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Art. 8a Abs. 3 lit. d und 17 SchKG

Regeste:

Art. 8a Abs. 3 lit. d und 17 SchKG. – Keine Legitimation des Gläubigers zur Beschwerde gegen eine Verfügung des Betreibungsamtes, womit dem Gesuch des Schuldners um Nichtbekanntgabe einer Betreibung an Dritte gemäss Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG stattgegeben wird.

Aus dem Sachverhalt:

1. Am 19. Dezember 2017 reichte die A. AG (nachfolgend: Beschwerdeführerin) beim Betreibungsamt X. gegen die B. AG ein Betreibungsbegehren über einen Betrag von CHF 39'376'338.00 nebst Zahlungsbefehlskosten von CHF 413.30 ein. Der Zahlungsbefehl in der Betreibung Nr. […] wurde der B. AG am 3. Januar 2018 zugestellt, welche gleichentags Rechtsvorschlag erhob.

2. Mit Eingabe vom 14. Januar 2019 liess die B. AG beim Betreibungsamt X. ein Gesuch um Nichtbekanntgabe der Betreibung Nr. […] an Dritte einreichen. Sie beantragte, die Betreibung Nr. […] der Beschwerdeführerin vom 19. Dezember 2017 in Höhe von CHF 39'376'338.00 sei Dritten gestützt auf Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG nicht bekannt zu geben, wenn die Beschwerdeführerin nicht innert 20 Tagen den Nachweis erbringe, dass sie rechtzeitig ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlages (Art. 79-84 SchKG) eingeleitet habe.

3. Mit Schreiben vom 15. Januar 2019 forderte das Betreibungsamt die B. AG auf, innert 10 Tagen einen Kostenvorschuss von CHF 40.00 zu leisten, welcher am 18. Januar 2019, mithin fristgerecht, bezahlt wurde.

4. Am 21. Januar 2019 forderte das Betreibungsamt die Beschwerdeführerin auf, ihm bis zum 15. Februar 2019 mitzuteilen, ob sie bezüglich der Betreibung Nr. […] ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags (Rechtsöffnung oder gerichtliche Klage) eingeleitet habe oder ob der Schuldner die Forderung vollständig bezahlt habe.

5. Mit Schreiben vom 15. Februar 2019 teilte die Beschwerdeführerin dem Betreibungsamt mit, die B. AG habe gegen sie bereits eine negative Feststellungsklage vor dem Handelsgericht des Kantons St. Gallen anhängig gemacht. In der besagten Klage beantrage sie die Feststellung des Nichtbestandes der in Betreibung gesetzten Forderung sowie die Löschung der Betreibung Nr. […]. Die Frage, ob die Betreibung zu löschen (bzw. nicht mehr bekannt zu geben) sei, sei demnach bereits anderweitig rechtshängig. Die B. AG habe kein schützenswertes Interesse, um sich beim Betreibungsamt gleichzeitig auf Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG berufen zu können. Entsprechend sei das Gesuch vollumfänglich abzuweisen.

6. Mit Verfügung vom 20. Februar 2019 gab das Betreibungsamt dem Gesuch der B. AG um Nichtbekanntgabe der Betreibung Nr. […] an Dritte statt. Zur Begründung führte es aus, gemäss den Weisungen der Dienststelle Oberaufsicht für Schuldbetreibung und Konkurs müsse der Gläubiger ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlages (provisorische oder definitive Rechtsöffnung oder Anerkennungsklage) eingeleitet haben. Dies sei in der Betreibung Nr. […] nicht der Fall, weshalb dem Gesuch der B. AG entsprochen werde.

7. Gegen diese Verfügung liess die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 27. Februar 2019 Beschwerde bei der II. Beschwerdeabteilung des Obergerichts Zug als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs einreichen und folgende Anträge stellen:

1. Der Entscheid des Betreibungsamtes X. vom 20. Februar 2019 (Betreibung Nr. […]) sei vollumfänglich aufzuheben.
2. In Gutheissung der vorliegenden Aufsichtsbeschwerde sei das Betreibungsamt X. anzuweisen, die Betreibung Nr. […] Dritten weiterhin zur Kenntnis zu bringen.
3. Eventualiter sei der Entscheid des Betreibungsamtes X. vom 20. Februar 2019 (Betreibung Nr. […]) in Gutheissung der Aufsichtsbeschwerde aufzuheben und die Sache an das Betreibungsamt X. zur weiteren Behandlung und erneuten Entscheidfindung im Sinne der Erwägungen zurückzuweisen.

In prozessualer Hinsicht liess sie zudem beantragen, es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen und das Betreibungsamt X. anzuweisen, die Betreibung Nr. […] für die Dauer des Verfahrens Dritten bekannt zu geben. Der B. AG sei in der Betreibung Nr. […] Frist anzusetzen, um sich zu äussern.

8. Mit Verfügung vom 4. März 2019 wies der Abteilungspräsident den Antrag auf Erteilung der aufschiebenden Wirkung ab.

9. In der Beschwerdeantwort vom 6. März 2019 beantragte das Betreibungsamt X. die Abweisung der Beschwerde.

10. In der Vernehmlassung vom 13. März 2019 liess die B. AG beantragen, auf die Beschwerde sei mangels Rechtsschutzinteresses nicht einzutreten. Eventualiter sei die Aufsichtsbeschwerde der Beschwerdeführerin abzuweisen und die Verfügung des Betreibungsamtes X. vom 20. Februar 2019 (Betreibung Nr. […]) vollumfänglich zu bestätigen.

11. Auf die Begründung der gestellten Anträge wird in den Erwägungen eingegangen.

Aus den Erwägungen:

1. Zunächst ist die Beschwerdelegitimation zu prüfen.

1.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist zur Beschwerdeführung nach Art. 17 SchKG legitimiert, wer durch die angefochtene Verfügung eines Zwangsvollstreckungsorgans in seinen rechtlichen oder zumindest tatsächlichen Interessen betroffen und dadurch beschwert ist und deshalb ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Abänderung der Verfügung hat (vgl. BGE 129 III 595 E. 3). Die Zulässigkeit der Legitimation kann nicht abstrakt beurteilt werden, sondern ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Dabei ist der Inhalt des angefochtenen bzw. nicht ergangenen Entscheids in Bezug zu den geschützten Interessen des Beschwerdeführers zu setzen. Schutzwürdig und konkret ist das Interesse, wenn der Ausgang des Beschwerdeverfahrens die Stellung des Beschwerdeführers unmittelbar beeinflussen kann. Es ist abzuwägen, ob durch die (Nicht-) Fällung des angefochtenen Entscheids die legitimen und schützenswerten Interessen des Beschwerdeführers aktuell tatsächlich und effektiv (d.h. nicht bloss theoretisch-abstrakt) tangiert sind. Das schützenswerte Interesse kann sich aus dem Schuldbetreibungsrecht, aus der übrigen Rechtsordnung oder aber – im Ausnahmefall – auch aufgrund der konkreten tatsächlichen Umstände ergeben. Zur Beschwerde legitimiert ist grundsätzlich der Schuldner, da durch die Verfügung der Vollstreckungsbehörde in seine Interessenssphäre eingegriffen wird. Das gilt in der Regel auch für den Gläubiger. Die Legitimation ist zu verneinen bei Personen, deren Interessen durch den Entscheid des Vollstreckungsorgans in keiner Weise geändert werden bzw. deren rechtliche oder faktische Stellung bei einer Änderung des Entscheids nicht tangiert würde oder unverändert bliebe (Maier/Vagnato, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 4. A. 2017, Art. 17 SchKG N 4 ff.; vgl. auch Amonn/ Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. A. 2013, § 6 N 23 ff.; Cometta/Möckli, Basler Kommentar, 2. A. 2010, Art. 17 SchKG N 40 f.; Dieth/Wohl, in: Hunkeler, Kurzkommentar SchKG, 2. A. 2014, Art. 17 SchKG N 9 ff.; Kren Kostkiewicz, SchKG Kommentar, 19. A. 2016, Art. 17 SchKG N 20 ff; Kren Kostkiewicz, Schuldbetreibungs- & Konkursrecht, 3. A. 2018, S. 57 N 210 ff.; Lorandi, Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, 2000, Art. 17 SchKG N 168 ff.; Vock/Meister-Müller, SchKG-Klagen nach der Schweizerischen ZPO, 2. A. 2018, S. 59 f.). Die Beschwerdelegitimation stellt eine Prozessvoraussetzung dar. Fehlt sie, ergeht ein Nichteintretensentscheid (vgl. Maier/Vagnato, a.a.O., Art. 17 SchKG N 3; Vock/Meister-Müller, a.a.O., S. 61).

1.2 Gegen den Entscheid des Betreibungsamtes im Rahmen des Verfahrens um Nichtbekanntgabe einer Betreibung an Dritte gemäss Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG steht den betroffenen Parteien gemäss den allgemeinen Grundsätzen die Beschwerde nach Art. 17 ff. SchKG offen. Nicht Partei in diesem Verfahren ist die betreibende Person; sie hat keinen Anspruch darauf, dass ihre Betreibung bei der betriebenen Person im Register aufgeführt wird (vgl. Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 19. Februar 2015, BBl 2015 3218). Dem Betreibungsschuldner steht gegen eine ablehnende Verfügung des Betreibungsamtes die Beschwerde nach Art. 17 SchKG offen. Da der betreibende Gläubiger von dem Verfahren vor der Aufsichtsbehörde nicht betroffen ist, wird er nicht informiert (vgl. Jürgen Brönnimann, Verstärkter Schutz vor ungerechtfertigten Betreibungen und ihren Auswirkungen, in: Festschrift für Jolanta Kren Kostkiewicz, Zivilprozess und Vollstreckung national und international – Schnittstellen und Vergleiche, 2018, S. 414).

1.3 Die Beschwerdeführerin bringt zur Begründung ihres schutzwürdigen Interesses vor, mit der Nichtbekanntgabe der Betreibung an Dritte werde suggeriert, dass die Betreibung nicht rechtmässig erfolgt sei, was ja nachweislich nicht der Fall sei. Darüber hinaus sei es so, dass sie als Gläubigerin der Betreibung Nr. […] ganz grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse habe.

1.3.1 Wie vorne in E. 1.1 dargelegt, hat der Gläubiger nicht generell ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Abänderung einer Verfügung. Vielmehr ist im Einzelfall abzuwägen, ob durch die angefochtene Verfügung die legitimen und schützenswerten Interessen des Beschwerdeführers aktuell tangiert sind. Im vorliegenden Fall begründet die Beschwerdeführerin ihr schützenswertes Interesse damit, dass mit der Nichtbekanntgabe der Betreibung an Dritte der Anschein erweckt werden könnte, die Betreibung sei unrechtmässig erfolgt, was nachweislich nicht der Fall sei. Dabei übersieht sie, dass das Betreibungsamt weder den Bestand der Forderung noch die Rechtmässigkeit der Betreibung überprüfen darf. Die Prüfung des Betreibungsamtes bei einem Gesuch um Nichtbekanntgabe einer Betreibung beschränkt sich auf das Vorliegen formaler Voraussetzungen (vgl. Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 19. Februar 2015, BBl 2015 3217). Die Frage der Rechtmässigkeit der Betreibung ist demnach nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Entsprechend kann die Beschwerdeführerin daraus kein schutzwürdiges Interesse ableiten.

1.3.2 Hinzu kommt, dass die betreibende Person nicht Partei des Verfahrens der Nichtbekanntgabe der Betreibung an Dritte nach Art. 8a Abs. 1 lit. d SchKG ist. Sie hat "keinen Anspruch darauf, dass ihre Betreibung bei der betriebenen Person im Register aufgeführt wird" (vgl. vorne E. 1.2). Entsprechend fehlt es an einem schutzwürdigen Interesse der Beschwerdeführerin, dass die Betreibung bei der B. AG im Betreibungsregister aufgeführt wird.

1.3.3 Schliesslich ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin gegen die B. AG neben der Betreibung Nr. […] vom 19. Dezember 2017, die Gegenstand der vorliegenden Beschwerde bildet, auch die Betreibung Nr. […] vom 18. Dezember 2018 anhängig gemacht hat. Der Forderungsgrund ist auf beiden Zahlungsbefehlen identisch («Forderungen [darunter u.a. Rückforderung Mehrkosten, Schadenersatz, Bereicherungsansprüche] im Zusammenhang mit den Umbauprojekten […]»). Die Forderungssumme wurde in der Betreibung Nr. […] gegenüber der Betreibung Nr. [...] nur geringfügig reduziert («CHF 39'345'758.00» statt «CHF 39'376'338.00»). Bei der B. AG im Betreibungsregister ist demnach trotz Nichtbekanntgabe der Betreibung Nr. […] an Dritte noch immer eine Betreibung der Beschwerdeführerin in fast gleicher Höhe aufgeführt. Damit fehlt es der Beschwerdeführerin auch an einem aktuellen schutzwürdigen Interesse an der Aufhebung der angefochtenen Verfügung.

1.4 Auf die Beschwerde ist demnach mangels eines schutzwürdigen Interesses der Beschwerdeführerin nicht einzutreten.

Obergericht, II. Beschwerdeabteilung, Urteil vom 3. April 2019 (BA 2019 5)

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