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Gerichtspraxis

Staats- und Verwaltungsrecht

Bau- und Planungsrecht

Reduktion des Mindestwohnanteils

Regeste:

§ 17 Abs. 3 aV PBG, § 18 lit. a BO Stadt Zug – Verletzung der Gemeindeautonomie

Aus dem Sachverhalt:

A. Die A. AG ist Eigentümerin des Grundstücks Nr. D. in der Stadt Zug. Auf dem Grundstück besteht ein Wohn- und Geschäftshaus (E.-strasse F.) mit Baujahr 1959. Das Grundstück liegt in der Kernzone C (KC), wo ein Wohnanteil von 50 % vorgeschrieben ist, und ist 522 m2 gross. Am 18. Dezember 2017 fand beim Wohn- und Geschäftshaus bezüglich diverser Umbauten in den vier Obergeschossen eine Bauabnahme statt. Dabei wurde festgestellt, dass im zweiten und dritten Obergeschoss nicht bewilligte Nutzungsänderungen vorgenommen worden waren. Anstelle von Wohnungen wurden im zweiten Obergeschoss eine Praxis und Büros und im dritten Obergeschoss ebenfalls Büros erstellt. Mit Schreiben vom 24. September 2018 beantragte die A. AG (nachfolgend: Beschwerdegegnerin 1), es sei die Umnutzung im 2. OG und 3. OG von Wohnnutzung in Gewerbenutzung zu bewilligen. Es sei der Gesuchstellerin eine Ausnahmebewilligung für die Unterschreitung des zonenkonformen Wohnanteils um 75,95 m2 bzw. 5 % zu erteilen, da die E.-strasse eine lärmbelastete Strasse und für Wohnen nicht attraktiv sei.

B. Mit Beschluss vom 22. Januar 2019 verweigerte der Stadtrat von Zug die nachträgliche Bewilligung zur Unterschreitung des Wohnanteils um 75,95 m2. Es wurde angeordnet, dass innert 12 Monaten ab Rechtskraft dieses Entscheides die Gewerbenutzung (Büro- oder Praxisnutzung) im Umfang von 75,95 m2 aufzugeben sei.

C. Eine Beschwerde gegen den Entscheid des Stadtrats von Zug hiess der Regierungsrat des Kantons Zug mit Beschluss vom 2. Juni 2020 gut, hob den vorinstanzlichen Entscheid auf und bewilligte die beantragte Reduktion des Mindestwohnanteils bei der Liegenschaft E.-strasse F., Zug, GS Nr. D., um 75,95 m2 bzw. 5 %, nachdem am 19. Juni 2019 die Baudirektion in Anwesenheit der Beschwerdeparteien einen Augenschein durchgeführt hatte. Der Regierungsrat begründete seinen Entscheid damit, die am Augenschein gemachten Feststellungen hätten aufgezeigt, dass die wegen des Restaurants G. und des Restaurants H. bestehenden erheblichen Lärm- und Geruchsimmissionen auf die Liegenschaft E.-strasse F. sowie die Parkierungsanlagen und die Verkehrssituation im Innenhof bei der Liegenschaft E.-strasse F. zu einer schlechten Wohnqualität im Sinne von § 18 lit. a der Bauordnung der Stadt Zug (BO) führten. Es sei nicht ersichtlich, wie die Wohnqualität verbessert werden könnte. Eine Unterschreitung des Wohnanteils um 5 % im vorliegenden Fall sei aus den dargelegten Gründen verhältnismässig und könne bewilligt werden.

D. Gegen den Regierungsratsbeschluss vom 2. Juni 2020 erhob der Stadtrat von Zug am 3. Juli 2020 Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragte, der Regierungsratsbeschluss sei aufzuheben, unter Kostenfolge zulasten der Beschwerdegegner.

Aus den Erwägungen:

(…)
4.
4.1 Gemäss § 36 BO ist in der Kernzone C (KC) ein minimaler Wohnanteil von 50 % vorgeschrieben. Paragraf 17 Abs. 3 aV PBG sieht vor, dass der Gemeinderat bei besonderen Verhältnissen die Mindestnutzungsanteile reduzieren oder auf sie verzichten kann. Gemäss § 18 BO kann der Stadtrat den Wohnanteil reduzieren oder aufheben, a) wenn die Wohnqualität wegen der Lage der Räume schlecht ist und nicht verbessert werden kann, b) wenn die Reduktion Kleinbetrieben im Erdgeschoss dient, c) wenn Einrichtungen öffentlichen Interessen oder der Quartierversorgung dienen. Die Kernzone C ist der Lärmempfindlichkeitsstufe III zugewiesen (§ 36 BO). Die Empfindlichkeitsstufe III gilt gemäss Art. 43 Abs. 1 lit. c LSV in Zonen, in denen mässig störende Betriebe zugelassen sind, namentlich in Wohn- und Gewerbezonen (Mischzonen) sowie Landwirtschaftszonen.

4.2 Vorliegend geht es um die Auslegung von § 18 lit. a BO, somit um die Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs des kommunalen Rechts. Die Bundesverfassung gewährleistet die Gemeindeautonomie nach Massgabe des kantonalen Rechts (Art. 50 Abs. 1 BV). Nach der Rechtsprechung sind Gemeinden in einem Sachbereich autonom, wenn das kantonale Recht diesen nicht abschliessend ordnet, sondern ganz oder teilweise der Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt. Der geschützte Autonomiebereich kann sich auf die Befugnis zum Erlass oder Vollzug eigener kommunaler Vorschriften beziehen oder einen entsprechenden Spielraum bei der Anwendung kantonalen oder eidgenössischen Rechts betreffen. Der Schutz der Gemeindeautonomie setzt eine solche nicht in einem ganzen Aufgabengebiet, sondern lediglich im streitigen Bereich voraus. Im Einzelnen ergibt sich der Umfang der kommunalen Autonomie aus dem für den entsprechenden Bereich anwendbaren kantonalen Verfassungs- und Gesetzesrecht (BGE 137 I 235 E. 2.2 m.w.H.; Marco Donatsch, in: Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], 3. Aufl. 2014, § 20 N 57). Die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe des kommunalen Rechts steht in erster Linie den kommunalen Behörden zu und ist von den Rechtsmittelbehörden nur mit Zurückhaltung zu überprüfen. Der Gemeinde steht diesbezüglich somit eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit und damit eine Autonomie zu, und die Rechtsmittelinstanzen dürfen nicht unter mehreren verfügbaren und angemessenen Auslegungsmöglichkeiten eine sinnvolle, zweckmässige Interpretation einer kommunalen Norm durch die Gemeinde durch ihre eigene Auslegung ersetzen (vgl. BGE 136 I 395 E. 3.2.3; BGer 1C_5/2016 vom 18. Mai 2016 E. 3.3 m.w.H.). Der Stadtrat von Zug verfügt somit bei der Auslegung von § 18 lit. a BO über Autonomie.

5.
5.1 Der Stadtrat von Zug hält in seinem Beschluss vom 22. Januar 2019, mit welchem er die nachträgliche Bewilligung zur Unterschreitung des Wohnanteils verweigert, fest, alle drei Vierzimmer-Wohnungen im Wohn- und Geschäftshaus an der E.-strasse F. hätten gleiche Grundrisse. Das Wohn- und Esszimmer sei zum «Durchwohnen» konzipiert. Das heisse, das Lüften über den ruhigen Innenhof sei problemlos möglich. Zudem sei ein Schlafzimmer pro Wohnung ebenfalls zum Innenhof orientiert. Es sei somit nicht nachgewiesen, warum die Wohnqualität wegen der Lage der Räume so schlecht sein sollte, dass der Wohnanteil reduziert werden müsste. Auch eine Ausnahmebewilligung im Sinne von § 31 Abs. 1 aV PBG könne nicht erteilt werden. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern die Einhaltung des Wohnanteils zu einer unzweckmässigen Lösung führe oder eine unbillige Härte bedeuten würde, zumal die Räume im zweiten und dritten Obergeschoss in den am 11. Mai 2017 zur Bewilligung eingegangenen und am 22. Juni 2017 bewilligten Plänen als Wohnnutzungen ausgewiesen worden seien. Im Übrigen stehe es der Bauherrschaft frei, den fehlenden Wohnanteil mittels Übertragung von Nutzungsanteilen gemäss § 17 Abs. 2 aV PBG zu heilen.

5.2 Der Regierungsrat begründet die Gutheissung der Verwaltungsbeschwerde in seinem Beschluss wie folgt (E. 2c f.):

«Am Augenschein der Baudirektion vom 19. Juni 2019 konnte festgestellt werden, dass südlich der streitbetroffenen Liegenschaft E.-strasse F. beim Restaurant G. eine grössere Lüftungsanlage besteht, die auf dieser Seite zu Lärm- und Geruchsimmissionen führt. Die Anlage befindet sich auf einem Garagenanbau, d.h. ungefähr auf Höhe des ersten Obergeschosses der streitbetroffenen Liegenschaft, und ist auf die Fassade der E.-strasse F. gerichtet. Die Distanz zwischen dem Gebäude des Restaurants G. und der E.-strasse F. beträgt an der schmalsten Stelle nur ca. 2 Meter. Die Distanz der Lüftungsanlage zu den nächsten Fenstern der E.-strasse F. beträgt ungefähr 5-6 Meter, womit diese direkt von den Immissionen betroffen sind. Der Saal des Restaurants G. («SäIi») für grössere Festgesellschaften (gemäss der Website des Restaurants G. bis zu 55 Personen) befindet sich im 1. Obergeschoss und damit auf Höhe des 1. und 2. Obergeschosses der E.-strasse F. ebenfalls in wenigen Metern Distanz. Im 3. Obergeschoss des Restaurants G. besteht noch eine grössere Terrasse, die ebenfalls für das Restaurant genutzt und zu entsprechenden Immissionen führen kann. Schliesslich befindet sich auf dieser Seite auch ein Ein- und Ausgang des Restaurants G. mit einer schweren Holztüre, die zu den Parkplätzen führt. Die Gäste betreten und verlassen das Restaurant durch diese Türe, was mit entsprechenden Immissionen auf die E.-strasse F. verbunden ist. Nördlich von der streitbetroffenen Liegenschaft an der E.-strasse K. besteht im Erdgeschoss ein zweites Restaurant, nämlich das «H.». In Richtung Hinterhof hat das Restaurant einen Anbau erstellt, in dem weitere Gäste bewirtet werden. Ein Lüftungsrohr führt vom Restaurant die Hauswand hinauf, wobei das Rohr ungefähr 2 Meter über den Dachrand hinausgeführt wird. Mit den beiden direkt angrenzenden Restaurants sind erhebliche Lärm- und Geruchsimmissionen auf die Liegenschaft E.-strasse F. verbunden, was zu einer schlechten Wohnqualität im Sinne von § 18 lit. a BO führt.

Es konnte am Augenschein auch festgestellt werden, dass östlich der E.-strasse F. im Innenhof eine oberirdische Parkierungsanlage mit ca. 50 Parkplätzen vorhanden ist. Der Innenhof wird hauptsächlich von der L.-strasse her erschlossen. Weiter besteht für eine unterirdische Garage eine Ein- und Ausfahrt mit einer relativ steilen Rampe, die auf die streitbetroffene Liegenschaft zuläuft. Die Rampe liegt in ca. 12 Meter Entfernung zur E.-strasse F. und hat entsprechende Immissionen auf die Liegenschaft zur Folge. Es konnte weiter festgestellt werden, dass mehrere Parkplätze vorhanden sind, die unmittelbar an das Gebäude grenzen oder nur einen sehr kleinen Abstand zur E.-strasse F. einhalten. Selbstredend ist das mit Immissionen wie Motorenlärm und Türenschlagen auf die Liegenschaft verbunden. Die schmale Lücke zwischen dem Restaurant G. und der E.-strasse F. kann ebenfalls für motorisierte Fahrzeuge als Erschliessung für die Parkplätze benutzt werden, was mit Lärm- und Abgasimmissionen für die E.-strasse F. aus kleiner Distanz verbunden ist. Schliesslich befindet sich auch die Garage bzw. das Garagentor des Restaurants G. in unmittelbarer Nähe der E.-strasse F. Auf der Westseite der streitbetroffenen Liegenschaft liegt die E.-strasse, auf der erheblicher Auto- und Busverkehr festgestellt werden konnte. Auf der Ostseite der E.-strasse war am Augenschein der Verkehrslärm so laut, dass man sich gegenseitig nicht verstand und auf die Westseite wechseln musste. Gemäss der Berechnung der Bauherrschaft vom 16. September 2019 fahren an Werktagen bis zu 537 öffentliche Verkehrsbusse der Linien 3, 6, 7, 11 und 16 vor der E.-strasse F. durch. Auf der gegenüberliegenden Seite der E.-strasse F. befindet sich zudem eine Bushaltestelle, was mit zusätzlichem Lärm beim Anhalten und Anfahren der Busse verbunden ist. Daraus folgt, dass auch die Parkierungsanlagen und die Verkehrssituation bei der Liegenschaft E.-strasse F. zu einer schlechten Wohnqualität im Sinne von § 18 lit. a BO führen.»

5.3 Gemäss den Ausführungen in E. 4.2 verfügt der Stadtrat von Zug bei der Auslegung von § 18 lit. a BO über Autonomie. Es fragt sich deshalb, ob der Regierungsrat diese Gemeindeautonomie respektiert oder ob er stattdessen einen vertretbaren Entscheid der Gemeinde in unzulässiger Weise korrigiert bzw. zu Unrecht in das Ermessen der kommunalen Behörde eingegriffen hat. Dem Verwaltungsgericht kommt nur Rechtskontrolle zu (§ 63 Abs. 1 VRG). Dagegen ist es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts, eine eigene umfassende Beurteilung der Wohnqualität im streitgegenständlichen Gebäude vorzunehmen; damit würde es seine eigene Kognition überschreiten (BGer 1P.678/2004 vom 21. Juni 2005 E. 4.3, in: ZBl 107/2006 S. 430 ff.).

5.4 Bei der Anwendung von § 18 lit. a BO muss im konkreten Fall festgestellt werden, was wegen der Lage der Räume als schlechte Wohnqualität anzusehen ist, welche nicht verbessert werden kann. Der Stadtrat von Zug begründete seinen ablehnenden Beschluss vom 22. Januar 2019 eher knapp. Zu einer ausgedehnteren Begründung war er jedoch auch nicht verpflichtet, begründete die Beschwerdegegnerin 1 ihr Gesuch vom 24. September 2018 um Nutzungsänderung, Wohnen zu Büro, doch einzig mit der lärmbelasteten E.-strasse, die für das Wohnen nicht attraktiv sei. Dass die Lärmemissionen der E.-strasse hoch sind, ist unbestritten. Das belegte u.a. auch der von der Baudirektion am 19. Juni 2019 von 11:00 bis 12:00 Uhr durchgeführte Augenschein. Gemäss Strassenlärmkataster (s. https://www.zugmap.ch), Beurteilungspunkt M., ist der Immissionsgrenzwert bei der Liegenschaft E.-strasse F. um 3 dB(A) am Tag und in der Nacht überschritten. Gerade der Augenschein zeigte aber auch auf, dass es im Innenhof auf der Ostseite wesentlich ruhiger ist und die Grenzwerte mit Sicherheit nicht überschritten sind, auch wenn es auch dort unbestrittenermassen sowohl Lärm- als auch Geruchsimmissionen durch die Restaurants G. und H., die 50 oberirdischen Parkplätze sowie die Ein- und Ausfahrt zur und von der unterirdischen Garage gibt. Den Plänen kann entnommen werden, dass alle Wohn- bzw. Esszimmer der drei ohne Bewilligung umgenutzten Vierzimmer-Wohnungen im 2. und 3. Obergeschoss auf den Innenhof entlüftet werden können. Jede Vierzimmer-Wohnung verfügt zudem im Bereich der Küche über einen Balkon, und zudem ist ein Schlafzimmer pro Wohnung ebenfalls zum Innenhof orientiert. Damit kann ohne weiteres festgestellt werden, dass die Einschränkung der Wohnqualität durch die lärmige E.-strasse zu einem grossen Teil dadurch kompensiert werden kann, dass die Wohnungen zum wesentlich ruhigeren Innenhof entlüftet werden können und mit den Küchen und zumindest einem Schlafzimmer pro Wohnung weitere Räume vorhanden sind, die dorthin ausgerichtet sind. Bei der Beurteilung der Frage, ob tatsächlich eine schlechte Wohnqualität im Sinne von § 18 lit. a BO vorhanden ist, ist nicht nur die Abwesenheit von übermässigen Lärmimmissionen massgebend, sondern es sind auch andere Aspekte zu berücksichtigen. Unter Wohnqualität sind die Vorzüge zu verstehen, welche das Wohlbefinden der Bevölkerung positiv beeinflussen. Gefragt sind z.B. gute Verkehrserschliessung (auch durch öffentlichen Verkehr), geringe Lärm- und Luftbelastung, gute Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, ausreichend Grün- und Freiräume, hochwertige und identitätsstiftende Architektur sowie eine Siedlungsstruktur, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördert und Möglichkeiten der Beteiligung am Gemeinschaftsleben bietet (Pierre Tschannen, in: Praxiskommentar RPG: Richt- und Sachplanung, Interessenabwägung, 2019, Art. 1 N 32; Huser/Bühlmann/Muggli, Begriffe zur Raumplanung, ein Nachschlagewerk für die Praxis, VLP-Schrift Nr. 67, 1996, S. 142 f.; Bericht des Bundesrates vom 18. Februar 2015 zur Agglomerationspolitik des Bundes 2016+, S. 89; Botschaft vom 20. Januar 2010 zu einer Teilrevision des Raumplanungsgesetzes, BBl 2010 1070). Mit Ausnahme der geringen Lärm- und Luftbelastung scheinen die genannten beispielhaften Aspekte, welche zur Wohnqualität beitragen, im vorliegenden Fall vorhanden zu sein; die Beschwerdeführerin bringt jedenfalls ausser der wegen der vorhandenen Lärmbelastung durch die E.-strasse etwas eingeschränkten Attraktivität für das Wohnen nichts Gegenteiliges vor. Hinzu kommen unbestrittenermassen gewisse Geruchsimmissionen von den beiden Restaurants. Im Gebäude bestehen aber auch bereits Wohnnutzungen, weshalb es offenbar nicht derart unzumutbar ist, in diesem Gebäude zu wohnen, wie dies die Beschwerdegegnerin 1 sinngemäss weismachen möchte. Dass die Räume offenbar zur Geschäftsnutzung leichter zu vermieten sind als zur Wohnnutzung, reicht allein nicht aus, den vorgeschriebenen Mindestnutzungsanteil zu reduzieren. Zu berücksichtigen ist auch, dass an der Einhaltung der Mindestwohnanteile ein gewichtiges öffentliches Interesse besteht. Es ist ein raumplanerisch und sozialpolitisch wichtiges Anliegen, der Entleerung der Stadtkerne von der Wohnbevölkerung entgegenzuwirken und die erwünschte Durchmischung von Arbeits- und Wohnplätzen sicherzustellen, um damit möglichst auch preisgünstige Wohnungen zu erhalten und den Verkehrsstrom der Pendler zu reduzieren (BGE 111 Ia 93 E. 2b). Die Wohnlichkeit der Städte bedingt unter anderem, dass die Wohnnutzung in den Zentren erhalten bleibt und die Stadtkerne auch ausserhalb der Arbeitszeit belebt sind. In der Stadt Zug reicht die Kernzone C entlang der N.- und der E.-strasse von I. bis zur J.-strasse. Eine zu liberale Gewährung von Wohnanteilsreduktionen in der Kernzone C würde es zukünftigen Bauherrschaften leicht machen, gestützt auf vorhandene Lärmquellen eine Reduktion von Wohnanteilen zu erhalten, was die auf demokratischem Weg zustande gekommenen Wohnanteilsvorschriften unterlaufen würde. Dem Stadtrat ist zudem zuzustimmen, dass Verkehrsimmissionen allenfalls durch zumutbare Schallschutzmassnahmen auf eine für die Wohnnutzung erträgliche Lärmbelastung vermindert werden können (vgl. Art. 20 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Umweltschutz [Umweltschutzgesetz, USG; SR 814.01]) und im Übrigen der Lärm in erster Linie durch Massnahmen bei der Quelle zu begrenzen ist (Art. 11 Abs. 1 USG), somit eine allenfalls festgestellte schlechte Wohnqualität wegen der Lage der Räume durchaus verbessert werden kann. Das Vorhandensein von Gründen für einen Verzicht auf allfällige Schallschutzmassnahmen (vgl. Art. 15 Abs. 3 LSV) hat die Beschwerdegegnerin 1 jedenfalls nicht belegt.

5.5 Wenn der Stadtrat von Zug unter Berücksichtigung all dieser Umstände den Schluss zog, die Voraussetzungen von § 18 lit. a BO seien nicht erfüllt, ist dies vertretbar. Der Regierungsrat hat mit seiner eigenen Würdigung zu Unrecht in das Ermessen der kommunalen Behörde eingegriffen. In dieser Überschreitung der Prüfungsbefugnis liegt Willkür, was eine Rechtsverletzung bedeutet. Gleichzeitig hat der Regierungsrat damit die Gemeindeautonomie verletzt. Die Beschwerde ist begründet und daher gutzuheissen. Der Entscheid des Regierungsrats vom 2. Juni 2020 ist aufzuheben.

(…)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14. Juni 2021, V 2020 34
Das Urteil ist rechtskräftig.
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