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Art. 223 Abs. 2 und Art. 229 ZPO

Art. 257 Abs. 1 ZPO

Regeste:

Art. 257 Abs. 1 ZPO – Das Gericht gewährt Rechtsschutz im summarischen Verfahren, wenn der Sachverhalt unbestritten oder sofort beweisbar ist und – kumulativ – die Rechtslage klar ist. Wenn dieser Rechtsschutz nicht gewährt werden kann, tritt das Gericht auf das Gesuch nicht ein.

Aus den Erwägungen:

(...)

6. Gemäss Art. 257 Abs. 1 ZPO gewährt das Gericht Rechtsschutz im summarischen Verfahren, wenn der Sachverhalt unbestritten oder sofort beweisbar ist (lit. a) und – kumulativ – die Rechtslage klar ist (lit. b).

6.1 Ein unbestrittener Sachverhalt liegt vor, wenn die beklagte Partei die Behauptungen der klagenden Partei gar nicht bzw. nicht genügend substanziiert bestreitet (Hofmann, Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Basel 2010, N 10 zu Art. 257 ZPO) oder wenn sie diese anerkennt (Koslar, in: Baker & McKenzie, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bern 2010, N 6 zu Art. 257 ZPO).

Der Gesuchsgegner hat in seinen Rechtsschriften grundsätzlich die Tatsachenbehauptungen des Gesuchsgegners einzeln und umfassend bestritten.

Dem Gesuchsteller zufolge bestreitet der Gesuchsgegner aber nicht, ihm wichtige Auskünfte betreffend den Nachlass, insbesondere zur N. Stiftung und zur C.L. Ltd., vorzuenthalten. Der Gesuchsgegner behauptet, dass der Gesuchsteller alle relevanten Nachlassakten, die ihm zustehen würden, erhalten bzw. eingesehen habe. Die N. Stiftung selber gehöre nicht zum Nachlass und über deren Vermögenswerte sei der Gesuchsteller, soweit sie seine Erbenstellung betreffen würden, informiert worden. Auch mit Bezug auf die C.L. Ltd. habe der Gesuchsteller vollumfänglich über die relevanten Vermögensverhältnisse Auskunft erhalten, soweit nicht Datenschutzrechte Dritter vorgehen würden. Den Vorschlag, eine Revisionsstelle mit der Einsichtnahme in sämtliche Daten der C.L. Ltd. und der Berichterstattung an die Erben zu beauftragen, habe der Gesuchssteller ohne Begründung abgewiesen. Uneinigkeit besteht zwischen den Parteien somit über den Umfang der Informationspflicht. Diesbezüglich gelten die Behauptungen des Gesuchstellers als vom Gesuchsgegner rechtsgenügend widersprochen.

Mithin liegt kein unbestrittener Sachverhalt vor.

6.2 Auch wenn die Tatsachenvorbringen des Gesuchstellers bestritten sind, kann Rechtsschutz gewährt werden, wenn die bestrittenen Tatsachen sofort beweisbar bzw. die von der Gegenpartei vorgebrachten Einwendungen sofort entkräftbar sind. Dies setzt sofort verfügbare Beweismittel, d.h. Urkunden, voraus. Expertisen, Zeugeneinvernahmen sowie Parteibefragungen fallen dagegen grundsätzlich ausser Betracht. Nicht sofort bewiesen ist der Sachverhalt, wenn glaubhafte und vertretbare Einreden oder Einwendungen gemacht werden, die Zweifel an der Richtigkeit des Tatsachenvortrags des Gesuchstellers begründen und umfangreiche Abklärungen erfordern. Offenkundig haltlose (Schutz-)Behauptungen vermögen den schnellen Rechtsschutz genauso wenig aufzuhalten, wie die bewusste Verkomplizierung der Angelegenheit durch den Gesuchsgegner, um das Gericht zu verwirren und so den Anschein eines illiquiden Sachverhalts zu erwecken. Für bestrittene Tatsachen hat der Gesuchsteller nach den üblichen Beweislastregeln den vollen Beweis zu erbringen (vgl. Göksu, in: Brunner/Gas­ser/Schwander, Schweizerische Zivilprozessordnung, Kommentar, Zürich/St. Gallen 2011, N 8 zu Art. 257 ZPO, mit Hinweisen; Koslar, a.a.O., N 9 ff. zu Art. 257 ZPO; Sutter-Somm/ Lötscher, in: Sutter-Somm, Hasenböhler/Leuenberger, Kommentar zur schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich 2010, N 4 ff. zu Art. 257 ZPO, mit Hinweisen).

Der Gesuchsteller behauptet zusammenfassend, dass die N. Stiftung zum Nachlass gehören würde, weshalb ihm ein umfassender Informationsanspruch darüber zustehe. Dies wird vom Gesuchsgegner bestritten. Seine Behauptung hat der Gesuchsteller mit dem Hinweis auf die eingereichten Belege 2 und 38 zu seinem Gesuch nicht derart nachgewiesen, dass keine ernsthaften Zweifel mehr darüber bestehen oder die verbleibenden Zweifel als leicht erscheinen (vgl. Staehelin/Staehelin/Groli­mund, Zivilprozessrecht, Zürich 2008, § 18 N 38).

Mit Bezug auf einen Informationsanspruch zur C.L. Ltd. macht der Gesuchsteller geltend, es sei nicht auszuschliessen, dass diese Drittpersonen bei Steuervergehen behilflich gewesen sei, was eine potenzielle Haftung des Nachlasses und/oder der Erben zur Folge haben könne. Der Gesuchsgegner bestreitet dies ausführlich und hält fest, dass aus der Geschäftstätigkeit der C.L. Ltd. und ihrer Organe keinerlei Risiko für den Nachlass hergeleitet werden könne. Bezüglich der Policen Dritter bestehe seitens der Aktionäre – wozu der Erblasser zählte – keine Haftung. Somit bestehe auch kein Haftungsrisiko für den Nachlass. Im Übrigen habe die Revisionsstelle in ihren Revisionsstellenberichten nie ein Haftungsrisiko der C.L. Ltd. qualifiziert. Dass ein potenzielles Haftungsrisiko besteht, hat der Gesuchsteller bei diesen Einwänden ebenfalls nicht rechtsgenügend nachgewiesen.

Mithin kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die vom Gesuchsgegner bestrittenen Tatsachen vom Gesuchsteller sofort bewiesen oder entkräftet worden sind.

6.3 Weiter muss die Rechtslage klar sein. Das setzt voraus, dass über die Bedeutung einer Rechtsvorschrift kein begründeter Zweifel bestehen darf. Dies trifft zu, wenn sich aus dem Wortlaut des objektiven Rechts oder aus einer gefestigten Ansicht in Lehre und/oder Praxis eine eindeutige Antwort ergibt. Ist die Subsumtion dagegen nicht offenkundig, müssen ausgiebig juristische Recherchen angestellt werden, stellen sich heikle juristische Abgrenzungsfragen, verweist eine Norm auf richterliches Ermessen (z.B. bei Treu und Glauben oder wichtige Gründe) bzw. handelt es sich um Generalklauseln, besteht keine einschlägige Gerichtspraxis oder sind die Lehrmeinungen kontrovers, so liegt keine klare Rechtslage vor. Besteht eine Rechtsprechung des Bundesgerichts, so ist die Rechtslage klar, auch wenn sie von der Lehre kritisiert wird. Die Anwendung von ausländischem Recht schliesst den Rechtsschutz in klaren Fällen nicht grundsätzlich aus, wenn das Gericht es kennt und kein Gutachten erforderlich ist bzw. wenn dessen Abklärung dem Zweck der Gewährung des schnellen Rechtsschutzes nicht zuwiderläuft (vgl. Göksu, a.a.O., N 11 zu Art. 257 ZPO; Jent-Soerensen, in Oberhammer, Kurzkommentar ZPO, Basel 2010, N 7 ff.).

Vorliegend berufen sich die Parteien auf BGE 90 II 365, BGE 127 III 396 und BGE 132 III 677, interpretieren diese Entscheide jedoch ganz unterschiedlich und leiten daraus andere Ansprüche ab. Bereits dies zeigt, dass die juristische Subsumtion nicht offenkundig ist und heikle juristische Abgrenzungsfragen bestehen, was dem klaren Rechtsschutz widerspricht.

Die N. Stiftung untersteht als liechtensteinische Stiftung grundsätzlich dem liechtensteinischem Recht. Unterschiedlicher Auffassung sind die Parteien darüber, wem die N. Stiftung «gehört» und insbesondere welches Recht auf Auskünfte der N. Stiftung anwendbar ist. Zwar richtet sich das Auskunftsrecht des Gesuchstellers nach BGE 132 III 648 ff. nach Schweizer Recht. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, ob und in welchem Umfang die N. Stiftung Dritten, d.h. auch den Erben eines Begünstigten, Auskunft zu erteilen hat und ob allenfalls doch ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse des Gesuchsgegners als Stiftungsrat der N. Stiftung besteht. Diese Fragen beurteilen sich nach liechtensteinischem Recht, welches nicht bekannt ist und auch nicht sofort und schnell durch zumutbaren Aufwand im Sinne des klaren Rechtsschutzes abgeklärt werden kann. Mithin wäre das vom Gesuchsgegner beantragte Gutachten einzuholen, was beim klaren Rechtsschutz nicht zulässig ist. Insoweit der Gesuchsteller geltend macht, er sei in die Rechtsstellung des Erblassers eingetreten, richtet sich sein Auskunftsrecht ebenfalls nach liechtensteinischem Recht, weil er nicht eine Erbschaftsklage führt, sondern nur die Klage, die seinem Rechtsvorgänger zustand (vgl. BGE 132 III 681 und 687).

Ob dem Gesuchsteller Auskunftsansprüche zu den Versicherungspolicen Dritter bei der C.L. Ltd. zustehen, ist zwischen den Parteien umstritten. Der Gesuchsteller beruft sich dafür auf BGE 90 II 365 und ein vertragliches Auskunftsrecht, während der Gesuchsgegner Datenschutzrecht und das Auskunftsrecht eines Aktionärs ins Feld führt. Auch dies zeigt, dass die Vorgaben gemäss Ziff. 6.3 Abs. 1 der Erwägungen nicht gegeben sind.

Mithin kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die Rechtslage genügend klar ist, um den beantragten Rechtsschutz zu gewähren.

7. Gemäss Art. 257 Abs. 3 ZPO tritt das Gericht nicht auf das Gesuch ein, wenn dieser Rechtsschutz nicht gewährt werden kann.

Kein materieller Entscheid kann ergehen, wenn das Gericht auf das Gesuch um Rechtsschutz in klaren Fällen nicht eintreten kann, weil die Voraussetzungen für ein solches Verfahren fehlen, namentlich der Sachverhalt nicht liquid ist oder kein klares Recht vorliegt. Sobald die Gegenpartei glaubhafte Einwände vorbringen kann, darf das Gericht die Sache nicht materiell prüfen und muss einen Nichteintretensentscheid fällen. Der richterliche Entscheid beschränkt sich in einem solchen Fall auf das (Nicht-)Vorliegen der Liquidität des Rechts oder der Sachlage (Sutter-Somm / Lötscher, a.a.O., N 31 zu Art. 257 ZPO).

Wie oben ausgeführt ist dies vorliegend gegeben, und es hat daher ein Nichteintretensentscheid zu erfolgen. Bei dieser Sach- und Rechtslage müssen die weiteren Einwände des Gesuchsgegners nicht weiter überprüft werden.

Entscheid des Kantonsgerichts, Einzelrichter, vom 4. Juni 2012 (ES 2011 730)

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