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unentgeltliche Rechtspflege

Art. 119 Abs. 6 ZPO

Regeste:

Art. 119 Abs. 6 ZPO – Kostenauflage im Verfahren betreffend unentgeltliche Rechtspflege (Massnahmen gemäss Art. 172 ff. ZGB und Ehescheidung)

Aus den Erwägungen:

[1.–3.]

4. Die Gesuchstellerin wohnt zusammen mit ihren beiden Kindern, […].

4.1 Das (erweiterte) Existenzminimum der Gesuchstellerin und der beiden Kinder berechnet sich wie folgt (act. 1 samt Beilagen; insbesondere: act. 5 [Protokoll der Verhandlung vom 12. November 2020 im Verfahren ES 2020 400 samt Bedarfsberechnung]):

Grundbetrag Gesuchstellerin (plus 20 % Zuschlag) CHF 1'620.00
Grundbetrag […] (plus 20 % Zuschlag) CHF 480.00
Grundbetrag […] (plus 20 % Zuschlag) CHF 480.00
Miete (inkl. Nebenkosten) CHF 1'280.00
Krankenkasse Gesuchstellerin (nur KVG ./. Prämienverbilligung) CHF 235.00
Krankenkasse […] (nur KVG ./. Prämienverbilligung) CHF 65.00
Krankenkasse […] (nur KVG ./. Prämienverbilligung) CHF 65.00
Arbeitsweg CHF 289.00
Schulkosten […] CHF 160.00
Auswärtiges Essen CHF 154.00
Total Grundbedarf CHF 4'828.00

4.2 Demgegenüber erzielt die Gesuchstellerin ein monatliches Nettoeinkommen von CHF 3'871.00 (vgl. act. 5 S. 4) Hinzu kommen ab dem 1. September 2020 die vom Prozessgegner den beiden Kindern geschuldeten Unterhaltsbeiträge von CHF 800.00 bzw. CHF 950.00, je inkl. Kinderzulagen (vgl. act. 5 S. 2), womit sich ein gesamtes monatliches Einkommen der Gesuchstellerin von CHF 5'621.00 ergibt. Der monatliche Überschuss über dem Existenzminimum beläuft sich somit auf CHF 793.00 und der jährliche Überschuss auf rund CHF 9'500.00. Aufgrund dieses Überschusses ist die Gesuchstellerin in der Lage, für die Kosten in den Verfahren betreffend Massnahmen gemäss Art. 172 ff. ZGB (ES 2020 400) und betreffend Ehescheidung (EO 2020 170) aufzukommen (mutmassliche Gerichtskosten [hälftiger Anteil] von insgesamt rund CHF 1'400.00 für beide Verfahren, mutmassliche Parteikosten von – da sich die Parteien vorzeitig geeinigt haben – weniger als CHF 5'000.00 [vgl. verfahrenseinleitende Verfügung im Verfahren ES 2020 400]). Verbleibt nämlich nach der Deckung des Grundbedarfs ein Überschuss, ist die Bedürftigkeit der gesuchstellenden Partei zu verneinen, wenn es ihr der monatliche Überschuss ermöglicht, die Prozesskosten bei weniger aufwändigen Prozessen innert eines Jahres, bei anderen innert zweier Jahre zu tilgen; zudem muss es der monatliche Überschuss der gesuchstellenden Partei erlauben, die anfallenden Gerichts- und Anwaltskostenvorschüsse innert absehbarer Zeit zu leisten (BGE 141 III 369 E. 4.1). Dies ist vorliegend der Fall.

5. Unter diesen Umständen kann nicht gesagt werden, die Gesuchstellerin sei im Sinne von Art. 117 ZPO bedürftig, weshalb das Gesuch abzuweisen ist. An diesem Resultat ändert auch nichts, wenn die Kinder von der Berechnung ausgenommen würden (Urteil des Bundesgerichts 7B.35/2005 vom 24. März 2005 E. 4.2). Der ihnen zustehende Unterhaltsbeitrag ist nämlich an deren Auslagen angemessen anzurechnen (Urteil des Obergerichts Zug BZ 2011 101 vom 12. April 2012 E. 3). Es resultiert bei der Gesuchstellerin somit nach wie vor ein genügend ho-her Überschuss. Sodann müsste bei der Gesuchstellerin, würden die Kinder weggelassen, mit einem tieferen Grundbetrag gerechnet werden (Urteil des Obergerichts Zug BZ 2011 101 vom 12. April 2012 E. 4.1), womit sich der Überschuss noch vergrössern würde (zum Wegfall der Bedürftigkeit während eines laufenden Verfahrens vgl. Urteil des Bundesgerichts 5A_124/2012 vom 28. März 2012 E. 3.3).

6. Ausser bei Bös- oder Mutwilligkeit werden im Verfahren um die unentgeltliche Rechtspflege keine Gerichtkosten erhoben (Art. 119 Abs. 6 ZPO). Mutwillig ist ein Gesuch etwa dann, wenn es dazu missbraucht wird, den Prozess zu verzögern, beispielsweise weil der Gesuchsteller offensichtlich nicht bedürftig oder sein Rechtsbegehren klarerweise aussichtslos ist, oder wenn es mit unkorrekten und unvollständigen Angaben begründet wird (Emmel, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. A. 2016, Art. 119 ZPO N 15; Bühler, Berner Kommentar, 2012, Art. 119 ZPO N 145). Dasselbe muss auch gelten, wenn die vorhandenen finanziellen Mittel klarerweise ausreichen, um die Prozesskosten zu finanzieren.

Wie ausgeführt, verfügt die Gesuchstellerin über einen monatlichen Überschuss über dem Existenzminimum von CHF 793.00 bzw. einen jährlichen Überschuss von rund CHF 9'500.00. Damit kann sie die Prozesskosten finanzieren. Dass dies möglich ist, wurde der Gesuchstellerin an der Verhandlung vom 12. November 2020 im Verfahren ES 2020 400 denn auch vorgerechnet und es wurde ihr empfohlen, das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege zurückzuziehen. Dies lehnte die Gesuchstellerin ohne nachvollziehbare Gründe ab, was als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist. Ihr sind daher Gerichtskosten aufzuerlegen.

Entscheid des Kantonsgerichts vom 18. November 2020 UP 2020 105

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