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Art. 197 ZGB und Art. 198 ZGB

Regeste:

Art. 197 ZGB und Art. 198 ZGB –  Güterrechtliche Qualifikation von Mitarbeiterbeteiligungen .
Der Einbezug einer bestimmten Position in die Vorschlagsteilung kann nur in Betracht fallen, wenn sich das Recht bzw. die Forderung am Stichtag zu einem Anwartschaftsrecht verdichtet hat, d.h. der Erwerber eine gesicherte Rechtsstellung erlangt hat, die von der Gegenseite nicht mehr durch einseitige Erklärung zerstört werden kann. Zu berücksichtigen sind nur jene Vermögenswerte resp. Anwartschaftsrechte, die am Stichtag (im vorliegenden Fall im Zeitpunkt der Eheschliessung) bereits vorhanden waren. Dabei darf aus der Tatsache, dass sich ein Vermögenswert zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich realisiert hat, nicht auf den gesicherten Bestand zum Zeitpunkt des Stichtags geschlossen werden. Massgebend ist einzig die Erwerbssicherheit am Stichtag. Aus dem gleichen Grund fällt auch ein Einbezug pro rata temporis ausser Betracht.

Aus dem Sachverhalt:

Allgemeiner Hinweis
Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes wurden sämtliche Kalenderdaten geändert und die Erwägungen teilweise gekürzt.

Aus dem Sachverhalt
Die Parteien heirateten am 17. September 2010. Mit Eheschutzentscheid des Kantonsgerichts Zug vom 25. Oktober 2015 wurde zwischen den Parteien per 1. Oktober 2015 die Gütertrennung angeordnet. Im anschliessenden Ehescheidungsverfahren stritten sich die Parteien u.a. um die güterrechtliche Qualifikation von Mitarbeiterbeteiligungen.

Aus den Erwägungen:

10. Der Beklagte besass im Zeitpunkt der Anordnung der Gütertrennung unbestrittenermassen [Zahl] Aktien der Z. AG, die er aufgrund von «Participation Units» (nachfolgend: PPUs) erworben hatte. Die Klägerin hat im erstinstanzlichen Verfahren anerkannt, dass es sich bei den Aktien, welche der Beklagte aus den in den Jahren 2008 und 2009 zugeteilten PPUs erworben hat, um Eigengut des Beklagten handelt. Nach wie vor umstritten ist, ob die restlichen [Zahl] PPUs dem Beklagten vor oder nach der Eheschliessung zugeteilt worden und diese je nachdem zum Eigengut oder zur Errungenschaft des Beklagten zu zählen sind.

10.1 Das Kantonsgericht gelangte zum Schluss, dass insgesamt [Zahl] Aktien der Z. AG der Errungenschaft des Beklagten zuzuordnen seien, wobei sich deren Wert (nach Abzug der Steuern) auf CHF [Betrag] belaufe. Zur Begründung führte es zusammengefasst Folgendes aus:

10.1.1 Gemäss Art. 197 Abs. 1 ZGB sei ein Vermögenswert bzw. ein Arbeitsentgelt Errungenschaft, wenn es während der Dauer des Güterstandes erworben worden sei. Werde der Vermögens¬wert also noch vor der Heirat erworben, falle er nicht in die Errungenschaft, sondern in das Eigengut des erwerbenden Ehegatten. Die Errungenschaft eines Ehegatten gemäss Art. 197 ZGB umfasse grundsätzlich Sachwerte und vermögenswerte Rechte aller Art. Zur Errungenschaft gehöre auch der Arbeitserwerb (Art. 197 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB). Massgebend sei vorliegend die güterrechtliche Bedeutung von Arbeitserwerb in Form von Mitarbeiterbeteiligungen bzw. Mitarbeiteraktien.

10.1.2 Durch Mitarbeiterbeteiligungsprogramme erhielten Mitarbeiter die Möglichkeit, sich im Rahmen der Gesamtvergütung am Erfolg oder am Kapital der Gesellschaft zu beteiligen. Den Zeitpunkt, in welchem die Option zum Erwerb von Aktien eingeräumt werde, bezeichne man als Zuteilungsdatum (engl. «grant date»). Werde im Optionsplan eine Vesting-Periode vorgesehen, bezeichne man damit die Wartefrist zwischen der Zuteilung der Optionen und deren unwiderruflichem Rechtserwerb, in welchem die zugeteilten Aktien sozusagen «verdient» werden müssten. Sei die Option während eines bestimmten Zeitraums ausübbar, werde diese Zeitspanne als Ausübungsperiode bezeichnet (engl. «excercise period»). Das Datum, bis zu welchem die Optionen ausgeübt werden könnten, werde Ablaufdatum (engl. «expiry date») genannt. Das Vesting könne vom Eintritt von Bedingungen abhängig gemacht werden (z.B. Verbleib in der Gesellschaft oder Erreichen gewisser Leistungsziele). Unter dem Begriff «Mitarbeiteraktie» werde in einem weiteren Sinne eine Aktie der arbeitgebenden (oder einer dieser nahestehenden) Gesellschaft verstanden, die dem Mitarbeiter aufgrund eines Arbeitsverhältnisses gewährt werde. Die Gewährung erfolge entweder an alle oder nur an einen bestimmten Kreis der Mitarbeiter. In der Regel erfolge die Gewährung unentgeltlich oder zumindest zu Vorzugsbedingungen direkt durch die arbeitgebende (oder eine dieser nahestehenden) Gesellschaft. Mitarbeiteraktien könnten aufschiebend bedingt ausgestaltet werden und insbesondere einer Vesting-Periode unterliegen bzw. an (in der Zukunft liegende) objektive Leistungsziele geknüpft werden.

10.1.3 Für die Frage, was Errungenschaft darstelle, sei güterrechtlich weniger die Rechtsnatur des Rechtsverhältnisses bzw. der Bedingung bedeutsam, sondern wie das bedingte Entgelt für die Arbeitsleistung im Einzelfall ausgestaltet sei. Vorliegend stelle sich insbesondere die Frage, inwiefern Mitarbeiter-beteiligungen im Bestand des Eigengutes des Beklagten zu berücksichtigen seien, welche erst nach der Eheschliessung [am 17. September 2010], jedoch rückwirkend auf den 1. Januar 2010 (also noch vor der Eheschliessung) zugeteilt worden seien.

Wann ein Vermögenswert im Allgemeinen als erworben gelte, werde im Gesetz nicht näher ausgeführt. Zum Zeitpunkt des Erwerbs eines Vermögenswerts führe die Lehre im Allgemeinen aus, dass nicht die Fälligkeit oder der Zeitpunkt der effektiven Auszahlung des Kapitals, sondern der Entstehungszeitpunkt eines Rechts bzw. einer Forderung massgeblich sei. Zu prüfen sei, ob bzw. nach Massgabe welcher rechtlicher Kriterien Rechte bzw. Forderungen Eigengut bilden könnten, die zwar grundsätzlich entstanden, aber bedingt ausgestaltet seien. Als Bedingung werde im Allgemeinen eine vertragliche Vereinbarung bezeichnet, durch welche die Parteien die Wirksamkeit eines Schuldverhältnisses als Ganzes oder nur einzelner vertraglicher Rechte und Pflichten vom Eintritt oder Nichteintritt einer ungewissen zukünftigen Tatsache abhängig machten. In der Lehre werde dazu der Begriff der «Anwartschaft» verwendet. Als Anwartschaft könne im Allgemeinen ein möglicher Anspruch auf eine bestimmte künftige Leistung verstanden werden. Unter einer «blossen» bzw. «faktischen» Anwartschaft werde nach der Praxis des Kantonsgerichts Zug eine faktische Erwerbsaussicht oder Erwartung verstanden. Es handle sich um die mehr oder weniger konkrete Hoffnung, die Chance auf eine bloss mögliche künftige Leistung, ohne dass eine gesicherte Rechtsposition vorliege. Sie sei in der güterrechtlichen Auseinandersetzung unbeachtlich. Von der «blossen» Anwartschaft abzugrenzen sei das «Anwartschaftsrecht». Massgebende Merkmale des Anwartschaftsrechts seien die Automatik des Rechtseintritts sowie die gesicherte Rechtsstellung des Erwerbers. Dabei werde zur Berücksichtigung als Eigengut im Allgemeinen nicht verlangt, dass eine Vergütung bzw. das Recht im Zeitpunkt der Eheschliessung bereits endgültig und unbedingt entstanden sei. Es genüge, dass sich das Recht bzw. die Forderung vor der Eheschliessung zu einem Anwartschaftsrecht verdichtet habe. Ein Anwartschaftsrecht liege bei aufschiebend bedingten Forderungen vor, die mit Bedingungseintritt ipso iure, d.h. ohne weiteres Zutun der Parteien, zum Vollrecht würden und der Erwerber dadurch bereits jetzt eine gesicherte Rechtsstellung erlange, die von der Gegenseite nicht mehr durch einseitige Erklärung zerstört werden könne. Anwartschaftsrechte bildeten nach der wohl herrschenden Lehre Vermögensbestandteile und seien in der güterrechtlichen Auseinandersetzung zu berücksichtigen. Der Umstand, dass die Vergütung aufschiebend bedingt ausgestaltet sei bzw. vom Eintritt eines ungewissen Ereignisses abhänge und der Eintritt unter Umständen ausbleibe, beschlage somit nicht den Bestand des bedingten Rechts bzw. der bedingten Forderung.

10.1.4 Im Besonderen gehe es vorliegend um die Berücksichtigung von Arbeitserwerb. Stehe dem Arbeitgeber oder einem Auftraggeber im Zusammenhang mit der (künftigen) Ausrichtung einer Vergütung kein Ermessensspielraum zu, indem auch die Höhe der Sondervergütung objektiv bestimmt oder bestimmbar sei, handle es sich um eine ermessensfeindliche Vergütung bzw. arbeitsrechtlich um einen Lohnbestandteil. Seien diese ermessensfeindlichen Vergütungen bedingt ausgestaltet, hätten sich diese Forderungen in aller Regel zu einem Anwartschaftsrecht verdichtet. Liege die Bezahlung demgegenüber im Ermessen des Arbeitgebers, liege eine blosse Gratifikation vor und der Arbeitnehmer verfüge über keine gesicherte Rechtsposition, weshalb eine «blosse» Anwartschaft vorliege.

10.1.5 Damit die [Zahl] PPUs im Bestand des Eigengutes des Beklagten berücksichtigt werden könnten, sei neben der Qualität als Anwartschaftsrecht zu verlangen, dass die Vergütung für Arbeitsleistungen ausgerichtet werde, welche vor Begründung des Güterstandes geleistet worden seien: Für den Zeitpunkt des Arbeitserwerbs werde daran angeknüpft, wann die entgeltliche Arbeitsleistung erbracht worden sei. Nur jenes Entgelt gelte als erworben, das auf schon erbrachte Arbeitsleistungen entfalle. Entgelt für Arbeitsleistungen, welche vor der Begründung des Güterstandes erbracht würden, bilde mit anderen Worten keine Errungenschaft, selbst wenn es während der Dauer des Güterstandes ausgerichtet worden sei.

Würden beispielsweise Mitarbeiteroptionen vor der Eheschliessung «gegranted», aber nach der Eheschliessung «gevestet», gelte es zu eruieren, in welchem Umfang die Optionen während der Dauer des Güterstandes während der laufenden Vesting-Periode «verdient» worden seien. Wie erwähnt, bestehe der wirtschaftliche Wert für den Begünstigten im möglichen Gewinn, der mit Wirkung der Ausübung entstehe, durch die Differenz zwischen dem Wert des Titels im Zeitpunkt der Ausübung und des Preises, welche im Zeitpunkt der Zuteilung im Voraus bestimmt worden sei. Dieser Gewinn, welcher alsdann als Vergütung ausgerichtet werde, werde während der Vesting-Periode durch die Arbeit des betreffenden Mitarbeiters (mit)geschaffen, wobei es sich in der Regel nicht eruieren lasse, welche Wertsteigerung wann und aufgrund welcher Handlungen entstanden sei. Dauere die Vesting-Periode über die Begründung des Güterstandes hinaus, sei in zeitlicher Hinsicht pro rata temporis auszuscheiden, welcher prozentuale Anteil der variablen Vergütung zwischen der Einräumung bzw. Entstehung des (bedingten) Rechts bzw. [der bedingten] Forderung und dem unwiderruflichen Rechtserwerb während des Güterstandes «verdient» worden sei.

10.1.6 Diese Auslegung entspreche auch dem Sinn und Zweck der Errungenschaftsbeteiligung. Das Zusammenwirken der Gatten in der Schicksals- und Wirtschaftsgemeinschaft ihrer Ehe und ihres Güterstandes (vgl. Art. 159 ZGB) trage zumindest mit dazu bei, den Aufbau eines Errungenschaftsvermögens überhaupt erst zu ermöglichen. Insbesondere könne es in einer stark aufgabenteilig gestalteten Ehe erst die Sorge eines Ehegatten für Haushalt und Kinder sein, welche dem anderen Ehegatten sein berufliches und wirtschaftliches Vorwärtskommen ermögliche. Sinn und Zweck solcher variablen Vergütungen bzw. Vergütungen wie Mitarbeiterbeteiligungen, welche beispielsweise einer Vesting-Periode unterlägen, sei es denn auch, den Mitarbeiter zu motivieren, durch die Verrichtung seiner Arbeit Werte zu schaffen und diese Personen mit der Aussicht auf eine lukrative Unternehmensbeteiligung an die Gesellschaft zu binden. Handle es sich (ganz oder teilweise) um Vergütungen für während der Dauer des Güterstandes verrichtete Arbeit, rechtfertige es sich aufgrund des Zwecks der Errungenschaftsbeteiligung, diese zu teilen.

10.1.7 Mit Schreiben vom 5. Oktober 2011 seien dem Beklagten von der Z. AG [Zahl] PPUs zusammen mit dem Recht zum Kauf von [Zahl] Aktien der Gesellschaft zu einem Ausübungspreis von CHF [Betrag] pro Aktie rückwirkend auf den 1. Januar 2010 («granted as of January 1, 2010») zugeteilt worden. Aus der Mitteilung der Z. AG vom 5. Oktober 2011 gehe hervor, dass die Zuteilung («Allocation Date» oder «Grant Date») der [Zahl] PPUs am 1. Januar 2010 erfolgt sei. Dieses Vorgehen entspreche dem Vorgehen der Z. AG in den vorangegangenen Jahren. So seien auch im Jahr 2009 [Zahl] PPUs mit Schreiben vom 30. Juni 2009 rückwirkend auf den 1. Januar 2009 zugeteilt worden. Dasselbe Prozedere sei im Jahr 2008 erfolgt. Während welcher Periode die Optionen ausgeübt werden könnten, gehe aus dem Schreiben nicht hervor. Ob sich diese Anwartschaft am 1. Januar 2010 bereits zu einem Anwartschaftsrecht verfestigt habe, hänge von den Zuteilungskriterien der Mitarbeiteraktien ab. Das Mitarbeiterbeteiligungsprogramm habe der Vereinbarung über das «Participation Program» (nachfolgend: PP) sowie dem «Shareholder Agreement» unterlegen. Beide Dokumente habe der Beklagte nicht eingereicht. Auch aus den Rechtsschriften des Beklagten gehe nicht hervor, wie das PP aufgebaut gewesen sei und wie es genau funktioniert habe. Es hätte dem beweisbelasteten Beklagten oblegen, die nötigen Behauptungen in den Rechtsschriften aufzustellen und diese mit Belegen zu untermauern. Er trage die Folgen der Beweislosigkeit (Art. 8 ZGB).

Aufgrund der fehlenden Dokumente könnten der exakte Mechanismus der Zuteilung und die Zuteilungskriterien der [Zahl] PPUs nicht abschliessend beurteilt werden. Im Schreiben der Z. AG vom 5. Oktober 2011 werde zwar ausgeführt, dass das PP ähnlich oder gleichartig ausgestaltet sei wie das bereits existierende Participation Program. Dies reiche jedoch nicht aus, um eine Automatik des Rechtseintritts sowie eine gesicherte Rechtsstellung des Beklagten nachzuweisen. Es hätte dem Beklagten oblegen, die betreffenden Dokumente in den vorliegenden Prozess einzubringen, zumal ihm die Beweislast für das von ihm behauptete Eigengut obliege. Der Beklagte mache denn auch keine Ausführungen zu den Bedingungen, an welche die Mitarbeiteraktien gekoppelt gewesen seien. Insbesondere habe er auch seinen Arbeitsvertrag, der auf mögliche variable Lohnvergütungen in Form von Mitarbeiterbeteiligungen hinweisen könnte, nicht eingereicht. Der Beklagte habe mithin nicht nachweisen können, dass sich die [Zahl] PPUs zu einem Anwartschaftsrecht verdichtet hätten, sodass er im Zeitpunkt der Eheschliessung am 17. September 2010 bereits einen durchsetzbaren Anspruch auf Zuteilung der PPUs gehabt und es sich daher um Eigengut gehandelt hätte. Die letzten [Zahl] PPUs stellten somit Errungenschaft des Beklagten dar (vgl. Art. 200 Abs. 3 ZGB).

10.1.8 Wie bereits erwähnt, sei der Zeitraum, in welchem allfällige Mitarbeiterbeteiligungen «verdient» worden seien, nur dann zu prüfen, wenn sich diese Rechte bereits zu Anwartschaftsrechten verdichtet hätten. Auf das vom Beklagten eingereichte Bestätigungsschreiben von Y. vom 9. Juni 2016 könne nicht abgestellt werden. Dieses Dokument sei ausdrücklich auf Wunsch des Beklagten von der ehemaligen Arbeitgeberin in Bezug auf das hängige Scheidungsverfahren ausgestellt worden. Beweisrechtlich handle es sich dabei um ein privates Bestätigungsschreiben, worin Dritte zuhanden einer Prozesspartei ihre Wahrnehmungen festhielten. Private Bestätigungsschreiben würden als Urkunde zwar die Tatsache dieser Äusserung beweisen. Als Beweismittel für die Richtigkeit dieser Wahrnehmung seien sie jedoch ungeeignet und hätten in Bezug auf den Inhalt keinen Beweiswert. Selbst wenn auf das Schreiben von Y. abgestellt würde, würde dieses keine ausschliessliche Zuteilung der PPUs aufgrund guter Arbeitsleistungen des Beklagten vor dem 1. Januar 2010 belegen, zumal das Schreiben ausdrücklich die «vorwiegende Berücksichtigung der vor dem Allokationszeitpunkt, d.h. vor dem 1. Januar 2010, erbrachten Leistungen» als Zuteilungskriterium nenne (Hervorhebung hinzugefügt). Weitere Beweisstücke, welche den Standpunkt des Beklagten bekräftigen würden, lägen nicht im Recht. Mithin misslinge dem Beklagten der Nachweis, dass die [Zahl] PPUs im Bestand seines Eigengutes zu berücksichtigen seien. An dieser Feststellung vermöchte auch eine Zeugenaussage von Y. nichts zu ändern, zumal er kaum etwas anderes erklären würde, als was er schon in seiner eigenen schriftlichen Erklärung bestätigt habe. Zudem diene das Beweisverfahren nicht dazu, ungenügend vorgetragene Sachverhalte zu korrigieren.

10.2 In der Berufung hält der Beklagte diesen Erwägungen im Wesentlichen Folgendes entgegen:

10.2.1 Die Vorinstanz verkenne, dass aus der Mitteilung der Z. AG vom 5. Oktober 2011 hervorgehe, dass «You [der Beklagte] are granted as of January 1, 2010, the Allocation Date, [Zahl] Profit Participation Instruments». Damit werde klar bestätigt, dass die [Zahl] PPUs dem Beklagten fest mit Zuteilungsdatum 1. Januar 2010 zugewiesen worden seien. Diese Zuweisung hänge einzig davon ab, dass der Beklagte einen Betrag von CHF [Betrag] an die Z. AG überweise. Irgendeine Möglichkeit, diese Zuteilung mit Zuteilungstag 1. Januar 2010 zu widerrufen, habe die Z. AG nicht mehr gehabt. Allein aus der Mitteilung der Z. AG ergebe sich somit, dass sich diese Anwartschaft oder die mögliche Beteiligung bereits per 1. Januar 2010 und damit vor dem Datum des Eheschlusses, welcher am 17. September 2010 erfolgt sei, zu mehr als einem Anwartschaftsrecht verdichtet habe, sondern zu einem Anspruch geworden sei, den der Beklagte gegen Bezahlung von CHF [Betrag] einseitig habe geltend machen können. Der Fakt, dass diese Erklärung erst am 5. Oktober 2011 erfolgt sei, stehe mit der Frage, wann der Anspruch entstanden sei, in keinem Zusammenhang. Dies bestätige auch Y., Verantwortlicher für sämtliche Mitarbeiterbeteiligungen der Gesellschaft, in seiner Erklärung vom 9. Juni 2016. Y. sei überdies Mitglied des Verwaltungsrates der Z. AG gewesen. Die Vorinstanz erachte diese Erklärung von Y. zu Unrecht als eine Parteibehauptung, habe doch Y. bei der Z AG eine absolut unabhängige Funktion innegehabt und sei im Übrigen mit dem Beklagten weder befreundet oder verfeindet, noch stehe er in einem Abhängigkeitsverhältnis, sondern sei einzig als Mitarbeiter der Z. AG dieser Gesellschaft gegenüber verpflichtet. Somit habe Y. die Erklärung nicht im Sinne eines Gefälligkeitszeugnisses als Kollege oder Mitarbeiter des Beklagten während dessen Tätigkeit, sondern [Zahl] Jahre nach dem Ausscheiden des Beklagten aus der Z. AG abgegeben. Der Erklärung sei auch ganz klar zu entnehmen, dass im Allgemeinen die Anspruchsbegründung einer Allokation jeweils im Juni/Juli des Jahres der Allokation bekannt gegeben worden sei. Dies sei in Bezug auf die Allokation per 1. Januar 2010 allerdings später erfolgt, weil das Verfahren für die börsenrechtliche Zulassung dieser Anleihen bis weit ins Jahr 2011 gedauert habe. Grund dafür sei gewesen, dass die mögliche Börsenkotierung a) kompliziert gewesen sei und b) aufgrund der börsenrechtlichen lnsiderproblematik absolut vertraulich habe erfolgen müssen. Die Mitteilung habe aber keinerlei Einfluss auf die Tatsache gehabt, dass das Recht zum Erwerb der [Zahl] PPUs bereits erworben gewesen und demnach rückwirkend per 1. Januar 2010 erfolgt sei. Damit habe die Vorinstanz zu Unrecht verneint, dass der Beklagte das Recht für den Erhalt dieser [Zahl] PPUs bereits am 1. Januar 2010 im Sinne eines Anspruchs oder durchsetzbaren Rechts erworben habe. Die entsprechende Mitteilung sei zwar erst später erfolgt, doch sei auf diese Mitteilung nicht abzustellen.

10.2.2 Das gleiche Resultat ergebe sich auch – und dies habe die Vorinstanz zu Unrecht nicht berücksichtigt – aus einem Schreiben vom 20. März 2017, worin die Z. AG, vertreten durch Y. nochmals die Zuteilung der PPUs aufliste und deren Werte angebe. Der Wert der Allokation 2010 von CHF [Betrag] ergebe sich aus der Berechnung des Werts pro Aktie von CHF [Betrag], den der Beklagte auch habe versteuern müssen. Die Vorinstanz habe die Ausführungen an der Hauptverhandlung und die in diesem Zusammenhang eingereichte Bestätigung der Z. AG vom 20. März 2017 zu Unrecht nicht berücksichtigt. Damit sei erstellt, dass es sich bei den [Zahl] PPUs, welche dem Beklagten rückwirkend auf den 1. Januar 2010 zugeteilt worden seien, um Eigengut handle und der Beklagte dieses Recht zum Erhalt der [Zahl] PPUs vor dem Datum der Heirat erworben habe.

10.2.3 Selbst wenn im Übrigen nicht auf das Schreiben von Y. vom 9. Juni 2016 abgestellt werden sollte, habe die Vorinstanz zu Unrecht den ganzen Wert der [Zahl] PPUs als Vermögenswert der Errungenschaft zugewiesen, sei doch der auf die Periode Januar 2010 bis Mitte September 2010 anfallende Anteil von 8,5 Monaten unbestrittenermassen vor der Ehe erarbeitet und maximal der Anteil ab Mitte September bis Dezember 2010, mithin 3,5 Monate, während der Dauer der Ehe erarbeitet worden. Daher sei – selbst wenn man der falschen Auffassung der Vorinstanz folgen wolle – eine Ausscheidung des vorehelichen Anteils und des nachehelichen Anteils an der Arbeitsleistung vorzunehmen. Aus dem bereits erwähnten Schreiben vom 20. März 2017 ergebe sich, dass die Zuteilung der Aktien jeweils immer für die Dauer eines Jahres erfolgt sei. Gehe man mit der Vorinstanz davon aus, dass die Zuteilung der letzten [Zahl] PPUs für das Jahr 2010 erfolgt sei, sei die Zuteilung demnach für 12 Monate erfolgt, wovon die Parteien nur 3,5 Monate verheiratet gewesen seien. Es sei demnach nicht gerechtfertigt, den Wert der gesamten Aktien der Errungenschaft zuzuweisen. Damit sei der Wert der [Zahl] PPUs, den die Vorinstanz mit CHF [Betrag] bewertet habe, in einen vorehelichen Teil von 8,5/12 und einen nachehelichen und damit der Errungenschaft zuzuweisenden Anteil von 3,5/12 aufzuteilen. Der Errungenschaft sei mithin nur ein Betrag von CHF [Betrag] abzüglich CHF [Betrag] (Steuern) als zusätzlicher Vorschlag bei den Aktiven der Errungenschaft des Beklagten zu berücksichtigen.

10.3 Demgegenüber folgt die Klägerin in der Berufungsantwort im Wesentlichen den erstinstanzlichen Erwägungen.

10.4 Die Rügen, welche der Beklagte im Zusammenhang mit der güterrechtlichen Zuordnung der von ihm erworbenen Aktien der Z. AG erhebt, sind in mehrfacher Hinsicht unbegründet.

10.4.1 Der Beklagte bestreitet zunächst zu Recht nicht, dass einfache (reine) Anwartschaften, bei denen es um bloss mögliche Ansprüche auf eine künftige Leistung geht und die keine realisierbaren Gegenwert besitzen, bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung nicht zu berücksichtigen sind. Ein Einbezug einer bestimmten Position in die Vorschlagsteilung kann vielmehr nur in Betracht fallen, wenn sich das Recht bzw. die Forderung vor der Eheschliessung zu einem Anwartschaftsrecht verdichtet hat, d.h. der Erwerber eine gesicherte Rechtsstellung erlangt hat, die von der Gegenseite nicht mehr durch einseitige Erklärung zerstört werden kann. Massgebende Merkmale sind die Automatik des Erwerbsanfalls sowie die Erwerbssicherheit. Diese Kriterien sind namentlich dann nicht erfüllt, wenn ein bestimmter Vermögenswert vor seinem endgültigen Erwerb in Bestand und Umfang ungewiss, unveräusserlich und unübertragbar ist und auch nicht gepfändet werden kann (vgl. vorne E. 10.1.3; Hausheer/Reusser/Geiser, Berner Kommentar, 1992, Art. 198 ZGB N 9 [m.w.H.] und Art. 197 ZGB N 57; Althaus, Mitarbeiterbeteiligungen in der güterrechtlichen Auseinandersetzung, FamPra.ch 2017 S. 953 ff., 960 f. m.w.H.).

10.4.2 Die Parteien haben am 17. September 2010 geheiratet. Dass der Beklagte ausgewählt wurde, am PP der Z. AG teilzunehmen, teilte ihm die Z. AG dagegen erst mit Schreiben vom 5. Oktober 2011 mit. Insofern ist offenkundig, dass ihm im Zeitpunkt der Eheschliessung noch kein Anwartschaftsrecht im eben dargelegten Sinn zustand. Dies ergibt sich zumindest indirekt auch aus dem Schreiben von Y. vom 9. Juni 2016, in welchem dieser festhielt, dass die Leistungen den Aktionären in Form von börsenkotierten Anleihen zuflossen, bei denen das Verfahren für die börsenrechtliche Zulassung weit bis ins Jahr 2011 dauerte. Wenn die Anleihen, welche die Basis für die [Zahl] strittigen PPUs waren, im Zeitpunkt der Eheschliessung, d.h. im September 2010, noch gar nicht existierten, ist die für ein Anwartschaftsrecht erforderliche Erwerbssicherheit von vornherein ausgeschlossen. Daran ändert in güterrechtlicher Hinsicht auch der Umstand nichts, dass die Z. AG das «Allocation Date» für die [Zahl] PPUs rückwirkend auf den 1. Januar 2010 festlegte, vermag doch die Erklärung eines (privaten) Dritten die auf einer zwingenden Gesetzesvorschrift beruhende Zuordnung eines Vermögenswerts zum Eigengut (Art. 198 ZGB) nicht ausser Kraft zu setzen (vgl. Hausheer/Aebi-Müller, Basler Kommentar, 6. A. 2018, Art. 198 ZGB N 2 f.).

Im Übrigen behauptet der Beklagte zwar, dass mit der Bezahlung von CHF [Betrag] «for the purchase of shares [der Z. AG]» die Z. AG keine Möglichkeit mehr gehabt habe, die per 1. Januar 2010 erfolgte Zuteilung zu widerrufen. Er hat diese – von der Klägerin bestrittene – Behauptung aber nicht belegt. Abgesehen davon hing gemäss dem Schreiben der Z. AG vom 5. Oktober 2011 die Zuteilung nicht allein von der Zahlung von CHF [Betrag] ab. Vielmehr wurde festgehalten, dass «the Profit Participation Instruments and the corresponding number of shares [der Z. AG] will be issued to you, and thus the profit participation program will be become effective, upon: (1) Execution and delivery of the PP; (2) Execution and delivery of the Shareholder's Agreement». Der (beweisbelastete) Beklagte hat diese beiden Dokumente nicht eingereicht. Daher können – wie die Vorinstanz zu Recht bemerkte – der exakte Mechanismus der Zuteilung und die Zuteilungskriterien der [Zahl] PPUs nicht abschliessend beurteilt werden, zumal der Beklagte in seinen Rechtsschriften nicht dargelegt hat, an welche Bedingungen der Erwerb der Mitarbeiteraktien gekoppelt war. Damit ist eine Automatik des Rechtseintritts und eine gesicherte Rechtsstellung des Beklagten nicht hinreichend substanziiert oder gar nachgewiesen. Schliesslich weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass in den Steuererklärungen der Parteien für die Jahre 2010 und 2011 keine entsprechenden Vermögenswerte verzeichnet sind. Demzufolge ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass der beweisbelastete Beklagte nicht nachgewiesen hat, dass er im Zeitpunkt der Eheschliessung am 17. September 2010 ein Anwartschaftsrecht auf Zuteilung der [Zahl] PPUs hatte, weshalb diese gemäss Art. 200 Abs. 3 ZGB zur Errungenschaft des Beklagten gehören (vgl. vorne E. 10.1.7).

10.4.3 Nach dem Gesagten kann offenbleiben, welcher Beweiswert den Bestätigungsschreiben von Y. vom 9. Juni 2016 und 20. März 2017 zukommt. Dies gilt umso mehr, als sich auch diesen beiden Schreiben nur entnehmen lässt, dass die Z. AG den Allokationszeitpunkt rückwirkend auf den 1. Januar 2010 festgelegt und der Beklagte im Rahmen der «2010 Allocation» tatsächlich Aktien der Z. AG erhalten hat. Zu den konkreten Zuteilungskriterien finden sich hingegen keine oder nur pauschale und dementsprechend unpräzise Hinweise wie etwa die Bemerkung, dass "diese erste Allokation unter dem PP eine vorwiegende Berücksichtigung der vor dem Allokationszeitpunkt, d.h. vor dem 1. Januar 2010, erbrachten Leistungen der Teilnehmer" impliziere.

In diesem Zusammenhang ist im Übrigen nochmals zu betonen, dass nur jene Vermögenswerte (resp. Anwartschaftsrechte) zu berücksichtigen sind, die am Stichtag, d.h. im vorliegenden Fall im Zeitpunkt der Eheschliessung, bereits vorhanden waren. Dabei darf aus der Tatsache, dass sich ein Vermögenswert nach dem Stichtag tatsächlich realisiert hat, nicht auf den gesicherten Bestand zum Zeitpunkt des Stichtags geschlossen werden. Massgebend ist einzig die Erwerbssicherheit am Stichtag. Aus dem gleichen Grund fällt – entgegen der Auffassung der Vorinstanz und des Beklagten – ein Einbezug pro rata temporis ausser Betracht, wobei es auch in diesem Zusammenhang unerheblich ist, dass die Bedingungen, die zum Erwerb erforderlich waren, zwischenzeitlich eingetreten sind. Die Berufung des Beklagten erweist sich auch unter diesem Aspekt als unbegründet.

Obergericht, I. Zivilabteilung, Urteil vom 10. März 2020 (Z1 2018 28)

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