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Gerichtspraxis

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Zivilrecht

Schuldbetreibungs- und Konkursrecht

Vollstreckungsrecht

Art. 8a Abs. 3 lit. d und 17 SchKG

Art. 144 SchKG

Regeste:

Art. 144 SchKG. – Wenn das Verwertungsergebnis nur einem einzelnen Gläubiger zusteht, entfällt die Notwendigkeit eines Kollokationsplans und einer Verteilungsliste. Das Betreibungsamt hat eine Schlussabrechnung zu erstellen und zur Verteilung zu schreiten.

Aus dem Sachverhalt:

1. Mit Arrestbefehl vom 16. Dezember 2016 verarrestierte der Einzelrichter am Kantonsgericht Zug auf Gesuch von A. (nachfolgend: Beschwerdeführer) zur Sicherung von dessen Darlehensforderung gegen B. (nachfolgend: Schuldner) von umgerechnet CHF 14'900'427.95 74'740 nicht ausgegebene, auf den Namen des Arrestschuldners lautende Namenaktien im Nennwert von je CHF 100.00 der C. AG in Liquidation, sowie sämtliche Ansprüche des Arrestschuldners am Liquidationserlös der C. AG in Liq. bis zur Höhe der Arrestforderung nebst Kosten. Die vom Schuldner dagegen erhobene Arresteinsprache wies der Einzelrichter am Kantonsgericht Zug mit Entscheid vom 16. Mai 2017 ab. Gegen den am 21. Juni 2017 in der Betreibung Nr. […] zugestellten Zahlungsbefehl des Betreibungsamtes X. erhob der Schuldner keinen Rechtsvorschlag. Am 28. Februar 2018 pfändete das Betreibungsamt X. in Abwesenheit des Schuldners dessen Guthaben auf dem Konto des Betreibungsamtes in der Höhe von CHF 4'907'293.60, herrührend aus dem Anspruch des Schuldners am Liquidationserlös der C. AG in Liq. (Pfändung Nr. […]).

2. Am 4. April 2018 teilte das Betreibungsamt X. dem Beschwerdeführer mit, D. (nachfolgend: Drittansprecherin) habe am 3. April 2018 Unterlagen zum Aktienkauf eingereicht. Die Unterlagen liessen vermuten, dass «das Eigentum des Aktienerlöses» bei ihr sei. Entsprechend werde dem Beschwerdeführer mit separatem Schreiben Frist zur Klage nach Art. 108 SchKG angesetzt. Mit Verfügung vom 9. April 2018 machte das Betreibungsamt dem Beschwerdeführer erneut Anzeige von der Ansprache von D. am Liquidationserlös der 74'740 Namenaktien der C. AG in Liq. und setzte ihm eine 20-tägige Frist zur Aberkennung dieses Anspruchs gemäss Art. 108 Abs. 2 SchKG an. Dagegen erhob der Beschwerdeführer bei der II. Beschwerdeabteilung des Obergerichts als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs Beschwerde, welche mit Urteil vom 16. August 2018 teilweise gutgeheissen wurde. Das Betreibungsamt X. wurde angewiesen, in der Betreibung Nr. […] und Pfändung Nr. […] das Widerspruchsverfahren gemäss Art. 107 SchKG einzuleiten. Das Betreibungsamt setzte der Drittansprecherin Frist zur Klage gemäss Art. 107 Abs. 5 SchKG an. Die Drittansprecherin erhob innert Frist keine (rechtsgültige) Widerspruchsklage.

3. Am 19. Mai 2018 stellte das Betreibungsamt die Pfändungsurkunde E. gestützt auf eine Vollmacht vom 15. Mai 2018 per Post zu. Mit Schreiben vom 5. Juni 2018 teilte E. dem Betreibungsamt mit, dass er die Urkunde erhalten, der Schuldner indes das Geschäftsverhältnis mit ihm gekündigt und er nur Befugnisse zur Akteneinsicht gehabt habe. In der Folge stellte das Betreibungsamt X. die Pfändungsurkunde auf dem Weg der internationalen Rechtshilfe dem Schuldner an seinem Aufenthaltsort in der Strafanstalt […] in Russland zu, wo er sie am 4. Dezember 2018 in Empfang nahm.

4. Mit Schreiben vom 28. Januar 2019 liess der Beschwerdeführer dem Betreibungsamt X. eine Bestätigung zusenden, wonach er sämtliche Betreibungskosten übernehme und auf deren Geltendmachung gegenüber dem Schuldner verzichte. Die Auszahlung des Erlöses solle daher umgehend nach Rücksendung der Pfändungsurkunde an das Betreibungsamt X. erfolgen. Am 7. Februar 2019 erschienen RA F. und RA G. als Vertreter des Beschwerdeführers auf dem Betreibungsamt und bekräftigten den Standpunkt des Beschwerdeführers. Mit Schreiben vom 13. Februar 2019 trug der Beschwerdeführer sein Anliegen nochmals detailliert vor.

5. Mit Verfügung vom 21. Februar 2019 erklärte das Betreibungsamt X., es werde, sobald es im Besitz der Zustellbescheinigung der Pfändungsurkunde sei, und nach Rechtskraft der Pfän-dungsurkunde eine Verteilliste/Abrechnung für den Schuldner und den Gläubiger erstellen. Dem Schuldner werde die Mitteilung der Auflage der Verteilliste/Abrechnung auf dem Weg der internationalen Rechtshilfe zugestellt. Die Auszahlung an den Beschwerdeführer erfolge erst nach Rechtskraft der Verteilliste/Abrechnung.

6. Hiergegen liess der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 4. März 2019 Beschwerde bei der II. Beschwerdeabteilung des Obergerichts Zug als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs einreichen und folgende Anträge stellen:

1. Die Verfügung des Betreibungsamtes X. vom 21. Februar 2019 sei aufzuheben.

2. Das Betreibungsamt X. sei gerichtlich anzuweisen, die Verteilung der gepfändeten Mittel in der Betreibung Nr. […] und in der Pfändung Nr. […] des Betreibungsamtes X. an den Beschwerdeführer vorzunehmen.

Eventualiter
1. Die Verfügung des Betreibungsamtes X. vom 21. Februar 2019 sei aufzuheben.

2. Das Betreibungsamt X. sei gerichtlich anzuweisen, Abschlagszahlungen in der Betreibung Nr. […] und in der Pfändung Nr. […] des Betreibungsamtes X. in Höhe von CHF 4'887'000.00 vorzunehmen.

Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zuzüglich Mehrwertsteuer.

7. Das Betreibungsamt X. beantragte in der Beschwerdeantwort vom 12. März 2019 die Abweisung der Beschwerde.

8. Am 29. März 2019 machte der Beschwerdeführer von seinem allgemeinen Replikrecht Gebrauch.

9. Mit Verfügung vom 21. März 2019 teilte das Betreibungsamt X. dem Beschwerdeführer mit, dass die Verteilungsliste nun während 10 Tagen beim Betreibungsamt zur Einsichtnahme aufliege. Dem Schuldner werde die Verfügung «Anzeige Auflage Schlussabrechnung» nach Übersetzung in die russische Sprache auf dem Weg der internationalen Rechtshilfe an die Adresse in Russland zugestellt. Für den ungedeckten Betrag werde eine Verlustbescheinigung in der Höhe von CHF 10'117'292.45 ausgestellt.

10. Dagegen liess der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 29. März 2019 Beschwerde bei der II. Beschwerdeabteilung des Obergerichts Zug als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs einreichen und folgende Anträge stellen:

1. Die Verfügung des Betreibungsamtes X. vom 21. März 2019 sei aufzuheben.

2. Das Betreibungsamt X. sei gerichtlich anzuweisen, die Verteilung der gepfändeten Mittel in der Betreibung Nr. […] und in der Pfändung Nr. […] des Betreibungsamtes X. an den Beschwerdeführer vorzunehmen.

Eventualiter
1. Die Verfügung des Betreibungsamtes X. vom 21. März 2019 sei aufzuheben.

2. Das Betreibungsamt X. sei gerichtlich anzuweisen, Abschlagszahlungen in der Betreibung Nr. […] und in der Pfändung Nr. […] des Betreibungsamtes X. in der Höhe von CHF 4'887'000.00 vorzunehmen.

Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zuzüglich Mehrwertsteuer.

In prozessualer Hinsicht liess der Beschwerdeführer zudem beantragen, die beiden Beschwerdeverfahren seien zu vereinigen.

11. In der Beschwerdeantwort vom 10. April 2019 beantragte das Betreibungsamt X. die Abweisung der Beschwerde.

12. Dazu nahm der Beschwerdeführer unaufgefordert am 16. April 2019 Stellung.

13. Auf die Begründung der gestellten Anträge wird in den Erwägungen eingegangen.

Aus den Erwägungen:

1. Anfechtungsobjekt der beiden Beschwerden sind die Verfügungen des Betreibungsamtes X. vom 21. Februar 2019 und vom 21. März 2019 in der Betreibung Nr. […]. Die beiden Verfügungen stimmen inhaltlich im Wesentlichen überein. Die Beschwerdeverfahren sind daher zu vereinigen und gemeinsam zu erledigen.

2. Der Beschwerdeführer rügt, Voraussetzung für die Verteilung des Pfändungssubstrates gemäss Art. 144 Abs. 1 SchKG sei, dass die Verwertung abgeschlossen sei, die Pfändungsanschlussfristen nach Art. 110 f. SchKG abgelaufen seien und keine Ausschluss- oder Aufschubsgründe gegeben seien. Alle drei Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Das Betreibungsamt X. wolle aber die Verteilung noch von weiteren Voraussetzungen abhängig machen. Zum einen gehe es zu Unrecht davon aus, dass die Schlussabrechnung dem Schuldner zuzustellen sei und erst nach Rechtskraft derselben eine Verteilung in Frage komme. Er (der Beschwerdeführer) habe gegenüber dem Betreibungsamt die Übernahme der Betreibungskosten erklärt und auch gegenüber dem Schuldner unwiderruflich auf deren Geltendmachung verzichtet, womit der Schuldner von diesen Kosten überhaupt nicht belastet sei. Abgesehen davon würde eine erfolgreiche Beschwerde des Schuldners gegen die Schlussrechnung lediglich dazu führen, dass dem Schuldner noch zusätzliche Mittel ausbezahlt werden müssten. Zum anderen gehe das Betreibungsamt fälschlicherweise davon aus, dass eine Verteilung nur dann erfolgen könne, wenn eine Verteilungsliste nach Art. 146 SchKG vorliege. Stehe jedoch – wie vorliegend – das Verwertungsergebnis nur einem einzelnen Gläubiger zu, erübrige sich die Errichtung eines Kollokationsplanes und einer an diesen anknüpfende Verteilungsliste als «auf rechtlicher Basis der Kollokation zu vollziehende arithmetische Operation zur Ausmittlung der Verteilungsbetreffnisse». Diesfalls werde vielmehr lediglich eine Abrechnung über das Ergebnis der Pfändung erstellt.

3. Gemäss Art. 144 SchKG findet die Verteilung statt, sobald alle in einer Pfändung enthaltenen Vermögensstücke verwertet sind (Abs. 1). Es können schon vorher Abschlagsverteilungen vorgenommen werden (Abs. 2). Aus dem Erlös werden vorweg die Kosten für die Verwaltung, die Verwertung, die Verteilung und gegebenenfalls die Beschaffung eines Ersatz¬gegenstandes (Art. 92 Abs. 3 SchKG) bezahlt (Abs. 3). Der Reinerlös wird den beteiligten Gläubigern bis zur Höhe ihrer Forderungen, einschliesslich des Zinses bis zum Zeitpunkt der letzten Verwertung und der Betreibungskosten (Art. 68 SchKG) ausgerichtet (Abs. 4). Können nicht sämtliche Gläubiger befriedigt werden, so erstellt das Betreibungsamt den Plan für die Rangordnung der Gläubiger (Kollokationsplan) und die Verteilungsliste (Art. 146 Abs. 1 SchKG).

3.1 Die Verteilung gestützt auf Art. 144 SchKG erfordert einerseits die kumulative Erfüllung gewisser positiver Voraussetzungen. Anderseits dürfen gewisse negative Voraussetzungen nicht erfüllt sein. Zunächst kann eine Verteilung nur erfolgen, wenn alle in der Pfändung, d.h. in der infrage stehenden Pfändungsgruppe, enthaltenen Vermögenswerte verwertet wurden. Daneben muss als zweite Voraussetzung – über den Wortlaut von Art. 144 Abs. 1 SchKG hinaus – der Erlös der Verwertung vom Betreibungsamt einkassiert worden sein. Schliesslich muss als dritte Voraussetzung eine etwaige Pfändungsanschlussfrist abgelaufen sein. Der Pfändungsanschluss kann nämlich zu einer Vergrösserung des relevanten Pfändungssubstrats bzw. zu einer Vergrösserung des Kreises der partizipierenden Gläubiger führen. Als negative Voraussetzung erfordert die Verteilung, dass diese weder ausgeschlossen noch aufgeschoben ist. Ausgeschlossen ist die Verteilung, wenn die Betreibung infolge Rückzugs und unterlassener Erneuerung des Verwertungsbegehrens erlischt. Aufgeschoben ist die Verteilung insbesondere bei strafrechtlicher (nicht dagegen bei fiskalischer) Beschlagnahme des Verwertungserlöses, bei Bestreitung durch Bauhandwerker gemäss Art. 117 VG, bei hängigem Widerspruchsverfahren, bei hängiger Beschwerde bei aufschiebender Wirkung, bei Einstellung bzw. Aufhebung einer Betreibung nach Art. 85 bzw. Art. 85a SchKG und im Kontext des Arrests bis zur Erledigung des Verfahrens betreffend Rechtsbeständigkeit des Arrests bzw. über die Forderung selbst (Schmid, in: Kren Kostkiewicz/Vogt, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 4. A. 2017, Art. 144 SchKG N 8 ff.; vgl. auch Schöniger, Basler Kommentar, 2. A. 2010, Art. 144 SchKG N 9 ff; Stöckli/ Possa, in: Hunkeler [Hrsg.], Kurzkommentar SchKG, 2. A. 2014, Art. 144 SchKG N 2 ff.).

3.2 Wenn der Erlös aus dem vorangegangenen Pfändungs- und Verwertungsverfahren zur Deckung aller daran geltend gemachten Forderungen (inkl. Zins und Betreibungskosten) nicht ausreicht, hat das Betreibungsamt den Kollokationsplan und eine Verteilungsliste zu erstellen. Wenn das Verwertungsergebnis nur einem einzelnen Gläubiger zusteht, entfällt die Notwendigkeit eines Kollokationsplans, gleichgültig, ob der Gläubiger einen Ausfall erleidet oder volle Deckung erhält (vgl. Schöniger, a.a.O., Art. 146 SchKG N 6; Sprecher, in: Hunkeler [Hrsg.], a.a.O., Art. 146 SchKG N 1). Das Betreibungsamt hat eine Schlussabrechnung zu erstellen und zur Verteilung zu schreiten (Schöniger, a.a.O., Art. 146 SchKG N 5; vgl. auch Fritzsche/Walder, Schuldbetreibung und Konkursrecht nach schweizerischem Recht, Band I, 1984, § 32 N 14). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts macht bei einer Einzelpfändung die Ausstellung eines Kollokationsplanes und einer Verteilungsliste keinen Sinn. Das Betreibungsamt hat bloss die Schlussabrechnung zu erstellen (vgl. BGE 37 I 562 E. 1). Auch das Zürcher Obergericht äusserte sich in diesem Sinne: «Grundlage der Verteilung bilden der Kollokationsplan und die Verteilungsliste, welche zu erstellen sind, wenn von mehreren Gläubigern nicht sämtliche befriedigt werden können (Art. 146 Abs. 1 SchKG). Ist nur ein Gläubiger vorhanden, wird lediglich eine Abrechnung über das Ergebnis der Pfändung erstellt» (vgl. Urteil des Obergerichts Zürich PS150039 vom 26. März 2015 E. 2.3.2).

3.3 Das Betreibungsamt hat in jedem Fall eine Abrechnung zu erstellen. Auch wenn sämtliche beteiligten Gläubiger befriedigt werden können, hat das Betreibungsamt über die Verteilung des Verwertungserlöses eine Abrechnung zu erstellen, und zwar unabhängig davon, ob für den Schuldner noch ein Überschuss verbleibt oder nicht. Ob dies von Amtes wegen zu geschehen hat oder nur auf Antrag des Schuldners hin, ist kontrovers. Während sich die Lehre mehrheitlich für eine Zustellung von Amtes wegen ausspricht (vgl. Schmid, a.a.O., Art. 144 SchKG N 60; Schöniger, Basler Kommentar, 2. A. 2010, Art. 144 SchKG N 61, je mit Hinweisen), vertritt das Bundesgericht die Auffassung, die Zustellung habe nur auf Antrag des Schuldners zu erfolgen (BGE 77 III 77 E. 2; Urteil des Bundesgerichts 7B.202/2001 E. 3). Wie es sich damit letztlich verhält, kann offenbleiben, weil die Frage auf den Ausgang der vorliegenden Beschwerdeverfahren keinen Einfluss hat.

4. Im vorliegenden Fall wurde das Barguthaben des Schuldners auf dem Konto des Betreibungsamtes X. in der Höhe von CHF 4'907'293.60, herrührend aus dem Anspruch des Schuldners am Liquidationserlös der C. AG in Liq., gepfändet. Die Pfändungsurkunde wurde dem Schuldner am 4. Dezember 2018 zugestellt. Weil ein Barguthaben gepfändet wurde, entfällt hier die Verwertung (vgl. Rüetschi, in: Hunkeler [Hrsg.], a.a.O., Art. 144 SchKG N 4). Der Erlös der Verwertung wurde vom Betreibungsamt einkassiert. Die Pfändungsanschlussfristen gemäss Art. 110 und Art. 111 SchKG sind abgelaufen. Es liegen keine Ausschluss- oder Aufschubsgründe vor. Die Drittansprecherin, die geltend gemacht hatte, sie habe mit Kaufvertrag vom 23. November 2016 die unverbrieften, auf den Namen des Schuldners lau-tenden Namenaktien der C. AG in Liq. vom Schuldner gekauft, erhob innert Frist keine (rechtsgültige) Widerspruchsklage gemäss Art. 107 SchKG. Der Schuldner hat keine weiteren Drittansprecher genannt oder bezeichnet und es haben sich auch keine solchen nach erfolgter öffentlicher Bekanntmachung im SHAB gemeldet. Damit sind sämtliche Voraussetzungen für die Verteilung des gepfändeten Barguthabens gemäss Art. 144 Abs. 1 SchKG erfüllt.

4.1 Wie vorne in E. 3.2 dargelegt, entfällt bei einer Einzelpfändung – wie vorliegend – die Notwendigkeit eines Kollokationsplanes und einer Verteilungsliste. Es ist lediglich eine Schluss-abrechnung bzw. eine Abrechnung über das Ergebnis der Pfändung zu erstellen. Dem vom Betreibungsamt X. zitierten BGE 77 III 77 lässt sich nicht entnehmen, dass eine Verteilung nur erfolgen kann, wenn eine Verteilungsliste nach Art. 146 SchKG vorliegt. Entsprechend ist in der vorliegenden Einzelpfändung keine Verteilungsliste auszustellen.

4.2 Das Betreibungsamt stellt sich auf den Standpunkt, die Schlussabrechnung sei zuerst dem Schuldner zuzustellen, bevor eine Verteilung in Frage komme. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Verteilung nach Art. 144 SchKG hat zu erfolgen, wenn gewisse positive Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind und als negative Voraussetzung die Verteilung weder ausgeschlossen noch aufgeschoben ist (vgl. vorne E. 3.1). In der Praxis verstreicht zwischen dem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen der Verteilung erfüllt sind, und der effektiven Verteilung eine gewisse Karenzfrist. Im Unterlassungsfall steht der Beschwerdeweg offen (vgl. Schmid, a.a.O., Art. 144 SchKG N 14). Im vorliegenden Fall sind sämtliche Voraussetzungen für die Verteilung des gepfändeten Barguthabens gemäss Art. 144 Abs. 1 SchKG erfüllt (vgl. vorne E. 4.1). Es besteht daher kein Grund, mit der Verteilung zuzuwarten. Dies gilt umso mehr, als zwischen der letzten Verwertung und der effektiven Ausrichtung des Reinerlöses kein Zins geschuldet ist, obschon der Gläubiger über das Kapital während dieser Periode nicht verfügen kann. Der Gläubiger hat für diese Phase jedenfalls dem Grundsatz nach keinen Anspruch auf (Verzugs-)Zins (vgl. Schmid, a.a.O., Art. 144 SchKG N 55). Hinzu kommt, dass eine Erklärung des Beschwerdeführers bei den Akten liegt, wonach er definitiv und unwiderruflich alle Betreibungskosten in der Betreibung Nr. […] des Betreibungsamtes X. gegen den Schuldner bis zum Höchstbetrag von CHF 15'000.00 übernimmt. Zudem verzichtet er unwiderruflich auf die Geltendmachung der Betreibungskosten gegenüber dem Schuldner. Entsprechend wäre der Schuldner bezüglich der Kosten gar nicht beschwert und könnte keine Beschwerde gegen die Schlussabrechnung führen. Ohnehin würde eine erfolgreiche Beschwerde des Schuldners gegen die Schlussabrechnung im vorliegenden Fall lediglich dazu führen, dass dem Beschwerdeführer zusätzliche (und nicht weniger) Mittel ausbezahlt werden müssten. Schliesslich gilt es zu beachten, dass die Kosten in der Betreibung Nr. […] und Pfändung Nr. […] feststehen, womit die Schlussabrechnung im jetzigen Stadium des Vollstreckungsverfahrens erstellt werden kann.

5. Nach dem Gesagten erweisen sich die beiden Beschwerden als begründet. Die Verfügungen des Betreibungsamtes X. vom 21. Februar 2019 und vom 21. März 2019 in der Betreibung Nr. […] sind aufzuheben. Das Betreibungsamt X. ist anzuweisen, die Verteilung der gepfändeten Mittel in der Betreibung Nr. […] und der Pfändung Nr. […] an den Beschwerdeführer vorzunehmen.

6. Nach Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 SchKG ist das Verfahren vor der kantonalen Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs – von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen – kostenlos, und im Beschwerdeverfahren nach Art. 17 ff. SchKG darf keine Parteient-schädigung zugesprochen werden (Art. 62 Abs. 2 GebV SchKG).

Obergericht, II. Beschwerdeabteilung, Urteil vom 14. Mai 2019 (BA 2019 7 und BA 2019 21)

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