notwendige Streitgenossen beim Ergreifen von Rechtsmitteln gemeinsam handeln müssen (vgl. vorne E. 2.5), kann es auch nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanz sein, die divergierenden Ausführungen in den Berufungsschriften im Rahmen der Beweiswürdigung zu bewerten und danach zu suchen bzw. an Stelle der uneinigen Berufungskläger zu bestimmen, was diese als fehlerhaft erachten könnten. Abgesehen davon geht es vorliegend nicht bloss um abweichende Tatsachenbehauptungen der Beklagten, sondern auch um (von den Beklagten völlig unterschiedlich beurteilte) Rechtsfragen, die der Beweiswürdigung von vornherein entzogen sind. Ferner wendet zwar auch die Berufungsinstanz das Recht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 57 ZPO). Dieser Grundsatz befreit die in einer notwendigen Streitgenossenschaft verbundenen Beklagten aber nicht von der Obliegenheit, gemeinsam bzw. übereinstimmend zu rügen, inwiefern die Vorinstanz das Recht falsch angewendet haben soll. Nur schon deshalb genügen die vorliegenden Berufungen den Anforderungen an eine hinreichende Begründung nicht. Der Einwand der Beklagten 2, wonach jede Partei den Sachverhalt anders schildere, woraus «objektiv» nur geschlossen werden könne, dass der Sachverhalt höchst komplex gewesen sei und jede Partei den Sachverhalt anders wahrgenommen habe, geht an der Sache vorbei und vermag die Widersprüchlichkeit in der Argu-mentation der Beklagten offenkundig nicht zu entschuldigen. Nicht nachvollziehbar ist aber auch das Argument der Beklagten 1, wonach die Diskrepanzen auf das schlechte Verhältnis unter den Beklagten (und X.) zurückführen seien, die Klägerin für sich daraus aber keinen Nutzen ziehen könne und dürfe und deshalb das erkennende Gericht darüber hinwegzusehen habe. Weshalb dem so sein und woran sich das Gericht denn halten sollte, ist nicht ersichtlich und wird von der Beklagten 1 nicht näher begründet. Sie legt insbesondere auch nicht dar, inwiefern unter den Beklagten nicht bloss ein schlechtes Verhältnis, sondern ein eigentlicher Interessenkonflikt bestanden haben soll, der ein Abweichen vom Einstimmigkeitsprinzip allenfalls rechtfertigen würde.

Von einem gemeinsamen Handeln bzw. gemeinsamen, hinreichend begründeten Rügen der Beklagten kann unter diesen Umständen keine Rede sein. Es mangelt an der erforderlichen (inhaltlichen) Übereinstimmung, wobei wiederum zu beachten ist, dass ein Mangel in der Berufung nicht durch einen andere, bessere Berufung "geheilt" werden und eine Rüge, die ein Streitgenosse nicht vorbringt (und insofern den vorinstanzlichen Entscheid akzeptiert), auch nicht bei Vorbringen durch einen anderen Streitgenossen berücksichtigt werden kann (vgl. vorne E. 4.3; ZR 1992/93 Nr. 76 E. 3.h). Somit kann auch aus diesen Gründen auf die Berufung nicht eingetreten werden.

6. Zusammenfassend ergibt sich, dass auf die Berufungen der Beklagten wegen unzureichender bzw. unzulässiger Rechtsmittelbegehren und wegen ungenügender Begründung nicht eingetreten werden kann.

[…]

Obergericht, I. Zivilabteilung, 13. Juli 2018 (Z1 2017 8)

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