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Entgangene Arbeitgeberbeiträge an die berufliche Vorsorge

Regeste:

Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch, dass entgangene Arbeitgeberbeiträge an die berufliche Vorsorge (BVG) an ihn persönlich ausbezahlt werden.

Aus dem Sachverhalt:

Die A. AG (nachfolgend: "Beklagte") ist eine in B. domizilierte Gesellschaft, welche den internationalen Handel mit Rohstoffen aller Art und mit anderen Gütern, sei es für eigene oder für fremde Rechnung, bezweckt. Am 26. Oktober 2016 unterzeichneten die Parteien eine mit «Arbeitsvertrag» betitelte Vereinbarung, gemäss welcher C. (nachfolgend: «Klägerin») ab dem 1. Februar 2017 als Senior Traffic Operator / Business Development bei der Beklagten in ein Anstellungsverhältnis trat. Die Parteien vereinbarten einen jährlichen Bruttolohn von CHF 200'000.00, zahlbar in zwölf Monatslöhnen. Mit Schreiben vom 2. April 2019 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis ordentlich unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist von drei Monaten per 31. Juli 2019. In der Folge vertraten die Parteien unterschiedliche Ansichten in der Frage, ob die Klägerin nach ihrer Kündigung freigestellt worden war oder nicht. Der Aufforderung der Beklagten, die Tätigkeit wieder aufzunehmen, kam die Klägerin nicht nach. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26. April 2019 fristlos.

Aus den Erwägungen:

5. Es steht somit fest, dass die Klägerin keine Arbeitspflichten verletzt hat. Demzufolge ist die fristlose Entlassung vom 26. April 2019 zu Unrecht erfolgt und es ist zu prüfen, welche finanziellen Folgen dies mit sich bringt.

5.1 Ist eine fristlose Entlassung nicht gerechtfertigt, so hat der Arbeitnehmer gemäss Art. 337c Abs. 1 OR gegenüber dem Arbeitgeber Anspruch auf Ersatz dessen, was er verdient hätte, wenn das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist oder durch Ablauf der bestimmten Vertragszeit beendigt worden wäre. Der Arbeitnehmer muss sich daran anrechnen lassen, was er infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erspart und was er durch anderweitige Arbeit verdient oder zu verdienen absichtlich unterlassen hat (Art. 337c Abs. 2 OR).

Es ist belegt und unbestritten, dass sich der monatliche Nettolohn der Klägerin auf CHF 14'364.10 belaufen hat (act. 1/11). Die Beklagte ist daher zu verpflichten, der Klägerin CHF 43'092.30 netto (Lohn für die Monate Mai bis Juli 2019) zu bezahlen. Dieser Betrag ist ab dem 26. April 2019, dem Erhalt der fristlosen Kündigung (vgl. act. 1/15, vorab per E-Mail), mit 5 % (Art. 104 Abs. 1 OR) zu verzinsen (BGE 130 III 202 E. 3.3.1).

Zu ergänzen bleibt, dass die Klägerin ihre neue Arbeitsstelle per 1. August 2019 antreten konnte (vgl. act. 11/25). Abgesehen davon hat sich die Klägerin am 20. Mai 2019 beim RAV zur Arbeitsvermittlung angemeldet (act. 11/24). Infolgedessen kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden, sie hätte sich absichtlich nicht um eine neue Stelle bemüht oder hätte anderweitigen Verdienst absichtlich unterlassen.

5.2 Die Klägerin macht gestützt auf die ungerechtfertigte fristlose Kündigung eine Entschädigung in Höhe von zwei Monatslöhnen, d.h. von CHF 31'933.30 (zwei Brutto-Monatslöhne; vgl. act. 1/16), geltend (act. 1 Rz 21). Die Beklagte bestreitet die Forderung, auch wenn das Gericht die fristlose Entlassung als ungerechtfertigt ansehe (act. 5 Ziff. 40).

Gemäss Art. 337c Abs. 3 OR kann das Gericht den Arbeitgeber bei ungerechtfertigter fristloser Kündigung verpflichten, dem Arbeitnehmer eine Entschädigung von maximal sechs Monatslöhnen zu bezahlen, die es nach freiem Ermessen unter Würdigung aller Umstände festlegt. Der massgebende Monatslohn einschliesslich Zulagen, Gratifikation und 13. Monatslohn pro rata temporis berechnet sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der fristlosen Kündigung (Urteil des Bundesgerichts 4A_310/2008 vom 25. September 2008, in: JAR 2009 S. 377 ff., 380 f.; Urteil des Bundesgerichts 4C.406/2005 vom 2. August 2006, in: JAR 2007 S. 300 ff., 306). Die Entschädigung hat sowohl Strafcharakter als auch Genugtuungsfunktion und soll die durch eine ungerechtfertigte fristlose Kündigung erlittene Persönlichkeitsverletzung des Arbeitnehmers abgelten. Bei der Bemessung der Strafzahlung hat das Gericht namentlich das Verschulden des Arbeitgebers, die Schwere der Persönlichkeitsverletzung, das Mass der Widerrechtlichkeit der fristlosen Kündigung, die Enge und Dauer der vertraglichen Beziehung, die wirtschaftliche Situation der Parteien sowie ein allfälliges Mitverschulden des Entlassenen zu berücksichtigen (BGE 135 III 405 E. 3.1; 123 III 391 E. 3c; 123 III 246 E. 6a; 121 III 64 E. 3c; Streiff/von Ka-enel/Rudolph, a.a.O., Art. 337c OR N 8; Portmann, Basler Kommentar, 7. A. 2019, Art. 337c OR N 5 f.). Obwohl es sich bei Art. 337c Abs. 3 OR gemäss Gesetzeswortlaut um eine Kann-Formulierung handelt, wird die Entschädigung bei einer ungerechtfertigten fristlosen Entlassung grundsätzlich zugesprochen. Ausnahmen bilden ausserordentliche Umstände, die trotz ungerechtfertigter fristloser Kündigung keine Zahlung zu Lasten des Arbeitgebers rechtfertigen. Solche Umstände können gegeben sein, wenn ein im Vergleich zum Fehlverhalten des Arbeitgebers erhebliches Fehlverhalten des Arbeitnehmers vorliegt, das für eine fristlose Entlassung gerade noch nicht ausreicht (Urteile des Bundesgerichts 4A_179/2018 vom 29. Januar 2019 E. 5.1 und 4C.400/2005 vom 24. März 2006 E. 3.1). Im Übrigen ist es Sache des Arbeitnehmers, die geeigneten Tatsachen vorzutragen, die es erlauben, die Entschädigung nach Art. 337c Abs. 3 OR zu bemessen (von Kaenel/Rudolph, elektronischer Update-Service zum Praxiskommentar, Art. 337c OR N 8 mit Verweis auf das Urteil des Bundesgerichts 4A_175/2016 vom 2. Juni 2016).

Wie bereits festgehalten, ist kein wichtiger Grund ersichtlich, der die fristlose Entlassung der Klägerin gerechtfertigt hätte. Eine ungerechtfertigte fristlose Entlassung verletzt den Arbeitnehmer grundsätzlich in seinen persönlichen Verhältnissen und beeinträchtigt seinen Ruf (BGE 116 II 300 E. 5a). Allerdings sind keine Umstände aktenkundig, die auf ein besonders verwerfliches Vorgehen der Beklagten schliessen liessen. Im Übrigen dauerte das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nur etwas mehr als zwei Jahre, mithin nicht besonders lang. Zur wirtschaftlichen Situation der Beteiligten äusserten sich die Parteien nicht. Zu bemerken ist jedoch, dass der Monatslohn der Klägerin doch als eher hoch zu bezeichnen ist. Demgegenüber kann der Klägerin kein Mitverschulden vorgeworfen werden und es sind auch keine anderen Umstände ersichtlich, die den Verzicht auf eine Strafzahlung naheliegen würden. Es ist mithin von einer «normalen» fristlosen Kündigung ohne Vorliegen besonderer Umstände auszugehen, womit eine Entschädigung in Höhe eines Monatslohns angemessen ist. Auf der Strafzahlung sind keine Sozialversicherungsprämien abzuführen (Streiff/von Kae¬nel/Rudolph, a.a.O., Art. 337c OR N 15 und 17). Die Beklagte hat der Klägerin gestützt auf Art. 337c Abs. 3 OR somit eine Entschädigung von – gerundet – CHF 15'965.00 (act. 1/16) zu bezahlen. Der von der Klägerin beantragte Zins von 5 % seit 26. April 2019 ist ihr ebenfalls zuzusprechen (s. vorne E. 5.1).

6. Des Weiteren verlangt die Klägerin von der Beklagten CHF 3'990.90 «netto» für entgangene Arbeitgeberbeiträge an die berufliche Vorsorge in den Monaten Mai bis Juli 2019 (act. 1 Rz 22). Die Forderung wird von der Beklagten bestritten (act. 5 Ziff. 31).

Nach konstanter Praxis spricht das Kantonsgericht Zug (auch unter dem Titel Schadenersatz bzw. entgangener Lohn bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist [Art. 337c Abs. 1 OR]) nur Netto- und nicht Bruttobeträge zu. Obwohl der Anspruch kein Lohn ist, wird er wie ein Lohn abgerechnet, also mit Sozialabzügen, BVG usw. (Farner, Fristlose Entlassung, in: Port-mann/von Kaenel [Hrsg.], Fachhandbuch Arbeitsrecht , 2018, Rz 12.89). Grundsätzlich hat der Arbeitgeber daher die Sozialversicherungsbeiträge, wozu auch die Beträge an die berufliche Vorsorge gehören, zusätzlich an die betreffenden Stellen abzuliefern; die abzuziehenden Sozialabgaben stehen nicht dem Arbeitnehmer zu. Abgesehen davon besteht der Schaden, der einem Arbeitnehmer entsteht, wenn der Arbeitgeber seiner Verpflichtung zur Ablieferung der Arbeitgeberbeiträge an die berufliche Vorsorge nicht nachkommt, nicht in der monatlich zu bezahlenden BVG-Prämie, sondern im Rentenverlust. Dieser Rentenverlust wird von der Klägerin nicht beziffert, weshalb ihr Anspruch auch deshalb zurückzuweisen ist. Die Beklagte ist daher gehalten, spätestens nach Rechtskraft des vorliegenden Entscheids auch mit der beruflichen Vorsorgeeinrichtung definitiv abzurechnen (vgl. demgegenüber Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.O., Art. 337c OR N 15 [S. 1170]).

Entscheid des Kantonsgerichts vom 28. August 2020 A2 2019 28

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