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Art. 23 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 lit. b und d UWG, Art. 31 StGB

Regeste:

Art. 23 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 lit. b und d UWG, Art. 31 StGB - Natur eines UWG-Deliktes; Dauer - oder Zustandsdelikt

Aus den Erwägungen:

2.2.1 Der Beschuldigte lässt weiter einwenden, der Strafantrag sei verspätet. Bei den Delikten, für welche der Beschuldigte von der Vorinstanz schuldig gesprochen worden sei, handle es sich entgegen deren Auffassung nicht um Dauerdelikte, bei denen die Frist zur Stellung des Strafantrages erst mit ihrer Beendigung zu laufen beginne. Vielmehr seien dies sogenannte Zustandsdelikte. Das tatbestandsmässige Verhalten bestehe alleine in der Aufschaltung von Webseiten mit unlauterem Inhalt. Das blosse «Aufgeschaltet lassen» dieser Webseiten erfülle für sich alleine die strafrechtlichen Tatbestände gemäss UWG hingegen nicht. Es gebe eine strafbewehrte Verpflichtung, einen UWG-Verstoss nicht zu begehen bzw. einen unlauteren Zustand nicht zu schaffen, hingegen keine ausreichend konkret strafbewehrte Verpflichtung, einen solchen nicht aufrecht zu erhalten bzw. zu beseitigen. Eine durch eine Webseite verursachte unlautere Irreführung oder Verwechslungsgefahr werde mit der Aufschaltung dieser Webseite begangen und sogleich vollendet. Nach der Aufschaltung werde ein womöglich rechtswidriger Zustand bloss aufrechterhalten, aber nicht neu begangen. Daran ändere nichts, dass das Bundesgericht die Rechtsfigur der verjährungsrechtlichen Einheit aufgegeben habe; es gehe vorliegend nicht darum, ob verschiedene aufeinanderfolgende Delikte in einer verjährungsrechtlichen Einheit zusammengefasst werden müssten, sondern nur darum, wann das von den Strafbestimmungen erfasste Verhalten beendet war. Ein Dauerdelikt könne auch nicht konstruiert werden mit der Behauptung, der Beschuldigte habe Anpassungen oder Änderungen an der Webseite vorgenommen, zumal keine Aufschaltung von neuen Elementen behauptet werde.

Das SECO beschreibe im Strafantrag, es habe bereits im Jahr 2013 Kenntnis von den vorliegend zu beurteilenden Taten gehabt. Es habe die X. GmbH am 12. September 2013 hinsichtlich exakt derjenigen Sachverhalte abgemahnt, die Gegenstand der Anklage bilden würden. Die Strafantragsfrist sei daher spätestens im Dezember 2013 abgelaufen.

2.2.2 Das Strafantragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten; die Strafantragsfrist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird (Art. 31 StGB). Dies setzt begrifflich die Kenntnis der Tat voraus, sodass zur Fristauslösung Kenntnis von Tat und Täter erforderlich ist (Riedo, Basler Kommentar, 4. A. 2019, Art. 31 StGB N 6 m.H.). Der Täter muss nicht namentlich bekannt, jedoch individualisierbar sein, etwa anhand einer bestimmten Funktion (Riedo, a.a.O., Art. 31 StGB N 27). Bekannt im Sinne von Art. 31 StGB ist der Täter nicht schon, wenn der Verletzte gegen eine bestimmte Person einen Verdacht hegt. Erforderlich ist vielmehr eine sichere, zuverlässige Kenntnis, die ein Vorgehen gegen den Täter als aussichtsreich erscheinen lässt und die antragsberechtigte Person gleichzeitig davor schützt, wegen falscher Anschuldigung oder übler Nachrede belangt zu werden (BGE 126 IV 131 E. 2a). Die berechtigte Person ist nicht verpflichtet, nach dem Täter zu forschen, und das blosse Kennenmüssen des Täters oder ein blosser Verdacht löst die Antragsfrist nicht aus. Im Falle von Mittäterschaft genügt jedoch die Kenntnis eines Mittäters (Urteil des Bundesgerichts 6B/1148/2013 vom 5. Dezember 2014 E. 2.2). Der Antragsberechtigte darf auch nicht zuwarten, bis er genügend Beweismittel in den Händen hält (Riedo, a.a.O., Art. 31 StGB N 28 m.H.).

2.2.3 Die Webseiten, auf denen der Beschuldigte die beanstandeten Äusserungen verbreitet haben soll, wurden unbestrittenermassen mehr als drei Monate vor Einreichung der Strafanzeige aufgeschaltet. Es ist auch erstellt, dass die Privatklägerin schon im Jahre 2013 Kenntnis vom Sachverhalt hatte und den Beschuldigten am 12. September 2013 abmahnte. Sollte die Auffassung des Beschuldigten zutreffen und sich ein allfälliges strafbares Verhalten im Aufschalten der Webseiten mit den strittigen Äusserungen erschöpfen, wäre der Strafantrag in der Tat verspätet und wäre das Verfahren einzustellen.

Indessen handelt es sich bei einer Widerhandlung gegen Art. 23 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 lit. b, lit. c oder lit. d UWG entgegen der Auffassung des Beschuldigten nicht um ein sogenanntes Zustandsdelikt. Als Zustandsdelikte werden gemeinhin Taten bezeichnet, die einen rechtswidrigen Sachverhalt herstellen, der ohne weiteres Zutun des Täters anhält (Trechsel/Capus, Schweizerisches Strafgesetzbuch Praxiskommentar, Trechsel/Pieth [Hrsg.], 3.A. 2018, Art. 98 StGB N 6 m.H.). Als Schulbeispiel dient die Bigamie (Art. 215 StGB). Das Bundesgericht hat auch eine durch Publikation im Internet begangene üble Nachrede (Art. 173 StGB) als Zustandsdelikt bezeichnet und entsprechend festgestellt, dass die Verjährungsfrist mit der Publikation zu laufen beginnt (BGE 142 IV 18 = Pra 2016 Nr. 64). Dauerdelikte liegen demgegenüber gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung vor, «wenn die Begründung des rechtswidrigen Zustandes mit den Handlungen, die zu seiner Aufrechterhaltung vorgenommen werden, bzw. mit der Unterlassung seiner Aufhebung eine Einheit bildet und das auf Perpetuierung des deliktischen Erfolgs gerichtete Verhalten vom betreffenden Straftatbestand ausdrücklich oder sinngemäss mitumfasst wird. […] Dauerdelikte sind mit anderen Worten dadurch gekennzeichnet, dass die zeitliche Fortdauer eines rechtswidrigen Zustandes oder Verhaltens noch tatbestandsmässiges Unrecht bildet» (BGE 131 IV 83 E. 2.1.2 m.H.; Trechsel/Capus, a.a.O., Art. 98 StGB N 5 m.H.).

Das UWG stellt die Beteiligung am wirtschaftlichen Wettbewerb mit unlauteren Mitteln unter Strafe. Wettbewerbshandlungen wie etwa das Aufhängen eines Plakates oder eben auch die Publikation einer bestimmten wettbewerbsrelevanten Äusserung im Internet lassen sich zwar auf einen bestimmten Zeitpunkt eingrenzen. Die Teilnahme am Wettbewerb ist aber stets auf Dauer ausgerichtet, und entsprechend dienen auch die Wettbewerbshandlungen dazu, sich auf Dauer in diesem Wettbewerb zu behaupten. Im Falle einer unlauteren bzw. strafbaren Wettbewerbshandlung ist diese mithin stets auf die Aufrechterhaltung des deliktischen Erfolgs gerichtet, d.h. auf die dauerhafte Beteiligung am Wettbewerb mit unlauteren Mitteln. Solange der Wettbewerb besteht und die unlautere Äusserung in diesem Rahmen verbreitet wird, bleibt auch der Wettbewerb unlauter. Wollte man die Widerhandlung gegen das UWG als Zustandsdelikt begreifen, so müsste die Tatsache, dass der unlautere Wettbewerb besteht und nicht behoben wird, obwohl er behoben werden könnte, irrelevant bleiben. Dies kann nicht richtig sein, denn das Rechtsgut des lauteren Wettbewerbs muss dauerhaft respektiert werden. Die zeitliche Fortdauer des rechtswidrigen Zustandes bildet genauso tatbestandsmässiges Unrecht wie dessen Begründung. Mindestens sinngemäss ist das auf die Perpetuierung des deliktischen Erfolgs gerichtete Verhalten von den strafrechtlichen Tatbeständen gemäss Art. 23 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 lit. b, lit. c und lit. d UWG mitumfasst. Damit übereinstimmend macht sich nicht nur strafbar, wer sich im Rahmen des wirtschaftlichen Wettbewerbs unlauter äussert, sondern auch derjenige, der in seiner Eigenschaft als Geschäftsherr eine bestehende unlautere Äusserung nicht beseitigt, selbst wenn diese nicht von ihm persönlich stammt (vgl. Art. 26 UWG i.V.m. Art. 6 Abs. 3 VStrR).

Aus dem Urteil des Bundesgerichts 6S.184/2003 lässt sich entgegen der Auffassung des Beschuldigten nichts Gegenteiliges herleiten. In diesem Entscheid war die Frage der verjährungsrechtlichen Einheit mehrerer Widerhandlungen gegen das UWG zu entscheiden. Vorliegend geht es hingegen darum, ob die Publikation und die Beibehaltung einer (angenommen) unlauteren Äusserung im Internet den Schluss zulassen, dieses Verhalten sei auf die Perpetuierung des deliktischen Erfolgs ausgerichtet. Dies ist, wie gezeigt, der Fall. Ob die verschiedenen in casu dem Beschuldigten vorgeworfenen Widerhandlungen gegen das UWG untereinander eine verjährungsrechtliche Einheit bilden, ist dabei nicht von Belang bzw. eine andere Frage. Des Weiteren ist auch der erwähnte Entscheid BGE 142 IV 18 nicht einschlägig; die Tatsache der Publikation im Internet begründet für sich keine Gleichsetzung von so unterschiedlichen Tatbeständen wie Widerhandlungen gegen das UWG und Ehrverletzungsdelikten mit Bezug auf ihre Natur als Dauer- bzw. Zustandsdelikte. Die UWG-Widerhandlung ist, wie gezeigt und im Gegensatz zur ehrverletzenden Äusserung, auf einen andauernden deliktischen Erfolg ausgerichtet.

Hinzu kommt ein Weiteres: Wie ausgeführt, hängt die Klageberechtigung der Privatklägerin von einem öffentlichen Interesse ab, welches ab einer gewissen Anzahl von Beschwerden als tangiert gilt. Wollte man unlautere Wettbewerbshandlungen als Zustandsdelikte begreifen und entsprechend den Zeitpunkt der erstmaligen unlauteren Äusserung bzw. deren Kenntnisnahme durch die Privatklägerin als fristauslösend, so könnte regelmässig der Fall eintreten, dass im Zeitpunkt des Vorliegens des öffentlichen Interesses die Strafantragsfrist bereits abgelaufen ist. Auch dies spricht für die Qualifikation der hier strittigen Delikte als Dauerdelikte. Die Strafantragsfrist ist mithin entgegen der Auffassung des Beschuldigten gewahrt, nachdem die fraglichen Äusserungen im Zeitpunkt des Strafantrages unstrittig im Internet aufgeschaltet waren.

Obergericht, Strafabteilung, Urteil vom 6. Oktober 2021 (S 2020 24)

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